L 15 VJ 2/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 VJ 3/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VJ 2/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1964 geborene Kläger begehrt die Anerkennung einer spastischen Parese beider Beine und des linken Armes als Folge eines Impfschadens und Versorgung nach einer MdE von 100 v.H. im Wege eines Zugunstenbescheides gemäß § 44 SGB X.

Der Kläger hat erstmalig am 12.03.1985 Antrag auf Anerkennung von Impfschäden nach dem Bundesseuchengesetz unter Bezugnahme auf ein ärztliches Attest des praktischen Arztes Dr.N. vom 27.02.1985 gestellt, der aufgrund der Entstehung und des Verlaufs der chronischen Erkrankung die Annahme aussprach, dass als Ursache der Behinderung ein Impfschaden verantwortlich sei.

Nach den Eintragungen im Impfbuch war der Kläger am 02.06.1965 "ohne Erfolg" und am 09.06.1965 "mit Erfolg" gegen Pocken geimpft worden. Am 07.10.1965 erfolgte eine Dreifach-Schluck-Impfung gegen Kinderlähmung, die als Ursache für die jetzige Behinderung des Klägers angeschuldigt wird. Mit Bericht vom 23.07.1985 teilte das Gesundheitsamt R. mit, der Kläger sei zur Zeit der Polioimpfung an einem bereits abklingenden grippalen Infekt erkrankt gewesen, noch am Impftag sei hohes Fieber aufgetreten, der Kläger sei über acht Tage schwer erkrankt gewesen und habe danach erhebliche motorische Störungen aufgewiesen. Der Frauenarzt Dr.P. hat mit Schreiben vom 13.06.1985 mitgeteilt, dass über den Gesundheitszustand des Klägers vor der Schluckimpfung nach 20 Jahren keine schriftlichen Unterlagen mehr vorliegen würden, er aber aus der Erinnerung sagen könne, dass die Entwicklung des Klägers bis zur Impfung unproblematisch gewesen sei. Der praktische Arzt Dr.N. hat mit Befund vom 16.10.1985 mitgeteilt, dass der Kläger sich seit 1974 in seiner hausärztlichen Behandlung befinde. Am 29.11.1985 erklärten die Eltern des Klägers zur Niederschrift des Versorgungsamtes N. unter anderem, dass in der Nacht nach der Polio-Schluckimpfung der Kläger an sehr hohem Fieber mit 39° erkrankt sei. Der am Tag darauf gerufene Kinderarzt Dr. R. habe die Eltern beruhigt und erklärt, Fieber sei nach einer Impfung möglich, es sei allerdings hier etwas hoch. Er habe fiebersenkende Anwendungen verordnet. Von da ab habe sich der Junge nicht mehr richtig erholt. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Impfung bereits einige Schritte frei laufen können, sei sehr lebhaft gewesen, habe schon einige Silben - unter anderem Mama und Papa - sagen können. Der Kinderarzt habe den Eltern während der gesamten Zeit die Hoffnung gemacht, dass sich die Reaktion auf die Impfung im Bereich der Norm befinde. Weil das Kind nicht mehr habe stehen können, hätten sich die Eltern mit ihm in die orthopädische Klinik des W.hauses in A. zur Untersuchung begeben. Der untersuchende Arzt habe erklärt, das Kind sei ein Spastiker. Die verordnete Gymnastik sei dann unter ärztlicher Aufsicht in der physikalischen Therapie im Klinikum unter Aufsicht von Dr. A. durchgeführt worden, der erstmalig angedeutet habe, dass das Geschehen auf eine Meningitis nach Polio-Impfung zurückzuführen sein könnte. Der von der Beklagten um eine Stellungnahme gebetene Prof. Dr. M. vom Institut für Virologie und Immunbiologie kam in der Stellungnahme vom 26.05.1986 zu der Beurteilung, dass ein direkter, kausaler Zusammenhang zwischen dem Poliomyelitisimpfvirus und der hier vorliegenden neurologischen Symptomatik nicht hergestellt werden könne. Bei dem vorliegenden Krankheitsfall seien eine Reihe von Befunden nicht mit einer Polio-myelitisinfektion des Zentralnervensystems durch das Impfvirus kompatibel. Zum einen fehle praktisch eine Inkubationszeit. Innerhalb von Stunden nach der oralen Schluckimpfung habe das Kind erhöhte Körpertemperaturen entwickelt, die denen eines fieberhaften Infektes gleichen würden. Diese Temperaturen könnten nicht Folge der Schluckimpfung sein, da die applizierte Virusmenge zu klein sei, um direkt eine Fieberreaktion hervorzurufen. Vielmehr müsse sich dieses Virus erst im enteralen Trakt zu hohen Viruskonzentrationen vermehren, ehe der Organismus reagiere. Zum anderen entspreche das vorliegende neurologische Krankheitsbild mit spastischen Paresen nicht den Läsionen, die das Poliomyelitisvirus hervorrufe, bei dem es zu charakteristischen schlaffen Lähmungen komme.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 06.02.1987 den Antrag des Klägers abgelehnt und dabei auch das Vorliegen der Voraussetzungen der sog. "Kann-Versorgung" verneint.

Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers zum Sozialgericht Nürnberg vom 19.02.1987 (Az.: S 11/Vi 1/87). Das Sozialgericht zog ärztliche Unterlagen bei und holte sodann das Gutachten nach Aktenlage des Prof.Dr.S. vom 13.10.1987 ein. Prof.Dr.S. kam in dem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die spastischen Paresen beider Beine und des linken Armes auf eine Schädigung des Gehirns zurückgehen würden, möglicherweise auf eine zentrale Enzephalitis im Oktober 1985. Zur Polioschluccimpfung hin bestehe kein Zusammenhang. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schädigung des ZNS durch die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung vom 07.10.1965 hervorgerufen worden sei, sei auszuschließen. Ebenso lasse sich ein "Provokationseffekt", der sekundär zu einer Verschlimmerung geführt haben könnte, verneinen. Auf Antrag des Klägers erstellte Prof.Dr.E. das Gutachten nach Aktenlage vom 03.03.1988. Dieser führte aus, dass es auch nach einer Polioschluckimpfung zu encephalitischen Krankheitsbildern mit spastischen Lähmungen kommen könne und die Auseinandersetzung des Impfvirus mit dem Organismus bereits am Tage der Impfung beginne. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen könnten nicht mit der notwendigen vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit im ursächlichen Zusammenhang mit schädigenden Einflüssen der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung am 07.10.1965 gesehen werden. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs lasse sich im vorliegenden Fall aber nur deshalb nicht begründen, weil über die Ursache dieser Gesundheitsstörung in der ärztlichen Wissenschaft Ungewissheit bestehe (Provokation, Interferenzphänomen, Aktivierung). Aus diesem Grunde komme hier die "Kann-Versorgung" in Frage. Die MdE hierfür liege bei 100 %.

