L 2 U 446/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 47/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 446/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 18/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1941 geborene Kläger war von 1959 bis 1999 Lkw-Fahrer und Möbelträger in der Möbelspedition seines Vaters tätig; 1977 übernahm er den Betrieb, der den Transport von Möbeln, Klavieren und Flügeln durchführt. Am 20. Februar 1996 zeigte er das Vorliegen einer Berufskrankheit wegen Rücken- und Kniebeschwerden an. Er habe seit ca. fünf Jahren große Beschwerden in diesen Bereichen.

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) kam am 24. Januar 1997 zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV nicht gegeben seien. Aus der Tätigkeit als Möbelspediteur sei keine, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende, häufig wiederkehrende Beanspruchung erkennbar.

Der Kläger wurde vom 16. bis 20. Januar 1997 im Klinikum G. wegen einer Innenmeniskusläsion und Chondromalazie 3. Grades im linken Knie behandelt. Am 17. Januar 1997 wurde bei einer Arthroskopie ein deutlich aufgefaserter Innenmeniskus geglättet.

Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten des Dr. G. vom 29. August 1997 ein, der hinsichtlich der Beschwerden des linken Knies eine chronische Synovitis ohne Ergusszeichen, erhebliche Arthrosebefunde an beiden Gelenkspalten, eine leichte Lockerung des medialen Kollateralbandes und des vorderen Kreuzbandes und eine erhebliche Varusform der Gelenkachse feststellte. Auch die vorliegende Wirbelsäulenerkrankung seien Anzeichen für eine endogene Erkrankungsbereitschaft wesentlichen Ausmaßes. Der staatliche Gewerbearzt schloss sich dieser Einschätzung am 30. September 1997 an.

Mit Bescheid vom 13. Januar 1998 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab, weil eine Berufskrankheit weder nach Ziff. 2108 bis 2110 noch nach der Ziff. 2102 der Anlage zur BKV vorläge. Der Kläger sei in der Zeit von 1959 bis 13. Dezember 1996 nicht den entsprechenden Arbeitsbelastungen ausgesetzt gewesen sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1998 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht München erhoben (Az.: S 20 U 883/98). Das Sozialgericht hat u.a. ein Gutachten des Chirurgen Dr. L. vom 24. August 1999 eingeholt, der jedoch zu den vorliegenden Knieschädigungen keine Aussage getroffen hat. Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Orthopäde Prof. Dr. R. ist hingegen in seinem Gutachten vom 1. August 2000 unter Einbezug eines radiologischen Zusatzgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass u.a. die Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV vorliege. Die Kniegelenke seien durch die beruflich bedingten ständigen Beuge-, Streck- und Drehbewegungen übermäßig belastet gewesen. Die entstandene mediale Meniskopathie sowie die mediale Gonarthrose seien deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu sehen. Die Gesamt-MdE - einschließlich einer Berufskrankheit nach Ziff. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV - betrage 60 v.H.

Auf die Einwendungen der Beklagten, die sich auf eine Stellungnahme des Dr. K./M. vom 22. Januar 2001 stützte, hat das Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. R. vom 15. Mai 2002 eingeholt. Bei vorbestehender Disposition bei O-Beinstellung sei es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Exposition zu einer übermäßigen Belastung des medialen Meniskus und damit zu einer allmählichen Deformierung, Ernährungsstörung des palitrophen Gewebes sowie zu degenerativen Veränderungen gekommen.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2003 durch Beschluss die Streitigkeit um die Anerkennung der Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zu BKV abgetrennt. Der um erneute Stellungnahme gebetene TAD hat am 20. März 2003 dargelegt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger hat eine Tätigkeitsliste übersandt, zu der die Beklagte eine erneute Stellungnahme des TAD vom 17. Juli 2003 übermittelt hat. Dieser ist bei der Auffassung verblieben, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen seien.

Das Sozialgericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. L. vom 8. Dezember 2003 eingeholt, der - unter der vorgegebenen Prämisse, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind - zu dem Ergebnis gelangte, dass am linken Kniegelenk eine isolierte, schwere medialseitige Arthrose sowie geringe Arthroseveränderungen auch im Kniescheibengleitlager bestehen. Es handele sich um die Folgen einer vergleichsweise ausgeprägten, nur das linke Bein betreffenden, anlagebedingten oder erworbenen Beinachsenfehlstatik. Eine Berufskrankheit läge nicht vor.

