L 9 AL 67/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 AL 70/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 67/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 213/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16.01.2003 aufgehoben.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128 AFG.

Die Klägerin, vormals als W. GmbH und Co.KG firmierend, ist ein deutschlandweit tätiges Bewachungsunternehmen mit Verwaltungssitz in C. , an welches u.a. auch Aufträge zur Bewachung von militärischen Objekten seitens der Wehrbereichsverwaltung V, vertreten durch die Standortverwaltungen T. und K. vergeben waren.

Der 1934 geborene Beigeladene, K. G. , wohnhaft etwas südlich von T. in B. , arbeitete seit 01.12.1985 als Wachmann in Diensten der Klägerin bei der Bewachung der nahegelegenen Bundeswehrkaserne L ...

Am 02.09.1996 meldete er sich arbeitslos und beantragte Alg beim Arbeitsamt T ... Die Klägerin, damalige Firma W., gab in der Arbeitsbescheinigung vom 19.09.1996 zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses an: Das Objekt L. sei zum 31.08.1996 durch die Bundesrepublik Deutschland gekündigt worden. Die Bewachung sei mit einem anderen Bewachungsunternehmer fortgesetzt worden. Dies stelle einen Betriebsübergang dar, so dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem G. kraft Gesetzes zum 31.08.1996 geendet habe und ab 01.09.1996 bei dem neuen Bewachungsunternehmen fortgesetzt worden sei. Der G. gab in seinem Antrag an, dass er noch Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber für die Zeiten nach seinem Ausscheiden erhebe. Das Arbeitsamt bewilligte dem G. mit Bescheid vom 20.09.1996 ab 02.09.1996 Alg in Höhe von wöchentlich 355,80 DM.

Mit Schreiben vom 30.09.1996 an die Klägerin machte das Arbeitsamt für den Fall noch bestehender Entgeltansprüche des G. gegen die Firma W. den Anspruchsübergang nach den §§ 117 Abs.4 AFG, 115 SGB X in Höhe des je nach dem "gleichwohl" vorgeleisteten Alg geltend.

Zu einer eventuellen Erstattung nach § 128 AFG angehört, machte die Anwaltskanzlei Z. und W. , R. , für die Klägerin geltend, dass der Firma W. wegen der Kündigung des Bewachungsobjekts L. zum 31.08.1996 der Arbeitsplatz nicht mehr zur Verfügung stehe, vielmehr die dortigen Arbeitsverhältnisse auf die Nachfolgefirma R. übergegangen seien. Es sei vorerst die Entscheidung des EuGH zum Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts abzuwarten, ob in derartigen Fällen ein Betriebsübergang vorliege. Mit etlichen Arbeitnehmern der Firma seien Rechtsstreitigkeiten beim Arbeitsgericht H. , Kammer T. , anhängig.

Mit Bescheid vom 08.01.1997 erließ das Arbeitsamt einen seinerzeit gebräuchlichen Grundlagenbescheid über die Erstattungspflicht des dem G. ab 02.09.1996 geleisteten Alg einschließlich der darauf entfallenden Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung für längstens 624 Tage. Die Firma W. sei zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses Arbeitgeberin gewesen. Umstände, die nach dem Gesetz den Nichteintritt der Erstattungspflicht bedingten, lägen nach den vorgetragenen Umständen nicht vor. Den Widerspruch der Klägerin wies das Arbeitsamt mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.1997 als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin, weiterhin vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Z. und W. , die unter dem Az: S 12 AL 209/97 geführte Klage zum Sozialgericht Regensburg. Ungeachtet des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des EuGH vom 11.03.1997 in der Sache A. S. (Az.: Rs.C-13/95 in NZA 97, 433) auf Vorlage des Arbeitsgerichts B. bestehe noch immer erhebliche Rechtsunsicherheit, ob nicht der nachfolgende Wettbewerber, der - wie hier - 16 der insgesamt 54 Mitarbeiter übernommen habe, als der maßgebliche Arbeitgeber im Sinne des § 128 AFG anzusehen sei. Es werde daran festgehalten, dass die Arbeitnehmer des Bewachungsobjektes L. entweder durch Betriebsübergang Mitarbeiter der Nachfolgefirma geworden seien, demnach das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem G. ohne Ausspruch einer Kündigung am 31.08.1995 sein gesetzliches Ende aufgrund Betriebsübergangs gefunden habe, oder aber die Klägerin dem G. wegen Wegfalls der Arbeitsplätze betriebsbedingt sozial gerechtfertigt habe kündigen können, was eine Erstattungspflicht nach § 128 AFG entfallen lasse. Im Umkreis von mehr als zwei Fahrstunden (über 120 km) von L. entfernt sei der Klägerin kein Bewachungsobjekt anvertraut. Die Arbeitnehmer hätten auch theoretisch bei vorhandenem Bewachungsobjekt nicht umgesetzt werden können. Unter Beachtung der normalen Fluktuation wäre es der Klägerin nicht möglich gewesen, 54 Arbeitnehmer kurzfristig dort zu beschäftigen.

