L 16 R 386/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 456/06 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 386/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1952 geborene Klägerin besitzt die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro und hat in ihrem Heimatland ihren Wohnsitz.

Sie hat keinen Beruf erlernt und hat in Deutschland als Metallarbeiterin gearbeitet. Die Zeit vom 02.10.1972 bis zum 05.07.1988 ist durchgehend mit rentenrechtlichen Zeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung belegt, wie es sich aus dem Versicherungsverlauf vom 14.02.2006 ergibt. Der serbische Versicherungsträger bestätigte für die Jahre 1996 bis 2000 jeweils für die Monate März bis Dezember sowie im Anschluss daran von Juni bis Dezember 2001 und von August bis Dezember 2003 anrechnungsfähige Versicherungszeiten. In ihrer Heimat erhält die Klägerin seit dem 13.09.2005 eine Invalidenrente.

Mit formlosem Schreiben vom 08.07.2004, das bei der Beklagten am 19.07.2004 eingegangen ist, beantragte die Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung. Am 06.06.2005 stellte die Klägerin auch über den Versicherungsträger im ehemaligen Jugoslawien einen entsprechenden Rentenantrag.

Der Rentenantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 14.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2006 abgelehnt. Die Beklagte führte in dem Widerspruchsbescheid aus, dass die Klägerin seit dem 19.07.2004 voraussichtlich bis Juli 2007 voll erwerbsbemindert sei. Sie erfülle jedoch nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Der Versicherungsfall der Erwerbsminderung müsse spätestens im April 2003 eingetreten sein, damit die Voraussetzungen für die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung noch erfüllt seien.

Diese Feststellungen der Beklagten beruhten auf einer Untersuchung der Klägerin durch den Internisten und Kardiologen Dr. M. B. , der die Klägerin am 13.09.2005 in ihrer Heimat untersucht hatte. Dieser kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen diffusen Bauchschmerzen nach einer Gebärmutteroperation aufgrund eines Tumors sowie einer ängstlich depressiven Erkrankung ab dem Tag der Untersuchung nur noch unter halbschichtig arbeiten könne.

Gegen die Entscheidung der Beklagten hat die Klägerin am 19.04.2006 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Sie machte geltend, dass sie krank sei und daher Anspruch auf eine Rente habe. Am 12.11.2003 sei ihr wegen eines Tumors die Gebärmutter entfernt worden, anschließend sei sie bestrahlt worden. Deswegen könne sie nicht mehr arbeiten.

Das Sozialgericht Landshut hat den Gesundheitszustand der Klägerin durch die Sozialmedizinerin Frau Dr. T. nach Aktenlage begutachten lassen. Dr. T. stellte in ihrem Gutachten vom 22.11.2006 fest, dass die Klägerin im wesentlichen an einer operativ- und strahlentherapeutisch behandelten Tumorerkrankung der Gebärmutter sowie einer depressiven Störung leide. In Anbetracht dieser Erkrankungen sei die Klägerin seit der Erstdiagnose der Tumorerkrankung im November 2003 nicht mehr in der Lage, einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Bis November 2003 habe die Klägerin jedoch leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, in trockenen, wohltemperierten Räumen und ohne besondere nervliche Belastung wie Zeitdruck, Nacht- oder Wechselschicht mehr als sechs Stunden täglich ausüben können.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat das Sozialgericht Landshut mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2007 die Klage gegen den Bescheid vom 14.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2006 abgewiesen.

Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 15.05.2007 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung trägt der Bevollmächtigte vor, dass die Klägerin bereits im Mai 2003 sehr oft krank gewesen sei, was auch durch die Operation im November bestätigt worden sei. Außerdem seien mittelschwere depressive Episoden schon Ende 1997 und auch im Mai 2003 geschildert worden. Er beantragt daher, dass die Klägerin in Deutschland von einem deutschen ärztlichen Sachverständigen untersucht werden solle, der durch ein Gutachten feststelle, ob die Klägerin bereits im April 2003 erwerbsgemindert gewesen sei.

