Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 422/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 20/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 129/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. November 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.
Der 1958 geborene Versicherte erlitt am 17. September 2003 auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall, bei dem er sich eine instabile LWK-1-Kompressionsfraktur zuzog. In der Verkehrsunfallanzeige wird erwähnt, er sei nach dem Unfall sehr verwirrt gewesen. Der Chirurg Dr. W. wies im Durchgangsarztbericht auf eine schwere Alkoholkrankheit hin. Im Schreiben vom 24. September 2003 erklärte er, der Kläger sei bei der Einlieferung im Krankenhaus wach, ansprechbar und situativ orientiert gewesen. Nach der CT-Untersuchung habe er das klinische Bild eines generalisierten Krampfanfalles gezeigt. Eine cerebrale Verletzung, die den Krampfanfall hätte bedingen können, habe nicht festgestellt werden können. Nach Aussagen des Hausarztes sei der Versicherte schwer alkoholkrank gewesen. Er habe deshalb entsprechende Medikamente und zusätzlich Alkohol in geringen Dosen (Bier) erhalten. Dadurch habe er sich so weit stabilisiert, dass er am 18. September 2003 auf die Normalstation der unfallchirurgischen Abteilung habe übernommen werden können. Der Versicherte habe mehrfach den Wunsch geäußert, möglichst schnell zu einer Entzugsbehandlung zu kommen. Er habe sich für eine Operation entschieden und einen weitgehend orientierten und gefassten Eindruck gemacht, obgleich die Klägerin mehrfach bemerkt habe, er komme ihr wesensverändert vor. In der Nacht vom 18. September auf den 19. September sei der Versicherte um ca. 1.00 Uhr aus dem Fenster seines Zimmers gesprungen und um 3.20 Uhr an den Folgen dieses Sturzes verstorben.
Aus den Unterlagen der AOK-Bayern ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen psychischer und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Entzugs- und Abhängigkeitssyndrom, für 2000 und 2002.
Die Krankenschwester J. S. erklärte bei der Einvernahme durch die Kriminalpolizei am 23. September 2003, sie habe gegen 22.15 Uhr den Versicherten gesehen, als er sein Zimmer verlassen habe und ihn wieder zurückgeschickt, weil Bettruhe verordnet gewesen sei. Um 22.45 Uhr habe der Versicherte im Bett gelegen und sei ansprechbar gewesen. Das Fenster sei zu diesem Zeitpunkt geschlossen gewesen. Um 1.10 Uhr habe sie festgestellt, dass das Bett des Versicherten leer gewesen sei. Der Fensterflügel sei vollständig geöffnet gewesen. Im Zimmer hätten verschiedene Kleiderbügel und Kleidungsstücke herumgelegen, und die Bettdecke sei abgezogen gewesen. Der von ihr verständigte Nachtdienstarzt Dr. D. habe den Versicherten vor dem Fenster auf dem Rasen liegen gesehen.
Dr. D. erklärte in der Zeugenvernehmung vom 19. September 2003, als er den Versicherten gefunden habe, habe dieser gesagt, er wolle weggehen.
Die Leichenbesichtigung zeigte eine starke Verschmutzung der Füße durch Erdanhaftungen und Gras. Die Bekleidung bestand in T-Shirt und Unterhose.
Der Chirurg Prof. Dr. K. führte in der Stellungnahme vom 8. Juni 2004 aus, eine schwere und damit eindeutige Alkoholentzugssymptomatik habe nach der medizinischen Dokumentation und der Zeugenbefragung nicht vorgelegen. Hinweise auf eine akute Suizidgefahr hätten nicht bestanden. Zur Vorbeugung eines Alkoholentzugdelirs seien sedierende Medikamente sowie Bier gegeben worden. Eine Fixierung sei bei Patienten mit Alkoholentzugssymptomatik grundsätzlich problematisch, da sie sich maximal gegen eine Fesselung wehrten und sich dadurch stark gefährdeten. Die eingeschlagene medikamentöse Behandlung sei vollständig angemessen gewesen.