Während des sozialgerichtlichen Verfahrens erließ das Arbeitsamt nach nochmaliger Anhörung einen Abrechnungsbescheid vom 25.06.1997 über den Zeitraum vom 02.09.1996 bis 12.05.1997. Darin setzte es einen Erstattungsbetrag von insgesamt 21.039,85 DM fest. Mit kurz darauf folgendem Änderungsbescheid vom 17.07.1997 reduzierte das Arbeitsamt die Erstattungsforderung nach § 128 AFG infolge einer Reduzierung des Erstattungszeitraums mit Beginn erst ab 01.03.1997 bis 12.05.1997 auf 5.965,26 DM. Die Abrechnungsbescheide wurden zum Gegenstand des anhängigen gerichtlichen Verfahrens erklärt. Dies hatte seinen Grund darin, dass das Arbeitsamt für die Zeit bis 28.02.1997 gegenüber der Klägerin bezüglich des G. einen Anspruchsübergang nach den §§ 117 AFG, 115 SGB X geltend machte. Dem lag zugrunde, dass die Klägerin ihrerseits im Hinblick auf die unsichere Rechtslage zur § 613a BGB den von dem Auftragsverlust betroffenen Arbeitnehmern gegenüber am 18.10.1996 vorsorglich eine ordentilche fristgerechte Kündigung ausgesprochen hatte.

Das SG zog im Parallelverfahren S 12 Al 210/97 wegen Erstattung der dem Arbeitgeber G. V. erbrachten Leistungen dessen Streitakten sowie die Streitakten von drei weiteren Arbeitnehmern, darunter dem G., vom Arbeitsgericht H. bei. Erhalten sind noch die die arbeitsgerichtlichen Verfahren beendenden Sitzungsniederschriften vom 16.05.1997. In Sachen des hier beigeladenen G. schlossen die Parteien folgenden so benannten Vergleich: "1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestandene Arbeitsverhältnis aufgrund des Verlustes des Bewachungsvertrages für den bisherigen Beschäftigungsort - Bundeswehrkaserne L. - mit Ablauf des 31.08.1996 sein Ende gefunden hat. Die Parteien sind sich einig, dass die Beklagte im Umkreis von einer Fahrstrecke von zwei Stunden (einfach) keine freien Arbeitsplätze zur Verfügung hatte und hat.

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger zum Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Sozialabfindung im Sinne der §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz in Verbindung mit § 3 Ziffer 9 Einkommensteuergesetz in Höhe von 24.000,00 DM. Die Parteien sind sich einig, dass dieser Abfindungsbetrag dem Kläger im Innenverhältnis der Parteien in voller Höhe zukommen soll (nach AFG/nicht EStG)."

Nachfolgend verpflichtete sich die hiesige Klägerin, dortige Beklagte, zum Ausgleich aus dem AFG resultierender eventueller finanzieller Nachteile aufgrund des geschlossenen Vergleiches wie auch zur Erstattung etwaiger Regressansprüche von Sozialversicherungsträgern. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben, der Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Gleichlautend die Vergleichstexte in den anderen arbeitsgerichtlichen Verfahren mit geringfügigen Abweichungen in der Höhe der jeweiligen Abfindungen.

Der SG-Kammervorsitzende hat über ein in dem als Musterverfahren weiter betriebenen und zu Ende geführten Verfahren G. V. am 13.08.1997 mit dem zuständigen Arbeitsrichter geführtes Telefonat schriftlich vermerkt: Gemäß telefonischer Rücksprache habe für das Arbeitsgericht kein Zweifel bestanden, dass die Kündigung des V. u.a. wegen dringender betrieblicher Gründe sozial gerechtfertigt gewesen wäre. Allerdings hätten sich rein arbeitsrechtlich eventuell Probleme aus dem Erfordernis der Betriebsratsanhörung ergeben können.

In einem Schriftsatz vom 14.08.1997 im Verfahren G. V. trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin noch vor, dass die Klägerin durch die Abschlüsse der Aufhebungsvereinbarungen mit allen von der Schließung des Bewachungsobjektes L. betroffenen Arbeitnehmern in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und durch die zwischenzeitlich vom Arbeitsamt T. geltend gemachten Ansprüche nach den §§ 117 AFG, 115 SGB X und die hier streitigen Erstattungsansprüche nach § 128 AFG in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei. Sie kündigte ein entsprechendes Gutachten an und beantragte die Herstellung der aufschiebenden Wirkung.

Das SG hat mit Urteil vom 19.08.1997 der Klage gegen die Erstattungsforderungen wegen der dem Arbeitnehmer G. V. erbrachten Leistungen stattgegeben. Unabhängig davon, ob die tatbestandlichen Grundvoraussetzungen für das Auslösen der Erstattungspflicht nach § 128 Abs.1 Satz 1 AFG vorlägen, sei jedenfalls der Befreiungstatbestand des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG gegeben. Die Kammer habe keinen Zweifel daran gehabt, dass es sich bei der Kündigung des V. durch die Klägerin um eine sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG gehandelt habe. Diese Auffassung sei dem Gericht durch das Arbeitsgericht H. bestätigt worden.

Der Nichteintritt der Erstattungspflicht nach § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG im Fall einer sozial gerechtfertigten Kündigung beruhe darauf, dass eine Erstattungspflicht durch den Arbeitgeber nicht entstehen solle, wenn er sich in arbeitsrechtlich begründeter Weise von seinem früheren Arbeitnehmer getrennt habe. Es sei mithin auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne des § 1 Kündigungsschutzgesetz abzustellen.

