L 11 AS 105/06 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 393/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 105/06 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.04.2006 Az: S 16 AS 393/05 zugelassen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine Kürzung seiner Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 30 % (monatlich um 104 EUR) für die Monate August 2005 bis Oktober 2005.

Für den Zeitraum vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2005 dem Kläger Leistungen nach dem SGB II. Innerhalb des Bewilligungszeitraums nahm der Kläger aufgrund von Eigeninitiative zum 27.06.2005 bei einer Zeitarbeitsfirma eine Tätigkeit als Industriemechaniker auf. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Schreiben vom 29.06.2005 fristlos zum 30.06.2005 wegen Arbeitsverweigerung gekündigt.

Mit Bescheid vom 27.06.2005 hob die Beklagte den Bescheid vom 27.05.2005 für die Zeit ab 01.07.2005 wegen der Arbeitsaufnahme auf, teilte aber gleichzeitig in dem Bescheid mit, dass Leistungen ab 01.07.2005 weiterhin als Darlehen gewähren würde bis zur Höhe des Lohnes, den der Kläger im Juni erzielen werde; eine neue Berechnung für den Zeitraum 01.07.2005 bis 31.07.2005 werde nach Vorlage der Unterlagen erfolgen.

Mit weiterem Bescheid vom 07.07.2005 hob die Beklagte den Bescheid vom 27.05.2005 nochmals für die Zeit ab 01.07.2005 auf und bewilligte Leistungen ab 01.07.2005 bis 31.10.2005 neu. Im Rahmen der Neubewilligung wurde eine Reduzierung der Regelleistungen ab 01.08.2005 um 30 % unter Hinweis auf § 31 Abs 4 Nr 3b SGB II damit begründet, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt seien. Nachdem die Tatbestandsvoraussetzungen einer Sperre vorlägen, sei nach § 31 Abs 1 Nr 1c SGB II das Arbeitslosengeld um 30 % für den Zeitraum von 3 Monaten zu mindern.

Am 12.07.2005 wandte sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten gegen die 30 %ige Absenkung.

Nach Untätigkeitsklage erließ die Beklagte Widerspruchsbescheid mit Datum vom 01.12.2005. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Bescheid vom 07.07.2005 fände seine gesetzliche Grundlage in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 c SGB II.

Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Würzburg (SG) die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2005, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 31.10.2005 Leistungen nach dem SGB II ohne die 30 %-ige Absenkung zu gewähren. Die Absenkung der Leistung könne nicht auf § 31 Abs 1 Nr 1 c SGB II gestützt werden, da es bereits an einer Belehrung über die Rechtsfolgen fehle. Die Absenkung könne auch nicht auf § 31 Abs 4 Nr 3 b SGB II gestützt werden, da der Kläger im Leistungsbezug stand und für die Zeit des Leistungsbezugs § 31 Abs 1 SGB II gegenüber § 31 Abs 4 Nr 3 b SGB II die speziellere Regelung darstelle, die eine Anwendung des § 31 Abs 4 Nr 3 b SGB II ausschließe. Die Berufung wurde im Urteil nicht zugelassen.

Mit Schriftsatz vom 08.05.2006 - eingegangen bei Gericht am 11.05.2006 - hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des SG eingelegt und diese mit grundsätzlicher Bedeutung begründet. Die Rechtsfrage des Verhältnisses von § 31 Abs 1 Nr 1 c SGB II zu § 31 Abs 4 Nr 3 b SGB II während des Leistungsbezugs eines Hilfebedürftigen sei höchstrichterlich noch nicht geklärt und habe grundsätzliche Bedeutung.

Der Kläger hat sich zu der Beschwerde trotz gerichtlicher Aufforderung und Fristsetzung nicht geäußert.

II.

Die von der Beklagten fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 und 2 SGG zulässig und auch begründet.

Die Berufung bedarf nach § 144 Abs 1 SGG der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die - wie hier - eine Geldleistung betrifft, insgesamt 500,- EUR nicht übersteigt. Dieser Gegenstandswert wird hier nicht erreicht, da für die Berechnung des Gegenstandswertes auf das Begehren des Klägers abzustellen ist, der sich gegen die monatliche Absenkung um 104 EUR für die Monate August, September und Oktober wendet, also insgesamt 312,- EUR.

Der Rechtsstreit betrifft auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern lediglich für 3 Monate, so dass die Berufung auch nicht nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG statthaft ist.

Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist ausschließlich die Frage, ob ein Zulassungsgrund vorliegt, der nach § 144 Abs 2 SGG die Zulassung der Berufung rechtfertigt, nicht aber die Frage, ob das SG in der Sache falsch oder richtig entschieden hat.

Ein Zulassungsgrund nach § 144 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung liegt vor. Das SG hat die Rechtsfrage entschieden, ob in der Zeit des Leistungsbezugs für die Absenkung einer Leistung § 31 Abs 1 SGB II gegenüber § 31 Abs 4 Nr 3 b SGB II die speziellere Regelung ist, die eine Anwendung des § 31 Abs 4 Nr 3 b SGB II ausschließt, wenn der Leistungsbezieher die auf Eigeninitiative gerichtete Anfrage wieder aufgibt. Diese Rechtsfrage ist klärungsfähig und klärungsbedürftig. Sie betrifft auch eine Vielzahl von Fällen, da in der Praxis eine Arbeitsaufnahme durch Leistungsbezieher aufgrund von Eigenintiative und ohne Zutun der Behörde von Leistungsbezieher erwartet wird. In diesen Fällen muss klar sein, ob die Absenkung bei Arbeitsaufgabe nach § 31 Abs 1 SGB II oder § 31 Abs 4 Nr 3 b SGB II erfolgt.

Die Zulassung der Berufung hat nach § 145 Abs 5 Abs 1 SGG zur Folge, dass das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt wird und es einer Einlegung der Berufung nicht mehr bedarf. Hierauf wird gemäß § 145 Abs 5 Satz 2 in vorliegendem Beschluss hingewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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