Der Rechtsmediziner Prof. Dr. E. führte im Gutachten vom 21. Dezember 2004 aus, eine deutliche Verwirrung des Versicherten sei nicht unbedingt naheliegend. Die Beschreibung seines Zustandes durch die Nachtschwester sei weitgehend unauffällig. Darüber hinaus habe er offenbar über den gesamten Tag maximal drei Flaschen Bier zur Verfügung gehabt, ohne relevante Entzugserscheinungen zu entwickeln. Es erscheine nicht fernliegend, dass sich der Versicherte über das Fenster habe abseilen wollen, da er offensichtlich unbedingt nachhause wollte. Dies würde auch das Aufkommen mit den Füßen zuerst erklären. Die Fenstersimshöhe von 73 cm entspreche bei der Körpergröße des Versicherten von 168 cm einer mittleren Oberschenkelhöhe. Es erscheine vorstellbar, dass der Versicherte beim Herauslehnen aus dem Fenster das Übergewicht bekommen habe, insbesondere wenn er versucht habe, sich in der Tiefe Überblick zu verschaffen. Auch ein Sturz durch allgemeine Kreislaufschwäche sei vorstellbar, allerdings rein spekulativ. Gegen einen Sturz spreche, dass er mit den Füßen zuerst aufgekommen sei. Die Verrenkungsbrüche beider Sprunggelenke in Verbindung mit Unterschenkelfrakturen entstünden nur durch Aufkommen mit den Füßen zuerst. Teile der Rippenfrakturen könnten durch Abscheren von der Wirbelsäule bei senkrechtem Aufspringen erklärt werden, aber nicht alle. Es sei vorstellbar, dass die Verletzungen am Brustkorb und in der Lendenregion dadurch entstanden seien, dass der Versicherte beim Aufkommen noch seitlich gegen Bauteile oder andere Gegenstände aufgeprallt sei. Auch sei es vorstellbar, dass er während der Sturzphase Kontakt mit Gebäudeteilen bekommen habe. Ein Aufkommen mit dem Kopf zuerst sei auszuschließen.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 13. Mai 2005 erklärte Prof. Dr. E. , Zittern und Schweißausbrüche lieferten keinen Beweis für einen schweren Entzug, der mit einer relevanten Bewusstseinsstörung einhergehe. Der Versuch, sich aus dem zweiten Stock abzuseilen, könnte einerseits durch Verwirrtheit bedingt sein, andererseits auf einer freien Willensentscheidung beruhen. Der Blutalkoholgehalt habe zum Zeitpunkt des Fenstersturzes 0,0 Promille betragen. Durch die Medikation habe es zu einer verstärkten Dämpfung kommen können, die aber bei den hier zu diskutierenden Alkoholisierungsgraden im Regelfall nicht zu erwarten sei.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 14. November 2005 den Unfall des Versicherten vom 17. September 2003 als Arbeitsunfall an. Der Tod am 19. September 2003 sei nicht Folge dieses Arbeitsunfalles, ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen wurde daher abgelehnt. Zwar sei das Fenstersims ungewöhnlich niedrig gewesen, die Normhöhe betrage 86 cm (richtig wohl 90 cm nach der inzwischen außer Kraft getretenen Verordung zur Durchführung der Bayerischen Bauordnung, deren Bestimmungen jedoch als Stand der Technik fortgelten). Das Fensterbrett habe sich aber etwa in Höhe der Oberschenkelmitte befunden. Aus dem Obduktionsbericht lasse sich entnehmen, dass der Versicherte mit den Füßen voran aufgekommen sei, was eher für einen Sprung als für einen Sturz spreche. Es bestehe hinsichtlich der Ursache für den Sturz Beweislosigkeit, die zu Lasten der Klägerin gehe.
Mit Widerspruch vom 28. November 2005 wandte die Klägerin ein, der Versicherte sei wegen der Folgen des Arbeitsunfalls in das Krankenhaus eingeliefert worden; somit sei der Arbeitsunfall eine conditio sine qua non für den Tod, der auf eine nachlässige Heilbehandlung zurückzuführen sei, denn der Versicherte sei nicht genügend überwacht worden. Der ursächliche Zusammenhang sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bewiesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2006 zurück. Aus welchem Grund der Versicherte sich zum Fenster begeben habe, habe nicht geklärt werden können. Die herumliegenden Gegenstände und der Umstand, dass der Versicherte dem Rettungspersonal gegenüber erstversorgende Maßnahmen zurückwies und angab, nachhause gehen zu wollen, deuteten allerdings auf private Gründe hin. Die Höhe des Fenstersimses sei nicht als besonderes Gefahrenmoment zu werten, da es nicht zwangsläufig ein unbeabsichtigtes Stürzen begünstigt habe.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren vernahm das Sozialgericht München am 15. November 2007 zunächst den Zeugen P. , den Zimmernachbarn des Versicherten. Er gab an, der Versicherte sei etwas unruhig gewesen, er habe sich aber mit ihm unterhalten können. Gegen 24.00 Uhr sei er aufgewacht und habe bemerkt, dass der Versicherte unruhig im Zimmer auf- und abgelaufen sei. Er habe versucht, ihn zu beruhigen. Dann sei er wieder eingeschlafen und erst aufgewacht, als die Polizei schon da gewesen sei. Das Fenster sei schon vorher gekippt gewesen, da es sehr heiß gewesen sei.
