L 16 LW 17/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 LW 30/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 17/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 26. März 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung der Zeit von April 1961 bis Dezember 1966 als rentenrechtliche Zeit und so die Feststellung weiterer 2,8773 Rentenversicherungspunkte streitig.

Der am 1947 geborene Kläger entrichtete von Januar 1967 bis April 1987 als landwirtschaftlicher Unternehmer und anschließend bis Januar 2007 (Vollendung des 60. Lebensjahres) als Weiterentrichtender nach § 27 GAL, § 84 Abs. 2 ALG Beiträge an die Beklagte, die ihm laufend Beitragszuschüsse gewährte. Bei der Beklagten besteht derzeit noch ein Beitragsrückstand in Höhe von EUR 12.290,78. Bereits 2001 wurde eine Beitragsforderung der Beklagten an den Kläger in Höhe von 21.639,93 DM unbefristet niedergeschlagen, weil diese Forderung amtsbekannt nicht einziehbar sei, und eine weitere Beitragsforderung im Juni 2005 in Höhe von EUR 17.718,78 befristet niedergeschlagen. Derzeit bezieht der Kläger Arbeitslosengeld II.

Die Beklagte teilte dem Kläger auf seine telefonische Anfrage bezüglich der Versicherungszeiten mit Schreiben vom 13.09.2005 mit, dass er von Januar 1967 bis April 1987 als Landwirt und anschließend als Weiterversicherter versicherungspflichtig gewesen sei. Versicherungszeiten als mitarbeitender Familienangehöriger beständen nicht.

Mit Schreiben vom 30.08.2005 trug der Kläger vor, dass die bisherige Rentenauskunft nicht die Zeit vom April 1961 bis Dezember 1966, in der er nach seiner vorzeitigen Volksschulentlassung in dem landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mitgearbeitet habe, berücksichtige. Dieses Schreiben ist nach dem ersten Poststempel der Beklagten bei dieser im September 2005 eingegangen; der konkrete Tag des Eingangs ist wegen Unleserlichkeit nicht erkennbar. Nach den Angaben des Klägers im Klageverfahren sei ihm dieses Schreiben von der Beklagten zurückgesandt worden. In der Akte der Beklagten ist dieses Schreiben auch nur als Anlage der vom Sozialgericht übersandten Klageschrift des Klägers mit einem Eingangsstempel der Beklagten vom 30.09.2005 enthalten.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 22.09.2005, eingegangen am 23.09.2005, beim Sozialgericht Regensburg Klage mit der Begründung, dass er von April 1961 bis Dezember 1966 mitarbeitendes Familienmitglied in der elterlichen Landwirtschaft gewesen sei und dieser Zeitraum bei der vorläufigen Rentenauskunft nicht als Versicherungszeit berücksichtigt sei. Bei der Multiplikation dieser 69 Monate Versicherungszeiten mit dem Faktor 0,0417 würden sich weitere 2,8773 Punkte ergeben. Da er die Beklagte mit Schreiben vom 30.08.2005 zur Anerkennung dieser Zeiten aufgefordert habe, habe er dieses von der Beklagten zurückerhaltene Schreiben in Kopie als Anlage beigefügt. Seine Klage sei als Maßnahme des vorbeugenden Rechtsschutzes zulässig. Die Vorschrift des § 92 Abs. 4 ALG verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei daher verfassungswidrig. Er beantragte daher, die Beklagte zu verurteilen, ihm 2,8773 Rentenversicherungspunkte mehr anzurechnen.

Nach Ansicht der Beklagten ist die Klage unzulässig, da die vom Kläger begehrte Anerkennung der Zeit vom April 1961 bis Dezember 1966 als Beitragszeit weder durch einen Verwaltungsakt anerkannt noch abgelehnt und über den Wert des Anwartschaftsrechts des Klägers bzw. über die Höhe des künftigen monatlichen Rentenanspruchs nicht entschieden worden sei. Die Nichtberücksichtigung von Zeiten bei der Festsetzung der Rentenhöhe könne erst nach Bekanntgabe des Rentenbescheides angefochten werden. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da der Kläger am 01.05.1980 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe und somit § 92 Abs. 4 ALG nicht zur Anwendung komme.