Insoweit habe die Kammer am Vorliegen von dringenden betriebsbedingten Gründen keinerlei Zweifel gehabt. Nachdem der Klägerin der Auftrag für das Bewachungsobjekt L. entzogen worden sei, seien sämtliche dieses Bewachungsobjekt betreffenden Arbeitsplätze weggefallen und sei die Klägerin gezwungen gewesen, sämtliche bis dahin dort eingesetzten Arbeitnehmer zu entlassen. Für eine soziale Auswahl sei kein Raum mehr gewesen. Auch Umsetzungsmöglichkeiten habe es nicht gegeben.

Insoweit sei in dem vor dem Arbeitsgericht H. geschlossenen Vergleich zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Mitarbeiter V. vom 16.05.1997 ausdrücklich festgehalten worden, dass sich die Beteiligten darüber einig seien, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für den ehemaligen Mitarbeiter der Klägerin im Umkreis einer Fahrstrecke von bis zu zwei Stunden nicht bestehe.

Die Parallelverfahren, auch den Rechtsstreit S 12 AL 209/97 wegen der Erstattung der dem G. erbrachten Leistungen, hatte das SG mit Beschluss vom 20.08.1997 ruhend gestellt. Nach dem jedoch die Beklagte aufgrund eines Büroversehens unterließ, gegen das Muster-Urteil des SG in Sachen G. V. Berufung einzulegen, wurde der hier zugrundeliegende Rechtsstreit wegen der Erstattung der dem G. erbrachten Leistungen, nunmehr unter dem Az.: S 12 AL 70/99, wieder aufgenommen.

Zwischenzeitlich hatte das Arbeitsamt wegen des Urteils des BSG vom 17.12.1997 SozR 3-4100 § 128 Nr.4 zum verwaltungsmäßigen Vorgehen im Erstattungsverfahren nach § 128 AFG nach nochmaliger Anhörung der Klägerin einen wiederholenden Erstattungsbescheid über die Zeit vom 01.03.1997 bis zum 12.05.1997 mit Geltendmachung einer Erstattungssumme von 5.965,26 DM erlassen, den Ersetzungsbescheid vom 27.01.1999, den es zum Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt noch ruhenden gerichtlichen Verfahrens erklärte.

In dem das Verfahren wieder aufnehmenden Schriftsatz vom 15.02.1999 wies die Beklagte darauf hin, dass nach der Leistungsakte des G. V. dieser Mitarbeiter zwei Monate nach Beendigung auch von dessen Beschäftigungsverhältnis zum 31.08.1996 von der Klägerin im Bewachungsobjekt Kaserne K. , 25 km entfernt von L. , weiter beschäftigt worden sei. Dem hielt der Klägerbevollmächtigte in Schriftsätzen vom 02.03.1999 und 08.04.1999 entgegen: zum 31.08.1996 habe in der Kaserne K. keine Einsatzmöglichkeit bestanden. Vielmehr sei die Klägerin kurzfristig für einen befristeten Zeitraum vom 01.11.1996 bis 31.01.1997 mit der Bewachung der naheliegenden Kaserne P. in K. beauftragt worden. Hierfür seien zwölf ehemalige Mitarbeiter des Objekts L. herangezogen worden, worunter der G. nicht gewesen sei. Dem war ein entsprechender befristeter Bewachungsvertrag für den Zeitraum vom 01.11.1996 bis 31.01.1997 beigelegt. Als Zeugen dafür, dass es im erreichbaren Umkreis keine für die Ex-Mitarbeiter in L. in Frage kommenden freien Arbeitsplätze gegeben habe, benannte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Frau H. H. , veranwortliche Mitarbeiterin in der Verwaltung und Herrn F. P. , den verantwortlichen Einsatzleiter für die Region.

Zwischenzeitlich erlegte die Beklagte nach nochmaliger Anhörung der Klägerin und Befragung des Beigeladenen der Klägerin mit weiterem Abrechnungsbescheid vom 08.06.1999 einen Erstattungsbetrag von 9.208,55 DM über den nachfolgenden Zeitraum vom 13.05.1997 bis 31.08.1997 auf. Auch diesen Bescheid erklärte sie zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Einen Bescheid vom 12.04.1999 über die Erstattung von weiteren 7.765,63 DM hob die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 08.06.1999 auf, da der Beigeladene ab 01.09.1997 die Voraussetzungen für den Bezug von Altersrente nach § 38 SGB VI erfüllt hatte.

Das SG hob auf Antrag der Klägerin mit Urteil vom 16.01.2003 den Erstattungsgrundlagenbescheid vom 08.01.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1997 und die nachfolgenden Erstattungsbescheide vom 25.06.1997, vom 17.07.1997, vom 27.01.1999, vom 12.04.1999 und vom 08.06.1999 auf. In den Gründen hat das SG unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil vom 19.08.1997 in der Sache S 12 AL 210/97 wegen Erstattung der dem Arbeitnehmer G. V. erbrachten Leistungen die dortigen Ausführungen wiederholt.