Die Beklagte hat in der Berufungserwiderung ausgeführt, dass keine neuen Gesichtspunkte durch den Klägerbevollmächtigten ausgeführt worden seien und hat einen Versicherungsverlauf vom 14.02.2006 vorgelegt. In diesem Versicherungsverlauf sind in der Deutschen Rentenversicherung die oben aufgeführten Zeiten gespeichert. Außerdem sind Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 13.11.1972 bis zum 12.04.1973 und vom 27.08.1977 bis zum 31.08.1984 vorgemerkt.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat im Berufungsverfahren verschiedene ärztliche Befunde vorgelegt. Hier sind insbesondere zu erwähnen der Entlassungsschein des Gesundheitszentrums V. über die Gebärmutterentfernung im November 2003, ein weiterer Befund über die Strahlentherapie aus dem März 2004, ein chirurgischer Befundbericht (Februar 2005) über vermehrte Bauchschmerzen, ein Bericht aus dem Januar 2007 über Herzbeschwerden sowie neuropsychiatrische Berichte aus dem Januar und März 2007.

Der Klägerbevollmächtigte ist mit gerichtlichem Schreiben vom 26.06.2007 aufgefordert worden, alle medizinischen Unterlagen aus den Jahren 2001 bis 2003 vorzulegen und mitzuteilen, wann die Klägerin erstmals wegen des Gebärmuttertumors behandelt worden ist. Er ist auch darauf hingewiesen worden, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, wenn der Beginn der Erkrankung nicht vor November 2003 nachweisbar sei, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen das letzte Mal im April 2003 erfüllt gewesen seien.

Daraufhin hat der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 21.09.2007 mitgeteilt, dass die Klägerin nach eigener Aussage das erste Mal bei einer Untersuchung im März 2003 gewesen sei. Eine zweite Untersuchung habe dann am 25.07.2003 stattgefunden. Später sei sie am 10.11.2003 operiert worden. Nochmals bittet er um eine Untersuchung der Klägerin in Deutschland. Dem Schreiben hat er den Entlassungsschein nach der Behandlung vom 10.11 bis zum 20.11.2003 (Entfernung der Gebärmutter) beigelegt. Andere ärztliche Unterlagen hat er nicht vorgelegt. Auf das nochmalige Schreiben des Gerichts vom 11.10.2007, ärztliche Unterlagen aus den Jahren 2001 bis 2003 vorzulegen, hat er nicht reagiert.

Daher beantragt der Klägerbevollmächtigte, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 15.02.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweise Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Klägerbevollmächtigten form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und die ablehnenden Bescheide der Beklagten bestätigt, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung aus der Deutschen Rentenversicherung, da sie zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles im November 2003 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt hat.

Nach § 43 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 und 2 Satz 1 und 2 SGB VI).

Diese Vorraussetzungen sind bei der Klägerin erfüllt. Sie erfüllt auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nach § 50 Abs.1 Satz 1 SGB VI, jedoch sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs.1 oder 2 Nr.2 SGB VI letztmals im April 2003 erfüllt.

Zu diesem Zeitpunkt im April 2003 lässt sich allerdings das Vorliegen weder einer vollen Erwerbsminderung noch das einer teilweisen Erwerbsminderung nachweisen. Dieser Nachweis konnte erst zum Zeitpunkt November 2003 erbracht werden. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast trägt die Klägerin die Folgen der Unerweislichkeit einer Erwerbsminderung im April 2003.

Die vom Sozialgericht Landshut beauftragte Sachverständige Frau Dr. T. hat nach Aktenlage den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung für die Klägerin auf den November 2003 gelegt. Dies begründet sie mit der damaligen Diagnose des Gebärmutterkrebses und der am 12.11.2003 erfolgten Entfernung der Gebärmutter und der anschließenden Strahlentherapie. Frau Dr. T. führt aus, dass die Vorverlegung des Leistungsfalles auf den April 2003 nicht möglich sei, da nur wenige Befunde vorlägen und nach den vorhandenen Unterlagen der Gebärmutterkrebs im November 2003 erstmals festgestellt worden sei. Diese Einschätzung wird im Wesentlichen auch von Dr. M. B. , der die Klägerin im Auftrag des serbischen Rentenversicherungsträgers in ihrem Heimatland am 13.09.2005 untersucht hat, bestätigt, auch wenn er in seinem Gutachten von einem Leistungsfall am 13.09.2005 ausgeht. Dr.B. hat hier ohne nähere Begründung das Datum seiner Untersuchung als Eintritt des Leistungsfalles eingesetzt.