Die Zeugin J. S. gab an, zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr sei sie eine halbe Stunde im Zimmer gewesen und habe keine Auffälligkeiten beim Versicherten festgestellt. Später sei er ihr auf dem Gang entgegengekommen, und sie habe ihn auf die Notwendigkeit der Bettruhe hingewiesen. Er sei unruhig und leicht verwirrt gewesen. Auf der Fensterbank und dem Bett seien Kleiderbügel und Kleidungsstücke verstreut gewesen. Im Krankenhaus stürzten öfters Menschen aus dem Fenster, ca. einmal im Jahr oder alle zwei Jahre.
Mit Urteil vom 15. November 2007 wies das Sozialgericht München die Klage ab. Der erforderliche rechtlich wesentliche Ursachenzusammenhang zwischen dem Sturz aus dem Fenster und der Durchführung der Heilbehandlung wegen des Arbeitsunfalls sei nicht zu bejahen. Das Fenstersims habe nicht den bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprochen. Zwar enthalte die Bayerische Bauordnung keine entsprechenden Vorschriften mehr, die Regelungen der früheren Durchführungsverordnung könnten aber als allgemeine Erfahrungssätze herangezogen werden. Damit sei die Sicherheit erst bei einer Höhe von mindestens 90 cm gewährleistet. Damit stelle das nur 73 cm hohe Fenstersims einen Gefahrenmoment dar. Es sei aber nicht nachweisbar, dass dieses Gefahrenmoment eine wesentliche Mitbedingung für den Sturz dargestellt habe. Es habe nicht geklärt werden können, ob der Versicherte mit Wahrscheinlichkeit infolge des niedrigen Simses aus dem Fenster gestürzt sei. Dies sei zwar möglich, es sei aber mindestens genauso wahrscheinlich, dass er bewusst auf das Fenstersims gestiegen sei, um das Krankenhaus zu verlassen oder dass er auf das davorstehende Gerüst habe steigen wollen. Hierfür spreche insbesondere, dass er bereits vorher auf dem Krankenhausflur angetroffen worden sei und dass Kleidungsstücke im Zimmer verstreut gewesen seien, dass er also versucht habe, sich anzukleiden. Wenn der Versicherte absichtlich das Fenstersims überstiegen habe, trete die niedrige Fensterbrüstung gegenüber dem riskanten Verhalten als Mitursache derart in den Hintergrund, dass sie keine wesentliche Mitbedingung für den Sturz darstelle. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit habe die Klägerin zu tragen.
Die Klägerin führte zur Begründung der Berufung vom 11. Januar 2008 aus, im Hinblick auf das niedrige Fenstersims spreche ein erster Anschein für einen unabsichtlichen Sturz des Versicherten. Es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Gefahrenmoment eine wesentliche Mitbedingung für den Sturz dargestellt habe.
Die Klägerin stellt den Antrag,
aus dem Schriftsatz vom 9. Januar 2008 mit der Korrektur, dass der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides abzuändern und nicht vollständig aufzuheben ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Umstände des Todes des Versicherten nicht geklärt werden konnten. Eine Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod des Versicherten ist zur Überzeugung des Senats nicht feststellbar. Daher treffen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit denjenigen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Das ist im vorliegenden Fall die Klägerin, weil ihr Entschädigungsanspruch von dem Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Behandlung des verstorbenen Versicherten und dem Eintritt seines Todes abhängig ist (vgl. BSG vom 12. Mai 1992, 2 RU 26/91).
Die Ungewissheit darüber, was den Versicherten bewogen hatte, nicht, wie ärztlich verordnet, im Bett zu bleiben, sondern sich zum Fenster zu begeben, geht hier nicht zu Lasten der Beklagten (vgl. BSGE 93, 279). Denn während bei einer versicherten Tätigkeit der Versicherungsschutz nur dann entfällt, wenn bewiesen wird, dass der Versicherte die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat, liegt der hier zu entscheidende Fall anders. Auch wenn man davon ausginge, dass der Versicherte einer Gefahrenquelle erlag, die von den Einrichtungen des Krankenhauses ausging, die er nicht kannte und auch nicht kennen musste, so handelte es sich doch beim Hinausbeugen um eine Betätigung innerhalb der privaten Sphäre, die nicht notwendig mit seinem Aufenthalt im Krankenhaus verbunden war. Selbst wenn man das Öffnen des Fensters noch zum versicherten Bereich zählt, so kann doch das Hinausbeugen über die Fensterbrüstung keinen Versicherungsschutz begründen, da hierfür kein notwendiger Anlass bestand. Abkühlung und frische Luft konnte der Versicherte auch durch das einfache Stehen am Fenster erreichen (vgl. BSGE 39, 180).