Im Berufungsverfahren macht die Beklagte, nunmehrige Berufungsklägerin unter Bezugnahme auf die Motive des Gesetzgebers und die BSG-Rechtsprechung geltend: Die Anwendbarkeit des Befreiungstatbestandes des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG setze voraus, dass das Arbeitsverhältnis des betreffenden älteren Arbeitnehmers durch sozial gerechtfertigte Kündigung seitens des Arbeitgebers im Sinne des § 1 Kündigungsschutzgesetz habe beendet werden können und auch in dieser Form beendet worden sei. Eine Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag falle nicht unter den vom Gesetzgeber angesprochenen Anwendungsbereich der - sozial gerechtfertigten - Kündigung und solle dies auch nicht, da sich der Arbeitgeber bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht der Prüfung der Kündigungsgründe aussetze.

Die Klägerin habe den Beigeladenen am 18.10.1996 zum 28.02.1997 gekündigt. Die Kündigung sei jedoch nicht wirksam geworden, da der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben habe. Die Parteien hätten sich vor dem Arbeitsgericht vergleichsweise auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.08.1996 und eine dem Beigeladenen zu zahlende Abfindung geeinigt. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten in ihrem Schriftsatz vom 14.08.1997 im Musterverfahren G. V. an das SG Regensburg selbst dargelegt, dass sie mit allen von der Erschließung des Bewachungsobjektes L. betroffenen Arbeitnehmern Aufhebungsvereinbarungen geschlossen hätten und durch die Zahlung der vereinbarten Abfindungssummen in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien. Auch das Arbeitsverhältnis des hier beigeladenen Arbeitnehmers G. sei somit letztlich durch eine Aufhebungsvereinbarung und nicht durch eine Kündigung beendet worden. Die Ausführungen des SG zu einer eventuellen sozialen Rechtfertigung einer Kündigung wegen Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung seien daher nicht entscheidungserheblich.

Es liege auch kein anderer der in § 128 AFG aufgeführten Befreiungstatbestände vor. Auch der zunächst noch geltend gemachte Befreiungstatbestand des § 128 Abs.2 Nr.2 AFG sei nicht erfüllt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr.M. , S. und Partner habe sich dahingehend geäußert, dass die Gefährdung des Fortbestandes des Unternehmens der Klägerin durch Zuführung von Kapital durch den Gesellschafter J. K. beseitigt worden sei.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16.01.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin besteht in seiner Berufungserwiderung darauf, dass der Befreiungstatbestand des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG vorgelegen habe. Fest stehe, dass der Klägerin das Bewachungsobjekt L. zum 31.08.1996 entzogen worden sei und sie damit über die dort unter ihrer Ägide mit insgesamt 54 Mitarbeitern besetzten Arbeitsplätze nicht mehr habe verfügen können und dass das Nachfolgeunternehmen nur 16 der bisherigen Beschäftigten übernommen habe. Fest stehe auch, dass im Umkreis von zwei Autostunden ein vergleichbarer Einsatzort für die verbliebenen Arbeitnehmer nicht vorhanden gewesen sei. Nach der damaligen Rechtsprechung sei offen gewesen, ob durch die Fortführung der Bewachungstätigkeit und die Übernahme eines Teils der Belegschaft ein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattgefunden habe oder aber - anderenfalls - die Arbeitsverhältnisse der nicht mehr weiterbeschäftigten Arbeitnehmer betriebsbedingt durch Kündigung bei der Klägerin geendet hätten.

Dies habe man aber vermeiden wollen. In L. sei ein Betriebsrat eingesetzt gewesen. Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung und einer damit verbundenen Betriebsschließung des Objekts L. wäre die Klägerin sozialplanpflichtig gemäß §§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz geworden. Zur Schaffung von Rechtssicherheit sei zwischen der Klägerin und dem Betriebsrat vereinbart worden, dass man einen "kleinen Sozialplan" vereinbare, wonach den Arbeitnehmern bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen eine bestimmte Abfindung bezahlt werde. Diese Abfindung habe erheblich unter den üblichen Sozialplansätzen gelegen. Aus diesem Grunde sei auch allen Mitarbeitern eine Abfindung gezahlt worden. Damit sei für die Klägerin die Beendigung der Arbeitsverhältnisse "berechenbar" gewesen. Dies lasse aber nicht den Schluss zu, dass die Abfindungen wegen Rechtsunsicherheit bezüglich der Rechtmäßigkeit der betriebsbedingten Kündigung bezahlt worden seien, so dass der Befreiungstatbestand nicht greife. Hintergrund sei ausschließlich die ansonsten zu besorgende eventuelle Anwendung der §§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz gewesen. Der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt W. , der seinerzeit für die Beklagte die Verhandlungen geführt habe, könne diese Vorgänge als Zeuge bestätigen.

