L 5 KR 153/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 153/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 6. März 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der stationären Mitaufnahme der Tochter der Klägerin im Rahmen der Haushaltshilfe in Höhe von 1.680,00 Euro

Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert und erhielt von dieser wegen eines chronisch progredienten Lipödem beider Beine, des Beckens sowie beider Arme eine stationäre Krankenhausbehandlung, die in der Zeit vom 9. August bis 6. September 2006 in der E.klinik in Bad S. durchgeführt wurde.

Am 13. Juli 2006 beantragte die Klägerin die Kosten einer Mitaufnahme ihrer Tochter in der Klinik mit 60,00 Euro pro Tag zu übernehmen. Sie legte ärztliche Bescheinigungen von Dr. W. und Dr. Z. vor, die bestätigten, dass der Ehemann der Klägerin aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung bzw. des komplexen Krankheitsbildes nicht in der Lage sei, die minderjährige Tochter zu versorgen. Deshalb sei eine Mitaufnahme der 1993 geborenen Tochter C. erforderlich.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Haushaltshilfe ab mit der Begründung, die Tochter C. habe im Jahre 2005 bereits das 12. Lebensjahr vollendet, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Haushaltshilfe nicht mehr gegeben seien. Auch eine stationäre Mitaufnahme der Tochter in der E.klinik komme nicht in Betracht, da hierfür ebenfalls die Voraussetzungen für eine Haushaltshilfe vorliegen müssten.

Mit Beschluss vom 1. August 2006 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich einer Gewährung von Haushaltshilfe bzw. Gewährung eines Zuschusses ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben sei, da zum einen der Ehemann als im Haushalt lebende Person den Haushalt weiterführen könne und im Übrigen die Satzung (§ 14 Abs. 3 Satzung der AOK) der Beklagten ein Ermessen einräume, das nur eingeschränkt überprüft werden könne. Im Übrigen sei bereits in einem früheren Eilverfahren entschieden worden, dass eine Mitaufnahme der Tochter nicht erforderlich sei.

Mit der Widerspruchsbegründung wurde eine Rechnung der E.klinik vom 6. September 2006 vorgelegt, worin für die Begleitperson 60,00 Euro pro Tag für die Zeit vom 9. August 2006 bis 6. September 2006 insgesamt also 1.680,00 Euro in Rechnung gestellt wurden. Außerdem wurde eine Notiz des Landratsamts C. , Amt für Jugend und Familie vom 18. Oktober 2006 vorgelegt, worin ausgeführt wird, dass aufgrund der ärztlichen Atteste von Dr. W. und Dr. Z. feststehe, dass der Ehemann die dreizehnjährige Tochter nicht für längere Zeit alleine betreuen könne und deshalb die Unterbringung der Tochter bei einer Pflegefamilie notwendig sei. Aufgrund der attestierten Erkrankung von Herrn H. würden die Kosten für die Unterbringung in einer Pflegefamilie seitens des Jugendamtes getragen. Zur Begründung des Widerspruchs wurde neben dem schlechten Gesundheitszustands des Ehemanns der Klägerin auf die ärztlichen Attestes sowie die Einschätzung des Jugendamtes Bezug genommen. Aus dieser Bescheinigung ergebe sich, dass die Versorgung im elterlichen Haushalt nicht hätte stattfinden können, deshalb habe die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2006 den Widerspruch zurück.

Dagegen richtet sich die zum Sozialgericht Regensburg erhobene Klage, die erneut mit der Unfähigkeit des Ehemanns zur Versorgung der Tochter begründet wurde. Da der Ehemann aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, während des stationären Klinikaufenthalts die minderjährige Tochter längere Zeit alleine zu betreuen, sei die Klägerin gehalten gewesen, die Tochter mitzunehmen. Die hierbei entstandenen Kosten von 1.680,00 Euro habe die Beklagte zu Unrecht nicht erstattet, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte eine Bezuschussung dieses Betrags verweigere, obwohl das Jugendamt aufgrund der dargelegten Behinderungen die wesentlich höheren Kosten für eine Unterbringung in einer Pflegefamilie getragen hätte.