Prof. Dr. R. hat am 7. Juli 2004 ergänzend ausgeführt, es sei zutreffend, dass beim Kläger eine anlagebedingte varische Beinachsenfehlstellung links vorliege. Für die Entstehung einer medialen Arthrose spielten jedoch externe Faktoren wie extreme Belastungen des Kniegelenks eine entscheidende Rolle. Eine beruflich bedingte, jahrzehntelange Überbelastung des Kniegelenks sei gegeben.

Das Sozialgericht hat Prof. Dr. R. in der mündlichen Verhandlung als Sachverständigen gehört. Es habe beim Kläger zum Zeitpunkt der Arthroskopie eine sekundäre Meniskopathie vorgelegen. Ob auch ein primärer Meniskusschaden vorgelegen habe, könne aus dem vorliegenden Bildmaterial nicht erklärt werden. Auf die Niederschrift der Sitzung wird im Übrigen verwiesen.

Mit Urteil vom 27. Oktober 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV nicht vorlägen. Zwar könne unterstellt werden, dass der Kläger im Laufe seines Berufslebens 12.000 bis 14.000 Klaviertransporte durchgeführt habe. Dies stelle jedoch keine überdurchschnittlich meniskusbelastende Tätigkeit im Sinne der Ziff. 2102 der Anlage zur BKV dar.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgebracht, es sei die Einholung eines orthopädischen, nicht eines chirurgischen Gutachtens erforderlich. Im Übrigen lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor. Er habe über 40 Jahre schwerste Lasten in "Scherenschrittstellung" getragen. Es stelle eine Verletzung des Gleichheitssatzes dar, wenn die Voraussetzungen der Berufskrankheit beim Fliesenleger anerkannt würden, nicht jedoch beim Spediteur. Ferner seien die Gerichte nicht an die Merkblätter gebunden. Dabei seien jedoch auch die vier Fallgruppen des Merkblatts erfüllt. Er hat auf die Ausführungen des Prof. Dr. R. verwiesen.

Der vom Senat beauftragte Prof. Dr. N. hat unter Einbezug eines radiologischen Zusatzgutachtens vom 30. April 2007 in seinem Gutachten vom 22. Juni 2007 dargelegt, dass am linken Knie eine deutliche Meniskopathie mit Auffaserung und zum Teil eingerissenem Innenmeniskus sowie eine ausgeprägte Chondromalazie 4. Grades im medialen Bereich bestehen. Am rechten Knie hat er eine Degeneration des Innenmeniskusvorderhornes 3. Grades sowie eine begleitende Gonarthrose und eine Chondromalazie 3. Grades der Kniescheibe diagnostiziert. Die schwere körperliche Tätigkeit mit Belastung der Kniegelenke sei für die Entstehung einer Gonarthrose verantwortlich und könne nicht unter die enger gehaltenen Kriterien zur Entstehung einer Meniskopathie gefasst werden. Ein primärer Meniskusschaden sei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit zu begründen. Eine Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV läge nicht vor, da u.a. das entsprechende Krankheitsbild des Primärmeniskusschadens nicht nachgewiesen sei. Es bestehe jedoch eine berufsbedingte Gonarthrose, die gemäß § 9 Abs. 2 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) anzuerkennen sei; die MdE betrage hierfür 30 v.H. ab der Erstdokumentation am 23. November 1995. Durch eine Endoprotheseoperation linksseitig im Jahre 2001 sei eine signifikante Besserung der Belastungsfähigkeit erreicht worden, so dass ab diesem Zeitpunkt die MdE 20 v.H. betrage.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14. August 2007 darauf hingewiesen, dass sie zu der Anerkennung einer Gonarthrose als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII bislang noch keine Feststellungen getroffen habe. Diese Erkrankung sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Sie hat ein weiteres Feststellungsverfahren eingeleitet.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, auch die Anerkennung einer Gonarthrose sei Gegenstand des Berufungsverfahrens. Abzustellen sei auf den wirklichen Willen bei Antragstellung. Er habe alle ihm zustehenden Ansprüche geltend machen wollen. Ein erneutes Feststellungsverfahren verstoße gegen nationales Recht sowie gegen Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Ferner hat er auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 11. November 1987 (Az.: 9a RV 22/85) und vom 7. Juni 1988 (Az.: 8/5a RknU 4/87) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Oktober 2004 aufzuheben, 2. den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1998 aufzuheben, 3. die Beklagte zu verpflichten, eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV anzuerkennen, 4. die Beklagte zu verpflichten, die Gonarthrose gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit als Versiche rungsfall anzuerkennen und 5. die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Verletztenrente und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet, da die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind. Das Vorliegen einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