Der Senat konnte von der Beklagten die Leistungsakte des hier beigeladenen K. G. in einer Originalfassung und einer zusätzlichen Behelfsfassung beiziehen, dazu die Leistungsakte eines weiteren Arbeitnehmers, des F. U ... Der Vorgang zur Gleichwohlgewährung nach § 117 AFG konnte von der Beklagten und Berufungsklägerin nicht mehr aufgefunden werden, wurde aber auszugsweise rekonstruiert. In einer Notiz vom 13.08.1997 über ein Gespräch mit dem Geschäftsführer und den Anwälten der Firma W. wird vorgeschlagen, sich wegen der den betroffenen Arbeitnehmern erbrachten Gleichwohlgewährung auf den Vergleichsvorschlag der Firma einer in Raten zu zahlenden Gesamtsumme von 230.000,00 DM zu einigen, was, so der jetzige begleitende Schriftsatz, mit dem Geltendmachen der Erstattung nach § 128 AFG im Leistungsfall des hier beigeladenen G. statt ab 02.09.1996, erst ab 01.03.1997 verbunden gewesen sei. Weiter vorlegen konnte die Beklagte noch ein Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr.M. , S. und Partner, D. , vom 17.07.1998 an das Arbeitsamt S ... Darin heißt es, dass der Gesellschafter der W. GmbH und Co. KG, J. K. , dem Unternehmen im Jahr 1997 Eigenkapital von 1 Mio. DM zugeführt und dadurch die Gefährdung des Fortbestandes des Unternehmens beseitigt habe.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich auf die Frage des Senats nach den näheren Umständen des Ausscheidens der im Bewachungsobjekt L. beschäftigten Mitarbeiter und der seinerzeitigen gesamtbetrieblichen Situation in mehreren Schriftsätzen geäußert und Unterlagen vorgelegt. In einer von der Mitarbeiterin J. K. am 25.02.1997 erstellten Liste "Streitfälle L." sind 67 ehemalige Arbeitnehmer des Bewachungsobjekts L. verzeichnet, davon 12 Arbeitnehmer als weiter in der Firma W. beschäftigt, zehn Arbeitnehmer als von der Nachfolgefirma übernommen, 40 Arbeitnehmer als von der Firma gekündigt bei 34 beim Arbeitgericht anhängigen Klagen. Vier Arbeitnehmer hatten nach dieser Liste das Arbeitsverhältnis durch eigene Kündigung beendet, ein Arbeitnehmer war seit längerem im Krankengeldbezug. Im Einzelnen und in der Summe aufgeführt sind noch die erwarteten Urlaubsabgeltungen, Lohnforderungen und Abfindungen. Erläuternd fügt der Klägervertreter im Schriftsatz vom 03.07.2006 hinzu, dass sämtliche Klageverfahren durch Zahlen von Abfindungen beendet worden seien und dass die abgefundenen Mitarbeiter nicht später noch einmal beschäftigt worden seien. Die Zahl der in der Liste ausgeführten Mitarbeiter liege deshalb über der bisher genannten Bewachungsstärke, da in der Liste auch Aushilfen mitaufgeführt seien.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2006 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin noch mit, dass, wenn auch keine schriftlichen Unterlagen hierüber mehr vorlägen, noch erinnerlich sei, dass und wie mit dem zuständigen Berater des Betriebsrats eine Vereinbarung über das Anstreben gleichlautender Vergleiche vor dem Arbeitsgericht getroffen worden sei, desweiteren, dass im Jahr 1996 insgesamt 1.572 Mitarbeiter bei der damaligen Firma W. beschäftigt gewesen seien und im Umkreis von 100 km von L. keine weiteren Bewachungsobjekte vorhanden gewesen seien. Dem beigelegt waren Bewachungsverträge zwischen der regionalen Wehrbereichsverwaltung und der Firma W. betreffend die Objekte L. , T. und K ... Diese waren in einem beiliegenden Schreiben der Frau H. H. von der Personalabteilung an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 05.05.1999 umfassend erläutert. Darin aufgeführt waren zwei noch über den 31.08.1996 hinaus bis zum 31.12.1998 weiter laufende Bewachungsobjekte in T. und K. mit den dazu gehörenden eingesetzten Bewachungskräften und noch zwei weitere Bewachungsobjekte im Umkreis einer Anfahrtsstrecke von zwei Stunden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 16.01.2003 war aufzuheben. Die Beklagte hat die Erstattungsforderungen wegen der dem Beigeladenen im Zeitraum vom 01.03.1997 bis 31.08.1997 erbrachten Leistungen dem Grunde und der Höhe nach zu Recht geltend gemacht.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderungen der Beklagten ist § 128 AFG, wie er neu gefasst durch das Änderungsgesetz vom 18.12.1992 wieder in das AFG eingefügt worden ist (BGBl.I 2044), in der Fassung des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26.07.1994 (BGBl.I, 1786).

Nach dessen Abs.1 Satz 1 hat der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs.2 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage zu erstatten.

Diese Grundvoraussetzungen sind, soweit sie den beigeladenen K. G. betreffen, ohne weiteres gegeben. Der 1934 geborene Beigeladene war seit dem 01.01.1985 (nach der im Berufungsverfahren vorgelegten Liste sogar seit 01.02.1975) als Wachmann bei der W. beschäftigt, bis er sich am 02.09.1996 beim Arbeitsamt T. arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat.

Sie sind auch insoweit gegeben, als die Klägerin ehemaliger "Arbeitgeber" des Beigeladenen im Sinne des § 128 Abs.1 AFG ist. Zwar würde im Falle eines Betriebsüberganges im Sinne von § 613a BGB auf das der Klägerin in der Bewachung der Anlage L. nachfolgende Unternehmen mit den Arbeitgeberpflichten auch die Erstattungspflicht nach § 128 AFG, soweit eine solche besteht, übergegangen sein (Gagel/Rolfs, Rz.59 zu § 147a SGB III, Niesel/Brandt, Rz.8 zu § 147a SGB III jeweils mit Rechtsprechungshinweisen). Ein solcher Betriebsübergang hat jedoch nicht stattgefunden. Er ist zwar auch in Branchen möglich, in denen die Identität eines Betriebes wesentlich auf der Identität des (Fach-)Personals und weniger auf den materiellen oder immateriellen Betriebsmitteln beruht, wie etwa im Gebäudereinigungsgewerbe oder Bewachungsgewerbe. Für den Betriebsübergang "durch Rechtsgeschäft", der in § 613a BGB vorausgesetzt wird, reicht u.U. auch die Neuvergabe eines Auftrags durch den Auftraggeber an einen neuen Unternehmer ohne vertragliche Beziehungen zwischen dem ursprünglich beauftragten Dienstleister und dem nunmehr beauftragten Unternehmen. Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang in diesem Rahmen sind jedoch durch Urteil des EuGH vom 11.03.1997 zur Richtlinie 77 aus 187/EWG des Rates vom 14.02.1977 (zu einem Fall aus dem Gebäudereinigungsgewerbe, vorgelegt durch das Arbeitsgericht Bonn, NZA 97, 433) eng gesteckt. Es reicht nicht aus, dass der neue Untenehmensinhaber die betreffende Tätigkeit weiterführt, vielmehr muss er auch den nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernehmen, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Nur dann bleibt es bei der Identität des Betriebes. Dem ist das Bundesarbeitsgericht in Urteilen vom 11.12.1997 Az.: AZR 729/96 (DB 98, 883) sowie vom 10.12.1998 Az.: 8 AZR 676/97 (NZA 99, 420) ganz dezidiert gefolgt. Die von der Klägerin vorgetragenen Zahlen von 54 von ihr im Bewachungsobjekt L. beschäftigten Arbeitnehmern, von denen 16 von der Nachfolgefirma übernommen worden seien, halten dem nicht stand. Es bedarf auch keiner genauen und abschließenden Überprüfung, wie sich dies zu der in der am 25.02.1997 erstellten Liste von 67 Arbeitnehmern bei 10 Übernahmen verhält, auch nicht, inwieweit die am 28.05.1996 ausgesprochene Kündigung von 7 Wachaufträgen in der T. Kaserne und der LV-Anlage "G." zum 31.08.1996, dass die Kündigung "aufgrund der geplanten elektronischen Überwachung durch das Betreibermodell erfolge", eine Änderung der Organisation impliziert (s. hierzu BAG vom 10.12.1998 a.a.O.).

Die Ausnahmeregelungen bzw. Befreiungstatbestände sind unter dem Gesichtspunkt des Normzwecks des § 128 AFG unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit des hier vorliegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit auszulegen.

Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 23.01.1990 (SozR 3-4100 § 128 Nr.1) ausführlich befasst. Legitim und vorrangig sei die verhaltenssteuernde Funktion in Gestalt des Ziels, die Arbeitgeber zu veranlassen, ihre älteren, langjährig beschäftigten Arbeitnehmer grundsätzlich bis zu der für den Beginn des flexiblen Altersruhegeldes maßgeblichen Altersgrenze des 63. Lebensjahres zu beschäftigen. Dies habe als Nebenzweck auch die Funktion, den Missbrauch vorzeitiger Verrentungen auf Kosten der Sozialversicherung einzudämmen und damit auch eine Entlastungsfunktion zum Inhalt. Das Verfolgen dieser Zielsetzung sei durch die besondere Verantwortungsbeziehung, die der Arbeitgeber zu seinen älteren, langjährig beschäftigten Arbeitnehmern habe, gerechtfertigt. Dies gebiete aber, die Erstattungspflicht im einzelnen Fall auch nur dann eintreten zu lassen, wenn den Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des älteren Arbeitnehmers treffe, d.h. wenn dem Arbeitgeber zumindest eine Mitverantwortung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuschreiben sei. Die entsprechenden Befreiungstatbestände des § 128 AFG müssten in diesem Sinne ausgelegt werden.