Die unfallbedingte Tätigkeit ist nicht funktional wesentlich auf die stationäre Behandlung bezogen. Der innere Zusammenhang mit der stationären Behandlung kann nicht mehr angenommen werden, wenn der Behandlungszweck gegenüber den privaten Interessen deutlich in den Hintergrund tritt und nicht mehr wesentlich für die zum Unfall führende Verrichtung - hier der Sturz aus dem Fenster - ist. Das Öffnen des Fensters entsprach vorrangig privaten, von der stationären Behandlung unabhängigen Interessen, da der Therapiezweck im Krankenhaus durch das geschlossene Fenster nicht gefährdet war. Die Erfrischung war nicht der Teil der Therapie, sondern rein privater Natur (vgl. BSG vom 11. August 1998, B 2 U 17/97 R).
Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall (BSGE vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R) trägt die Beklagte nicht die objektive Beweislast dafür, dass der Versicherte ein Opfer eines besonderen Gefahrenmoments der Klinik, nämlich der zu niedrigen Fensterbrüstung, wurde. Der Versicherte stand während des Krankenhausaufenthaltes nur insoweit unter dem Schutz der Unfallversicherung, als er im Krankenhaus besonderen Gefahren ausgesetzt war, die dem stationären Aufenthalt eigentümlich sind. Ein Hinausbeugen aus dem Fenster, ein Versuch aus dem Fenster zu klettern, ein Sprung aus dem Fenster sind jeweils eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die einen Versicherungsschutz ausschließen (vgl. BSG vom 13. Februar 1975, BSGE 39, 180).
Insbesondere steht das Wirksamwerden eines mit dem Krankenhausaufenthalt zusammenhängenden Gefahrenmoments nicht sicher fest. Der volle Nachweis dieses anspruchsbegründenden Merkmals ist nicht erbracht. Denn da der genaue Unfallhergang nicht aufklärbar ist und mehrere Möglichkeiten, wie es zu dem Sturz des Versicherten kam, gegeben sind, ist die Bedeutung des Gefahrenmoments für den Sturz nicht nachweisbar (vgl. BSG vom 30. Juni 1999, B 2 U 28/98 R).
Entscheidend ist, ob der Versicherte die Gefahrenquelle durch ein entsprechend vorsichtiges Verhalten in jedem Fall hätte beherrschen können (vgl. Hessisches LSG vom 3. Februar 1999, L 3 U 1028/98). Denn eine Notwendigkeit, sich aus dem Fenster zu beugen, lag nicht vor. Auch wenn der Versicherte das Fenster zur Abkühlung öffnen wollte, so stand diese Handlung nicht im Zusammenhang mit dem Sturz, weil nicht das Öffnen, sondern eventuell ein Vorbeugen ursächlich für den Unfall war.
Nach den auch im Unfallversicherungsrecht anzuwendenden Regeln der Wahlfeststellung ist Versicherungsschutz dann zu bejahen, ohne dass es einer bis ins einzelne gehenden Sachaufklärung bedarf, wenn bei nicht aufklärbarem Unfallverlauf alle denkbaren Unfallverläufe und -zusammenhänge zu dem Ergebnis führen, dass die versicherte Tätigkeit - hier der Aufenthalt im Krankenhaus nach Arbeitsunfall - ursächlich im Sinne der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung war. Nach den bisherigen Feststellungen war nicht bei allen denkbaren Unfallverläufen das Fenstersims für den Sturz mitverantwortlich.
Prof. Dr. E. hat im Gutachten eine gewollte Handlung, also einen Sprung aus dem Fenster für wahrscheinlicher gehalten, als einen Sturz kopfüber. Denn die Füße des Versicherten waren stark mit Erde und Gras verschmutzt, was für ein Aufkommen mit den Füßen zuerst spricht, ebenso wie die entsprechenden Verletzungen der Beine. Im Hinblick auf diesen möglichen Unfallverlauf, für den auch die Äußerungen des Klägers nach dem Sturz, er wolle das Krankenhaus verlassen und nachhause gehen, sprechen, tritt die Bedeutung der Höhe des Fenstersimses in den Hintergrund.
Der Sturz aus dem Fenster ist zur Überzeugung des Senats nicht wesentlich mitverursacht durch die zu niedrige Fensterbrüstung, sondern durch das hiervon unabhängige Verhalten des Versicherten. Daher ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Heilbehandlung im Krankenhaus und dem Sturz nicht gegeben. Die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.