Soweit der Kläger beantragte, die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen einer Berufskrankheit anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren, sind die in Form der Versagungsgegen- und Leistungsklage gefassten Klageanträge allerdings unzulässig. Zunächst ist vielmehr im Rahmen einer Feststellungsklage zu klären, ob ein ursächlicher Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einer Berufskrankheit besteht (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Entsprechendes gilt für die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen einer Berufskrankheit bestritten wird (BSG vom 15. Februar 2005, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 m.w.N.). Die Klageanträge sind gemäß § 123 SGG sinngemäß umzudeuten in eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV sowie nach § 9 Abs. 2 SGB VII.

Berufskrankheiten sind nach § 7 Abs. 1 SGB SGB VII Versicherungsfälle. Berufskrankheiten sind dabei Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Vorliegend betrifft der Rechtsstreit nur die BK nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV - Menikusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten. Ergänzend kann das Merkblatt zur ärztlichen Untersuchung zur BK Nr. 2102 (Bek. des BMA, BArbBl. 2/1999 S. 135), das den Stand der wissenschaftlichen Lehrmeinung zusammenfasst, herangezogen werden. Die Merkblätter sind allerdings für die Gerichte nicht bindend.

Die Feststellung dieser Berufskrankheit setzt einerseits das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der haftungsbegründenden Kausalität, andererseits der medizinischen Voraussetzungen im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität voraus, d.h. es muss das typische Krankheitsbild der Berufskrankheit vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein.

Der Senat hat unter Bezugnahme auf die vorliegenden Stellungnahmen des TAD bereits erhebliche Zweifel, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit vorliegen, wie dies auch vom Sozialgericht ausgeführt wird. Die Frage kann jedoch offen bleiben, da auch die medizinischen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die berufliche Exposition müsste zumindest eine wesentliche Mitursache für die Gesundheitsstörungen sein. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit der beruflichen Exposition notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.

Unter die Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV fällt nur die primäre Meniskopathie, nicht die sekundäre. Bei der primären Meniskopathie setzt der vorzeitige Verschleiß im Bereich des Meniskusgewebes mit einer Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit des gesamten Meniskussystems ein (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 706). Bei der sekundären Meniskopathie treten zunächst ausgedehnte Knorpelschäden im Gelenk auf, deren Ursachen vielfältig sein können. Erst sekundär folgt ein Meniskusschaden. Insoweit fehlt es an der rechtlich wesentlichen Ursache der versicherten Tätigkeit für den Meniskusschaden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 707; BSG vom 21. Februar 1980, Breith. 1980, 961; Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 26. Januar 2005, Az.: L 2 U 332/03). Dies ist vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, da beim Kläger die Schadensverursachung durch eine anlagebedingte O-Beinstellung in Betracht kommt, worauf Dr. G. und Dr. L. eingehend hinweisen und die vor allem Dr. L. als wesentliche Ursache für den Menikusschaden ansieht. Dr. G. verweist auf eine allgemeine endogene Erkrankungsbereitschaft wesentlichen Ausmaßes, wie sie auch im Hinblick auf die beim Kläger bestehenden Wirbelsäulenerkrankungen anzunehmen sei.