Der Beklagte ist dem Gutachten von Prof.Dr.E. unter Bezugnahme auf eine nervenärztliche Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. nicht gefolgt. Unter Bezugnahme auf ein anderes Gutachten von Prof.Dr.E. vom 09.09.1986 hat der Beklagte vorgetragen, dass Fieber nach unbestrittener wissenschaftlicher Lehrmeinung eine zentral-nervöse Erscheinung sei und im vorliegenden Fall frühestens am zweiten Tag nach der Impfung denkbar sei, wenn man einen Einfluss der Schluckimpfung geltend machen wolle. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 19.09.1988 betonte Prof.Dr.E. , dass es nicht erst am zweiten Tag nach einer Polioschluckimpfung zu Impffieber kommen könne, sondern nicht selten auch schon wenige Stunden nach der Impfung. Zur weiteren Aufklärung der medizinischen Gegebenheiten holte das Sozialgericht Nürnberg das Gutachten nach Aktenlage des Arztes für Innere Medizin Dr.M. vom 05.02.1989 ein. Dieser führte aus, die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Leiden des Kläger und der Polioschluckimpfung könne wegen untypischer Symptomatik nicht bejaht werden. Auch lasse sich der Standpunkt nicht aufrecht erhalten, wonach die Ätiologie der spastischen Lähmungen des Klägers nicht gesichert sei. Es stehe fest, dass den Lähmungen eine infektiöse Schädigung des zentralen Nervensystems zugrunde liege, wobei es offenbleiben könne, ob diese Schädigung auf infektiös-entzündlichem oder auf infektiös-toxischem Wege zustande gekommen sei, denn dabei handle es sich nur um eine Ungewissheit im Sachverhalt.

Das Sozialgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 15.06.1989 die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayer. Landessozialgericht vom 24.07.1989 (Az.: L 10 Vi 1/89). In dem im Berufungsverfahren gemäß § 106 SGG eingeholten Gutachten des Prof.Dr.E. vom 07.01.1991 blieb dieser bei seiner Auffassung, dass in jedem Fall feststehe, dass hier über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit bestehe, so dass eine "Kann-Versorgung" nach § 52 Abs.2 Satz 2 Bundesseuchengesetz im Falle des Klägers in Frage komme.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 13.03.1991 unter Bezugnahme auf eine nervenärztliche Stellungnahme der Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr.K. den Auftrag auf Zurückweisung der Berufung aufrechterhalten.

Das Bayer. Landessozialgericht hat mit Urteil vom 12.06.1991 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.06.1989 zurückgewiesen. Beim Kläger könne ein Impfschaden nicht festgestellt werden. Um das Vorliegen eines solchen Gesundheitsschadens beim Kläger bejahen zu können, müssten bei ihm nach der angeschuldigten Impfung Reaktionen aufgetreten sein, die sich von einer üblichen Reaktion auf die Impfung unterscheiden und die typischerweise mit einer Polioschluckimpfung in Zusammenhang gebracht werden könnten. Solche Reaktionen seien nicht erwiesen. Eine übermäßige Impfreaktion, die typisch für eine Polioschluckimpfung sei, wäre frühestens vier Tage nach der Impfung auftretendes Fieber, begleitet von Durchfall, Erbrechen, Berührungsempfindlichkeit, Nackensteife und schlaffen Lähmungen. Von derartigen Krankheitszeichen könne beim Kläger nicht die Rede sein, er habe vielmehr an bereits am Abend nach der Impfung einsetzendem Fieber sowie offenbar an spastischen Paresen gelitten. Auch die Darlegungen im Gutachten des Prof.Dr.E. würden nichts anderes ergeben. Auch dieser Sachverständige habe nicht ausgeführt, das Krankheitsbild, welches beim Kläger nach der angeschuldigten Impfung in Erscheinung getreten sei, sei eine übermäßige Impfreaktion auf eine Polioschluckimpfung gewesen. Denn auch Prof.Dr.E. habe nur erklärt, ein Zusammenhang der Krankheitszeichen beim Kläger in Gestalt von Fieber am Impftag und von spastischen Paresen in der unmittelbar nachfolgenden Zeit nach der Impfung könne nicht ausgeschlossen werden. Die Tatsache, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Leiden des Klägers und der Impfung nicht auszuschließen, also möglich sei, heiße nicht, dass Krankheitszeichen, die für die angeschuldigte Impfung untypisch seien, gleichwohl den vom Gesetz geforderten Impfschaden in Gestalt eines über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden Gesundheitsschadens (§ 52 Abs.1 Satz 1 Bundesseuchengesetz) darstellen würden. Im Übrigen seien die beim Kläger unmittelbar nach der Impfung aufgetretenen Krankheitszeichen nicht nur untypisch für die Reaktion auf eine Polioschluckimpfung, sondern sie würden sich auch durch eine von der Impfung unabhängige, bereits vor der Impfung vorhanden gewesene Infektion des Klägers erklären lassen. Auch aus diesem Grunde müsse ein Impfschaden im Sinne des § 52 Abs.1 Satz 1 BSeuchG beim Kläger als nicht nachweisbar angesehen werden. Es handle es bei den beim Kläger aufgetretenen Beschwerden nicht nur um im Hinblick auf die angeschuldigte Impfung untypische Krankheitszeichen, sondern es gebe für sie darüber hinaus auch eine medizinisch plausible, versorgungsfremde Erklärung. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Bayer. Landessozialgericht wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 07.10.1991 als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 05.04.2001 auf der Grundlage von Recherchen des Gutachters Prof.Dr.E. über vergleichbare Fälle Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens gestellt. Der von der Beklagten eingeschaltete Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.S. kam in seiner Stellungnahme vom 26.07.2001 zu der Auffassung, dass auch unter Berücksichtigung des neueren Urteils des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein (Az.: L 2 VI 4/95) nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem impfschadensbedingten Beschwerdebild beim Kläger ausgegangen werden könne, da nach einer Polioimpfung als Impfschaden keine spastische Lähmung, sondern eine schlaffe Lähmung zu erwarten wäre. Der Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 22.08.2001 den Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bescheides vom 06.02.1987 gemäß § 44 SGB X abgelehnt. Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 25.09.2001, weil eine umfängliche kritische Auseinandersetzung mit den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Arbeiten und Hinweisen nicht erfolgt sei. Der Beklagte hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Nervenärztin B. vom 05.02.2002 eingeholt. Darauf gestützt wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2002 zurückgewiesen. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme unterscheide sich der zur Begründung der Wiederaufnahme des Verfahrens angesprochene Fall im Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 19.04.1999 (Az.: L 2 VI 4/95) wesentlich von dem hier zu entscheidenden Fall. Im dortigen Fall sei ein Kombinationsimpfstoff verabreicht worden, entweder DPT wie auf Bl.10 und 15 der Urteilsbegründung angeführt oder DT und Polio, wie auf Bl.2 und 9 angegeben. Auf Bl.21 der Urteilsbegründung werde letztlich der Mehrkomponentenimpfstoff als Auslöser der Funktionsstörung des Gehirns angesehen, wobei auf den Anteil der Diphteriekomponente hingewiesen werde. Im Lehrbuch "Das neurologische Gutachten", herausgegeben von Rauschelbach, Jochheim und Witter werde auf kürzere Inkubationszeiten bei wiederholter Gabe des Diphterie-Impfstoffes hingewiesen. Nach Bl.10 und 15 der Urteilsbegründung handle es sich um einen DPT-Impfstoff, wobei insbesondere die Pertussiskomponente bekanntermaßen Krampfanfälle auslöse. Es handle sich im dortigen Fall auch um eine andere Schädigung als beim Kläger, nämlich um ein Anfallsleiden und um cerebrale Bewegungsstörungen. Ein Virusnachweis sei im Falle des Klägers nicht erfolgt. Zusammenfassend sei bei der vorliegenden Konstellation mehrerer, sehr unwahrscheinlicher Ereignisse (atypischer Verlauf der Symptome, atypischer zeitlicher Verlauf) und fehlendem Virusnachweis weiterhin nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit von einer Auslösung der spastischen Lähmungen durch die alleinige orale Polioimpfung auszugehen. Ein Impfschaden sei nach wie vor nicht nachgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht Nürnberg vom 15.05.2002 (S 16 VJ 3/02). Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakten, die Prozessakten des vorangegangenen Klageverfahrens (Az.: S 11 Vi 1/87), die Prozessakten des Bayer. Landessozialgerichts (Az.: L 10 Vi 1/89) und Kopien aus den Rentenakten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beigezogen. Mit Beschluss vom 05.05.2003 wurde der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt, da eine unübliche Impfreaktion nicht nachgewiesen sei. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 25.08.2003 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 29. Januar 2004 die Klage abgewiesen. Es fehle am Nachweis einer unüblichen Impfreaktion. Der Nachweis erfordere eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließe. Über die Impfreaktion des Klägers auf die Polio-Schluckimpfung vom 07.10.1965 habe es bereits bei der erstmaligen Antragstellung im März 1985 keinerlei schriftliche Aufzeichnungen mehr gegeben, weder des behandelnden Kinderarztes Dr. R. noch des Gesundheitsamtes der Stadt N ... Dem Frauenarzt Dr.P. hätten schriftliche Unterlagen über die Geburt des Klägers bereits im Juni 1985 nicht mehr vorgelegen. Dr.P. habe den Kläger zudem, außer in der Zeit nach der Geburt, weder gesehen oder untersucht, wie er auf Anfrage des Beklagten am 13.06.1985 mitgeteilt habe. Die von den Eltern des Klägers gegenüber dem Beklagten angesprochene Untersuchung in der Orthopädischen Klinik des W.hauses in A. habe am 30.03.1966 stattgefunden, wie sich aus der Krankenblattkopie der Orthopädischen Klinik A. bei N. , W.haus, ergebe. Hinsichtlich der Impfreaktion des Klägers auf die Polio-Schluckimpfung vom 07.10.1965 sei in dieser Krankenblattkopie lediglich die damalige Angabe der Eltern des Klägers notiert, dieser habe im Oktober 1965 im Anschluss an die poliomyelitsche Schluckimpfung "Röteln" gehabt. Hinsichtlich der Zeit nach der Impfung bis zum 30.03.1966 hätten die Eltern des Klägers lediglich angegeben, dieser sei damals sehr schwach gewesen, habe das Sitzen praktisch wieder erlernen müssen und stehe seit Januar 1966 meistens in Spitzfußstellung. Nachgewiesen sei somit durch die Aussagen der Eltern des Klägers als Impfreaktion lediglich das Auftreten von Fieber in der Nacht des Impftages, das mehrere Tage angehalten habe. Die Eltern des Klägers hätten weiter angegeben, dass auch der behandelnde Kinderarzt Dr. R. bei dem Kläger damals keine von ihm als "unüblich" beurteilte Impfreaktion beobachtet habe. Das Krankenblatt vom 30.03.1966 beweise hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Klägers unmittelbar nach der Impfung vom 07.10.1965 lediglich eine Erkrankung irgendwann im Oktober 1965, die die Eltern des Klägers als "Röteln" gedeutet hätten. Bei Fieber handle es sich um eine übliche Impfreaktion einer Polioschluccimpfung. Auch Hauterscheinungen würden eine übliche Impfreaktion auf eine Polio-Schluckimpfung darstellen. Unübliche Impfreaktionen (beispielsweise ausgesprochene Berührungsempfindlichkeit, Nackensteife und Erbrechen) seien von den Eltern weder zeitnah zu der angeschuldigten Impfung vom 07.10.1965 beobachtet und dem behandelnden Kinderarzt Dr. R. mitgeteilt noch von den Eltern des Klägers bei der Untersuchung in der Orthopädischen Klinik A. noch bei ihrer Einvernahme durch den Beklagten am 29.11.1985 geschildert worden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 03.06.2004 zum Bayer. Landessozialgericht, die mit Schriftsatz vom 20.09.2004 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Prof.Dr.E. vom 14.09.2004 näher begründet wurde. Prof.Dr.E. verweist dabei auf Erkenntnisse des Pathologen L. van Bogaert, aus denen sich ergebe, dass Halbseitenlähmungen mit spastischen Lähmungen als Folge einer postvakzinalen Enzephalitis nach oraler Polioimpfung verständlich seien. Der Beklagte hat mit Schrifsatz vom 01.03.2005 unter Bezugnahme auf das ärztliche Gutachten nach Aktenlage der Neurologin und Psychiaterin B. den Antrag auf Zurückweisung der Berufung aufrechterhalten. Differenzen in dem von Prof.Dr.E. beschriebenen Krankheitsverlauf zu dem des Klägers seien bereits in den vorangegangenen Stellungnahmen abgehandelt worden. Der geschilderte Fall einer perivenösen Herdenzephalitis sei auf den computertomographischen Nachweis einer abgelaufenen Enzephalitis gestützt worden. Beim Kläger seien nach der Impfung kurze Zeit Fieber und ein Hautausschlag dokumentiert worden, aber kein so schweres Krankheitsbild wie eine Enzephalitis. Die jetzt vorgelegten Unterlagen seien bereits im Verfahren bewertet worden. Die grundsätzliche Möglichkeit, dass nach einer Polioimpfung auch spastische Krankheitsentwicklungen auftreten könnten, sei nie in Frage gestellt worden. Im konkreten Falle seien jedoch eine Enzephalitis oder eine andere schwerwiegende Hirnerkrankung als unmittelbare Impffolge nicht nachgewiesen. Der Senat hat den Antrag des Klägerbevollmächtigten, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu gewähren, mit Beschluss vom 29.03.2005, mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung abgelehnt. Zu der Stellungnahme des Beklagten haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers eine weitere Stellungnahme des Prof.Dr.E. übersandt, der zusammenfassend feststellt, dass beim Kläger nach der Polioschluckimpfung eine intensive Auseinandersetzung mit dem Impfvirus erfolgt sei. Die Tatsache, dass das Kind erst nach und nach zu Beginn des zweiten Lebensjahres das Sitzen wieder habe erlernen müssen, spreche dafür, dass eine schwere Hirnschädigung zu diesem Zeitraum eingetreten sei. Mit Wahrscheinlichkeit müsse deshalb ein Polioimpfschaden angenommen werden. Der Beklagte hat sich mit Schreiben vom 10.05.2005 auf der Grundlage der nervenärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage der Neurologin und Psychiaterin B. vom 04.05.2005 nochmals geäußert. Eindeutige umschriebene schlaffe Paresen als Ausdruck einer vorübergehenden Impfpolio seien im Bericht der Klinik A. nicht erwähnt. Es könne unterstellt werden, dass damals das Krankheitsbild der Polio noch sehr präsent gewesen sei und sowohl die Eltern als auch die Orthopäden entsprechende schlaffe Paresen richtig gedeutet hätten. Bei der Aufnahme im W.haus habe im Vordergrund die ausgeprägte Spastik im Bereich der Beine gestanden. Dass spastische Paresen nicht dem typischen Krankheitsverlauf einer Impfpoliomyelitis entsprechen würden, sei bereits ausgeführt worden. Sie würden eine Polio als Ursache jedoch nicht gänzlich ausschließen. Es sei nicht zu bestreiten, dass zur Ausbildung einer spastischen Parese eine deutliche Hirnschädigung Ende des Jahres 1965 bzw. Anfang 1966 eingetreten sein müsse. Aus hiesiger Sicht sei aber nach wie vor nicht nachgewiesen, dass die entsprechende Hirnschädigung durch die Auseinandersetzung mit dem Poliovirus Anfang Oktober 1965 entstanden sei. Hierzu hat wiederum Prof.Dr.E. eine Stellung abgegeben, die die Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 23.09.2005 übermittelt und zugleich erneut die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt haben. Prof.Dr.E. stellt fest, dass das hohe Fieber in den ersten acht Tagen nach der Polioimpfung wie auch die anschließend festgestellte motorische Störung beweisen würden, im Gegensatz zu den Ausführungen der Gutachterin B. , dass beim Kläger nach der Impfung eine schwere Erkrankung abgelaufen sei, die als Meningoenzephalitis, verursacht durch die Polioimpfung, anzusehen sei. Ebenso sei der rötelnartige Ausschlag als Ausdruck einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Impfvirus zu werten. Dass die schwere Hirnerkrankung des Klägers auf eine andere Ursache als die der Polioimpfung zurückzuführen sei, entbehre anamnestisch jeder Grundlage. Das Bayer. Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 09.01.2006 den Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, abermals mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt. Der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderliche Nachweis einer unüblichen Impfreaktion - hier in Gestalt einer Meningoenzephalitis - innerhalb der einschlägigen Inkubationszeit sei nicht mit dem vorgeschriebenen Beweisgrad der "an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" abzuleiten. Zu dem Schreiben des Prof. Dr.E. hat sich abermals der Beklagte auf der Grundlage des nervenärztlichen Gutachtens nach Aktenlage der Neurologin und Psychiaterin B. vom 12.01.2006 geäußert. Gegen eine schwere Hirn- oder Hirnhautentzündung im unmittelbaren Anschluss an die Impfung spreche die Tatsache, dass zwar der Kinderarzt informiert und ein Antibiotikum verordnet worden sei, aber keine stationäre Behandlung eingeleitet worden sei. Die Angaben, die 1985 gemacht worden seien, dass sich gleich nach der Impfung eine schwere Krankheit gezeigt habe, sei in den zeitnäheren Befunden von 1966 so nicht enthalten. Eine Behandlung mit Antibiotika wirke nicht gegen virale Infekte (wie Polio oder Röteln), werde aber bei bakteriellen Infekten gegeben (wie eitrige Hals- oder Mittelohrentzündung). In der Niederschrift über die Befragung der Eltern vom 29.11.1985 sei angegeben, dass um die Weihnachtszeit 1965 eine allgemeine Schwäche aufgefallen sei. Dies wäre vom Zeitpunkt 07.10. an gerechnet außerhalb der mit 60 Tagen angegebenen üblichen Reaktionszeit auf die Polioschluckimpfung. Weiter sei auch eine anlagemäßige Ursache (infantile Cerebralparese) zu diskutieren, spastische Paraparesen genetischer Ursache würden sich häufig nicht unmittelbar nach der Geburt, sondern erst in späteren Lebensjahren manifestieren. Zum Ausschluss anlagebedingter Hirnstörungen sei bislang keine Bildgebung erfolgt, diese werde in das Ermessen des Gerichts gestellt. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 31.01.2006 wurde ebenfalls eine bildgebende Klärung der Erkrankung des Klägers beantragt. Der Senat hat daraufhin von der Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin Dres.F. und Kollegen das MRT vom 23.05.2006 erstellen lassen. Die Ärzte gelangten zu der Beurteilung, dass beim Kläger unspezifische Signalalterationen im peri- und paraentrikulären Großhirnmarklager frontal beidseits ohne Nachweis einer Störung der Blut-Hirn-Schranke bestehen würden. Es bestehe kein Nachweis eines entzündlichen oder tumorösen intracraniellen Prozesses. Ferner liege im Vergleich zur Altersnorm eine initiale bzw. diskrete generalisierte Hirnsubstanzminderung vor. Der Beklagte hat hierzu mit Schreiben vom 01.08.2006 auf der Grundlage des nervenärztlichen Gutachtens nach Aktenlage der Neurologin und Psychiaterin B. vom 26.07.2006 Stellung genommen. Auf den Aufnahmen falle eine leichte Aufweitung sowohl des inneren als auch des äußeren Liquorsystems auf. Eine solche generalisierte leichte Hirnatrophie sei ein unspezifischer Befund, der bei einigen degenerativen Erkrankungen vorkomme, aber auch physiologischerweise mit zunehmenden Alter. Außerdem könne eine gleichmäßige Erweiterung der äußeren und inneren Liquorräume durch Alkohol, verschiedene Medikamente oder Strahlentherapie ausgelöst werden. Eine Hirnatrophie sei kein typisches Zeichen einer abgelaufenen Entzündung. Weiter seien in den Kernspinaufnahmen des Klägers dichte Veränderungen im Marklager beidseits lateral der Seitenventrikel aufgefallen. Die Angaben im schriftlichen Befund zur Lage der Veränderungen wäre zu präzisieren als hochfrontal bis hochparietal, die ausgeprägtesten Veränderungen seien beidseits parietal jeweils neben den Hinterhörnern zu finden. Derartige Veränderungen