Der 1958 geborene Versicherte erlitt am 17. September 2003 auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall, bei dem er sich eine instabile LWK-1-Kompressionsfraktur zuzog. In der Verkehrsunfallanzeige wird erwähnt, er sei nach dem Unfall sehr verwirrt gewesen. Der Chirurg Dr. W. wies im Durchgangsarztbericht auf eine schwere Alkoholkrankheit hin. Im Schreiben vom 24. September 2003 erklärte er, der Kläger sei bei der Einlieferung im Krankenhaus wach, ansprechbar und situativ orientiert gewesen. Nach der CT-Untersuchung habe er das klinische Bild eines generalisierten Krampfanfalles gezeigt. Eine cerebrale Verletzung, die den Krampfanfall hätte bedingen können, habe nicht festgestellt werden können. Nach Aussagen des Hausarztes sei der Versicherte schwer alkoholkrank gewesen. Er habe deshalb entsprechende Medikamente und zusätzlich Alkohol in geringen Dosen (Bier) erhalten. Dadurch habe er sich so weit stabilisiert, dass er am 18. September 2003 auf die Normalstation der unfallchirurgischen Abteilung habe übernommen werden können. Der Versicherte habe mehrfach den Wunsch geäußert, möglichst schnell zu einer Entzugsbehandlung zu kommen. Er habe sich für eine Operation entschieden und einen weitgehend orientierten und gefassten Eindruck gemacht, obgleich die Klägerin mehrfach bemerkt habe, er komme ihr wesensverändert vor. In der Nacht vom 18. September auf den 19. September sei der Versicherte um ca. 1.00 Uhr aus dem Fenster seines Zimmers gesprungen und um 3.20 Uhr an den Folgen dieses Sturzes verstorben.
Aus den Unterlagen der AOK-Bayern ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen psychischer und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Entzugs- und Abhängigkeitssyndrom, für 2000 und 2002.
Die Krankenschwester J. S. erklärte bei der Einvernahme durch die Kriminalpolizei am 23. September 2003, sie habe gegen 22.15 Uhr den Versicherten gesehen, als er sein Zimmer verlassen habe und ihn wieder zurückgeschickt, weil Bettruhe verordnet gewesen sei. Um 22.45 Uhr habe der Versicherte im Bett gelegen und sei ansprechbar gewesen. Das Fenster sei zu diesem Zeitpunkt geschlossen gewesen. Um 1.10 Uhr habe sie festgestellt, dass das Bett des Versicherten leer gewesen sei. Der Fensterflügel sei vollständig geöffnet gewesen. Im Zimmer hätten verschiedene Kleiderbügel und Kleidungsstücke herumgelegen, und die Bettdecke sei abgezogen gewesen. Der von ihr verständigte Nachtdienstarzt Dr. D. habe den Versicherten vor dem Fenster auf dem Rasen liegen gesehen.
Dr. D. erklärte in der Zeugenvernehmung vom 19. September 2003, als er den Versicherten gefunden habe, habe dieser gesagt, er wolle weggehen.
Die Leichenbesichtigung zeigte eine starke Verschmutzung der Füße durch Erdanhaftungen und Gras. Die Bekleidung bestand in T-Shirt und Unterhose.
Der Chirurg Prof. Dr. K. führte in der Stellungnahme vom 8. Juni 2004 aus, eine schwere und damit eindeutige Alkoholentzugssymptomatik habe nach der medizinischen Dokumentation und der Zeugenbefragung nicht vorgelegen. Hinweise auf eine akute Suizidgefahr hätten nicht bestanden. Zur Vorbeugung eines Alkoholentzugdelirs seien sedierende Medikamente sowie Bier gegeben worden. Eine Fixierung sei bei Patienten mit Alkoholentzugssymptomatik grundsätzlich problematisch, da sie sich maximal gegen eine Fesselung wehrten und sich dadurch stark gefährdeten. Die eingeschlagene medikamentöse Behandlung sei vollständig angemessen gewesen.
Der Rechtsmediziner Prof. Dr. E. führte im Gutachten vom 21. Dezember 2004 aus, eine deutliche Verwirrung des Versicherten sei nicht unbedingt naheliegend. Die Beschreibung seines Zustandes durch die Nachtschwester sei weitgehend unauffällig. Darüber hinaus habe er offenbar über den gesamten Tag maximal drei Flaschen Bier zur Verfügung gehabt, ohne relevante Entzugserscheinungen zu entwickeln. Es erscheine nicht fernliegend, dass sich der Versicherte über das Fenster habe abseilen wollen, da er offensichtlich unbedingt nachhause wollte. Dies würde auch das Aufkommen mit den Füßen zuerst erklären. Die Fenstersimshöhe von 73 cm entspreche bei der Körpergröße des Versicherten von 168 cm einer mittleren Oberschenkelhöhe. Es erscheine vorstellbar, dass der Versicherte beim Herauslehnen aus dem Fenster das Übergewicht bekommen habe, insbesondere wenn er versucht habe, sich in der Tiefe Überblick zu verschaffen. Auch ein Sturz durch allgemeine Kreislaufschwäche sei vorstellbar, allerdings rein spekulativ. Gegen einen Sturz spreche, dass er mit den Füßen zuerst aufgekommen sei. Die Verrenkungsbrüche beider Sprunggelenke in Verbindung mit Unterschenkelfrakturen entstünden nur durch Aufkommen mit den Füßen zuerst. Teile der Rippenfrakturen könnten durch Abscheren von der Wirbelsäule bei senkrechtem Aufspringen erklärt werden, aber nicht alle. Es sei vorstellbar, dass die Verletzungen am Brustkorb und in der Lendenregion dadurch entstanden seien, dass der Versicherte beim Aufkommen noch seitlich gegen Bauteile oder andere Gegenstände aufgeprallt sei. Auch sei es vorstellbar, dass er während der Sturzphase Kontakt mit Gebäudeteilen bekommen habe. Ein Aufkommen mit dem Kopf zuerst sei auszuschließen.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 13. Mai 2005 erklärte Prof. Dr. E. , Zittern und Schweißausbrüche lieferten keinen Beweis für einen schweren Entzug, der mit einer relevanten Bewusstseinsstörung einhergehe. Der Versuch, sich aus dem zweiten Stock abzuseilen, könnte einerseits durch Verwirrtheit bedingt sein, andererseits auf einer freien Willensentscheidung beruhen. Der Blutalkoholgehalt habe zum Zeitpunkt des Fenstersturzes 0,0 Promille betragen. Durch die Medikation habe es zu einer verstärkten Dämpfung kommen können, die aber bei den hier zu diskutierenden Alkoholisierungsgraden im Regelfall nicht zu erwarten sei.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 14. November 2005 den Unfall des Versicherten vom 17. September 2003 als Arbeitsunfall an. Der Tod am 19. September 2003 sei nicht Folge dieses Arbeitsunfalles, ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen wurde daher abgelehnt. Zwar sei das Fenstersims ungewöhnlich niedrig gewesen, die Normhöhe betrage 86 cm (richtig wohl 90 cm nach der inzwischen außer Kraft getretenen Verordung zur Durchführung der Bayerischen Bauordnung, deren Bestimmungen jedoch als Stand der Technik fortgelten). Das Fensterbrett habe sich aber etwa in Höhe der Oberschenkelmitte befunden. Aus dem Obduktionsbericht lasse sich entnehmen, dass der Versicherte mit den Füßen voran aufgekommen sei, was eher für einen Sprung als für einen Sturz spreche. Es bestehe hinsichtlich der Ursache für den Sturz Beweislosigkeit, die zu Lasten der Klägerin gehe.
Mit Widerspruch vom 28. November 2005 wandte die Klägerin ein, der Versicherte sei wegen der Folgen des Arbeitsunfalls in das Krankenhaus eingeliefert worden; somit sei der Arbeitsunfall eine conditio sine qua non für den Tod, der auf eine nachlässige Heilbehandlung zurückzuführen sei, denn der Versicherte sei nicht genügend überwacht worden. Der ursächliche Zusammenhang sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bewiesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2006 zurück. Aus welchem Grund der Versicherte sich zum Fenster begeben habe, habe nicht geklärt werden können. Die herumliegenden Gegenstände und der Umstand, dass der Versicherte dem Rettungspersonal gegenüber erstversorgende Maßnahmen zurückwies und angab, nachhause gehen zu wollen, deuteten allerdings auf private Gründe hin. Die Höhe des Fenstersimses sei nicht als besonderes Gefahrenmoment zu werten, da es nicht zwangsläufig ein unbeabsichtigtes Stürzen begünstigt habe.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren vernahm das Sozialgericht München am 15. November 2007 zunächst den Zeugen P. , den Zimmernachbarn des Versicherten. Er gab an, der Versicherte sei etwas unruhig gewesen, er habe sich aber mit ihm unterhalten können. Gegen 24.00 Uhr sei er aufgewacht und habe bemerkt, dass der Versicherte unruhig im Zimmer auf- und abgelaufen sei. Er habe versucht, ihn zu beruhigen. Dann sei er wieder eingeschlafen und erst aufgewacht, als die Polizei schon da gewesen sei. Das Fenster sei schon vorher gekippt gewesen, da es sehr heiß gewesen sei.