Beim Kläger besteht am linken Knie eine Meniskopathie mit Auffaserung und zum Teil eingerissenem Innenmeniskus, ferner eine ausgeprägte Chondromalazie 4. Grades im medialen Bereich, am rechten Knie eine Degeneration des Innenmeniskusvorderhornes 3. Grades sowie eine begleitende Gonarthrose und eine Chondromalazie 3. Grades der Kniescheibe. Ein primärer Meniskusschaden ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben, da der Meniskusschaden, wie Prof. Dr. N. ausführt, parallel mit einer schweren Schädigung des Gelenkknorpels im Sinne einer Gonarthrose aufgetreten ist. Ferner steht auch nach dem Arthroskopiebefund des linken Knies aus dem Jahre 1997 bei einer Chondromalazie 4. Grades und einer beschriebenen Auffaserung des Innenmeniskus die Gonarthrose im Vordergrund des Beschwerdebildes. Die erste ausführliche Diagnostik erfolgte im Jahre 1995: es wurde eine Meniskopathie und eine im gleichen Schweregrad ausgeprägte Arthropathie mit Schädigung des Gelenkknorpels festgestellt. Der Sachverständige legte überzeugend dar, dass die primäre Ursache des Gelenkschadens nicht mehr definiert und somit nicht mehr nachgewiesen werden kann: Es kann sowohl eine primäre Meniskopathie zu einer sekundären Schädigung des Gelenkknorpels führen als auch eine primäre Arthropathie zu einem sekundären Meniskusschaden.

Auch am rechten Knie kann nicht die Diagnose einer primären Meniskopathie gestellt werden. Prof. Dr. N. diagnostizierte eine schwerstgradige Gonarthrose linksseitig mit vollständig aufgebrauchtem Gelenkknorpel und Schäden der Menisken, die einen Gelenkersatz mit Endoprothese im Jahre 2001 zur Folge hatte. Im rechten Knie wurden 1995 leichtgradige arthrotische Veränderungen beschrieben. MRT-Aufnahmen aus 2007 belegen auch dort deutliche degenerative Veränderungen des Gelenkknorpels, einen zum Teil kompartimentierten Gelenkerguss und deutliche degenerative Veränderungen des Innenmeniskus.

Auch Prof. Dr. R. erläuterte, dass beim Kläger zum Zeitpunkt der Arthroskopie eine sekundäre Meniskopathie vorgelegen hat. Der Nachweis eines primären Meniskusschadens konnte auch von ihm ausdrücklich nicht geführt werden.

Zwar kann auch eine Verschlimmerung eines Meniskusschadens als Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV anzuerkennen sein, wenn es sich um eine richtunggebende und bleibende Verschlimmerung körpereigener Minderbelastbarkeit durch berufliche Einwirkung handelt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 707). Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 7. Juni 1988 (BSG a.a.O.) ausgeführt, dass ein Meniskusschaden auch dann eine Berufskrankheit ist, wenn die gefährdende Tätigkeit sie nur mittelbar über die Verschlimmerung einer unfallunabhängigen Arthrose verursacht hat. Es gilt auch insoweit der im Unfallversicherungsrecht maßgebende Grundsatz der wesentlichen Bedingung, d.h. die berufliche Einwirkung muss rechtlich wesentlich für den Verschlimmerungsanteil sein. Dies ist der Fall, wenn ein schon bestehender unfallunabhängiger Gesundheitsschaden durch die berufliche Einwirkung richtunggebend verschlimmert wurde (BSG a.a.O. m.w.N.). Allerdings legte der Sachverständige Prof. Dr. N. überzeugend dar, dass beim Kläger die Gonarthrose im Vordergrund der Beschwerden steht. Der Meniskusschaden entwickelte sich dabei nicht aus einer vorbestehenden Arthrose, so dass keine Verschlimmerung vorliegt, sondern ist parallel mit einer schweren Schädigung des Gelenkknorpels aufgetreten. Ein primärer Meniskusschaden ist, wie dargelegt, nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu begründen, vielmehr liegt vor allem aufgrund der endogenen Fehlstellung das Vorliegen einer sekundären Meniskopathie nahe.

Eine Berufskrankheit nach Ziff. 2102 der Anlage zur BKV scheidet deshalb aus.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist nicht gegeben. Zum einen ist es nicht zutreffend, dass zwar bei Fliesenlegern, nicht jedoch bei Spediteuren die Voraussetzungen der Berufskrankheit anerkannt würden. Diese Auslegung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der BKV noch aus dem hierzu ergangenen Merkblatt, das nur beispielhaft u.a. die Berufsgruppe der Fliesenleger anführt. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten vorliegen. Zum anderen hat das BSG bereits in seiner Entscheidung vom 30. Januar 1986 (Az.: 2 RU 80/94) zu der damaligen Fassung der Berufskrankheit ausgeführt, dass es nicht Aufgabe der Rechtsprechung ist, darüber zu entscheiden, ob es arbeits- und sozialmedizinisch oder sozialpolitisch vertretbar oder sogar angebracht wäre, bestimmte Krankheiten in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen. Entsprechendes muss für die Frage gelten, ob die Tätigkeit bestimmter Personengruppen aufzunehmen sind.