Die Ausführungen von Frau Dr. T. sind in sich schlüssig und für den Senat nachvollziehbar. Daher folgt der Senat hinsichtlich der Einschätzung des Eintritts des Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung dem Gutachten von Frau Dr. T ... Diese hat nachvollziehbar aufgrund der vorhandenen Unterlagen die Tumorerkrankung und die anschließende Strahlentherapie sowie die daraus folgende depressive Störung als wesentlich für das eingeschränkte gesundheitliche Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt. Für einen früheren Eintritt des Versicherungsfalles konnte Frau Dr. T. keine Anhaltspunkte finden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin konnte trotz mehrfacher Aufforderung im Berufungsverfahren keine Unterlagen vorlegen, die die Krankheitsgeschichte der Klägerin vor dem November 2003 dokumentierten. Die von ihm angeregte Untersuchung der Klägerin in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt konnte unterbleiben, da es im vorliegenden Rechtsstreit nur darauf ankam, ob die Klägerin bereits im April 2003 erwerbsgemindert war. Um dies festzustellen, macht es keinen Sinn, die Klägerin heute zu untersuchen, vielmehr muss aus vorhandenen medizinischen Unterlagen und Dokumentationen ein Rückschluss auf den Gesundheitszustand der Klägerin im April 2003 getroffen werden, da es auf den derzeitigen Gesundheitszustand der Klägerin nicht ankommt.

Da im Berufungsverfahren im Vergleich zum Verfahren in der ersten Instanz keine wesentlichen neuen Unterlagen vorgelegt werden konnten und das Gericht auch keine Möglichkeiten hat, andere Befunde ohne Mitwirkung der Klägerin beizuziehen, war es zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht notwendig, die Klägerin in Deutschland persönlich begutachten zu lassen. Zumal nach den eigenen Angaben des Klägerbevollmächtigten erstmals im März 2003 eine Untersuchung der Gebärmutter erfolgte, wohl ohne konkrete Diagnose, und später im Juli 2007 eine Nachuntersuchung stattfand. Da im April 2003, dem Zeitpunkt des letztmaligen Erfüllens der besonderen versicherungsrechtlichen Vorraussetzungen, der Gebärmuttertumor nach den im Gerichtsverfahren vorliegenden Unterlagen noch nicht nachgewiesen war und die Klägerin aufgrund dieser erstmals im November 2003 gesichert vorliegenden Erkrankung, nach den Feststellungen im Verfahren, erwerbsgemindert ist, kommt eine Vorverlegung des Versicherungsfalles nicht in Betracht. Bis November 2003 konnte die Klägerin daher leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch acht Stunden täglich mit weiteren Leistungseinschränkungen verrichten und war nicht erwerbsgemindert nach § 43 SGB VI.

Daher ist sie auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Die Klägerin hat als ungelernte oder allenfalls einfach angelernte Metallarbeiterin in Deutschland gearbeitet. Nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema zur Verweisbarkeit von Arbeitern und Angestellten auf andere als die ausgeübten Tätigkeiten ist die letzte Tätigkeit der Klägerin in Deutschland in die unterste Stufe diese Mehrstufenschemas einzuordnen, so dass sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann ohne konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit. Damit ist sie auch nicht berufsunfähig.

Zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung erfüllte die Klägerin nicht mehr die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Diese hat sie auch unter Berücksichtigung der in ihrer Heimat zurückgelegten Versicherungszeiten nach April 2003 nicht (bis heute nicht mehr) erfüllt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen können zum jetzigen Zeitpunkt zum Eintritt der festgestellten Erwerbsminderung im November 2003 nicht mehr erfüllt werden, Aufschub- und Ausnahmetatbestände sind nicht ersichtlich. Auch die Nachentrichtung von Beiträgen ist nicht mehr möglich. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 153 SGG Bezug genommen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrer Berufung ohne Erfolg geblieben ist (§§ 183, 193 SGG).

Gründe gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved