Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 353/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 267/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 74/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.08.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.06.2005 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) streitig.
Der 1959 geborene Kläger hat den Beruf des Elektrikers in Rumänien erlernt. Nach seiner Übersiedlung in die BRD im Dezember 1984 arbeitete er von 1985 bis 1992 als Betriebselektriker bei der Firma K. in M. in verschiedenen Abteilungen der Gießerei, Härterei, Formerei, Putzerei, Kernmacherei, Dreherei und Schweißerei. Nach seinen Angaben führte die Abneigung gegen den Elektrikerberuf 1990 zu enormer Arbeitsunlust, Antriebslosigkeit und Depressivität. Nach erfolgter Rehabilitationskur 1992 in der Psychosomatischen Klinik Bad D. stellte der Kläger, veranlasst vom Neurologen Dr.P. , einen Antrag auf berufliche Umschulung beim Arbeitsamt. Von 1993 bis 1996 erfolgte eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten bei der AOK M ... Anschließend war der Kläger arbeitslos.
Am 03.01.1998 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung einer Multiorganerkrankung als Berufskrankheit. Er führte eine Anzahl von Erkrankungen betreffend Augen, Nase, Haut, Bauch, Magen, Immun-, Blut-, Nerven-, Muskelsystem, Psyche, Gehirn auf den Kontakt mit toxischen Werkstoffen wie Foranen aus der Gruppe der halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffe, Formaldehyd, Kohlenmonoxyd, Schwefeloxyd, Amoniakdämpfen, Fluoride, Schweißgas, Schweißbrennerdämpfe und anderen in der Firma K. zurück. Ärztliche Anzeigen über eine BK erfolgten am 14.01.1999 durch den Lungenfacharzt Dr.B. , am 23.09.1999 durch den Allergologen Dr.F. , am 13.10.1999 durch den praktischen Arzt Dr.T. und am 13.10.1999 durch den praktischen Arzt Dr.K ...
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Unterlagen der BKK K. sowie eine Auskunft der Firma K. vom 30.07.1998 bei und Berichte des TAD vom 11.09.1998 und 22.09.1998 sowie Unterlagen und Behandlungsberichte seit 1991 von 25 Fachärzten. Der Kläger legte vor ein Spermiogrammergebnis des Dr.M. , Laborbefunde über Blutfettwerte Dr.F. , Krankenhausbericht N. , Bericht Schmerzzentrum T. , Attest Dr.B. , Laborbefund Dr.J. sowie drei Lagepläne der Hallen in der Firma K ...
Die Beklagte holte ein Gutachten der Dr.S. (Gewerbeaufsichtsamt M.) vom 29.10.1998 ein. Sie führte aus, an der Diagnose der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen bestünden erhebliche Zweifel. Eine berufsbedingte Verursachung der vielgestaltigen Beschwerden sei nicht wahrscheinlich. Mit Bescheid vom 26.11.1998 lehnte die Beklagte einen Entschädigungsanspruch aus Anlass der verschiedenen körperlichen sowie psychischen Beschwerden des Klägers ab. Es bestehe keine Erkrankung, die in die Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) aufgenommen wurde.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1999 zurück. Ein Zusammenhang zwischen Erkrankungen und der beruflichen Tätigkeit bestehe nicht. Es sei Kontakt zu allen in der Gießerei vorkommenden Schadstoffen vorgekommen. Eine gelegentliche Überschreitung einzelner Schadstoffgrenzwerte wie Quarzsand, Formaldehyd, Nickel, Benzoapyren, Stickoxyde, fluoride Eisenoxid Isopropanol sei nicht gänzlich auszuschließen. Aufgrund der Tätigkeit sei aber eine langandauernde Exposition mit Sicherheit nicht gegeben gewesen. Der Kläger habe selbst angegeben, die Frustration im Beruf habe 1990 zu einer enormen Arbeitsunlust, Antriebslosigkeit und Depressivität geführt. Auch ergebe sich aus dem Gutachten der LVA Oberbayern vom 18.05.1992, dass der Kläger seit der Pubertät unter erheblichen Minderwertigkeitsgefühlen leide. Dieser Zustand habe sich seit zwei Jahren verschlechtert. Als mögliche Ursache werde die Tatsache angesehen, dass die Firma zum Jahresende 1992 aus wirtschaftlichen Gründen schließe und die Arbeitsstelle des Klägers aufgelöst werde.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Bescheide aufzuheben und das Vorliegen einer Berufskrankheit ab 1991 anzuerkennen gemäß § 9 Abs.1 oder Abs.2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Er hat vorgetragen, er sei beim Gießereivorgang im Kranführerhaus einer erhöhten Exposition gegenüber Schadstoffen ausgesetzt gewesen. Er bat um eine erneute Gefährdungsanalyse. Er legte außerdem einen Bericht des Dr.K. (Diagnostik und Therapiezentrum für umweltmedizinische Erkrankung in R.) vom 19.07.1999 sowie Erklärungen des E. K. , E. H. , H. R. , P. B. über die Arbeitsbedingungen als Elektriker bei der Firma K. vor und bat um deren Einvernahme sowie vier Aktenordner mit arbeitsmedizinisch-umweltrechtlicher Fachliteratur, einen Aktenordner Nr.V mit medizinischen Befunden seit 1986 bzw. 1991, Aktenordner Nr.VII mit Schadstoffmessberichten der Firma K. , Tagebücher von 1981 bis 2002. Er wies darauf hin, dass er bei seiner Tätigkeit einer multiplen, komplexen Stressbelastung ausgesetzt gewesen sei wie psychomentalem Stress durch das Arbeiten unter Zeitdruck, starkem Lärmstress durch den bis zu 120 dB betragenden Lärm in der Gießerei, starkem Hitzestress durch enorme Hitzebelastung und durch das Vorhandensein von gefährlichen Stäuben, Rauch, Gas und Dämpfen.
Das SG hat Befundberichte des behandelnden Arztes Dr.F. vom 17.12.2001 und 08.01.2002 eingeholt und mit Beweisbeschluss vom 27.08.2002 Prof.Dr.H. (H.) Internist, Nephrologe, Umweltmedizin, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 20.06.2003 erstellt hat. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Symptome der vermehrten Entzündungsbereitschaft und die Verminderung der Abwehrlage das Krankheitsbild des Klägers auszeichneten. Die Belastung durch Beta HCH lag deutlich oberhalb der Normgrenze, auch bestand eine deutliche Belastung durch DDE-4,4,-Erhöhung und eine PCB-Erhöhung. Die Ursache dieser Belastungen sei durch die Aktenlage nicht festzustellen. Zur Abklärung, ob eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie beim Kläger vorliege, sei eine neurologische Begutachtung notwendig. Beim Kläger bestehe ein Multiple Chemical Sensitivity- (MCS) Syndrom.
Das SG hat am 24.06.2003 Prof.Dr.S. mit der Erstellung eines Gutachtens auf neurologischem Fachgebiet beauftragt. Da der Kläger die Aussetzung des Verfahrens bis zur Beendigung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Vorstand der Firma K. wegen Verdachts der schweren Körperverletzung und der schweren Gefährdung durch Freisetzung von Giften sowie Strafanzeigen gegen Herrn S. vom TAD der Beklagten und Herrn W. vom Gewerbeaufsichtsamt M. begehrte, hat das SG mit Beschluss vom 22.07.2003 die Beweisanordnung an Dr.S. aufgehoben und mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Gericht habe davon abgesehen, die Ursache der von Prof.Dr.H. herausgestellten deutlichen DDE-4,4-Belastung und Beta-HCH-Belastung zu erforschen. Ein Anhaltspunkt für eine berufliche Verursachung habe sich aus den Akten nicht ergeben. Das festgestellte MCS-Syndrom sei derzeit noch nicht als BK anzusehen. Ob beim Kläger eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie vorliege, bleibe ungeklärt. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe hierfür die Konsequenz zu tragen.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe die §§ 103 und 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Art, Dauer und Intensität der bei der Firma K. erfolgten Schadstoffexposition und Gefährdung seien nicht ermittelt worden. Auch stelle der Gerichtsbescheid eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, die Voraussetzungen für seinen Erlass hätten nicht vorgelegen.
Während des Gerichtsverfahrens meldete der Kläger am 18.10.2003 der Beklagten einen weiteren Verdacht auf eine BK in Form einer Schilddrüsenerkrankung. Er legte Berichte der L.-Universität vom 23.09.2003 und 14.11.2004 vor. Die Beklagte holte ein Gutachten des Prof.Dr.R./Prof.Dr.G. (Klinikum der Universität M.) vom 31.01.2005 ein. Diese stellten fest, es liege eine Zellhyperplasie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor. Es handele sich hierbei um eine sehr seltene Erkrankung, es gebe bisher keine Erklärung für das Auftreten dieser Erkrankung. Nach der gängigen medizinischen Lehrmeinung gehörten derartige Erkrankungen nicht zu den Erkrankungen, die durch Umweltfaktoren hervorgerufen werden. Daraufhin lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2005 nach Anhörung der Gewerbeärztin Dr.S. vom 22.04.2005 ab, dem Kläger wegen einer BK Entschädigung zu leisten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.12.2005 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass er eine medizinische Sachaufklärung betreiben werde und erst wenn feststehe, welche Erkrankung als BK in Frage komme, die arbeitstechnischen Voraussetzungen aufklären werde. Der Senat hat sodann 66 Befundberichte und ärztliche Unterlagen beigezogen, deren Auflistung sich aus dem Schreiben des Klägers vom 13.06.2007 ergibt, und ein Gutachten eingeholt des Prof.Dr.H. , Internist, Nephrologie, Umweltmedizin (H. vom 11.12.2006/08.02.2007), mit Zusatzgutachten des Arztes für Neurologie, Neurochirurgie, Psychiatrie Dr.M. vom 28.08.2006. Prof.Dr.H. stellte abschließend fest, dass beim Kläger keine Krankheit nachgewiesen worden sei, die als BK in Frage komme, insbesondere keine Enzephalopathie oder Polyneuropathie. Selbst wenn eine Schadstoffbelastung bestanden hätte, bleibe festzustellen, dass ein ursächlicher Zusammenhang der vorliegenden Befindlichkeitsstörungen mit einer BK nicht wahrscheinlich sei. Es liege eine Rentenneurose vor. Der Kläger hat in der Zeit vom 16.03.2007 bis 16.10.2007 mit 18 verschiedenen Schriftsätzen sein Anliegen vorgetragen und beantragt, weitere ärztliche Zeugen zu hören, nämlich Dr.F. , Dr.T. , Dr.L. , Dr.H. , das Krankenhaus N. , Dr.V. und ein toxikologisches Zusammenhangsgutachten einzuholen bzw. die arbeitstechnischen Voraussetzungen, unter denen er im Zeitraum von 1977 bis 1984 sowie 1985 bis 1992 tätig gewesen sei, festzustellen. Er brauche dies insbesondere für einen Schadensersatzprozess gegen die Firma K ...
Der Kläger hat ein Gutachten des Dr.F. (Nervenklinik G.) vom 22.10.1998 vorgelegt sowie ein Gutachten des Prof. Dr.N. (Klinikum der Universität M.) vom 13.09.2001 (beide mit vorgenommenen Schwärzungen).
Der Senat hat in der heutigen mündlichen Verhandlung den Sachverständigen Prof.Dr.H. uneidlich einvernommen. Insoweit wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Der Kläger hat weiter dem Senat Schriftsätze vom 18.10. 2007, 31.10.2002 übergeben.
Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger 35 Befangenheitsanträge gegen Richter des 3. Senats gestellt. Der Senat hat über 20 Anträge durch Beschluss entschieden. Über 14 Befangenheitsanträge und zwar vom 03.03.2005, 02.01.2006, 21.12.2006, 24.12.2006, 05.01.2007, 15.01.2007, 13.02.2007, 12.03.2007, 30.03.2007, 24.05.2007, 03.07.2007, 17.09.2007, 02.10.2007, 12.10.2007 ist bisher noch nicht durch Beschluss entschieden worden und ein Befangenheitsantrag wurde zurückgenommen (06.10.2005).
Mit dem Befangenheitsantrag vom 03.03.2005 wandte sich der Kläger dagegen, dass der Rechtsstreit noch nicht an das SG zurückverwiesen war.
Mit den Befangenheitsanträgen vom 02.01.2006, 21.12.2006, 24.12.2006, 05.01.2007, 15.01.2007, 13.02.2007 lehnte der Kläger die Mitglieder des 3. Senats wegen Befangenheit ab. Er machte geltend, - ihm sei Akteneinsicht verweigert worden, - ihm seien bei Akteneinsicht am 18.04.2005, 02.09.2005, 10.10.2005 zwei Bände Akten des TÜV nicht vorgelegt worden, - die Anordnung der Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei nicht in die Wege geleitet worden, - Befundbericht bzw. Krankenakte des Dr.T. seien nicht eingeholt worden.
Die Befangenheitsanträge vom 12.03.2007 und 30.03.2007 stellte der Kläger mit der Begründung, die Vorsitzende habe eine ergänzende Befragung der Sachverständigen Prof.Dr.H. und Dr.M. unterlassen.
Den Befangenheitsantrag vom 24.05.2007 begründete der Kläger damit, dass die Vorsitzende es unterlassen habe, - die Protokolle der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit des Klägers von Dr.M. anzufordern, - sie habe über die Befangenheitsanträge vom 21.12.2006 nicht entschieden, - Akteneinsicht sei im Zeitraum vom 23.05.2007 bis 04.06.2007 nicht möglich gewesen.
Mit dem Befangenheitsantrag vom 03.07.2007 wandte sich der Kläger gegen die Ausführungen im Beschluss vom 13.06.2007 betreffend die gerügte Befangenheit des Prof.Dr.H ... - Die Richter des 3. Senats hätten sich mit dem Beweisantrag vom 16.03.2007 nicht auseinandergesetzt.
Mit dem Befangenheitsantrag vom 02.10.2007 rügte der Kläger, dass Dr.M. nicht als sachverständiger Zeuge geladen und der Kläger selbst nicht offiziell von Amts wegen geladen worden sei.
Mit dem Befangenheitsantrag vom 12.10.2007 rügte der Kläger, - Prof.Dr.H. sei nicht von Amts wegen zum Termin der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2007 geladen worden, - Akteneinsicht sei nicht bis zum Tag vor der mündlichen Verhandlung gewährt worden.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Erkrankungen als Berufskrankheiten im Sinne des Berufungsantrags vom 16.03.2007 sowie des Schriftsatzes vom 20.11.2003 anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Sozialgericht München zurückzuverweisen und weiter hilfsweise die Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen 1985 bis 1992.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.08.2003 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf 8 Band Beklagtenakten, 5 Band SG-Akten zum Verfahren, 12 Band LSG-Akten, 3 Band Anlagen zur E-Mail vom 08.09.2005, 4 Band Anlagen E-Mail vom 27.12.2005, 1 Band Anlagen zum Schreiben des Klägers vom 31.01.2006, 1 Band Anlagen zu den Schriftsätzen vom 06.04.2006, 18.04.2006, 02.04.2007, 05.04.2007, 10.04.2007, 05.05.2007, 25.05.2006, Akten des SG Az.: S 9 U 443/00, S 9 U 597/00, S 9 U 217/00, L 9 U 392/00, S 9 Rh 67/01, sowie 21 Band Akten der Stadt M. , 1 Ordner und 2 Band Akten des LfAS, 10 Ordner der Stadt M. , 1 Heftung der Firma K. , 1 Ordner Kopien des SG.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig gemäß §§ 105 Abs.2, 143, 151 SGG.
Die Berufung ist nicht begründet.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens davon Abstand genommen, den Rechtsstreit gemäß § 159 I Nr.2 SGG an das SG zurückzuverweisen. Obwohl seitens des SG Verfahrensfehler beim Erlass eines Gerichtsbescheides vorlagen - insbesondere wurde vor der Entscheidung keine Anhörung durchgeführt und der Sachverhalt war nicht aufgeklärt -, hielt es der Senat nach Abwägung für prozessökonomisch richtig, in der Sache selbst zu entscheiden. Im Zweifel ist vorzuziehen, selbst zu entscheiden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8.Aufl., § 159 Rdnr.5)
Vorliegend ist noch die Reichsversicherungsordnung (RVO) und nicht das am 01.01.1997 in Kraft getretene SGB VII anzuwenden, denn dieses gilt erst für nach dem 01.01.1997 eingetretene Versicherungsfälle (Art.36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Der Kläger stellte am 02.01.1998 einen Antrag auf Anerkennung einer BK und machte geltend, diese bestehe seit ca. 1992, so dass er offenbar von einem Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 ausging.
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 547 RVO) sind dann zu gewähren, wenn ein Versicherter einen Arbeitsunfall im Sinne der §§ 548 ff. RVO erlitten hat. Nach § 551 Abs.1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall ferner eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei den in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (Satz 2). Die Bundesregierung ist ermächtigt worden, in der Rechtsverordnung Folgekrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (Satz 3). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung mit der BKV Gebrauch gemacht. Die Voraussetzungen der BK sind erfüllt, wenn eine Krankheit in der Anlage 1 zur BKV als BK bezeichnet ist und durch eine versicherte Tätigkeit im Einzelfall verursacht oder verschlimmert worden ist (BSGE 2, 178).
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der BKen wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestands der BK ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalitlät) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, B 2 U 29/99 R, Reg-Nr.1295).
Um den Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und der Erkrankung untersuchen zu können, muss zunächst die Gesundheitsstörung eindeutig diagnostiziert werden. Sodann müssen die Ursachen dieser Krankheit im Hinblick auf eine schädigende Einwirkung und etwaiger nicht versicherter Faktoren ermittelt werden.
Im vorliegenden Fall haben die Ermittlungen des Senats ergeben, dass beim Kläger ein Multiple Chemical Sensitivity-Syndrom (MCS-Syndrom), eine leichte Polyneuropathie und eine Persönlichkeitsstörung nachgewiesen sind. Diese Krankheiten sind selbst dann, wenn man die haftungsbegründende Kausalität als erfüllt ansieht, weil der Kläger täglich einer erheblichen Einwirkung von Lösungsmitteln und Gemischen von Lösungsmitteln im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit von 1985 bis 1992 ausgesetzt war, nicht als BK anzuerkennen. Deshalb hat der Senat davon abgesehen, die Schadstoffexposition des Klägers bei der Firma K. in der Zeit von 1985 bis 1992 hinsichtlich Qualität und Quantität zu ermitteln, wenngleich der Kläger diese Ermittlungen auch begehrt, um ihr Ergebnis in dem Schadensersatzprozess gegen die Firma K. vor dem Arbeitsgericht M. einführen zu können.
