L 3 U 425/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 76/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 425/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 19/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. über den 30.10.2002 hinaus.

Der 1962 geborene Kläger ist Maurer. Am 15.06.2000 stürzte er aus ca. 12 m Höhe auf den Betonboden im Keller und erlitt dabei eine Steißbeinfraktur, ein Schädel-Hirntrauma ersten Grades, Platzwunden im Gesicht, multiple Schürfwunden und Prellungen. Zur Erstversorgung wurde er in die Klinik Dr.R. in M. eingewiesen und dort bis 30.06.2000 behandelt. Nach Mitteilung des D-Arztes vom 17.07.2000 war er ab 15.07.2000 wieder arbeitsfähig.

Zur Ermittlung des Sachverhaltes zog die Beklagte Befundberichte des behandelnden Orthopäden Dr.B. vom 17.11.2000 sowie den Kernspintomographie-Befund vom 02.10.2000 und einen Befundbericht der R.-Klinik M. vom 08.01.2001 bei, ferner ein Vorerkrankungsverzeichnis der IKK und einen Unfallbericht. Anschließend holte sie ein Zusammenhangsgutachten des Dr.K. , Orthopäde, vom 09.02.2001/23.04.2001 ein und bewilligte mit Bescheid vom 04.07.2001 eine vorläufige Verletztenrente aufgrund einer MdE von 20 v.H. bis auf Weiteres. Im zweiten Rentengutachten vom 21.11.2001 stellte Dr.K. lediglich geringe Verbesserungen fest und kam zu dem Ergebnis, dass weiterhin eine MdE von 20 v.H. angemessen sei, im dritten Rentengutachten vom 15.10.2003, dass aus orthopädischer Sicht der Neurostatus der unteren und oberen Gliedmaßen völlig in Ordnung sei. Paresen oder Sensibilitätsstörungen seien nicht fassbar. Als Unfallfolge bestehe eine endgradige Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule am dorsolumbalen Übergang, unter leichter Keilverformung ausgeheilte Bruchschädigung der Brustwirbelkörper (BWK) 10 bis Lendenwirbelkörper (LWK) 2 ohne unfallbedingte Instabilitätszeichen bei guter muskulärer Kompensation. Die MdE betrage auf unbestimmte Zeit 10 v.H. Daraufhin entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 20.11.2002 die Verletztenrente mit Ablauf des Monats November 2002. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2003 wies sie den Widerspruch zurück. Die vom Kläger geltend gemachten psychischen Störungen erkannte sie nicht an.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente auf unbestimmte Zeit anlässlich des Arbeitsunfalles vom 15.06.2000 nach einer MdE von mindestens 40 v.H. zu gewähren und als weitere Folgen des Arbeitsunfalles psychische Beeinträchtigungen in Form von Angstzuständen und körperliche Beeinträchtigungen in Form von Gleichgewichtsstörungen anzuerkennen.

Das SG hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgen-, CT- und Kernspintomographieaufnahmen Beweis erhoben durch die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. S. vom 30.07.2003/18.10.2003, eines orthopädischen Sachverständigengutachtens des Dr.F. vom 30.06.2004 sowie eines weiteren psychiatrischen Gutachtens des Dr. P. vom 20.12.2004/24.02.2005. Dr. S. konnte keine Unfallfolgen feststellen und kam zu dem Ergebnis, dass eine MdE auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet durch den Unfall nicht bedingt werde. Dr. F. stellte fest, dass die Deckplattenbrüche vom 10. BWK bis zum 2. LWK sowie der Steißbeinbruch im Wesentli-chen folgenlos ausgeheilt sind. Der Übergang von der Brust- zur Lendenwirbelsäule, also der ehemals verletzte Bereich, entfalte sich völlig frei. Die Knickbildung im Steißbein sei funkti-onell ohne Bedeutung. Eine höhere MdE als 10 v.H. sei nicht zu rechtfertigen. Auch Dr. P. ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine Unfallfolgen vorlägen. Beschwerden auf psychiatrischem Gebiet seien erstmals etwa zehn Monate nach dem Unfall angedeutet worden, zu einer differenzierten Darstellung psychischer Beschwerden sei es erst Anfang 2003 gekommen. Es fehlten also Brückensymptome.

Mit Urteil vom 24.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beweiserhebung habe ergeben, dass die Verletzungen auf orthopädisch-chirurgischem Gebiet weitgehend ausgeheilt seien und nur noch eine MdE von 10 v.H. erreichten. Die vom Kläger geltend gemachten Störungen auf psychiatrischem Gebiet seien nicht auf den Unfall zurückzuführen, da sie erstmalig etwa zehn Monate nach dem Unfallereignis geltend gemacht wurden.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und die Einholung von Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Prof. Dr. P. auf orthopädischem und des Dr. P. auf neurologischem Gebiet beantragt. Nach Beiziehung der einschlägigen Röntgen-, CT- und Kernspintomographie-Aufnahmen hat der Senat Sachverständigengutachten von Prof. Dr. P. vom 31.10.2006 sowie Dr. P. vom 12.01.2007 eingeholt. Prof. Dr. P. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger beim Unfall Verletzungen des 1. und 2. LWK erlitten habe, die zu einer gewissen Deformierung geführt hätten. Die ebenfalls erlittene Steißbeinfraktur habe eine leichte Knickbildung hervorgerufen. Weitere Unfallfolgen seien nicht mehr zu erkennen. Die MdE betrage maximal 10 v.H. Dr.P. konnte keine Hinweise für eine abnorme psychische Unfallreaktion im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer länger andauernden Anpassungsstörung finden. Neurologische Gesundheitsstörungen lägen ebenfalls nicht vor. Die MdE ab 01.11.2002 betrage 0 v.H.