Das Sozialgericht wies die Klage nach entsprechenden Anhörungsmitteilungen mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2007 als unzulässig ab. Da der Kläger die Berücksichtigung der streitgegenständlichen Versicherungszeiten bei der Beklagten bisher weder beantragt habe noch hierzu eine Entscheidung ergangen sei, fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt mit der Begründung, dass die Beklagte bereits vor Klageerhebung mit der streitgegenständlichen Sache befasst gewesen sei und sie abschlägig beurteilt habe. Ein Vorverfahren sei nicht mehr erforderlich, weil klar sei, dass dieses Vorverfahren erfolglos bleiben würde.

In der mündlichen Verhandlung am 25.09.2007 hat sich die Beklagte bereit erklärt, den Antrag vom 30.08.2005 auf Feststellung der Zeiten von April 1961 bis Dezember 1966 als Beitragszeiten rechtsbehelfsfähig zu verbescheiden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 26.03.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01.04.1961 bis 31.12.1966 als Beitragszeit und so weitere 2,8773 Rentenversicherungspunkte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Denn das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehle. Auch sei weder ein Verwaltungsakt erlassen noch ein Vorverfahren durchgeführt worden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Mit seinem Gerichtsbescheid vom 26.03.2007 hat das Sozialgericht die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Denn es liegt kein mit der Verpflichtungsklage (in der Form der Versagungsgegenklage) anfechtbarer Verwaltungsakt vor.

Der Kläger kann sein Begehren, die Zeit vom 01.04.1961 bis 31.12.1966 als Beitragszeit und so weitere 2,8773 Rentenversicherungspunkte festzustellen, nur mit der Verpflichtungsklage als richtige Klageart nach § 54 Abs. 1 SGG erreichen. Voraussetzung der Zulässigkeit dieser Klage ist das Vorliegen eines Verwaltungsaktes. Das Schreiben der Beklagten vom 13.09.2005 ist jedoch nur als informatorische Auskunft und nicht als Entscheidung und somit als Verwaltungsakt zu qualifizieren.

Nach § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potenziell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, d.h. durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet oder verbindlich festgestellt hat (vgl. BSGE 75, 97,107).

Maßgeblich ist gemäß §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend der objektive Sinngehalt des Schreibens der Beklagten vom 13.09.2005, d.h. wie der Empfänger dieses Schreiben bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste. Hierbei ist auch die äußere Form zu berücksichtigen (s. Kommentar zum SGB X, von Wulffen/Engelmann, § 31 Rdnr. 26 m.w.N.).

Bereits die äußere Form des Schreibens der Beklagten vom 13.09.2005 spricht gegen dessen Qualifizierung als Verwaltungsakt. Denn es ist weder als "Bescheid" bezeichnet noch ist ihm eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt. Auch dessen Inhalt ist nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet. Unter Bezugnahme auf die nur telefonische Anfrage des Klägers, die keinen bestimmten Antrag des Klägers auf Feststellung zeitlich konkret bezeichneter Zeiten unter Darlegung eines bestimmten Lebenssachverhalts erkennen lässt, werden lediglich die im Versicherungskonto gespeicherten Beitragszeiten mitgeteilt. Der Satz "Versicherungszeiten als mitarbeitender Familienangehöriger bestehen nicht", ist schon mangels konkreter Bestimmtheit nicht als Ablehnung der Zeiten von April 1961 bis Dezember 1966 als Beitragszeiten zu werten. Denn insoweit fehlt das Erfordernis der konkreten zeitlichen Bestimmung dieser Zeiten. Auch die fehlende Begründung und die Nichtangabe der maßgeblichen Rechtsnorm sprechen gegen einen Regelungsgehalt dieses Satzes.

Auch wurde das gem. § 78 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGG erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt.

Wegen der Unzulässigkeit der Klage war daher die Berufung wegen Unbegründetheit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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