Unter Vorlage weiterer ärztlicher Atteste von Dr. Z. und Dr. W. wurde wiederholt, aus welchen Gründen der Ehemann zur Betreuung der Tochter nicht in der Lage gewesen sei und dass sich dessen Zustand wesentlich verschlechtert habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Abweichend vom Sachleistungsprinzip des § 2 SGB V komme für die begehrte Leistung gemäß § 13 Abs. 1 SGB V eine Kostenerstattung dann in Betracht, wenn die Beklagte zu Unrecht die Leistung abgelehnt hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall, denn weder aus § 38 SGB V noch aus § 14 der Satzung der Beklagten könne die Klägerin einen Anspruch auf den begehrten Zuschuss herleiten. Für beide Bestimmungen sei Voraussetzung, dass im Haushalt ein Kind lebe, das bei Beginn der Haushaltshilfeleistung das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet habe was unstreitig nicht der Fall sei. Der Anspruch nach § 14 der Satzung stelle für begründete Ausnahmefälle Haushaltshilfe in angemessenem Umfang zur Verfügung, wobei es sich um Sachverhalte handeln müsse die nicht unter § 38 Abs. 1 SGB V fallen, also Haushaltshilfe z.B. ohne stationäre Behandlung. Da der Klägerin Krankenhausbehandlung gewährt wurde sei die Frage der Haushaltshilfe ausschließlich nach § 38 Abs. 1 SGB V und nicht nach der Satzung der Beklagten zu beurteilen.

Dagegen richtet sich die Berufung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei auch die Beklagte der Ansicht, dass ihre Satzung Anwendung finde. Deshalb könne die Klägerin ihren Anspruch auf § 14 dieser Satzung stützen. Die Beklagte habe die in § 38 Abs. 2 SGB V enthaltene Ermächtigung dahingehend ausgeübt, in dem sie weitere Ausnahmefälle in ihrer Satzung geregelt habe. Die Formulierung "außer" sei so zu lesen, dass zusätzlich zu den in § 38 Abs. 1 SGB V genannten Fällen entsprechende Un-terstützungsleistungen von der Beklagten gewährt werden können wenn ein Ausnahmefall vorliege. Das Sozialgericht habe das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls rechtsfehlerhaft nicht geprüft. Im Übrigen wurde auf den Vortrag in erster Instanz Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 6. März 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2006 auf zuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kosten in Höhe von 1.680,00 Euro unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie legte die Satzung in der Fassung vom 26. August 2006 vor und führte schriftsätzlich aus, dass weder die Voraussetzungen des § 38 SGB V noch ein Ausnahmefall des § 14 Abs. 1 der Satzung vorliege. Voraussetzung nach § 14 Abs. 1 der Satzung sei ebenso wie in § 38 SGB V, dass bei Beginn der Haushaltshilfe ein Kind im Haushalt lebe, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. An dieser Voraussetzung fehle es im Falle der Klägerin. Es lasse sich aber auch ein Anspruch nicht aus § 14 Abs. 3 der Satzung herleiten, denn dieser setze andere als in § 38 Abs. 1 SGB V genannte Leistungsfälle voraus. Bezug genommen werde auf ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. März 1999 (Az.: L 4 KR 133/98).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Regensburg und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft, jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von 1.680,00 Euro für die Kosten der Aufnahme ihrer Tochter anlässlich ihrer eigenen stationären Behandlung in der E.klinik vom 9. August 2006 bis 6. September 2006. Das Sozialgericht und die Beklagte haben zu Recht den Anspruch der Klägerin verneint.

Die Klägerin kann ihren Anspruch dabei weder auf § 38 SGB V noch auf § 14 der Satzung der Beklagten stützen.

Nach § 38 Abs. 1 SGB V erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer Leistung nach § 23 Abs. 2 oder Abs. 4, §§ 24, 37, 40 oder 41 SGB V die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Voraussetzung ist ferner, dass im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Der Anspruch nach § 38 Abs. 1 SGB V besteht eindeutig nicht, da die Tochter der Klägerin bei Beginn der Maßnahme älter als 12 Jahre war. Es kommt deshalb zur Prüfung dieser Bestimmung nicht darauf an, ob der Ehemann den Haushalt weiterführen konnte oder nicht. Nicht entscheidungserheblich kann deshalb sein, ob - wie von der Klägerin angedeutet - eine Mitnahme der Tochter erforderlich ist, weil diese nicht mit dem Vater alleine gelassen werden durfte. Soweit hier aus Gründen des Jugendschutzes Maßnahmen zu treffen sind, fällt dies nicht in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Eine Leistungspflicht der Beklagten kann hierfür nicht begründet werden. Diese Aufgagen sind anderen öffentlichen Trägern, wie z.B. dem Jugendamt zugewiesen, das für die folgende stationäre Behandlung der Klägerin auch die Kosten einer Unterbringung der Tochter in einer Pflegefamilie übernommen hat. Der Anspruch auf Haushaltshilfe besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann (§ 38 Abs. 3 SGB V). Im Übrigen wurde in § 38 Abs. 2 SGB V eine Ermächtigungsgrundlage für Satzungsbestimmungen geschaffen. Nach dieser Vorschrift kann die Satzung bestimmen, dass die Krankenkasse in anderen als den in Abs. 1 genannten Fällen Haushaltshilfe erbringt, wenn Versicherten wegen Krankheit die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Sie kann dabei von Abs. 1 S. 2 abweichen sowie Umfang und Dauer der Leistung bestimmen. Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 38 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 14 der Satzung der Beklagten stützen. Abs. 1 der Satzung regelt die in § 38 Abs. 2 SGB V genannten Fälle, in denen ohne dass Krankenhausbehandlung, Rehabilitation oder häusliche Krankenpflege oder medizinische Vorsorgeleistungen erbracht werden dem Versicherten die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. § 14 Abs. 1 der Satzung der Beklagten setzt also in Übereinstimmung mit § 38 Abs. 2 SGB V voraus, dass im Haushalt ein Kind lebt, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Soweit § 38 Abs. 2 S. 2 SGB V darüber hinaus eine weitergehende Ermächtigung der Beklagten enthält, hat diese das Kindesalter betreffend davon nicht Gebrauch gemacht. Weiterer Ausfluss der Ermächtigung von § 38 Abs. 2 S. 2 SGB V ist § 14 Abs. 3 der Satzung der Beklagten, wonach die AOK in "begründeten Ausnahmefällen Haushaltshilfe in angemessenem Umfang zur Verfügung stellen" kann. Was unter diesen begründeten Ausnahmefällen zu verstehen ist, wurde nicht geregelt. Es handelt sich dabei um eine Kannbestimmung deren Nachprüfung durch das Gericht nur eingeschränkt möglich ist. Von der Klägerin wurde nicht dargetan worin der Ausnahmefall bestehen sollte, denn die Nichtweiterführung des Haushalts bzw. die fehlende Betreuungsmöglichkeit durch den im Haushalt lebenden Ehemann stellt ja nicht die Ausnahme sondern vielmehr die grundsätzliche Voraussetzung für die Gewährung einer Haushaltshilfe dar.

Dabei musste die Beklagte nicht jede - auch nur entfernte - Möglichkeit prüfen. Es wäre vielmehr Sache der Klägerin gewesen, bereits bei Antragstellung die Umstände darzulegen, die die Annahme eines Ausnahmefalles begründen. Der Beklagten waren hingegen nur die den Regelfall begründenden Umstände bekannt gegeben worden. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Beklagte zu einer Ermessensentscheidung zu verpflichten, da weiterhin keine in der Person des Kindes oder der Versicherten liegenden Gründe erkennbar sind, die einen Ausnahmefall darstellen könnten. Allein das Argument, diese Mitaufnahme sei billiger als die Unterbringung in einer Pflegefamilie - was im Übrigen nicht belegt ist - rechtfertigt es nicht, über die gesetzlichen Vorschriften hinaus eine Leistungspflicht der Beklagten zu begründen. Für eine Verpflichtung der Beklagten nochmals zu entscheiden, sah der Senat daher keine Veranlassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den Erwägungen, dass die Klägerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg hatte (§§ 183, 193 SGG).

Gründe, gemäß § 160 Abs. Nrn. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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