könnten sowohl nach Entzündungen als auch bei Durchblutungsstörungen unterschiedlichster Ursache vorkommen. Die Ausprägung beim Kläger sei eher symmetrisch, was zum Beispiel bei Multipler Sklerose oder Schlaganfällen sehr selten sei. Zusammenfassend spreche die Lage und eher symmetrische Anordnung der Signalstörungen im Marklager für eine intrauterine Schädigung der Pyramidenbahn beidseits. Zu den MRT-Aufnahmen hat sich auch der Kläger unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Prof.Dr.E. vom 05.09.1996 geäußert. Prof.Dr.E. weist darauf hin, dass er als Kinder- und Impfarzt davon überzeugt sei, dass beim Kläger ein angeborenes Leiden auszuschließen sei, da er an seinem ersten Geburtstag bereits zu laufen begonnen habe. Hierzu hat sich wiederum der Beklagte mit Schreiben vom 24.10.2006 unter Bezugnahme auf das nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage der Neurologin und Psychiaterin B. geäußert. Es wird angeregt, die MRT-Aufnahmen einem besonders in der Neuropädiatrie erfahrenen Neuroradiologen zur Beurteilung vorzulegen. Nachdem die Radiologen Dres.F. und Kollegen sich für eine weitergehende gutachtliche Stellungnahme als nicht hinreichend kompetent angesehen haben, wurden der Privatdozentin Dr.B. E. vom Institut für klinische Radiologie des Klinikums G. die MRT-Aufnahmen zur Beurteilung übersandt. PD Dr.E. kam in ihrer Stellungnahme vom 12.01.2007 zu der Beurteilung, dass insgesamt beim Kläger eine über die Altersnorm hinausgehende Hirnparenchymvolumenminderung vorliege, die sowohl die supra- als auch die infratentoriellen Strukturen betreffe. Zudem zeigen sich fleckig-flächige Signalalterationen periventrikulär und im Centrum semiovale beidseits, die am ehesten als residuale Gliosezonen zu interpretieren seien. Diese Befunde seien von radiologischer Seite her nicht als spezifisch zu werten. Der vorliegende Zustand sei als Residualzustand zu interpretieren. Hierbei sei es retrospektiv aus der Magnetresonanztomographie heraus unmöglich zu klären, wann die Schädigung entstanden sei. Es komme prinzipiell eine Vielzahl von Ursachen in Frage. Zum einen könne es sich um postenzephalitische Schädigungen handeln. Zum anderen könnten aber posthypoxische Schädigungen oder auch autoimmun-demyelinisierende Veränderungen vorliegen. Die Frage, ob sich aus den MRT-Aufnahmen vom 23.05.2006, die 41 Jahre nach der Polio-Schluckimpfung angefertigt worden seien, der Nachweis im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, die ernste vernünftige Zweifel ausschließe, für eine beim Kläger abgelaufene Enzephalitis bzw. Enzephalopathie nach der Polio-Schluckimpfung am 07.10.1965 ergebe, müsse mit Nein beantwortet werden. Ein solcher Nachweis sei nicht möglich, da multiple andere Differentialdiagnosen in Frage kämen und sich in der MRT lediglich ein Residualzustand ohne Hinweis auf die genaue Ätiologie und ohne Hinweis auf den exakten Schädigungszeitpunkt darstellen lasse. Diese Fragestellung müsse unbedingt unter genauer Einbeziehung des klinischen Verlaufs des Klägers und gegebenenfalls auch von laborchemischen Werten und Untersuchungen zur Zeit des angenommenen Schädigungszeitpunktes geklärt werden. Zu den MRT-Aufnahmen hat sich auch die Klägerseite unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Prof.Dr.E. vom 12.02.2007 geäußert. Prof. Dr.E. stellt zusammenfassend fest, dass nach neuroradiologischer Prüfung des MRT-Befundes des Klägers davon ausgegangen werden könne, dass eine Entwicklungsstörung des Gehirns nicht vorliege und dass eine früher durchgemachte Enzephalitis unter anderen Krankheitsursachen in Betracht komme. In Zusammenhang mit der Anamnese und dem Verlauf der Erkrankung beim Kläger sei daran festzuhalten, dass mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang der Erkrankung des Klägers mit der Polio-Schluckimpfung am 07.10.1965 vorliege. Hierzu hat sich nochmals der Beklagte mit Schreiben vom 06.03.2007 unter Bezugnahme auf die nervenärztliche Stellungnahme nach Aktenlage der Neurologin und Psychiaterin B. geäußert. Zusammenfassend sei nach wie vor nicht von einer durch die Polio-Impfung bedingten Schädigung auszugehen, da andere Krankheitsprozesse wesentlich wahrscheinlicher seien. Hierzu hat sich nochmals die Klägerseite mit Schrifsatz vom 21.03.2007 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Prof.Dr.E. vom 17.03.2007 geäußert und nochmals Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Prof.Dr.E. führt aus, dass Frau B. immer noch an einem Geburtsschaden des Klägers festhalte, obwohl aus allen Unterlagen eindeutig hervorgehe, dass die Geburt normal verlaufen sei und dass er vor der Polio-Schluckimpfung einen normalen psycho-motorischen Entwicklungsstatus aufgewiesen habe, was eine hypoxische Hirnschädigung bei der Geburt ausschließe. Auch Hirnfehlbildungen seien in späteren bildgebenden Darstellungen des Gehirns beim Kläger auszuschließen. Anamnestisch seien aber im Falle des Klägers die Komplikationen nach der Polio-Schluckimpfung (acht Tage hohes Fieber gefolgt von motorischen Störungen) der einzige Hinweis auf eine abgelaufene Enzephalitis.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14.05.2007 die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Der Klägerbevollmächtigte stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.01.2004 sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 06.02.1987 zurückzunehmen und eine spastische Parese beider Beine und des linken Armes als Folge eines Impfschadens anzuerkennen und ab 01.01.1997 Versorgung nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte stellt den Antrag, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.01.2004 zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Beklagten, die erledigten Klageakten des Sozialgerichts Nürnberg (S 16 SB 780/02, S 11/Vi 1/87), die erledigten Akten des Bayer. Landessozialgerichts (L 10 Vi 1/89, L 15 B 259/03 VJ PKH) sowie die Akte des Sozialgerichts Nürnberg (S 16 VJ 3/02) und des Bayer. Landessozialgerichts (L 15 VJ 2/04) zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 61 Abs.2 Bundesseuchengesetz bzw. 68 Abs.2 Infektionsschutzgesetz i.V.m. §§ 143, 151 SGG), aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. Januar 2004 ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gemäß 44 SGB X unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2002 den bestandskräftigen Bescheid vom 06.02.1987 zurücknimmt, eine spastische Parese beider Beine und des linken Armes" als Folge eines Impfschadens anerkennt und Versorgung nach einer MdE um 100 v.H. gewährt.

Für den Senat ist nicht feststellbar, dass beim Erlass des ablehnenden Bescheides vom 06.02.1987 das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erwiesen hat und deshalb Sozialleistungen - hier: Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz bzw. Infektionsschutzgesetz - zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Entsprechend der Regelung des - seit 01.01.2001 durch § 60 Abs.1 IfSG inhaltsgleich ersetzten - § 51 Abs.1 BSeuchG i.V.m. mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhält derjenige, der durch eine Impfung, die unter anderem öffentlich empfohlen war, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Voraussetzung im Einzelnen dafür ist, dass die empfohlene Impfung die Gesundheitsstörungen wahrscheinlich verursacht hat. Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität dann, wenn wenigstens mehr für als gegen sie spricht, d.h. die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen. Die Impfung als schädigende Einwirkung, der Impfschaden - also der über die übliche Impfreaktion hinausgehende Gesundheitsschaden - und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) müssen nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein (BSG, Urteil vom 19. März 1986, 9a RV 2/84 und 26. Juni 1989, 9a RVi 3/83 = BSG in SozR 3850 Nrn.9 und 8).

Zwar ist die Durchführung der Polio-Schluckimpfung am 07.10.1965 beim Kläger durch die Bescheinigung des Gesundheitsamtes N. vom 07.10.1965 bestätigt und war zum Zeitpunkt der Impfung von der zuständigen Landesbehörde, dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, öffentlich empfohlen (gemäß § 51 Abs.1 Nr.3 i.V.m. § 14 Abs.3 BSeuchG a.F.). Es fehlt aber nach Auffassung des Senats am Nachweis eines Impfschadens, also eines über die übliche Impfreaktion hinausgehenden Gesundheitsschadens im Rahmen der maßgeblichen Inkubationszeit nach einer Polio-Schutzimpfung.

Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", Ausgaben 2004 und 2005 (AP) bedürfen nach einer Poliomyelitis-Schutzimpfung die sehr selten beobachtete Meningoencephalitis und/oder die Manifestation eines hirnorganischen Anfallsleidens ohne die Symptome einer Impfpoliomyelitis stets einer besonders sorgfältigen diagnostischen Klärung. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung ist dann wahrscheinlich, wenn die Erkrankung zwischen dem 3. und dem 14. Tag nach der Impfung nachgewiesen wurde und außerdem Impfviren und/oder eine Antikörperbildung nachzuweisen waren und andere Ursachen der Erkrankung ausscheiden.

Das Sozialgericht Nürnberg hat diesbezüglich zu Recht bereits darauf hingewiesen, dass es nur sehr spärliche medizinische Unterlagen im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Polio-Schluckimpfung vom 07.10.1965 gibt, was nicht zuletzt auch da-ran liegt, dass die erstmalige Antragstellung erst im März 1985 erfolgte. Zunächst fehlen schriftliche Unterlagen des damals behandelnden Kinderarztes Dr. R. , weil dieser seine Praxis bereits im Jahre 1969 aufgegeben hat und im Oktober 1985 dann verstorben ist. Auch gibt es keine Unterlagen des Gesundheitsamtes der Stadt N. mehr, weil dieses die Impfunterlagen des Jahres 1965 nach Ablauf der Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren bereits vernichtet hat, wie die Stadt N. am 20.05.1985 dem Beklagten und am 05.05.1987 dem Sozialgericht Nürnberg mitgeteilt hat. Auch dem Frauenarzt Dr.P. lagen keine schriftlichen Unterlagen über die Geburt des Klägers im Juni 1985 mehr vor. Dr.P. hatte den Kläger zudem, außer in der Zeit nach der Geburt, nicht wieder gesehen oder untersucht, wie er auf Anfrage des Beklagten am 13.06.1985 mitgeteilt hat. Die Beurteilung der gesundheitlichen Situation des Klägers nach der Impfung am 07.10.1965 kann sich daher nur indirekt auf die Angaben der Eltern des Klägers stützen, die diese gegenüber dem Gesundheitsamt R. , Dienststelle S. , im Jahre 1985 (Bericht des Gesundheitsamtes vom 23.07.1985) - also nahezu 20 Jahre nach der streitgegenständlichen Impfung - gemacht haben. Danach habe der Kläger circa eine Woche vor der Impfung an einem grippalen Infekt gelitten und habe zudem eine geringe allergische Disposition (Neigung zu Hautveränderungen) gehabt. Zum Zeitpunkt der Impfung am 07.10.1985 sei der grippale Infekt im Abklingen gewesen. Am Impftag selbst habe der Kläger dann hohes Fieber entwickelt und sei acht Tage lang schwer krank gewesen. Danach habe eine motorische Störung bestanden. Bei der weiteren Einvernahme der Eltern des Klägers beim Beklagten am 29.11.1985 haben diese erklärt, dass der Kläger in der Nacht des Impftages mit sehr hohem Fieber von 39° erkrankt gewesen sei. Der tags darauf konsultierte Kinderarzt Dr. R. habe sie beruhigt und gesagt, Fieber wäre nach einer Impfung möglich, habe jedoch zu bedenken gegeben, dass das Fieber schon etwas hoch sei. Er habe fiebersenkende Anwendungen (Umschläge und Zäpfchen und ähnliches) verordnet. Der Kläger habe sich von da ab nicht mehr richtig erholt. Um die Weihnachtszeit sei ihnen aufgefallen, dass die Schwäche in den körperlichen Bewegungen des Klägers sehr deutlich ausgeprägt gewesen sei und wohl auch nicht mehr zur Norm zurückkehren würde. Der Kinderarzt habe ihnen während der ganzen Zeit die Hoffnung gemacht, dass sich die Reaktion auf die Impfung im Bereich der Norm befinde. Weil der Kläger nicht mehr habe stehen können, hätten sie sich mit ihm in die Orthopädische Klinik des W.hauses in A. begeben. Die von den Eltern des Klägers angesprochene Untersuchung in der Orthopädischen Klinik des W.hauses in A. fand am 30.03.1966 statt. Der hierzu vorliegende Bericht ist das zeitnächste medizinische Dokument zur Polio-Schluckimpfung am 07.10.1965. Hier ist ausgeführt - wohl auf Angaben der Eltern beruhend - dass im Oktober 1965 im Anschluss an die Poliomyelitis-Schluckimpfung beim Kläger Röteln aufgetreten seien. Es sei keine Krankenhausbehandlung erfolgt. Das Kind sei aber sehr schwach gewesen und habe das Sitzen praktisch wieder erlernen müssen. Seit Januar 1966 stehe der Kläger, meistens in Spitzfußstellung. Das Stehen sei mit Anhalten möglich, ohne Anhalten verliere er das Gleichgewicht. Insgesamt ist damit festzustellen, dass über den Gesundheitszustand des Klägers vor der Polio-Schluckimpfung, im Zeitpunkt der Polio-Schluckimpfung und in zeitlicher Nähe danach keinerlei ärztliche Unterlagen (mehr) vorliegen. Gerade wegen dieser dürftigen medizinischen Befundlage hat sich der Senat im Rahmen des Berufungsverfahrens entschlossen, beim Kläger eine aktuelle Magnetresonanztomographie erstellen zu lassen. Die MRT-Aufnahmen wurden am 23.05.2006 in der Praxis der Radiologen Dres.F. u.a. erstellt und wurden anschließend von diesen und von Frau Dr.E. , Fachärztin für diagnostische Radiologie und Neuroradiologie vom Institut für klinische Radiologie des Klinikums der Universität M. ausgewertet. Beim Kläger liegt danach eine über die Altersnorm hinausgehende Hirnparenchymvolumenminderung vor, die sowohl die supra- als auch die infratentoriellen Strukturen betrifft. Zudem zeigen sich fleckig-flächige Signalalterationen periventrikulär und im Centrum semiovale beidseits, die am ehesten als residuale Gliosezonen zu interpretieren sind. Diese Befunde sind von radiologischer Seite her nicht als spezifisch zu werten. Der vorliegende Zustand ist als Residualzustand zu interpretieren. Hierbei ist es retrospektiv aus der Magnetresonanztomographie heraus unmöglich zu klären, wann die Schädigungen entstanden sind. Es kommt prinzipiell eine Vielzahl an Ursachen in Frage. Zum einen kann es sich um postencephalitische Schädigungen handeln, zum anderen können hier aber auch posthypoxische Schädigungen oder auch autoimmun-demyelinisierende Veränderungen vorliegen. Der Nachweis für eine beim Kläger abgelaufene Enzephalitis bzw. Enzephalopathie nach der Polio-Schluckimpfung am 07.10.1965 ist nicht im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, die ernste vernünftige Zweifel ausschließt möglich, da multiple andere Differentialdiagnosen in Frage kommen und sich in der MRT lediglich ein Residualzustand ohne Hinweis auf die genaue Ätiologie und ohne Hinweis auf den exakten Schädigungszeitpunkt darstellen lasse. Soweit Dr.E. noch darauf hinweist, dass diese Fragestellung unbedingt unter genauer Einbeziehung des klinischen Verlaufs des Klägers und ggf. auch von laborchemischen Werten bzw. Untersuchungen zur Zeit des angenommenen Schädigungszeitpunktes geklärt werden müsse, ist darauf hinzuweisen, dass laborchemische Werte bzw. Untersuchungen zum Zeitpunkt der Polio-Schluckimpfung am 07.10.1965 und auch bezüglich des daran anschließenden Zeitraums - wie dargelegt - gerade fehlen, weswegen der Versuch einer weiteren Klärung des medizinischen Sachverhaltes über eine aktuelle MRT-Aufnahme gewählt wurde. Im Übrigen sollte Frau Dr.E. gerade allein auf der Grundlage der MRT-Aufnahmen ihre Beurteilung abgeben und nicht auf der Grundlage des gesamten Akteninhalts die Frage eines Impfschadens beurteilen, weil sie nicht Pädiaterin ist und die Frage des Vorliegens eines Impfschadens schon von mittlerweile zahlreichen im Impfschadensrecht erfahrenen pädriatischen Gutachtern beurteilt wurde. Die Beurteilung durch Dr.E. stimmt auch mit der Beurteilung der Dres.F. und Kollegen überein, die ebenfalls von unspezifischen Signalalterationen im peri- und paraventrikulären Großhirnmarklager frontal beidseits ohne Nachweis einer Störung der Blut-Hirn-Schranke, ohne Nachweis eines entzündlichen und tumorösen intracraniellen Prozesses sprechen und von einer im Vergleich zur Altersnorm initialen bzw. diskreten generalisierten Hirnsubstanzminderung. Der fehlende Nachweis einer unüblichen Impfreaktion kann auch durch die zahlreichen gutachtlichen Stellungnahmen des Prof. Dr.E. nicht erbracht werden. Diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Prof.Dr.E. in dem ersten Verfahren des Klägers vor dem Sozialgericht Nürnberg (Az.: S 11/Vi 1/87) noch die Auffassung vertreten hatte, dass die Frage des ursächlichen Zusammenhanges der Erkrankung des Klägers mit der Polio-Schluckimpfung nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit beantwortet werden kann und er damals lediglich die Gewährung einer sog. "Kann-Versorgung" befürwortete. Soweit Prof. Dr.E. zur Begründung seiner jetzigen Auffassung, dass es beim Kläger innerhalb der Inkubationszeit nach Polio-Schutzimpfung zu einer zentralnervösen Schädigung bzw. einer Enzephalitis gekommen sein muss, auf einen vom Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (Az.: L 2 VI 4/95) entschiedenen Fall hinweist, in dem als Folge einer kombinierten Impfung gegen Polio (oral), Diphterie und Tetanus ein cerebrales Anfallsleiden und eine cerebrale Bewegungsstörung als Impfschadensfolge anerkannt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass schon dem Tatbestand dieses Urteils ein deutlicher Unterschied zu dem hier zu entscheidenden Fall zu entnehmen ist. Die dortige Klägerin entwickelte wie der hiesige Kläger bereits kurz nach der Impfung hohes Fieber, im dortigen Fall kam aber ein 50minütiger Krampfanfall hinzu, weswegen das Kind umgehend in ein Kinderkrankenhaus eingewiesen und dort für längere Zeit stationär behandelt wurde. Im dortigen Fall liegen daher eingehende medizinische Unterlagen über den Gesundheitszustand des Kindes nach der Impfung vor, wobei auch der Antrag auf Anerkennung von Impfschadensfolgen zeitnah gestellt wurde, während das Problem des vorliegenden Falles gerade ist, dass zeitnah zur Impfung keinerlei medizinische Unterlagen vorliegen.

Vor dem Hintergrund des völligen Fehlens medizinischer Unterlagen in zeitlicher Nähe zur angeschuldigten Impfung des Klägers am 07.10.1965 kann die Auffassung von Prof.Dr.E. gestützt auf die Angaben der Eltern des Klägers ca. 20 Jahre nach der Impfung, dass beim Kläger ein Impfschaden vorgelegen haben muss, den Senat nicht im Sinne eines Nachweises eines Impfschadens überzeugen, zumal Prof.Dr.E. andere Ursachen für die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung - wie etwa eine Verursachung durch einen Grippevirus oder Rötelnvirus- ausblendet.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass innerhalb der Inkubationszeit nach Poliomyelitis-Schutzimpfung eine unübliche Impfreaktion des Klägers - am ehesten eine Meningoenzephalitis - zwar nicht auszuschließen bzw. möglich, aber gerade nicht nachgewiesen ist. Hierfür spricht zudem, dass die beim Kläger vorliegende Symptomatik deutlich von dem üblichen ohnehin seltenen Impfschadensbild einer Meningoencephalitis nach einer Poliomyelitis-Schluckimpfung abweicht. Dies gilt weniger für den sehr kurzen zeitlichen Abstand zwischen Impfung und Beginn des Fiebers, nämlich noch am gleichen Tag. Der Senat geht insoweit in Übereinstimmung mit den in dem von Prof.Dr.E. zitierten Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. April 1999 (L 2 VI 4/95) dargelegten Beweisergebnissen davon aus, dass auch innerhalb einer Inkubationszeit von nur 24 Stunden nach einer Poliomyelitis-Schutzimpfung schwere Impfschäden - wenn auch eher selten - medizinisch denkbar sind. Dies gilt aber sehr wohl für die beim Kläger vorliegende spastische Beinlähmung. Nach einer Poliomyelitis-Schutzimpfung kommt es als Impfschaden zu poliomyelitis-ähnlichen Erkrankungen mit typischerweise schlaffen Lähmungen, während spastische Lähmungen sehr selten vorkommen. Unabhängig vom Vorgenannten bleibt es dabei, dass für die Zeit der Impfung und danach als Impfreaktion nur das Auftreten von Fieber für acht Tage, wenn man den Angaben der Eltern 20 Jahre nach der Poliomyelitis-Schutzimpfung, bzw. "Röteln" im Anschluss an die Poliomyelitis-Schutzimpfung, wenn man den Angaben in dem zeitnächsten medizinischen Dokument (Arztbrief der Orthopädischen Klinik A. bei N. vom 30.03.1966) folgt. Sowohl Fieber als auch ein Hautausschlag, wenn man die Röteln in diese Richtung interpretiert, sind übliche Impfreaktionen nach einer Poliomyelitis-Schluckimpfung. Unübliche Impfreaktion wie beispielsweise eine ausgesprochene Berührungsempfindlichkeit, Nackensteife, Erbrechen, die auf eine Impfpoliomyelitis hindeuten könnten, sind von den Eltern nicht beobachtet worden. Aber selbst wenn man davon ausgeht (vgl. die Gutachten des Internisten Dr.M. vom 05.02.1989 und Dr.S. vom 06.08.1987), dass die spastischen Lähmungen des Klägers auf eine Meningoencephalitis zurückgehen, so ist weder der genaue Zeitpunkt dieser Meningoencephalitis - wahrscheinlich zwischen Oktober 1965 und Ende 1965 - genau festzulegen, noch die Ursache der Meningoencephalitis. Als andere Ursachen für eine Meningoencephalitis kommen daher zahlreiche Viren in Frage, insbesondere ein Grippevirus bzw. ein Influenzavirus, weil der Kläger bereits eine Woche vor der Polio-Schluckimpfung Fieber gehabt hatte und von den Eltern des Klägers im Anschluss an die Schluckimpfung von einer Erkrankung an Röteln die Rede ist, bei der als Komplikation Meningoencephalitiden auftreten können. Prof.Dr.S. hat für den Senat auch überzeugend dargelegt, dass die Polioschluckimpfung nicht mit Wahrscheinlichkeit die Manifestation eines anderen Infekts am zentralen Nervensystem (Grippevirus, Rötelvirus) begünstigt hat.

Auch die Voraussetzungen für eine Kannversorgung gemäß § 51 Abs.2 Satz 2 BSeuchG bzw. § 61 Satz 2 IfSG liegen nicht vor, weil über die Ursache der beim Kläger vorliegenden Erkrankung nicht generell in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Das Problem des Falls liegt vielmehr - wie umfassend dargelegt - darin, dass mangels ausreichender medizinischer Unterlagen in zeitlicher Nähe zum Auftreten der Erkrankung beim Kläger (spastische Parese beider Beine und des linken Armes) im konkreten Fall des Klägers die Ursache hierfür nicht mehr aufklärbar ist. Die von Prof.Dr.E. angenommene Kausalkette, die von einer im Rahmen der Poliomyelitis-Schutzimpfung verursachten Meningoencephalitis ausgeht, ist zwar möglich im Wege einer Verknüpfung mehrerer sehr untypischer Ereignisse, nicht aber wahrscheinlich. Vor allem fehlt es am Nachweis im Sinne einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer unüblichen Impfreaktion - des Impfschadens - beim Kläger.

Daher war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.01.2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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