Wie Prof.Dr.H. im Gutachten vom 20.06.2003 zur Überzeugung des Senats herausgearbeitet hat, ist beim Nachweis vermehrter Entzündungszeichen und einer Verminderung der Abwehrlage und den Symptomen wie Schwindelgefühl, Gangunsicherheit, Störung des Kurzzeitgedächtnisses, kognitive Leistungsminderung, Antriebs- und Affektstörungen und der schlagartigen extremen Müdigkeit beim Betreten von Kaufhäusern, klimatisierten Zügen, Krankenhäusern etc., von einem MCS-Syndrom auszugehen.
Bei einem MCS-Syndrom handelt es sich um multiple, unspezifische Beschwerden, die von den Betroffenen auf Umweltchemikalien und Umweltfaktoren zurückgeführt werden (Fritze/Mehrhoff, Die ärztliche Begutachtung, 7.Aufl., S.450). Tatsächlich leidet der Kläger an einer Vielzahl von Beschwerden wie Erkältungen, Schleimhautreizungen an Hals und Nase, Blähbauch, Hauterkrankungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten etc. Die beigezogenen Befundberichte geben hierzu beredtes Zeugnis ab. Das MCS-Syndrom ist durch rezidivierende Symptome in mehreren Organsystemen gekennzeichnet, die Vielfalt der erlebten Symptome tendiert im Krankheitsverlauf zur Zunahme (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl., S.249). Dies trifft auf den Kläger zu, und der Senat hat keine Bedenken, der Diagnose des Umweltmediziners Prof.Dr.H. zu folgen.
Eine Anerkennung des MCS-Syndroms als BK gemäß § 551 Abs.1 Nr.1 RVO ist, da der Regelungssystematik des Berufskrankheitenrechts das Listenprinip zugrunde liegt, nicht möglich, weil diese Krankheit nicht in der aktuellen Berufskrankheitenliste aufgeführt ist.
Das MCS-Syndrom kann auch nicht "wie eine Berufskrankheit" nach § 551 Abs.2 RVO anerkannt werden. Danach haben Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist, oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs.1 Satz 2 erfüllt sind. Nach Abs.2 Satz 2 sind dies Krankheiten, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmten Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Als Voraussetzung muss erfüllt sein, dass die Krankheit durch besondere Einwirkungen verursacht worden ist, die über die in der Arbeitswelt allgemein üblichen Einwirkungen qualitativ oder quantitativ hinausgehen. Der Betroffene muss einer Personengruppe angehören, die durch ihre versicherte Tätigkeit der besonderen Einwirkung erheblich stärker ausgesetzt ist als die übrige Bevölkerung. Die Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art auch zu verursachen.
Selbst wenn die Exposition am Arbeitsplatz nachgewiesen ist, so ist die besondere Betroffenheit bestimmter Berufe oder das vermehrte Auftreten von MCS-Syndromen nach bestimmten Expositionen nicht beweisbar. Die wenigen bisher vorliegenden Publikationen, die Kollektive von MCS-Patienten mit ihren Berufen beschreiben, greifen auf nicht validierte Datenbasen selbstberichtender Patienten zurück. Auch die dort dargestellten Schlussfolgerungen zu vermuteten auslösenden Ursachen sind aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Es liegen bisher keine Ergebnisse von Studien vor, in denen mit erkennbaren Qualitätsstandards versucht worden wäre, einheitliche Kollektive zu definieren und zu beschreiben. Aus einer derzeit unter Federführung des Robert-Koch-Instituts laufenden Stundie liegen noch keine publizierten Ergebnisse vor. Prospektive Studien mit dem Ziel, in vermuteten Risikokollektiven ein vermehrtes Auftreten von MCS zu zeigen, wurden bisher nicht durchgeführt (so Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 38 vom 20.09.2002). Über Ursachen und Entstehungsweise gibt es kein gesichertes Wissen. Es liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die die generelle Eignung bestimmter Einwirkungen belegen, ein MCS-Syndrom zu verursachen (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S.249). Auch Hausotter schreibt in "Der medizinische Sachverständige" 3/2000 S.70 f., dass es sich bei dem MCS-Phänomen um eine Arbeitshypothese handelt, die mit den klassischen Gesetzen der Toxikologie nicht zu vereinbaren ist und bei der es keine rechtliche oder medizinische Kausalität hinsichtlich der Entstehungsmechanik gibt.
Eine Anerkennung des MCS-Syndroms gemäß § 551 Abs.2 RVO als BK ist daher nicht möglich (so auch LSG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2001 in HVBG-VB 25/2002; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.08.2000 Az.: L 17 U 26/99; BayLSG vom 11.07.2001, L 2 U 300/99; BayLSG vom 13.11.2002, L 2 U 530/00).
Die Voraussetzungen der BK nach Nr.1317 der Anlage zur BKV sind ebenfalls nicht gegeben. Nach dieser BK können Entschädigungsleistungen erbracht werden beim Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalophatie, hervorgerufen durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Eine Enzephalopathie des Klägers, das heißt eine Schädigung des zentralen Nervensystems in Folge einer Chemikalienintoxikation ist nicht nachgewiesen. Der Neurologe Dr.M. hat im Zusatzgutachten vom 28.08.2006 auf das am 30.12.1997 durchgeführte MRT, die am 07.06.1998 durchgeführte quantitative Positronenemissionstomographie des Gehirns, die eine geringe Asymmetrie der Glukoseutilisation hoch parental ergab, aber sonst keinen verwertbaren pathologischen Befund, die am 26.03.1999 ergänzend durchgeführte Bestimmung des regionalen zerebralen Blutflusses, das am 20.05.1999 durchgeführte MRT des Gehirns mit Angiographie und die beiden nuklearmedizinischen Verfahren der "Single-Photon-Emission-Computertomographie (SPECT) vom 12.10.1999 und 29.03.2000 hingewiesen und eine Enzephalopathie nicht bestätigen können. Nachdem auch der Kläger pränarkotische Symptome in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lösungsmittelexposition nicht beschrieben hat, ist es für den Senat nachvollziehbar, wenn Prof.Dr.H. in seiner abschließenden Stellungnahme vom 11.12.2006 das Vorliegen einer Enzephalopathie ausschließt.
Eine leichte Polyneuropathie ist beim Kläger hingegen nachgewiesen. Es fanden sich bei der Untersuchung durch Dr.M. eine deutlich vermehrte Druckempfindlichkeit der großen Nervenläufe und ein beiderseitiger Wadendruckschmerz. Die Nervenleitgeschwindigkeit zeigte sich normal bis eher im unteren Normbereich.
Um eine Polyneuropathie als BK anerkennen zu können, fehlt es jedoch an der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit des Klägers (haftungsausfüllende Kausalität), selbst wenn eine erfolgte Schadstoffexposition unterstellt wird.
Der ursächliche Zusammenhang ist dann wahrscheinlich, wenn beim Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (BSG SozR Nr.20 zu § 542 RVO). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernst Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG, Breithaupt 1963, 60, 61; BSG SozR Nr.1 zu § 551 RVO).
Im vorliegenden Fall spricht gegen den Zusammenhang die zeitliche Komponente. Der Kläger ist 1992 aus der Firma K. ausgeschieden. Bei nachfolgenden Untersuchungen wurde nie auf eine Polyneuropathie hingewiesen. Tatsächlich aber entwickelt sich die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition. Auch zwei bis drei Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit kann die Diagnose erstmals gestellt werden (Mehrtens/Brandenburg, Kommentar M 1317 III). Bei der neurologischen Untersuchung im F.-Institut am 21.05.1997 wurden unauffällige Hirnnerven, regelrechte Koordination, keine zentralen oder peripheren Paresen, unauffällige extrapyramidal motorisches System, Sensibilität regelrecht, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft, keine Pyramidenbahnzeichen, beschrieben. Die sensible und motorische Nervenleitgeschwindigkeit lag im Normbereich. Auch bei der klinisch-neurologischen Untersuchung im Klinikum G. am 20.10.1998 war die klinisch-neurologische Untersuchung unauffällig und eine erneute neurologische Untersuchung im F.-Institut am 31.05.1999 ergab keinen Hinweis auf das Vorliegen einer neuromuskulären Erkrankung, es waren vielmehr die Nervenleitgeschwindigkeit normal und die Muskeleigenreflexe mittellebhaft, seitengleich, keine Paresen, keine sensiblen Störungen. Soweit der Kläger auf Muskelschmerzen im Jahr 1992 hinweist, ist die Auffassung des Prof.Dr.H. , die er in der heutigen mündlichen Verhandlung näher erläuterte, überzeugend. Der Kläger hatte zu dieser Zeit einen C-reaktiven Proteinwert von über 100, was auf einen lokalen Entzündungsprozess hindeutet. Ein Nachweis für eine Polyneuropathie im damaligen Zeitpunkt ergibt sich somit nicht.
Im Übrigen aber heilen leichte Fälle von lösungsmittelbedingter Polyneuropathie innerhalb von zehn Monaten vollständig aus. Ein Fortschreiten der Krankheit nach mehrmonatiger Expositionskarenz schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel aus (so auch LSG Saarland, Urteil vom 20.02.2001, Az.: L 2 U 69/99, Rundschreiben des HVBG vom 13.08.2001 VB 095/2001).
Wenn somit im Zeitpunkt der Gutachtensstellung durch Dr.M. eine Polyneuropathie nachweisbar war, so muss sie weit nach Beendigung der (unterstellten) Exposition entstanden sein. Ein kausaler Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers ist somit nicht hinreichend wahrscheinlich. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt der BK Nr.1317 ist in jedem Falle ausgeschlossen.
Der Kläger leidet an einer psychischen Erkrankung. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Dr.F. vom 22.10.1998 und dem Gutachten des Prof.Dr.N. vom 13.09.2001, das dieser für die LVA Oberbayern im Rahmen eines Rentenantrags erstellt hat. Dieses Gutachten kann als Urkundenbeweis herangezogen werden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8.Aufl., § 117 Anm.6). Es liegt beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung bei hypochondrisch zwanghaft depressiver Persönlichkeitsstruktur vor (so Dr.F.) bzw. - soweit aufgrund der Schwärzungen herauszulesen ist, - eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend anankastischen Zügen, eine schwere Somatisierungsstörung mit Hypochondrie und ein ängstlich-depressives Syndrom mit Dysthymie (so Prof.Dr.N.). Diese Erkrankungen sind vom Verordnungsgeber nicht in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden und können daher - ohne nähere Prüfung - nicht als BK anerkannt werden.
Nachgewiesen ist beim Kläger eine Schilddrüsenerkrankung in Form einer eindeutigen C-Zellhyperplasie wie Dres.R./ G./Klinikum der Universität M. im Gutachten vom 31.01.2005 ausführen. Da es keine Erklärung für das Auftreten der seltenen Erkrankung gibt, war der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einer unterstellten Lösemittelexposition nicht zu prüfen.
Da der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2005 gemäß § 96 SGG analog Gegenstand des Verfahrens geworden ist - mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26.11.1998 war generell die Ablehnung der Anerkennung und Entschädigung einer BK erfolgt, so dass aus dem Gedanken der Prozessökonomie die Einbeziehung des Bescheides vom 23.06.2005 im Wege weiter Auslegung gerechtfertigt erscheint -, war über diesen Bescheid auf Klage hin zu entscheiden (Meyer-Ladewig, a.a.O. § 96 Rdnr.7). Da die Anerkennung der C-Zellhyperplasie als BK nicht in Frage kommt, war die Klage abzuweisen.
Die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung, dass die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK vorliegen, ist nicht zulässig. Die Klage ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 55 Abs.1 Nr.1 SGG gerichtet. Sein Begehren ist vielmehr gerichtet auf die Feststellung eines Einzelelementes für einen Anspruch auf die Anerkennung einer BK, denn für die Anerkennung einer BK bedarf es eines rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhanges zwischen einer versicherten Tätigkeit und einer dabei auftretenden gefährdenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen der Einwirkung und der Entstehung oder Verschlimmerung einer tatbestandsmäßigen Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität). Eine Elementenfeststellungsklage ist aber nur dann statthaft, wenn der Streit zwischen den Beteiligten durch die gerichtliche Feststellung über ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses vollständig ausgeräumt werden kann (BSGE 31, 235, 240), nicht jedoch, wenn eine einzelne Voraussetzung eines Anspruchs festzustellen ist (BSGE 43, 137). So ist es jedoch im vorliegenden Fall, denn die arbeitstechnischen Voraussetzungen allein führen nicht zur Anerkennung einer BK und durch eine solche Feststellung würde der Rechtsstreit auch nicht erledigt werden können. Im Rahmen der Prüfung, ob eine BK vorliegt, konnte der Senat es unterlassen, die arbeitstechnischen Voraussetzungen bezüglich der Qualität und Quantität dieser Schadstoffexposition aufzuklären, denn auch bei unterstellter Belastung war bezüglich der nachgewiesenen Gesundheitsstörungen ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich. Der vom Kläger geführte Schadensersatzprozess gegen die Firma K. (siehe sein Schriftsatz vom 13.06.2007) hat für die Aufklärungsverpflichtung des Senats keine Bedeutung.
Nach der Vernehmung des Sachverständigen Prof.Dr.H. gemäß § 118 Abs.1 SGG in Verbindung mit §§ 402 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht davon abgesehen, dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme gemäß § 411 Abs.4 ZPO einzuräumen. Prof.Dr.H. hatte lediglich seine bisherigen Ausführungen erläutert und transparenter werden lassen, ohne neue Gesichtspunkte aufzudecken, die die Einholung einer medizinischen Beratung durch den Kläger erforderlich gemacht hätte. Die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Enzephalopathie bzw. Polyneuropathie war durch Dr.M. und Prof.Dr.H. hinreichend diskutiert worden, dem Kläger war ausreichend Zeit gegeben, den Sachverständigen, der vom Senat als Hauptgutachter eingesetzt war, und in der Lage war, die Angaben im zusätzlichen neurologischen Gutachten des Dr.M. zu verdeutlichen, zu befragen. Vom Kläger war auch - wie sich aus seinen Schriftsätzen ergibt - der einschlägige medizinische Sachverhalt verstanden worden. Da der Kläger im Übrigen schon vor Einvernahme des Prof.Dr.H. die Einräumung einer angemessenen Frist zur Stellungnahme beantragt hatte und außerdem den Antrag auf Fristeinräumung nicht begründet hat, ist der Antrag auch deshalb zurückzuweisen, weil er rechtsmissbräuchlich gestellt wurde.
Bezüglich der 11 Befangenheitsanträge, über die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht entschieden worden war, vertritt der Senat die Auffassung, dass sie rechtsmissbräuchlich gestellt worden sind. Bei offenbarem Missbrauch des Ablehnungsrechts ist eine formelle Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch durch gesonderten Beschluss nicht nötig (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 60 Rdnr.10b). Die Gründe, warum ein offensichtlicher Missbrauch vorliegt, können dann im Urteil dargelegt werden.
Der Senat sah die wiederholten Befangenheitsanträge des Klägers als offensichtlich rechtsmissbräuchlich an, weil der Kläger in Kenntnis der Tatsache, dass ein im Rahmen richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten eines Richters einschließlich etwaiger Verfahrensverstöße keinen Ablehnungsgrund bietet (s. Beschluss vom 14.06.2004), geradezu ausrechenbar, hinsichtlich jeder richterlichen Handlung stereotyp Befangenheitsanträge stellte und hiermit verfahrensfremde Zwecke verfolgte.
Im Übrigen ist sein wiederholter Vortrag, ihm werde Akteneinsicht verweigert, nicht richtig. Die Akteneinsichtmöglichkeit liegt, wie der Kläger weiß, im richterlichen Ermessen. Sie wurde dem Kläger immer gewährt mit der Einschränkung, er möge sich voranmelden. Dies deshalb, weil die Geschäftsstelle platz- und zeitmäßig sich darauf einstellen musste. In der Zeit vom 23.05.2007 bis 04.06.2007 (über Pfingsten) und in der Zeit vor der mündlichen Verhandlung vom 15. bis 18.10.2007 wurde dem Kläger Akteneinsicht nicht gewährt, weil die Berichterstatterin die Akten selbst zur Vorbereitung benötigt hat und außerdem dem Senat bekannt war, dass der Kläger sämtliche Schriftstücke der Akte selbst in Händen hatte.
Zwei Bände Akten des TÜVs konnten dem Kläger nicht vorgelegt werden, da sie sich in den Akten der Stadt M. befanden, wie der Kläger selbst am 06.02.2007 mitteilte.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen wurden vom Senat (vorläufig) nicht geprüft, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2005 hingewiesen worden war, um vorrangig eine als BK mögliche Gesundheitsstörung festzustellen bzw. nachzuweisen.
Die Krankenakte Dr.T. konnte nicht beigezogen werden, da sie von diesem an Dr.S. gesandt worden war, worüber der Kläger unterrichtet war.
Auch mit seinem Vortrag, der Senat habe eine ergänzende Befragung des Sachverständigen, eine Beiziehung der Messprotokolle, eine Auseinandersetzung mit Beweisanträgen unterlassen, verfolgt der Kläger offensichtlich verfahrensfremde Zwecke, nämlich die Ausschaltung der Richter des 3. Senats, die nach seiner Meinung eine ihm missliebige Rechtsmeinung vertreten, und wendet sich deshalb mit dem untauglichen Mittel des Befangenheitsantrags gegen das Procedere des Senats.
Zudem wird mit den Befangenheitsanträgen vom 02.10.2007 und 12.10.2007 die Absicht des Klägers evident, das Verfahren zu verschleppen, wenn er vorträgt, Prof.Dr.H. sei nicht von Amts wegen geladen worden. Tatsächlich hatte der Kläger Mitteilung davon, dass Prof.Dr.H. geladen wird. Das persönliche Erscheinen des Klägers zur mündlichen Verhandlung war nicht angeordnet worden, sein Erscheinen war aus Sicht des Senats nicht notwendig.
Der Kläger hat sich gleichzeitig mit den Befangenheitsanträgen wiederholt gegen das Vorgehen des Senats in Form von Anhörungsrügen/Beschwerden und Gegenvorstellungen gewandt. Obwohl sachlich in der Form vorgetragen, ist unverkennbar, dass der Kläger hierdurch versuchte, das Verfahren nach seiner Vorstellung zu gestalten, um die Entscheidung des Senats durch den gesetzlichen Richter zu verhindern bzw. zu verzögern. Sein Verhalten ist rechtsmissbräuchlich.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.06.2005 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) streitig.
Der 1959 geborene Kläger hat den Beruf des Elektrikers in Rumänien erlernt. Nach seiner Übersiedlung in die BRD im Dezember 1984 arbeitete er von 1985 bis 1992 als Betriebselektriker bei der Firma K. in M. in verschiedenen Abteilungen der Gießerei, Härterei, Formerei, Putzerei, Kernmacherei, Dreherei und Schweißerei. Nach seinen Angaben führte die Abneigung gegen den Elektrikerberuf 1990 zu enormer Arbeitsunlust, Antriebslosigkeit und Depressivität. Nach erfolgter Rehabilitationskur 1992 in der Psychosomatischen Klinik Bad D. stellte der Kläger, veranlasst vom Neurologen Dr.P. , einen Antrag auf berufliche Umschulung beim Arbeitsamt. Von 1993 bis 1996 erfolgte eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten bei der AOK M ... Anschließend war der Kläger arbeitslos.
Am 03.01.1998 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung einer Multiorganerkrankung als Berufskrankheit. Er führte eine Anzahl von Erkrankungen betreffend Augen, Nase, Haut, Bauch, Magen, Immun-, Blut-, Nerven-, Muskelsystem, Psyche, Gehirn auf den Kontakt mit toxischen Werkstoffen wie Foranen aus der Gruppe der halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffe, Formaldehyd, Kohlenmonoxyd, Schwefeloxyd, Amoniakdämpfen, Fluoride, Schweißgas, Schweißbrennerdämpfe und anderen in der Firma K. zurück. Ärztliche Anzeigen über eine BK erfolgten am 14.01.1999 durch den Lungenfacharzt Dr.B. , am 23.09.1999 durch den Allergologen Dr.F. , am 13.10.1999 durch den praktischen Arzt Dr.T. und am 13.10.1999 durch den praktischen Arzt Dr.K ...
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Unterlagen der BKK K. sowie eine Auskunft der Firma K. vom 30.07.1998 bei und Berichte des TAD vom 11.09.1998 und 22.09.1998 sowie Unterlagen und Behandlungsberichte seit 1991 von 25 Fachärzten. Der Kläger legte vor ein Spermiogrammergebnis des Dr.M. , Laborbefunde über Blutfettwerte Dr.F. , Krankenhausbericht N. , Bericht Schmerzzentrum T. , Attest Dr.B. , Laborbefund Dr.J. sowie drei Lagepläne der Hallen in der Firma K ...
Die Beklagte holte ein Gutachten der Dr.S. (Gewerbeaufsichtsamt M.) vom 29.10.1998 ein. Sie führte aus, an der Diagnose der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen bestünden erhebliche Zweifel. Eine berufsbedingte Verursachung der vielgestaltigen Beschwerden sei nicht wahrscheinlich. Mit Bescheid vom 26.11.1998 lehnte die Beklagte einen Entschädigungsanspruch aus Anlass der verschiedenen körperlichen sowie psychischen Beschwerden des Klägers ab. Es bestehe keine Erkrankung, die in die Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) aufgenommen wurde.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1999 zurück. Ein Zusammenhang zwischen Erkrankungen und der beruflichen Tätigkeit bestehe nicht. Es sei Kontakt zu allen in der Gießerei vorkommenden Schadstoffen vorgekommen. Eine gelegentliche Überschreitung einzelner Schadstoffgrenzwerte wie Quarzsand, Formaldehyd, Nickel, Benzoapyren, Stickoxyde, fluoride Eisenoxid Isopropanol sei nicht gänzlich auszuschließen. Aufgrund der Tätigkeit sei aber eine langandauernde Exposition mit Sicherheit nicht gegeben gewesen. Der Kläger habe selbst angegeben, die Frustration im Beruf habe 1990 zu einer enormen Arbeitsunlust, Antriebslosigkeit und Depressivität geführt. Auch ergebe sich aus dem Gutachten der LVA Oberbayern vom 18.05.1992, dass der Kläger seit der Pubertät unter erheblichen Minderwertigkeitsgefühlen leide. Dieser Zustand habe sich seit zwei Jahren verschlechtert. Als mögliche Ursache werde die Tatsache angesehen, dass die Firma zum Jahresende 1992 aus wirtschaftlichen Gründen schließe und die Arbeitsstelle des Klägers aufgelöst werde.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Bescheide aufzuheben und das Vorliegen einer Berufskrankheit ab 1991 anzuerkennen gemäß § 9 Abs.1 oder Abs.2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Er hat vorgetragen, er sei beim Gießereivorgang im Kranführerhaus einer erhöhten Exposition gegenüber Schadstoffen ausgesetzt gewesen. Er bat um eine erneute Gefährdungsanalyse. Er legte außerdem einen Bericht des Dr.K. (Diagnostik und Therapiezentrum für umweltmedizinische Erkrankung in R.) vom 19.07.1999 sowie Erklärungen des E. K. , E. H. , H. R. , P. B. über die Arbeitsbedingungen als Elektriker bei der Firma K. vor und bat um deren Einvernahme sowie vier Aktenordner mit arbeitsmedizinisch-umweltrechtlicher Fachliteratur, einen Aktenordner Nr.V mit medizinischen Befunden seit 1986 bzw. 1991, Aktenordner Nr.VII mit Schadstoffmessberichten der Firma K. , Tagebücher von 1981 bis 2002. Er wies darauf hin, dass er bei seiner Tätigkeit einer multiplen, komplexen Stressbelastung ausgesetzt gewesen sei wie psychomentalem Stress durch das Arbeiten unter Zeitdruck, starkem Lärmstress durch den bis zu 120 dB betragenden Lärm in der Gießerei, starkem Hitzestress durch enorme Hitzebelastung und durch das Vorhandensein von gefährlichen Stäuben, Rauch, Gas und Dämpfen.
Das SG hat Befundberichte des behandelnden Arztes Dr.F. vom 17.12.2001 und 08.01.2002 eingeholt und mit Beweisbeschluss vom 27.08.2002 Prof.Dr.H. (H.) Internist, Nephrologe, Umweltmedizin, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 20.06.2003 erstellt hat. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Symptome der vermehrten Entzündungsbereitschaft und die Verminderung der Abwehrlage das Krankheitsbild des Klägers auszeichneten. Die Belastung durch Beta HCH lag deutlich oberhalb der Normgrenze, auch bestand eine deutliche Belastung durch DDE-4,4,-Erhöhung und eine PCB-Erhöhung. Die Ursache dieser Belastungen sei durch die Aktenlage nicht festzustellen. Zur Abklärung, ob eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie beim Kläger vorliege, sei eine neurologische Begutachtung notwendig. Beim Kläger bestehe ein Multiple Chemical Sensitivity- (MCS) Syndrom.
Das SG hat am 24.06.2003 Prof.Dr.S. mit der Erstellung eines Gutachtens auf neurologischem Fachgebiet beauftragt. Da der Kläger die Aussetzung des Verfahrens bis zur Beendigung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Vorstand der Firma K. wegen Verdachts der schweren Körperverletzung und der schweren Gefährdung durch Freisetzung von Giften sowie Strafanzeigen gegen Herrn S. vom TAD der Beklagten und Herrn W. vom Gewerbeaufsichtsamt M. begehrte, hat das SG mit Beschluss vom 22.07.2003 die Beweisanordnung an Dr.S. aufgehoben und mit Gerichtsbescheid vom 13.08.2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Gericht habe davon abgesehen, die Ursache der von Prof.Dr.H. herausgestellten deutlichen DDE-4,4-Belastung und Beta-HCH-Belastung zu erforschen. Ein Anhaltspunkt für eine berufliche Verursachung habe sich aus den Akten nicht ergeben. Das festgestellte MCS-Syndrom sei derzeit noch nicht als BK anzusehen. Ob beim Kläger eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie vorliege, bleibe ungeklärt. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe hierfür die Konsequenz zu tragen.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe die §§ 103 und 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Art, Dauer und Intensität der bei der Firma K. erfolgten Schadstoffexposition und Gefährdung seien nicht ermittelt worden. Auch stelle der Gerichtsbescheid eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, die Voraussetzungen für seinen Erlass hätten nicht vorgelegen.
Während des Gerichtsverfahrens meldete der Kläger am 18.10.2003 der Beklagten einen weiteren Verdacht auf eine BK in Form einer Schilddrüsenerkrankung. Er legte Berichte der L.-Universität vom 23.09.2003 und 14.11.2004 vor. Die Beklagte holte ein Gutachten des Prof.Dr.R./Prof.Dr.G. (Klinikum der Universität M.) vom 31.01.2005 ein. Diese stellten fest, es liege eine Zellhyperplasie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor. Es handele sich hierbei um eine sehr seltene Erkrankung, es gebe bisher keine Erklärung für das Auftreten dieser Erkrankung. Nach der gängigen medizinischen Lehrmeinung gehörten derartige Erkrankungen nicht zu den Erkrankungen, die durch Umweltfaktoren hervorgerufen werden. Daraufhin lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2005 nach Anhörung der Gewerbeärztin Dr.S. vom 22.04.2005 ab, dem Kläger wegen einer BK Entschädigung zu leisten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.12.2005 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass er eine medizinische Sachaufklärung betreiben werde und erst wenn feststehe, welche Erkrankung als BK in Frage komme, die arbeitstechnischen Voraussetzungen aufklären werde. Der Senat hat sodann 66 Befundberichte und ärztliche Unterlagen beigezogen, deren Auflistung sich aus dem Schreiben des Klägers vom 13.06.2007 ergibt, und ein Gutachten eingeholt des Prof.Dr.H. , Internist, Nephrologie, Umweltmedizin (H. vom 11.12.2006/08.02.2007), mit Zusatzgutachten des Arztes für Neurologie, Neurochirurgie, Psychiatrie Dr.M. vom 28.08.2006. Prof.Dr.H. stellte abschließend fest, dass beim Kläger keine Krankheit nachgewiesen worden sei, die als BK in Frage komme, insbesondere keine Enzephalopathie oder Polyneuropathie. Selbst wenn eine Schadstoffbelastung bestanden hätte, bleibe festzustellen, dass ein ursächlicher Zusammenhang der vorliegenden Befindlichkeitsstörungen mit einer BK nicht wahrscheinlich sei. Es liege eine Rentenneurose vor. Der Kläger hat in der Zeit vom 16.03.2007 bis 16.10.2007 mit 18 verschiedenen Schriftsätzen sein Anliegen vorgetragen und beantragt, weitere ärztliche Zeugen zu hören, nämlich Dr.F. , Dr.T. , Dr.L. , Dr.H. , das Krankenhaus N. , Dr.V. und ein toxikologisches Zusammenhangsgutachten einzuholen bzw. die arbeitstechnischen Voraussetzungen, unter denen er im Zeitraum von 1977 bis 1984 sowie 1985 bis 1992 tätig gewesen sei, festzustellen. Er brauche dies insbesondere für einen Schadensersatzprozess gegen die Firma K ...
Der Kläger hat ein Gutachten des Dr.F. (Nervenklinik G.) vom 22.10.1998 vorgelegt sowie ein Gutachten des Prof. Dr.N. (Klinikum der Universität M.) vom 13.09.2001 (beide mit vorgenommenen Schwärzungen).
Der Senat hat in der heutigen mündlichen Verhandlung den Sachverständigen Prof.Dr.H. uneidlich einvernommen. Insoweit wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Der Kläger hat weiter dem Senat Schriftsätze vom 18.10. 2007, 31.10.2002 übergeben.
Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger 35 Befangenheitsanträge gegen Richter des 3. Senats gestellt. Der Senat hat über 20 Anträge durch Beschluss entschieden. Über 14 Befangenheitsanträge und zwar vom 03.03.2005, 02.01.2006, 21.12.2006, 24.12.2006, 05.01.2007, 15.01.2007, 13.02.2007, 12.03.2007, 30.03.2007, 24.05.2007, 03.07.2007, 17.09.2007, 02.10.2007, 12.10.2007 ist bisher noch nicht durch Beschluss entschieden worden und ein Befangenheitsantrag wurde zurückgenommen (06.10.2005).
Mit dem Befangenheitsantrag vom 03.03.2005 wandte sich der Kläger dagegen, dass der Rechtsstreit noch nicht an das SG zurückverwiesen war.
Mit den Befangenheitsanträgen vom 02.01.2006, 21.12.2006, 24.12.2006, 05.01.2007, 15.01.2007, 13.02.2007 lehnte der Kläger die Mitglieder des 3. Senats wegen Befangenheit ab. Er machte geltend, - ihm sei Akteneinsicht verweigert worden, - ihm seien bei Akteneinsicht am 18.04.2005, 02.09.2005, 10.10.2005 zwei Bände Akten des TÜV nicht vorgelegt worden, - die Anordnung der Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei nicht in die Wege geleitet worden, - Befundbericht bzw. Krankenakte des Dr.T. seien nicht eingeholt worden.
Die Befangenheitsanträge vom 12.03.2007 und 30.03.2007 stellte der Kläger mit der Begründung, die Vorsitzende habe eine ergänzende Befragung der Sachverständigen Prof.Dr.H. und Dr.M. unterlassen.
Den Befangenheitsantrag vom 24.05.2007 begründete der Kläger damit, dass die Vorsitzende es unterlassen habe, - die Protokolle der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit des Klägers von Dr.M. anzufordern, - sie habe über die Befangenheitsanträge vom 21.12.2006 nicht entschieden, - Akteneinsicht sei im Zeitraum vom 23.05.2007 bis 04.06.2007 nicht möglich gewesen.
Mit dem Befangenheitsantrag vom 03.07.2007 wandte sich der Kläger gegen die Ausführungen im Beschluss vom 13.06.2007 betreffend die gerügte Befangenheit des Prof.Dr.H ... - Die Richter des 3. Senats hätten sich mit dem Beweisantrag vom 16.03.2007 nicht auseinandergesetzt.
Mit dem Befangenheitsantrag vom 02.10.2007 rügte der Kläger, dass Dr.M. nicht als sachverständiger Zeuge geladen und der Kläger selbst nicht offiziell von Amts wegen geladen worden sei.
Mit dem Befangenheitsantrag vom 12.10.2007 rügte der Kläger, - Prof.Dr.H. sei nicht von Amts wegen zum Termin der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2007 geladen worden, - Akteneinsicht sei nicht bis zum Tag vor der mündlichen Verhandlung gewährt worden.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Erkrankungen als Berufskrankheiten im Sinne des Berufungsantrags vom 16.03.2007 sowie des Schriftsatzes vom 20.11.2003 anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Sozialgericht München zurückzuverweisen und weiter hilfsweise die Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen 1985 bis 1992.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.08.2003 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf 8 Band Beklagtenakten, 5 Band SG-Akten zum Verfahren, 12 Band LSG-Akten, 3 Band Anlagen zur E-Mail vom 08.09.2005, 4 Band Anlagen E-Mail vom 27.12.2005, 1 Band Anlagen zum Schreiben des Klägers vom 31.01.2006, 1 Band Anlagen zu den Schriftsätzen vom 06.04.2006, 18.04.2006, 02.04.2007, 05.04.2007, 10.04.2007, 05.05.2007, 25.05.2006, Akten des SG Az.: S 9 U 443/00, S 9 U 597/00, S 9 U 217/00, L 9 U 392/00, S 9 Rh 67/01, sowie 21 Band Akten der Stadt M. , 1 Ordner und 2 Band Akten des LfAS, 10 Ordner der Stadt M. , 1 Heftung der Firma K. , 1 Ordner Kopien des SG.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig gemäß §§ 105 Abs.2, 143, 151 SGG.
Die Berufung ist nicht begründet.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens davon Abstand genommen, den Rechtsstreit gemäß § 159 I Nr.2 SGG an das SG zurückzuverweisen. Obwohl seitens des SG Verfahrensfehler beim Erlass eines Gerichtsbescheides vorlagen - insbesondere wurde vor der Entscheidung keine Anhörung durchgeführt und der Sachverhalt war nicht aufgeklärt -, hielt es der Senat nach Abwägung für prozessökonomisch richtig, in der Sache selbst zu entscheiden. Im Zweifel ist vorzuziehen, selbst zu entscheiden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8.Aufl., § 159 Rdnr.5)
Vorliegend ist noch die Reichsversicherungsordnung (RVO) und nicht das am 01.01.1997 in Kraft getretene SGB VII anzuwenden, denn dieses gilt erst für nach dem 01.01.1997 eingetretene Versicherungsfälle (Art.36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Der Kläger stellte am 02.01.1998 einen Antrag auf Anerkennung einer BK und machte geltend, diese bestehe seit ca. 1992, so dass er offenbar von einem Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 ausging.
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 547 RVO) sind dann zu gewähren, wenn ein Versicherter einen Arbeitsunfall im Sinne der §§ 548 ff. RVO erlitten hat. Nach § 551 Abs.1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall ferner eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei den in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (Satz 2). Die Bundesregierung ist ermächtigt worden, in der Rechtsverordnung Folgekrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (Satz 3). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung mit der BKV Gebrauch gemacht. Die Voraussetzungen der BK sind erfüllt, wenn eine Krankheit in der Anlage 1 zur BKV als BK bezeichnet ist und durch eine versicherte Tätigkeit im Einzelfall verursacht oder verschlimmert worden ist (BSGE 2, 178).
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der BKen wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestands der BK ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalitlät) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, B 2 U 29/99 R, Reg-Nr.1295).
Um den Zusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und der Erkrankung untersuchen zu können, muss zunächst die Gesundheitsstörung eindeutig diagnostiziert werden. Sodann müssen die Ursachen dieser Krankheit im Hinblick auf eine schädigende Einwirkung und etwaiger nicht versicherter Faktoren ermittelt werden.
Im vorliegenden Fall haben die Ermittlungen des Senats ergeben, dass beim Kläger ein Multiple Chemical Sensitivity-Syndrom (MCS-Syndrom), eine leichte Polyneuropathie und eine Persönlichkeitsstörung nachgewiesen sind. Diese Krankheiten sind selbst dann, wenn man die haftungsbegründende Kausalität als erfüllt ansieht, weil der Kläger täglich einer erheblichen Einwirkung von Lösungsmitteln und Gemischen von Lösungsmitteln im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit von 1985 bis 1992 ausgesetzt war, nicht als BK anzuerkennen. Deshalb hat der Senat davon abgesehen, die Schadstoffexposition des Klägers bei der Firma K. in der Zeit von 1985 bis 1992 hinsichtlich Qualität und Quantität zu ermitteln, wenngleich der Kläger diese Ermittlungen auch begehrt, um ihr Ergebnis in dem Schadensersatzprozess gegen die Firma K. vor dem Arbeitsgericht M. einführen zu können.
Wie Prof.Dr.H. im Gutachten vom 20.06.2003 zur Überzeugung des Senats herausgearbeitet hat, ist beim Nachweis vermehrter Entzündungszeichen und einer Verminderung der Abwehrlage und den Symptomen wie Schwindelgefühl, Gangunsicherheit, Störung des Kurzzeitgedächtnisses, kognitive Leistungsminderung, Antriebs- und Affektstörungen und der schlagartigen extremen Müdigkeit beim Betreten von Kaufhäusern, klimatisierten Zügen, Krankenhäusern etc., von einem MCS-Syndrom auszugehen.
Bei einem MCS-Syndrom handelt es sich um multiple, unspezifische Beschwerden, die von den Betroffenen auf Umweltchemikalien und Umweltfaktoren zurückgeführt werden (Fritze/Mehrhoff, Die ärztliche Begutachtung, 7.Aufl., S.450). Tatsächlich leidet der Kläger an einer Vielzahl von Beschwerden wie Erkältungen, Schleimhautreizungen an Hals und Nase, Blähbauch, Hauterkrankungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten etc. Die beigezogenen Befundberichte geben hierzu beredtes Zeugnis ab. Das MCS-Syndrom ist durch rezidivierende Symptome in mehreren Organsystemen gekennzeichnet, die Vielfalt der erlebten Symptome tendiert im Krankheitsverlauf zur Zunahme (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl., S.249). Dies trifft auf den Kläger zu, und der Senat hat keine Bedenken, der Diagnose des Umweltmediziners Prof.Dr.H. zu folgen.
Eine Anerkennung des MCS-Syndroms als BK gemäß § 551 Abs.1 Nr.1 RVO ist, da der Regelungssystematik des Berufskrankheitenrechts das Listenprinip zugrunde liegt, nicht möglich, weil diese Krankheit nicht in der aktuellen Berufskrankheitenliste aufgeführt ist.
Das MCS-Syndrom kann auch nicht "wie eine Berufskrankheit" nach § 551 Abs.2 RVO anerkannt werden. Danach haben Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist, oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs.1 Satz 2 erfüllt sind. Nach Abs.2 Satz 2 sind dies Krankheiten, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmten Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Als Voraussetzung muss erfüllt sein, dass die Krankheit durch besondere Einwirkungen verursacht worden ist, die über die in der Arbeitswelt allgemein üblichen Einwirkungen qualitativ oder quantitativ hinausgehen. Der Betroffene muss einer Personengruppe angehören, die durch ihre versicherte Tätigkeit der besonderen Einwirkung erheblich stärker ausgesetzt ist als die übrige Bevölkerung. Die Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art auch zu verursachen.
Selbst wenn die Exposition am Arbeitsplatz nachgewiesen ist, so ist die besondere Betroffenheit bestimmter Berufe oder das vermehrte Auftreten von MCS-Syndromen nach bestimmten Expositionen nicht beweisbar. Die wenigen bisher vorliegenden Publikationen, die Kollektive von MCS-Patienten mit ihren Berufen beschreiben, greifen auf nicht validierte Datenbasen selbstberichtender Patienten zurück. Auch die dort dargestellten Schlussfolgerungen zu vermuteten auslösenden Ursachen sind aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Es liegen bisher keine Ergebnisse von Studien vor, in denen mit erkennbaren Qualitätsstandards versucht worden wäre, einheitliche Kollektive zu definieren und zu beschreiben. Aus einer derzeit unter Federführung des Robert-Koch-Instituts laufenden Stundie liegen noch keine publizierten Ergebnisse vor. Prospektive Studien mit dem Ziel, in vermuteten Risikokollektiven ein vermehrtes Auftreten von MCS zu zeigen, wurden bisher nicht durchgeführt (so Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 38 vom 20.09.2002). Über Ursachen und Entstehungsweise gibt es kein gesichertes Wissen. Es liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die die generelle Eignung bestimmter Einwirkungen belegen, ein MCS-Syndrom zu verursachen (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S.249). Auch Hausotter schreibt in "Der medizinische Sachverständige" 3/2000 S.70 f., dass es sich bei dem MCS-Phänomen um eine Arbeitshypothese handelt, die mit den klassischen Gesetzen der Toxikologie nicht zu vereinbaren ist und bei der es keine rechtliche oder medizinische Kausalität hinsichtlich der Entstehungsmechanik gibt.
Eine Anerkennung des MCS-Syndroms gemäß § 551 Abs.2 RVO als BK ist daher nicht möglich (so auch LSG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2001 in HVBG-VB 25/2002; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.08.2000 Az.: L 17 U 26/99; BayLSG vom 11.07.2001, L 2 U 300/99; BayLSG vom 13.11.2002, L 2 U 530/00).
Die Voraussetzungen der BK nach Nr.1317 der Anlage zur BKV sind ebenfalls nicht gegeben. Nach dieser BK können Entschädigungsleistungen erbracht werden beim Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalophatie, hervorgerufen durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Eine Enzephalopathie des Klägers, das heißt eine Schädigung des zentralen Nervensystems in Folge einer Chemikalienintoxikation ist nicht nachgewiesen. Der Neurologe Dr.M. hat im Zusatzgutachten vom 28.08.2006 auf das am 30.12.1997 durchgeführte MRT, die am 07.06.1998 durchgeführte quantitative Positronenemissionstomographie des Gehirns, die eine geringe Asymmetrie der Glukoseutilisation hoch parental ergab, aber sonst keinen verwertbaren pathologischen Befund, die am 26.03.1999 ergänzend durchgeführte Bestimmung des regionalen zerebralen Blutflusses, das am 20.05.1999 durchgeführte MRT des Gehirns mit Angiographie und die beiden nuklearmedizinischen Verfahren der "Single-Photon-Emission-Computertomographie (SPECT) vom 12.10.1999 und 29.03.2000 hingewiesen und eine Enzephalopathie nicht bestätigen können. Nachdem auch der Kläger pränarkotische Symptome in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lösungsmittelexposition nicht beschrieben hat, ist es für den Senat nachvollziehbar, wenn Prof.Dr.H. in seiner abschließenden Stellungnahme vom 11.12.2006 das Vorliegen einer Enzephalopathie ausschließt.
Eine leichte Polyneuropathie ist beim Kläger hingegen nachgewiesen. Es fanden sich bei der Untersuchung durch Dr.M. eine deutlich vermehrte Druckempfindlichkeit der großen Nervenläufe und ein beiderseitiger Wadendruckschmerz. Die Nervenleitgeschwindigkeit zeigte sich normal bis eher im unteren Normbereich.
Um eine Polyneuropathie als BK anerkennen zu können, fehlt es jedoch an der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit des Klägers (haftungsausfüllende Kausalität), selbst wenn eine erfolgte Schadstoffexposition unterstellt wird.
Der ursächliche Zusammenhang ist dann wahrscheinlich, wenn beim Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (BSG SozR Nr.20 zu § 542 RVO). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernst Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG, Breithaupt 1963, 60, 61; BSG SozR Nr.1 zu § 551 RVO).
Im vorliegenden Fall spricht gegen den Zusammenhang die zeitliche Komponente. Der Kläger ist 1992 aus der Firma K. ausgeschieden. Bei nachfolgenden Untersuchungen wurde nie auf eine Polyneuropathie hingewiesen. Tatsächlich aber entwickelt sich die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition. Auch zwei bis drei Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit kann die Diagnose erstmals gestellt werden (Mehrtens/Brandenburg, Kommentar M 1317 III). Bei der neurologischen Untersuchung im F.-Institut am 21.05.1997 wurden unauffällige Hirnnerven, regelrechte Koordination, keine zentralen oder peripheren Paresen, unauffällige extrapyramidal motorisches System, Sensibilität regelrecht, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft, keine Pyramidenbahnzeichen, beschrieben. Die sensible und motorische Nervenleitgeschwindigkeit lag im Normbereich. Auch bei der klinisch-neurologischen Untersuchung im Klinikum G. am 20.10.1998 war die klinisch-neurologische Untersuchung unauffällig und eine erneute neurologische Untersuchung im F.-Institut am 31.05.1999 ergab keinen Hinweis auf das Vorliegen einer neuromuskulären Erkrankung, es waren vielmehr die Nervenleitgeschwindigkeit normal und die Muskeleigenreflexe mittellebhaft, seitengleich, keine Paresen, keine sensiblen Störungen. Soweit der Kläger auf Muskelschmerzen im Jahr 1992 hinweist, ist die Auffassung des Prof.Dr.H. , die er in der heutigen mündlichen Verhandlung näher erläuterte, überzeugend. Der Kläger hatte zu dieser Zeit einen C-reaktiven Proteinwert von über 100, was auf einen lokalen Entzündungsprozess hindeutet. Ein Nachweis für eine Polyneuropathie im damaligen Zeitpunkt ergibt sich somit nicht.
Im Übrigen aber heilen leichte Fälle von lösungsmittelbedingter Polyneuropathie innerhalb von zehn Monaten vollständig aus. Ein Fortschreiten der Krankheit nach mehrmonatiger Expositionskarenz schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel aus (so auch LSG Saarland, Urteil vom 20.02.2001, Az.: L 2 U 69/99, Rundschreiben des HVBG vom 13.08.2001 VB 095/2001).
Wenn somit im Zeitpunkt der Gutachtensstellung durch Dr.M. eine Polyneuropathie nachweisbar war, so muss sie weit nach Beendigung der (unterstellten) Exposition entstanden sein. Ein kausaler Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers ist somit nicht hinreichend wahrscheinlich. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt der BK Nr.1317 ist in jedem Falle ausgeschlossen.
Der Kläger leidet an einer psychischen Erkrankung. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Dr.F. vom 22.10.1998 und dem Gutachten des Prof.Dr.N. vom 13.09.2001, das dieser für die LVA Oberbayern im Rahmen eines Rentenantrags erstellt hat. Dieses Gutachten kann als Urkundenbeweis herangezogen werden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8.Aufl., § 117 Anm.6). Es liegt beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung bei hypochondrisch zwanghaft depressiver Persönlichkeitsstruktur vor (so Dr.F.) bzw. - soweit aufgrund der Schwärzungen herauszulesen ist, - eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend anankastischen Zügen, eine schwere Somatisierungsstörung mit Hypochondrie und ein ängstlich-depressives Syndrom mit Dysthymie (so Prof.Dr.N.). Diese Erkrankungen sind vom Verordnungsgeber nicht in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden und können daher - ohne nähere Prüfung - nicht als BK anerkannt werden.
Nachgewiesen ist beim Kläger eine Schilddrüsenerkrankung in Form einer eindeutigen C-Zellhyperplasie wie Dres.R./ G./Klinikum der Universität M. im Gutachten vom 31.01.2005 ausführen. Da es keine Erklärung für das Auftreten der seltenen Erkrankung gibt, war der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einer unterstellten Lösemittelexposition nicht zu prüfen.
Da der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2005 gemäß § 96 SGG analog Gegenstand des Verfahrens geworden ist - mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26.11.1998 war generell die Ablehnung der Anerkennung und Entschädigung einer BK erfolgt, so dass aus dem Gedanken der Prozessökonomie die Einbeziehung des Bescheides vom 23.06.2005 im Wege weiter Auslegung gerechtfertigt erscheint -, war über diesen Bescheid auf Klage hin zu entscheiden (Meyer-Ladewig, a.a.O. § 96 Rdnr.7). Da die Anerkennung der C-Zellhyperplasie als BK nicht in Frage kommt, war die Klage abzuweisen.
Die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung, dass die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK vorliegen, ist nicht zulässig. Die Klage ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 55 Abs.1 Nr.1 SGG gerichtet. Sein Begehren ist vielmehr gerichtet auf die Feststellung eines Einzelelementes für einen Anspruch auf die Anerkennung einer BK, denn für die Anerkennung einer BK bedarf es eines rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhanges zwischen einer versicherten Tätigkeit und einer dabei auftretenden gefährdenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen der Einwirkung und der Entstehung oder Verschlimmerung einer tatbestandsmäßigen Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität). Eine Elementenfeststellungsklage ist aber nur dann statthaft, wenn der Streit zwischen den Beteiligten durch die gerichtliche Feststellung über ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses vollständig ausgeräumt werden kann (BSGE 31, 235, 240), nicht jedoch, wenn eine einzelne Voraussetzung eines Anspruchs festzustellen ist (BSGE 43, 137). So ist es jedoch im vorliegenden Fall, denn die arbeitstechnischen Voraussetzungen allein führen nicht zur Anerkennung einer BK und durch eine solche Feststellung würde der Rechtsstreit auch nicht erledigt werden können. Im Rahmen der Prüfung, ob eine BK vorliegt, konnte der Senat es unterlassen, die arbeitstechnischen Voraussetzungen bezüglich der Qualität und Quantität dieser Schadstoffexposition aufzuklären, denn auch bei unterstellter Belastung war bezüglich der nachgewiesenen Gesundheitsstörungen ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich. Der vom Kläger geführte Schadensersatzprozess gegen die Firma K. (siehe sein Schriftsatz vom 13.06.2007) hat für die Aufklärungsverpflichtung des Senats keine Bedeutung.
Nach der Vernehmung des Sachverständigen Prof.Dr.H. gemäß § 118 Abs.1 SGG in Verbindung mit §§ 402 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht davon abgesehen, dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme gemäß § 411 Abs.4 ZPO einzuräumen. Prof.Dr.H. hatte lediglich seine bisherigen Ausführungen erläutert und transparenter werden lassen, ohne neue Gesichtspunkte aufzudecken, die die Einholung einer medizinischen Beratung durch den Kläger erforderlich gemacht hätte. Die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Enzephalopathie bzw. Polyneuropathie war durch Dr.M. und Prof.Dr.H. hinreichend diskutiert worden, dem Kläger war ausreichend Zeit gegeben, den Sachverständigen, der vom Senat als Hauptgutachter eingesetzt war, und in der Lage war, die Angaben im zusätzlichen neurologischen Gutachten des Dr.M. zu verdeutlichen, zu befragen. Vom Kläger war auch - wie sich aus seinen Schriftsätzen ergibt - der einschlägige medizinische Sachverhalt verstanden worden. Da der Kläger im Übrigen schon vor Einvernahme des Prof.Dr.H. die Einräumung einer angemessenen Frist zur Stellungnahme beantragt hatte und außerdem den Antrag auf Fristeinräumung nicht begründet hat, ist der Antrag auch deshalb zurückzuweisen, weil er rechtsmissbräuchlich gestellt wurde.
Bezüglich der 11 Befangenheitsanträge, über die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht entschieden worden war, vertritt der Senat die Auffassung, dass sie rechtsmissbräuchlich gestellt worden sind. Bei offenbarem Missbrauch des Ablehnungsrechts ist eine formelle Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch durch gesonderten Beschluss nicht nötig (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 60 Rdnr.10b). Die Gründe, warum ein offensichtlicher Missbrauch vorliegt, können dann im Urteil dargelegt werden.
Der Senat sah die wiederholten Befangenheitsanträge des Klägers als offensichtlich rechtsmissbräuchlich an, weil der Kläger in Kenntnis der Tatsache, dass ein im Rahmen richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten eines Richters einschließlich etwaiger Verfahrensverstöße keinen Ablehnungsgrund bietet (s. Beschluss vom 14.06.2004), geradezu ausrechenbar, hinsichtlich jeder richterlichen Handlung stereotyp Befangenheitsanträge stellte und hiermit verfahrensfremde Zwecke verfolgte.
Im Übrigen ist sein wiederholter Vortrag, ihm werde Akteneinsicht verweigert, nicht richtig. Die Akteneinsichtmöglichkeit liegt, wie der Kläger weiß, im richterlichen Ermessen. Sie wurde dem Kläger immer gewährt mit der Einschränkung, er möge sich voranmelden. Dies deshalb, weil die Geschäftsstelle platz- und zeitmäßig sich darauf einstellen musste. In der Zeit vom 23.05.2007 bis 04.06.2007 (über Pfingsten) und in der Zeit vor der mündlichen Verhandlung vom 15. bis 18.10.2007 wurde dem Kläger Akteneinsicht nicht gewährt, weil die Berichterstatterin die Akten selbst zur Vorbereitung benötigt hat und außerdem dem Senat bekannt war, dass der Kläger sämtliche Schriftstücke der Akte selbst in Händen hatte.
Zwei Bände Akten des TÜVs konnten dem Kläger nicht vorgelegt werden, da sie sich in den Akten der Stadt M. befanden, wie der Kläger selbst am 06.02.2007 mitteilte.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen wurden vom Senat (vorläufig) nicht geprüft, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2005 hingewiesen worden war, um vorrangig eine als BK mögliche Gesundheitsstörung festzustellen bzw. nachzuweisen.
Die Krankenakte Dr.T. konnte nicht beigezogen werden, da sie von diesem an Dr.S. gesandt worden war, worüber der Kläger unterrichtet war.
Auch mit seinem Vortrag, der Senat habe eine ergänzende Befragung des Sachverständigen, eine Beiziehung der Messprotokolle, eine Auseinandersetzung mit Beweisanträgen unterlassen, verfolgt der Kläger offensichtlich verfahrensfremde Zwecke, nämlich die Ausschaltung der Richter des 3. Senats, die nach seiner Meinung eine ihm missliebige Rechtsmeinung vertreten, und wendet sich deshalb mit dem untauglichen Mittel des Befangenheitsantrags gegen das Procedere des Senats.
Zudem wird mit den Befangenheitsanträgen vom 02.10.2007 und 12.10.2007 die Absicht des Klägers evident, das Verfahren zu verschleppen, wenn er vorträgt, Prof.Dr.H. sei nicht von Amts wegen geladen worden. Tatsächlich hatte der Kläger Mitteilung davon, dass Prof.Dr.H. geladen wird. Das persönliche Erscheinen des Klägers zur mündlichen Verhandlung war nicht angeordnet worden, sein Erscheinen war aus Sicht des Senats nicht notwendig.
Der Kläger hat sich gleichzeitig mit den Befangenheitsanträgen wiederholt gegen das Vorgehen des Senats in Form von Anhörungsrügen/Beschwerden und Gegenvorstellungen gewandt. Obwohl sachlich in der Form vorgetragen, ist unverkennbar, dass der Kläger hierdurch versuchte, das Verfahren nach seiner Vorstellung zu gestalten, um die Entscheidung des Senats durch den gesetzlichen Richter zu verhindern bzw. zu verzögern. Sein Verhalten ist rechtsmissbräuchlich.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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