Nach dem schlüssigen Gutachten des Prof. Dr. N. ist das Vorliegen einer berufsbedingten Gonarthrose naheliegend. Diese ist bislang nicht in die Liste der Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit der BKV aufgenommen, kann jedoch als "Wie-Berufskrankheit" nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen sein.

Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren den Klageanspruch auch auf die Anerkennung einer Gonarthrose als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII stützt, kann dies nicht Gegenstand des Verfahrens sein. Insoweit ist die Klage unzulässig. Zum einen war dies nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens, so dass das Sozialgericht hierüber nicht entschieden hat. Zum anderen hat die Beklagte bislang in den streitgegenständlichen Bescheiden lediglich über das Bestehen einer Berufskrankheit nach den Ziff. 2108 - 2110 und 2102 der Anlage zur BKV entschieden. Eine Entscheidung über eine "Quasi-Berufskrankheit" liegt nicht vor. Insoweit fehlt es bislang an der Durchführung eines erforderlichen Verwaltungsverfahrens, das von der Beklagten erst im August 2007 eingeleitet wurde. Jede Berufskrankheit stellt einen eigenständigen Versicherungsfall dar, §§ 9, 7 Abs. 1 SGB VII, der eigenständige und unterschiedliche Voraussetzungen aufweist. Zweck des Verwaltungsverfahrens ist es, das Vorliegen dieser Voraussetzungen bezogen auf das jeweilige Krankheitsbild zu prüfen. Dem widerspräche die erstmalige Entscheidung im Klage- oder Berufungsverfahren (so z.B. auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Februar 2007, Az.: L 17 U 132/05; BSG Urteil vom 22. Juni 2004, Az.: B 2 U 22/03 R). Ausdrücklich weist das BSG darauf hin, dsss sich die Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer BK stets auf eine bestimmte, genau definierte Krankheit bezieht, die der Verordnungsgeber unter einer eigenen Ordnungsnummer aufgelistet hat oder die nach § 9 Abs. 2 SGB VII im Einzelfall wie eine BK zu behandeln ist. Sie beinhaltet nicht gleichzeitig die Anerkennung oder Ablehnung anderer Listen- bzw. Wie-BK-Krankheiten, die bei dem Krankheitsbild des Versicherten möglicherweise ebenfalls in Betracht kommen könnten. Diese Beschränkung folgt schon daraus, dass für jede der in Frage kommenden Krankheiten eingene Voraussetzungen gelten und es gerade der Zweck des Verwaltungsverfahrens ist, das Vorliegen dieser Voraussetzungen bezogen auf das jeweilige Krankheitsbild zu prüfen. Ist eine solche Verwaltungsentscheidung nicht ergangen, fehlt eine zwingende Prozessvoraussetzung. Dieser Mangel könnte auch nicht durch unwidersprochene Einbeziehung i.S.d. § 99 SGG geheilt werden. Darüber hinaus hat die Beklagte ausdrücklich und wiederholt auf die Notwendigkeit der Durchführung des Verwaltungsverfahrens verwiesen.

Die vom Kläger hierzu zitierte Entscheidung des BSG vom 11. November 1987 (BSG a.a.O.) betrifft das Gebot der umfassenden Entscheidung des Gerichts über die vom Kläger erhobenen Ansprüche nach § 123 SGG. Daraus folgt nur, dass das Gericht nicht an die Fassung der Anträge zum Schluss der mündlichen Verhandlung gebunden ist, sondern sich nach dem Klagebegehren richten muss. Eine Erweiterung des Streitgegenstandes ist damit nicht umfasst; diese richtet sich vielmehr nach § 99 SGG und ist, wie aber dargelegt, in der vom Kläger angestrebten Form nicht zulässig.

Da vom Kläger bislang noch kein Verwaltungsverfahren auf Anerkennung einer Gonarthrose als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII eingeleitet worden war, scheidet ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK wegen Verzögerung zu Lasten des Klägers aus.

Die Berufung war deshalb insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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