Die Zeugin J. S. gab an, zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr sei sie eine halbe Stunde im Zimmer gewesen und habe keine Auffälligkeiten beim Versicherten festgestellt. Später sei er ihr auf dem Gang entgegengekommen, und sie habe ihn auf die Notwendigkeit der Bettruhe hingewiesen. Er sei unruhig und leicht verwirrt gewesen. Auf der Fensterbank und dem Bett seien Kleiderbügel und Kleidungsstücke verstreut gewesen. Im Krankenhaus stürzten öfters Menschen aus dem Fenster, ca. einmal im Jahr oder alle zwei Jahre.
Mit Urteil vom 15. November 2007 wies das Sozialgericht München die Klage ab. Der erforderliche rechtlich wesentliche Ursachenzusammenhang zwischen dem Sturz aus dem Fenster und der Durchführung der Heilbehandlung wegen des Arbeitsunfalls sei nicht zu bejahen. Das Fenstersims habe nicht den bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprochen. Zwar enthalte die Bayerische Bauordnung keine entsprechenden Vorschriften mehr, die Regelungen der früheren Durchführungsverordnung könnten aber als allgemeine Erfahrungssätze herangezogen werden. Damit sei die Sicherheit erst bei einer Höhe von mindestens 90 cm gewährleistet. Damit stelle das nur 73 cm hohe Fenstersims einen Gefahrenmoment dar. Es sei aber nicht nachweisbar, dass dieses Gefahrenmoment eine wesentliche Mitbedingung für den Sturz dargestellt habe. Es habe nicht geklärt werden können, ob der Versicherte mit Wahrscheinlichkeit infolge des niedrigen Simses aus dem Fenster gestürzt sei. Dies sei zwar möglich, es sei aber mindestens genauso wahrscheinlich, dass er bewusst auf das Fenstersims gestiegen sei, um das Krankenhaus zu verlassen oder dass er auf das davorstehende Gerüst habe steigen wollen. Hierfür spreche insbesondere, dass er bereits vorher auf dem Krankenhausflur angetroffen worden sei und dass Kleidungsstücke im Zimmer verstreut gewesen seien, dass er also versucht habe, sich anzukleiden. Wenn der Versicherte absichtlich das Fenstersims überstiegen habe, trete die niedrige Fensterbrüstung gegenüber dem riskanten Verhalten als Mitursache derart in den Hintergrund, dass sie keine wesentliche Mitbedingung für den Sturz darstelle. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit habe die Klägerin zu tragen.
Die Klägerin führte zur Begründung der Berufung vom 11. Januar 2008 aus, im Hinblick auf das niedrige Fenstersims spreche ein erster Anschein für einen unabsichtlichen Sturz des Versicherten. Es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Gefahrenmoment eine wesentliche Mitbedingung für den Sturz dargestellt habe.
Die Klägerin stellt den Antrag,
aus dem Schriftsatz vom 9. Januar 2008 mit der Korrektur, dass der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides abzuändern und nicht vollständig aufzuheben ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Umstände des Todes des Versicherten nicht geklärt werden konnten. Eine Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod des Versicherten ist zur Überzeugung des Senats nicht feststellbar. Daher treffen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit denjenigen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Das ist im vorliegenden Fall die Klägerin, weil ihr Entschädigungsanspruch von dem Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Behandlung des verstorbenen Versicherten und dem Eintritt seines Todes abhängig ist (vgl. BSG vom 12. Mai 1992, 2 RU 26/91).
Die Ungewissheit darüber, was den Versicherten bewogen hatte, nicht, wie ärztlich verordnet, im Bett zu bleiben, sondern sich zum Fenster zu begeben, geht hier nicht zu Lasten der Beklagten (vgl. BSGE 93, 279). Denn während bei einer versicherten Tätigkeit der Versicherungsschutz nur dann entfällt, wenn bewiesen wird, dass der Versicherte die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat, liegt der hier zu entscheidende Fall anders. Auch wenn man davon ausginge, dass der Versicherte einer Gefahrenquelle erlag, die von den Einrichtungen des Krankenhauses ausging, die er nicht kannte und auch nicht kennen musste, so handelte es sich doch beim Hinausbeugen um eine Betätigung innerhalb der privaten Sphäre, die nicht notwendig mit seinem Aufenthalt im Krankenhaus verbunden war. Selbst wenn man das Öffnen des Fensters noch zum versicherten Bereich zählt, so kann doch das Hinausbeugen über die Fensterbrüstung keinen Versicherungsschutz begründen, da hierfür kein notwendiger Anlass bestand. Abkühlung und frische Luft konnte der Versicherte auch durch das einfache Stehen am Fenster erreichen (vgl. BSGE 39, 180).