Die Einfügung des hier von den Parteien erörterten Befreiungstatbestandes des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG durch das Änderungsgesetz vom 18.12.1992 (BGBl.I, S.2044) knüpft an diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts an. Eine die Erstattungspflicht im einzelnen Fall rechtfertigende Verantwortung für die Freisetzung eines Arbeitnehmers und die daraus folgenden Aufwendungen der Arbeitslosenversicherung treffe den Arbeitgeber nicht, wenn er sich in arbeitsrechtlich begründeter Weise von seinem Arbeitnehmer getrennt habe, er das Arbeitsverhältnis also durch sozial gerechtfertigte Kündigung im Sinne des § 1 Kündigungsschutzgesetz beenden konnte und auch in dieser Form beendet habe. Gegenüber der bisherigen Fassung des § 128 AFG erfasse der Ausnahmetatbestand der Ziffer 4 demnach auch personenbedingte Kündigungen und solche wegen dringender betrieblicher Erfordernisse. Durch diese Neukonzeption werde - im Zusammenhang mit der Härteklausel des Abs.2 - u.a. der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einem weiten, wirtschaftliche und sonstige betriebliche Umstände erfassenden Ausnahmetatbestand entsprochen. Die Fassung des eingefügten Ausnahmetatbestandes sei jedoch so angelegt, dass es nicht automatisch den Eintritt der Erstattungspflicht hindere, wenn der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhoben habe und die Kündigung dadurch rechtswirksam geworden sei. Der Arbeitgeber habe die Gründe für die Kündigung und die soziale Auswahl darzulegen und nachzuweisen (Bundestags-Drucksache 12/3211 S.25). Dass die ausführlichen Erwägungen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23.01.1990 auch für die Neufassung durch das Gesetz vom 18.12.1992 (dem auch § 147a SGB III weitgehend entspricht) gelten, hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 09.09.2005 bestätigt (Beschluss vom 09.09.2005 SozR 4-4100 § 128 Nr.4). Es hat insbesondere die mittlerweile ergangene Rechtsprechung des BSG bestätigt, dass - möglicherweise sozial gerechtfertigte - "Aufhebungsverträge" nicht unter den Befreiungstatbestand des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG fallen (BSG vom 17.12.1997 SozR 3-4100 § 128 Nr.5, auch BSG vom 25.06.1998 Az.: B 7 AL 82/97, dort S.8 unten, BSG vom 04.09.2001 Az.: B 7 AL 64/00 R dort S.7 unten). Zu Recht stelle das BSG darauf ab, dass sich der Arbeitgeber beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe aussetze. Könne er solche anführen und damit darlegen und nachweisen, dass die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit seines früheren Arbeitnehmers nicht ihn treffe, habe er die Möglichkeit, vom Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Die ausdrückliche Beschränkung des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG auf Kündigungen bewirke zudem, dass nur solche Beendigungsakte geeignet seien, die Erstattungspflicht zu beseitigen, die zumindest dem Grunde nach von den für die Beurteilung der dabei aufgeworfenen arbeitsrechtlichen Fragen zuständigen und kompetenten Gerichten überprüft werden könnten, was die BA entlaste (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts a.a.O. Rz.23).

Das BSG knüpft also, vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, bei Prüfung des Befreiungstatbestandes des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG (§ 147a Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB III) vorderhand darauf an, in welcher Form das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Das bedeutet, dass zunächst einmal von den Gründen, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt geführt haben, abzusehen und durch Auslegung des Bedeutungsgehalts der Erklärungen des Arbeitgebers und gegebenenfalls Arbeitnehmers, die letztendlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkt haben, zu ermitteln ist, in welcher Gestalt sie dies tun wollten, in Gestalt einer Kündigung, eines Aufhebungsvertrages oder aber auch der von der Rechtspraxis entwickelten Gestalt der Kündigung mit anschließendem Abwicklungsvertrag (einer Differenzierung, die auch im Sperrzeitrecht, allerdings aus anderer Perspektive und daher auch mit anderer Bedeutung gebräuchlich ist; siehe zu dieser Thematik und gerade auch zur Bedeutung der äußeren Gestaltung BSG vom 25.06.1998 Az.: B 7 AL 82/97 R, dort S.8 unten; BSG vom 11.05.1999 SozR 3-4100 § 128 Nr.6, dort S.54, ausführlich zuletzt nochmals BSG vom 02.09.2004 SozR 4-4100 § 128 Nr.3 Rzn.13 und 14). Lässt sich demnach eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Arbeitslosen durch Kündigung des Arbeitgebers nicht feststellen, so kommt der Befreiungstatbestand des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG von vornherein nicht zur Anwendung.

Ein solcher Fall liegt aber hier vor. Die Kündigung vom 18.10.1996 zum 28.02.1997, wenn es denn eine solche gegeben hat, war von vornherein unter Vorbehalt abgeschlossen. Sie ist zumindest durch den Abschluss des Vergleichs vor dem Arbeitsgericht H. am 16.05.1996 nicht wirksam geworden. Zum einen hat die Klägerin, wie vom Klägerbevollmächtigten auch in diesem Verfahren kontinuierlich vorgetragen, im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat angestrebt, dass es letztlich nicht zu einer Beendigung durch Kündigung, sondern durch Vergleich komme, um den finanziellen Folgen einer Kündigung im Rahmen einer Betriebsänderung bezogen auf das Bewachungsobjekt L. nach §§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz nicht ausgesetzt zu sein. Auch konnte eine Kündigung vom 18.10.1996 bereits als solche nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der betroffenen Arbeitsverhältnisse zum 31.08.1996, auf die sich die Beteiligten im Vergleich vor dem Arbeitsgericht H. am 16.05.1997 geeinigt haben, zum Inhalt haben.

Es liegt auch keine Kündigung am und zum 31.08.1996 und die Rücknahme einer Klage gegen eine solche Kündigung verbunden mit einem Abwicklungsvertrag in den Vergleichen vom 16.05.1997 vor. Diese Vergleiche sind nicht nur mit "Vergleich" überschrieben, vielmehr sind sich die Parteien "einig, dass das zwischen ihnen bestandene Arbeitsverhältnis aufgrund des Verlustes des Bewachungsvertrages für den bisherigen Beschäftigungsort - Bundeswehrkaserne L. - mit Ablauf des 31.08.1996 sein Ende gefunden hat". Dies ist eine Erklärung, die ausdrücklich den Begriff der Kündigung vermeidet. Wie auch im hiesigen Verfahren von Anfang an vorgetragen, hat die Klägerin, arbeitsgerichtlich Beklagte, Kündigungen wegen des Entzugs des Bewachungsobjektes L. wegen der unabsehbaren finanziellen Folgen nach §§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz für das Unternehmen peinlichst vermieden (die Schranke für eine "Einschränkung" des Betriebes im Sinne von § 111 Abs.1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz liegt oder lag jedenfalls seinerzeit vergleichsweise niedrig, s. Fitting Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 18.Aufl., 1996, Rz.59 zu § 111). Die Klägerin hat, wie im Klageschriftsatz vom 28.04.1997 und in der Folge weiterhin vorgetragen, durch das Urteil des EuGH vom 14.04.1994 in der Sache C. S. (NZA 1994, 545) ermutigt, zunächst auf den gesetzlichen Übergang der Arbeitgebereigenschaft auf das Nachfolgebewachungsunternehmen durch Betriebsübergang im Sinne des § 616a BGB gesetzt.

Ob zum damaligen Zeitpunkt, also unmittelbar anlässlich des bevorstehenden Entzugs des Auftrags L. zum 31.08.1996 mit Schreiben vom 28.05.1996 überhaupt eine schriftliche Erklärung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern abgegeben worden ist, ggf. welchen Inhalts, ist, auch aus der Arbeitslosmeldung des G., nicht erkennbar. Jedenfalls hat auf die Anforderungen des Senats, derartiges gegebenenfalls vorzulegen, keine der Parteien reagiert. Eine "Kündigung" stünde jedenfalls mit dem sonstigen Vortrag der Klägerin und auch den seinerzeitigen Verlautbarungen im Widerspruch. So hat die Klägerin in der Arbeitsbescheinigung vom 19.09.1996 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem G. als Folge des von ihr so gesehenen Betriebsübergangs auf den neuen Arbeitgeber, nicht aber als Folge einer ihrerseits abgegebenen Erklärung oder auch einer - damals - geschlossenen Einigung bezeichnet. Allenfalls hat sie danach seinerzeit die von dem Verlust des Bewachungsauftrags L. betroffenen Arbeitnehmer im Sinne des § 613a Abs.5 BGB über den von ihr angenommenen Betriebsübergang und den damit verbundenen Übergang der Arbeitgeberpflichten auf die neue Bewachungsfirma "unterrichtet" und das Arbeitsverhältnis defacto vorläufig außer Vollzug gesetzt, indem sie den betroffenen Arbeitnehmern keine anderen Arbeitsplätze angeboten hat.

Die Klägerin hat daraus, dass sie unter Abwarten der Rechtsprechung dem Risiko eindeutiger Erklärungen aus dem Wege gegangen ist, um dann schließlich die arbeitsgerichtlichen Vergleiche vom 16.05.1997 zu schließen, wirtschaftliche Vorteile gezogen und hat dies auch - auch nach eigenem Vortrag - beabsichtigt. Es zeigt sich somit gerade in ihrem Fall der Sinn einer wörtlichen Auslegung des Befreiungstatbestandes des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG (§ 147a Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB III).

Es bedarf daher nicht der Überprüfung durch das Gericht, ob die Klägerin den beigeladenen G. wegen dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt hätten kündigen können.

Die Ausnahmeregelung des § 128 Abs.2 AFG wegen wirtschaftlich unzumutbarer Belastung hat die Klägerin zuletzt selbst nicht mehr geltend gemacht. Dies wäre auch nach dem Schreiben des Wirtschaftsprüfers Dr.M. vom 17.07.1998 bzw. dem dort erwähnten Aufstocken des Eigenkapitals um 1 Mio. DM nicht mit Erfolg möglich.

Ansonsten hat die Klägerin keinen weiteren der möglichen Befreiungstatbestände des § 128 AFG, die zum größten Teil eine genaue Kenntnis der eigenen Unternehmens- und Betriebsstruktur und der personellen Situation voraussetzen weder dargelegt noch gar nachgewiesen. In diesem Fall hat auch das Gericht trotz des allgemein geltenden Maßstabs der Amtsermittlungspflicht nicht die Verpflichtung, von sich aus nachzuprüfen, ob etwa einer der aufgeführten Befreiungstatbestände vorliegen könnte (s. z.B. BSG vom 20.06.2002 Az.: B 7 AL 8/01 R, dort S. 13 unter Ziffer 7, Hinweis auf BSG vom 21.09.2000 SozR 3-4100 § 128 Nr.10 und vom 14.12.2000 SozR 3-4100 § 128 Nr.11).

Mit den die Klägerin belastende Regelungen, nämlich die Anordnung der Erstattung für die Zeit vom 01.03.1997 bis 12.05.1997 in Höhe von 5.965,26 DM sowie für den Zeitraum vom 13.05.1997 bis 13.08.1997 in Höhe von 9.208,55 DM enthaltenden Bescheiden vom 27.01.1999 und vom 08.06.1999 sind die vorangegangenen Bescheide bereits durch die Beklagte abgeändert, wenn auch nur verfahrensmäßig in die richtige Bahn gebracht worden. Sie bedurften daher keiner zusätzlichen Aufhebung durch das Gericht. Der Erstattungsbescheid vom 12.04.1999 war ohnehin wegen Erreichens der Altersgrenze des Beigeladenen ausdrücklich nachfolgend bereits am 08.06.1999 durch die Beklagte aufgehoben worden.

Die Klage war demnach in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch weicht das Urteil des Senats von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf diese Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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