Mit Schreiben vom 15.05.2007 legte der Kläger ein Attest der Dr. L. vom 08.05.2007 vor.

Der Kläger beantragt, ihm Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.10.2005 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht München hat zu Recht festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 23.1.2003 rechtmäßig ist und der Kläger über den 30.11.2002 hinaus keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente bzw. Anerkennung weiterer Unfallfolgen auf psychischem Gebiet hat.

Die Feststellung einer Gesundheitsstörung und die Zahlung von Verletztenrente (§ 56 SGB VII) über den 30.11.2002 setzt voraus, dass sie Folge eines Versicherungsfalles, d.h. des Arbeitsunfalles vom 15.6.2000, ist (§§ 7, 8 SGB VII). Der Arbeitsunfall muss also wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt haben. Davon ist auszugehen, wenn dieser Unfall neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige Bedingung ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, ständ. Rspr., vgl. z.B. BSGE 63, 277).

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch darf keinen Zweifel mehr haben (BSGE 7, 103, 106). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Es genügt, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).

Unter Anwendung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats nach einer umfassenden Beweisaufnahme fest, dass der Kläger bei dem Arbeitsunfall vom 15.06.2000 keine Gesundheitsstörungen erlitten hat, die eine MdE in rentenberechtigendem Umfange nach dem 30.11.2002 begründen könnten.

Auf orthopädischem Gebiet liegt beim Kläger maximal eine MdE von 10 v.H. vor, da die Unfallfolgen weitestgehend folgenlos abgeheilt sind.

Die Untersuchung des Bewegungsapparats einschließlich des Achsenorgans des Klägers hat keinerlei subjektiv angegebene oder auszulösende Schmerzen, Beschwerden oder ähnliches ergeben. Es fanden sich auch keine muskulären Atrophien, keine Bewegungseinschränkungen der Gelenke und keine neurologischen Ausfallserscheinungen. Durch die Auswertung der vorgelegten Röntgen-, CT- und Kernspintomographieaufnahmen ist ferner nachgewiesen, dass die Deckplattenbrüche vom 10. Brust- bis zum 2. Lendenwirbelkörper sowie der Steißbeinbruch im Wesentlichen folgenlos ausgeheilt sind. Am 10. bis 12. BWK sind keine Verletzungsfolgen mehr erkennbar, es sind weder reaktive Randspornbildungen entstanden noch sekundäre Bandscheibeneinengungen noch Knickbildungen vorhanden. Auch die deformierenden Veränderungen des 1. und 2. LWK sind als geringgradig einzustufen und wirken sich funktionell nicht aus. Besonders der Übergang von der Brust- zur Lendenwirbelsäule, also der ehemals verletzte Bereich, entfaltet sich völlig frei. Hinweise auf Höhenminderungen der Bandscheiben fanden sich nicht. Die Knickbildung im Steißbein ist funktionell ohne Bedeutung. Damit beträgt die MdE maximal 10 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Be-rufskrankheit, 7. Auflage, S. 535 ff ). Die Steißbeinfraktur hinterläßt keine messbare MdE.

Diese Feststellungen beruhen auf dem dritten Rentengutachten des Dr. K. vom 15.10.2003 und wurden durch Dr. F. im SG-Verfahren und zuletzt durch den vom Kläger gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen Prof. Dr. P. in vollem Umfang bestätigt. Begründete Zweifel an den Feststellungen bestehen nicht.

Auch auf psychiatrischem Gebiet konnten keine unfallbedingten Erkrankungen nachgewiesen werden. Es gibt keine Hinweise für eine abnorme psychische Unfallreaktion im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer länger andauernden Anpassungsstörung. Beschwerden auf psychiatrischem Gebiet sind erstmals etwa zehn Monate nach dem Unfall angedeutet worden, zu einer differenzierten Darstellung psychischer Beschwerden ist es erst Anfang 2003 gekommen. Es fehlen also Brückensymptome bzw. eine nachvollziehbare Entwicklung psychischer Störungen durch den Unfall. Derartige Brückensymptome sind jedoch für die Anerkennung einer Anpassungsstörung oder einer posttraumatischen Belastungsstörung notwendig. Der Kläger ist vielmehr eine gekränkte Person, die durch die Regelung der Entschädigungsfrage massiv enttäuscht wurde und wiederholt angegeben hat, durch alle Instanzen gehen zu wollen.

Neurologische Gesundheitsstörungen liegen ebenfalls nicht vor, insbesondere keine neurologischen Ausfallserscheinungen.

Dies haben die Sachverständigen Dr. S. , Dr. P. und Dr. P. übereinstimmend festgestellt. Der Senat konnte keine Hinweise finden, die gegen diese gutachterlichen Feststellungen sprechen. Dem zuletzt vorgelegten Attest der Dr. L. vom 8.5.2007 können keine Tatsachen entnommen werden, die das Ergebnis der Beweisaufnahme in Frage stellen.

Zusammenfassend besteht also kein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente über den 30.11.2002 hinaus, da ab diesem Zeitpunkt keine MdE von mindestens 20 v.H. vorliegt. Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund (§160 Abs. 2 SGG) voliegt.
Rechtskraft
Aus
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