Die unfallbedingte Tätigkeit ist nicht funktional wesentlich auf die stationäre Behandlung bezogen. Der innere Zusammenhang mit der stationären Behandlung kann nicht mehr angenommen werden, wenn der Behandlungszweck gegenüber den privaten Interessen deutlich in den Hintergrund tritt und nicht mehr wesentlich für die zum Unfall führende Verrichtung - hier der Sturz aus dem Fenster - ist. Das Öffnen des Fensters entsprach vorrangig privaten, von der stationären Behandlung unabhängigen Interessen, da der Therapiezweck im Krankenhaus durch das geschlossene Fenster nicht gefährdet war. Die Erfrischung war nicht der Teil der Therapie, sondern rein privater Natur (vgl. BSG vom 11. August 1998, B 2 U 17/97 R).
Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall (BSGE vom 4. September 2007, B 2 U 28/06 R) trägt die Beklagte nicht die objektive Beweislast dafür, dass der Versicherte ein Opfer eines besonderen Gefahrenmoments der Klinik, nämlich der zu niedrigen Fensterbrüstung, wurde. Der Versicherte stand während des Krankenhausaufenthaltes nur insoweit unter dem Schutz der Unfallversicherung, als er im Krankenhaus besonderen Gefahren ausgesetzt war, die dem stationären Aufenthalt eigentümlich sind. Ein Hinausbeugen aus dem Fenster, ein Versuch aus dem Fenster zu klettern, ein Sprung aus dem Fenster sind jeweils eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die einen Versicherungsschutz ausschließen (vgl. BSG vom 13. Februar 1975, BSGE 39, 180).
Insbesondere steht das Wirksamwerden eines mit dem Krankenhausaufenthalt zusammenhängenden Gefahrenmoments nicht sicher fest. Der volle Nachweis dieses anspruchsbegründenden Merkmals ist nicht erbracht. Denn da der genaue Unfallhergang nicht aufklärbar ist und mehrere Möglichkeiten, wie es zu dem Sturz des Versicherten kam, gegeben sind, ist die Bedeutung des Gefahrenmoments für den Sturz nicht nachweisbar (vgl. BSG vom 30. Juni 1999, B 2 U 28/98 R).
Entscheidend ist, ob der Versicherte die Gefahrenquelle durch ein entsprechend vorsichtiges Verhalten in jedem Fall hätte beherrschen können (vgl. Hessisches LSG vom 3. Februar 1999, L 3 U 1028/98). Denn eine Notwendigkeit, sich aus dem Fenster zu beugen, lag nicht vor. Auch wenn der Versicherte das Fenster zur Abkühlung öffnen wollte, so stand diese Handlung nicht im Zusammenhang mit dem Sturz, weil nicht das Öffnen, sondern eventuell ein Vorbeugen ursächlich für den Unfall war.
Nach den auch im Unfallversicherungsrecht anzuwendenden Regeln der Wahlfeststellung ist Versicherungsschutz dann zu bejahen, ohne dass es einer bis ins einzelne gehenden Sachaufklärung bedarf, wenn bei nicht aufklärbarem Unfallverlauf alle denkbaren Unfallverläufe und -zusammenhänge zu dem Ergebnis führen, dass die versicherte Tätigkeit - hier der Aufenthalt im Krankenhaus nach Arbeitsunfall - ursächlich im Sinne der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung war. Nach den bisherigen Feststellungen war nicht bei allen denkbaren Unfallverläufen das Fenstersims für den Sturz mitverantwortlich.
Prof. Dr. E. hat im Gutachten eine gewollte Handlung, also einen Sprung aus dem Fenster für wahrscheinlicher gehalten, als einen Sturz kopfüber. Denn die Füße des Versicherten waren stark mit Erde und Gras verschmutzt, was für ein Aufkommen mit den Füßen zuerst spricht, ebenso wie die entsprechenden Verletzungen der Beine. Im Hinblick auf diesen möglichen Unfallverlauf, für den auch die Äußerungen des Klägers nach dem Sturz, er wolle das Krankenhaus verlassen und nachhause gehen, sprechen, tritt die Bedeutung der Höhe des Fenstersimses in den Hintergrund.
Der Sturz aus dem Fenster ist zur Überzeugung des Senats nicht wesentlich mitverursacht durch die zu niedrige Fensterbrüstung, sondern durch das hiervon unabhängige Verhalten des Versicherten. Daher ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Heilbehandlung im Krankenhaus und dem Sturz nicht gegeben. Die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved