L 7 AS 68/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 523/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 68/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig ist, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen für den Zeitraum vom 31.05. bis 01.12.2005 hat.

Der Kläger stellte am 31.05.2005 bei der Beklagten einen An-trag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Mit Bescheid vom 21.06.2005 versagte die Beklagte ab 31.05.2005 Leistungen ganz nach § 66 SGB I. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe den formblattmäßigen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit den dazugehörigen Zusatzblättern und die mit Schreiben vom 31.05.2005 angeforderten Unterlagen trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt. Gegen den Bescheid vom 21.06.2005 legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Mit Leistungsbescheid vom 24.02.2006 gewährte die Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 02.12.2005 bis 31.05.2006. Nunmehr erinnerte sich der Kläger wieder an den Antrag vom 31.05.2005. Er legte gegen den aktuellen Leistungsbescheid Widerspruch ein und monierte, dass er nicht bereits ab dem 31.05.2005 Leistungen bewilligt erhalten hatte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Nachholung im Sinn von § 67 SGB I sei nicht erfolgt, so dass eine nachträgliche Gewährung der Leistungen ausscheide. Auch unter Ermessensgesichtspunkten würde die Beklagte keine Nachzahlungen leisten. Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 02.06.2006 zugestellt worden.

Am 04.07.2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage er-hoben. Das SG hat den Kläger mit Schriftsatz vom 17.07.2006 darauf hingewiesen, die Klagefrist sei bereits am 03.07.2006 abgelaufen gewesen. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang beim Sozialgericht am 14.08.2006) hat der Kläger Wiedereinset-zung in den vorigen Stand beantragt. Am 03.07.2006 hätte er, so der Kläger zur Begründung, eine Erkältung gehabt. Zum Arzt sei er allerdings nicht gegangen, weil er zum einen noch Medikamente gehabt hätte, zum anderen nicht in der Lage gewesen sei, die Praxisgebühr zu bezahlen. 100 bis 150 Euro würde er zur Pflege seiner auswärtigen Sozialkontakte benötigen, so dass die Praxisgebühr für ihn nicht tragbar gewesen sei. Außerdem verfüge er über keine hinreichende Büroausstattung.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.01.2007 ab-gewiesen. Die Klage, so das Sozialgericht, sei unzulässig, weil verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden; die vom Kläger benannten Gründe würden die Fristversäumnis nicht entschuldigen.

Dagegen hat der Kläger am 02.03.2007 Berufung eingelegt. Die Klage habe er, so der Kläger, nicht rechtzeitig erheben können, weil er unter unzumutbaren Wohnverhältnissen lebe. Der Widerspruchsbescheid sei ihm verloren gegangen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 29.01.2007 sowie des Bescheids vom 24.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2006 die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 31.05. bis 01.12.2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwal-tungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Streitig sind Geldleistungen von mehr als 500,- EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes).

Die Klage ist unzulässig, weil verfristet erhoben. Wiederein-setzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, weil keine hinreichenden Entschuldigungsgründe glaubhaft gemacht sind. Der Senat macht sich insoweit die ausführliche und zu-treffende Begründung des Sozialgerichts zu eigen und sieht von einer eigenen Begründung weitgehend ab. Ergänzend sei Folgen-des angemerkt:

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht überhaupt nur für den al-lerletzten Tag der Klagefrist einen Entschuldigungsgrund be-nannt. Zwar darf die Klagefrist bis zum Ende ausgeschöpft wer-den (Keller in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, Sozialgerichts-gesetz, 8. Auflage 2005, § 67 RdNr. 3a). Jedoch existiert eine erhöhte Sorgfaltspflicht des "letzten Tages". Wenn sich schon jemand bis zuletzt Zeit lässt, dann muss er dem durch besonde-re Anstrengungen, keine Wiedereinsetzung notwendig werden zu lassen, Rechnung tragen (vgl. BSG SozR 1500 § 67 SGG Nr. 16, S. 40). Allein vor diesem Hintergrund vermag eine bloße Erkäl-tung den Kläger nicht zu "exkulpieren". Erstaunlich mutet an, dass sich der Kläger in dem Schriftsatz an das Sozialgericht, der dort am 14.08.2006 eingegangen war, genau daran erinnern konnte, dass er just am 03.07.2006 eine Erkältung hatte. Denn diese war offensichtlich harmlos; am darauffolgenden Tag näm-lich, am 04.07.2006, war der Kläger beim Sozialgericht persön-lich erschienen, um Klage zu erheben. Dafür, dass die Erkran-kung nicht geeignet war, den Kläger von einer rechtzeitigen Klageerhebung abzuhalten, spricht auch, dass er ärztliche Hil-fe augenscheinlich nicht benötigte. Seine Argumentation, er hätte 10 Euro für die Praxisgebühr nicht aufbringen können, überzeugt nicht, zumal der Monat erst angefangen hatte. Dass der Kläger sein Geld für die Pflege seiner auswärtigen Sozial-kontakte sparen wollte, statt sie für ärztliche Hilfe einzu-setzen, lässt seine Darstellung, er sei am 03.07.2006 schwer erkrankt gewesen, vollends unglaubhaft erscheinen. Das Gleiche gilt für den nunmehr angeführten Versäumnisgrund, seine Wohn-verhältnisse seien unzumutbar; dem Senat erschließt sich kein Zurechnungszusammenhang zwischen den Wohnverhältnissen des Klägers und der Nichteinhaltung der Klagefrist. Wenn dieser nun zusätzlich vorträgt, er habe den Widerspruchsbescheid verlo-ren, so spricht dies deutlich für eine Sorgfaltspflichtverlet-zung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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