Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 SB 1532/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 66/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 30/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1949 geborene Kläger ist schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs.2 und § 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Er begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 60 und vor allem die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX.
Auf den Erstantrag vom 25.06.1984 hat das Versorgungsamt M. mit Bescheid vom 20.01.1986 gemäß § 3 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) den GdB mit 40 bewertet. Berücksichtigt worden sind als Behinderungen eine Neurose sowie ein Leberzellschaden und ein Hämorrhoidalleiden.
Entsprechend dem Neufeststellungsantrag vom 15.06.1995 ist der GdB mit Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 23.10.1995 für die Zeit ab 26.06.1995 mit 50 bewertet worden. Hierbei sind als Behinderungen berücksichtigt worden: Neurose, Leberzellschaden, Hämorrhoidalleiden, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Polyarthritis und Polyneuropathie.
Der Kläger hat mit weiterem Neufeststellungsantrag vom 10.06.2002 hervorgehoben, dass er am ganzen Körper Nervenschmerzen habe. Er könne nichts tragen und nur bedingt gehen. Er beantrage daher die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G". Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 den GdB für die Zeit ab 13.06.2002 mit 60 bewertet. Berücksichtigt worden sind folgende Gesundheitsstörungen:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizer scheinungen, Bandscheibenschäden, Polyarthritis, Polyneuro pathie, Knorpelschäden am Kniegelenk rechts, Fibromyalgie (Einzel-GdB 40). 2. Neurose (Einzel-GdB 30) 3. Leberzellschaden (Einzel-GdB 20) 4. Zuckerkrankheit mit Diät und oralen Antidiabetika einstell bar (Einzel-GdB 20) 5. Hämorrhoidalleiden (Einzel-GdB 10).
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" sind jedoch nicht festgestellt worden.
Der Widerspruch vom 14.02.2003 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 21.10.2003 zurückgewiesen worden. Ein höherer GdB als 60 sei nicht feststellbar; die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" lägen nicht vor. Dies ergebe sich aus den Befundberichten der Dres. S. und Kollegen, S. , D. und Kollegen, J. , O. , H. und Kollegen, von A. , W. und Kollegen, S ...
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Beweisanordnung vom 18.08.2004 Dr. V. F. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt.
Dieser bestätigte mit fachorthopädischem Gutachten vom 21.12.2004, dass der Kläger nicht erheblich gehbehindert sei. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet werde befürwortet. Dr. H. K. hat mit nervenärztlichem Gutachten vom 04.11.2005 ausgeführt, dass der Einzel-GdB für die seelische Störung 40 betrage. Der Gesamt-GdB sei mit 60 zutreffend eingeschätzt. Der Kläger sei nicht erheblich gehbehindert im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX. Hierauf gestützt hat das Sozialgericht München die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.03.2006 abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 12.04.2006 ging am 13.04.2006 beim Sozialgericht München ein. Von Seiten des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) wurden die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten und die erstinstanzlichen Unterlagen beigezogen.
In mehreren Schriftsätzen hob der Kläger hervor, dass ihm von den Ärzten als Patient keine Chance gelassen worden sei. Der GdB betrage mindestens 70. Er sei erheblich gehbehindert und könne keinesfalls kilometerlange Strecken gehen. Er schaffe mit seinen kaputt operierten Beinen etwa 200 Meter. Auf einen Fersensporn werde besonders aufmerksam gemacht.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16.10.2006 den Antrag vom 08.08.2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu benennenden Rechtsanwalt abgelehnt. Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes sei hier gemäß § 73a SGG i.V.m. § 121 Abs.1 und 2 ZPO nicht erforderlich.
Im Folgenden bestellte das BayLSG mit Beweisanordnung vom 03.01.2007 Dres. G. L. , T. E. und H. R. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zu ärztlichen Sachverständigen. In Berücksichtigung der Einwände des Klägers zu einer Begutachtung in F. wurde ihm mit Nachricht des Gerichts vom 05.02.2007 aufgezeigt, wie dies organisatorisch zu bewerkstelligen sei. Nachdem sich der Kläger einer Untersuchung bei den gerichtlich bestellten Sachverständigen in F. nicht unterzog, erstellten diese ihre Gutachten nach Aktenlage.
Dr. G. L. kam mit Gutachten vom 10.05.2007 zu dem Ergebnis, dass der GdB auf seinem Fachgebiet 20 betrage. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger nicht erheblich gehbehindert. Dr. T. E. befürwortete mit neurologischem Fachgutachten vom 03.06.2007 die stärker behindernde seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 40 zu berücksichtigen. Eine erhebliche Gehbehinderung sei aufgrund der vorliegenden Befunde und Gutachten nicht nachvollziehbar. Dr. H. R. führte mit allgemeinärztlichem Gutachten vom 29.08.2007 zusammenfassend aus, dass der Gesamt-GdB von 60 ohne Merkzeichen zu bestätigen sei.
Entsprechend der Nachricht des Klägers vom 18.01.2008 vertagte das BayLSG den Rechtsstreit am 22.01.2008 und zog den OP-Bericht vom 23.01.2008 bei. Danach ist die arthroskopische Rotatorenmanschettenrekonstrukton erfolgreich gewesen.
Der Kläger hielt auch mit zuletzt am 07.03.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 02.03.2008 an seinem Begehren fest und legte das bereits aktenkundige Attest des Dr.Dr.E. vom 04.06.2007 nochmals vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2008 ist der Kläger nicht erschienen.
Er beantragte sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.06.2006 aufzuheben und den Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 21.10.2003 insoweit abzuändern, als der Beklagte zu verurteilen ist, einen höheren GdB als 60 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.03.2006 als unbegründt zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht München hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.03.2006 - S 34 SB 1532/03 - zu Recht abgewiesen. Der Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 21.10.2003 ist zutreffend ergangen. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 60; die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" liegen nicht vor.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.2 SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs.1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs.1 SGB IX).
Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2004, 2005 und 2008" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (vgl. Urteil des 9a Senats des BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1991, S.227 ff. zu "Anhaltspunkte 1983").
Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994 S.78, 79) hat das BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. Die "Anhaltspunkte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (vgl. Papier, DÜV 1986, S.621 ff. und in Festschrift für Ule, 1987, S.235 ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art.3 GG normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3 SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004 S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".
Ergänzend ist auf § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) hinzuweisen: Soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Hiervon ausgehend haben die erstinstanzlich bestellten Gutachter Dr. V. F. und Dr. H. K. mit orthopädischem und nervenfachärztlichem Gutachten vom 21.12.2004 bzw. 04.11.2005 schlüssig und überzeugend dargelegt, dass der bei dem Kläger bestehende GdB 60 beträgt und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX nicht vorliegen. Insoweit sieht der Senat gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung vollinhaltlich zu folgen ist.
Zweitinstanzlich geht es zu Lasten des Klägers, dass sich dieser einer Untersuchung bei den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dres. G. L. , T. E. und H. R. in F. nicht unterzogen hat. In Berücksichtigung der Einwände des Klägers hat das Bayer. Landessozialgericht mit Nachricht vom 05.02.2007 ihm mitgeteilt, dass er Funktionsstörungen auf orthopädischem, nervenärztlichem und internistisch-allgemeinärztlichem Fachgebiet geltend gemacht habe und alsbald entsprechend §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gericht das Gutachterteam Dres. L. und Kollegen in F. ausgewählt habe, um eine zeitnahe Begutachtung durch erfahrene Sachverständige zu ermöglichen, die sich auch im Bereich des Schwerbehindertenrechts bereits ausgezeichnet hätten. Nachdem täglich aus dem Raum A. eine große Anzahl Berufspendler nach M. mit der Bahn anreise, sei es auch zumutbar in umgekehrter Richtung für die Bahnreise M.-H.-F. etwa eine Stunde aufzuwenden. Sofern der Kläger den entsprechenden Fahrpreis nicht auslegen könne, wolle er einen Vorschuss hierfür beim Sozialamt beantragen, da die Übersendung einer Fahrkarte oder die Zahlung eines Vorschusses durch die Gerichtskasse aus technischen Gründen nicht mehr möglich sei. Die notwendigen Kosten könnten jedoch unmittelbar nach den Untersuchungen auf telefonische Ankündigung hier bar erstattet werden. Eine Begleitperson müsse auf eigenes Kostenrisiko mitgenommen werden. Deren Kosten könnten nur dann nachträglich auf die Staatskasse übernommen werden, wenn die Notwendigkeit einer Begleitung durch die ärztlichen Sachverständigen am Tag der Begutachtung bestätigt werde.
Nachdem sich der Kläger einer Untersuchung bei den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht unterzogen hat, fertigten diese die Gutachten nach Aktenlage. Dr. R. berücksichtigte mit allgemeinärztlichem Gutachten vom 29.08.2007 zusammenfassend insgesamt sechs Funktionsstörungen, vor allem auf nervenfachärztlichem und orthopädischem, aber auch auf internistischem Fachgebiet mit Einzel-GdB-Werten von 40, 4 mal 20 und 10. Hierzu ist anzumerken, dass entsprechend Rz.26.3 der "Anhaltspunkte" stärker behindernde nervenärztliche Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder motorische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 berücksichtigt werden können. Die am Verfahren beteiligten Ärzte haben bereits den höheren Einzel-GdB angesetzt. Die orthopädischen Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, der Schultergelenke und der unteren Extremitäten sind entsprechend Rz.26.18 der "Anhaltspunkte" mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend berücksichtigt. Gleiches gilt für den Diabetes mellitus Typ II, das schwergradige obstruktive Schlafapnoe-Syndrom sowie den nutritiv-toxischen Leberparenchymschaden (Rz.26.15, 26.8 und 26.10 der "Anhaltspunkte"). Das chronische Durchfallleiden ohne Beeinträchtigung des Ernährungszustandes sowie das Hämorrhoidalleiden sind mit einem Einzel-GdB von 10 entsprechend Rz.26.10 der "Anhaltspunkte" ausreichend berücksichtigt.
Bei insgesamt sechs Beschwerdekomplexen mit Einzel-GdB-Werten von 40, 4 mal 20 und 10 beträgt der Gesamt-GdB nach Rz.19 der "Anhaltspunkte" 60. Denn bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB-Grad bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit dadurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Kläger ist auch nicht erheblich gehbehindert im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX. Entsprechend Rz.30 Abs.3 der "Anhaltspunkte" sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Beweglichkeit im Straßenverkehr in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens vor allem dann als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und bzw. oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Kniegelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Dies ist nach Aktenlage zweifelsfrei nicht der Fall (vgl. vor allem Gutachten von Dr. G. L. vom 10.05.2007).
Auch die erfolgreiche arthroskopische Rotatorenmanschettenrekonstruktion vom 23.01.2008 hat keinen Einfluss auf die Höhe des GdB, geschweige denn auf die Gehfähigkeit des Klägers.
Auf internistischem oder nervenfachärztlichem Gebiet sind nach Aktenlage keine Funktionsstörungen in einem solchen Ausmaß feststellbar, dass sie entsprechend Rz.30 Absätze 3 bis 5 der "Anhaltspunkte" einer erheblichen Gehbehinderung im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX gleich erachtet werden könnten. Auf das schlüssige und überzeugende Gutachten von Dr. T. E. vom 03.06.2007 sowie das zusammenfassende allgemeinärztliche Gutachten von Dr. H. R. vom 29.08.2007 wird Bezug genommen.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.03.2006 zurückzuweisen. Die Anwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2008 ist gemäß § 110 Abs.1 SGG nicht erforderlich gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1949 geborene Kläger ist schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs.2 und § 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Er begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 60 und vor allem die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX.
Auf den Erstantrag vom 25.06.1984 hat das Versorgungsamt M. mit Bescheid vom 20.01.1986 gemäß § 3 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) den GdB mit 40 bewertet. Berücksichtigt worden sind als Behinderungen eine Neurose sowie ein Leberzellschaden und ein Hämorrhoidalleiden.
Entsprechend dem Neufeststellungsantrag vom 15.06.1995 ist der GdB mit Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 23.10.1995 für die Zeit ab 26.06.1995 mit 50 bewertet worden. Hierbei sind als Behinderungen berücksichtigt worden: Neurose, Leberzellschaden, Hämorrhoidalleiden, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, Polyarthritis und Polyneuropathie.
Der Kläger hat mit weiterem Neufeststellungsantrag vom 10.06.2002 hervorgehoben, dass er am ganzen Körper Nervenschmerzen habe. Er könne nichts tragen und nur bedingt gehen. Er beantrage daher die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G". Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 den GdB für die Zeit ab 13.06.2002 mit 60 bewertet. Berücksichtigt worden sind folgende Gesundheitsstörungen:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizer scheinungen, Bandscheibenschäden, Polyarthritis, Polyneuro pathie, Knorpelschäden am Kniegelenk rechts, Fibromyalgie (Einzel-GdB 40). 2. Neurose (Einzel-GdB 30) 3. Leberzellschaden (Einzel-GdB 20) 4. Zuckerkrankheit mit Diät und oralen Antidiabetika einstell bar (Einzel-GdB 20) 5. Hämorrhoidalleiden (Einzel-GdB 10).
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" sind jedoch nicht festgestellt worden.
Der Widerspruch vom 14.02.2003 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 21.10.2003 zurückgewiesen worden. Ein höherer GdB als 60 sei nicht feststellbar; die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" lägen nicht vor. Dies ergebe sich aus den Befundberichten der Dres. S. und Kollegen, S. , D. und Kollegen, J. , O. , H. und Kollegen, von A. , W. und Kollegen, S ...
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Beweisanordnung vom 18.08.2004 Dr. V. F. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt.
Dieser bestätigte mit fachorthopädischem Gutachten vom 21.12.2004, dass der Kläger nicht erheblich gehbehindert sei. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet werde befürwortet. Dr. H. K. hat mit nervenärztlichem Gutachten vom 04.11.2005 ausgeführt, dass der Einzel-GdB für die seelische Störung 40 betrage. Der Gesamt-GdB sei mit 60 zutreffend eingeschätzt. Der Kläger sei nicht erheblich gehbehindert im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX. Hierauf gestützt hat das Sozialgericht München die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.03.2006 abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 12.04.2006 ging am 13.04.2006 beim Sozialgericht München ein. Von Seiten des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) wurden die Schwerbehinderten-Akten des Beklagten und die erstinstanzlichen Unterlagen beigezogen.
In mehreren Schriftsätzen hob der Kläger hervor, dass ihm von den Ärzten als Patient keine Chance gelassen worden sei. Der GdB betrage mindestens 70. Er sei erheblich gehbehindert und könne keinesfalls kilometerlange Strecken gehen. Er schaffe mit seinen kaputt operierten Beinen etwa 200 Meter. Auf einen Fersensporn werde besonders aufmerksam gemacht.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16.10.2006 den Antrag vom 08.08.2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu benennenden Rechtsanwalt abgelehnt. Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes sei hier gemäß § 73a SGG i.V.m. § 121 Abs.1 und 2 ZPO nicht erforderlich.
Im Folgenden bestellte das BayLSG mit Beweisanordnung vom 03.01.2007 Dres. G. L. , T. E. und H. R. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zu ärztlichen Sachverständigen. In Berücksichtigung der Einwände des Klägers zu einer Begutachtung in F. wurde ihm mit Nachricht des Gerichts vom 05.02.2007 aufgezeigt, wie dies organisatorisch zu bewerkstelligen sei. Nachdem sich der Kläger einer Untersuchung bei den gerichtlich bestellten Sachverständigen in F. nicht unterzog, erstellten diese ihre Gutachten nach Aktenlage.
Dr. G. L. kam mit Gutachten vom 10.05.2007 zu dem Ergebnis, dass der GdB auf seinem Fachgebiet 20 betrage. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger nicht erheblich gehbehindert. Dr. T. E. befürwortete mit neurologischem Fachgutachten vom 03.06.2007 die stärker behindernde seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 40 zu berücksichtigen. Eine erhebliche Gehbehinderung sei aufgrund der vorliegenden Befunde und Gutachten nicht nachvollziehbar. Dr. H. R. führte mit allgemeinärztlichem Gutachten vom 29.08.2007 zusammenfassend aus, dass der Gesamt-GdB von 60 ohne Merkzeichen zu bestätigen sei.
Entsprechend der Nachricht des Klägers vom 18.01.2008 vertagte das BayLSG den Rechtsstreit am 22.01.2008 und zog den OP-Bericht vom 23.01.2008 bei. Danach ist die arthroskopische Rotatorenmanschettenrekonstrukton erfolgreich gewesen.
Der Kläger hielt auch mit zuletzt am 07.03.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 02.03.2008 an seinem Begehren fest und legte das bereits aktenkundige Attest des Dr.Dr.E. vom 04.06.2007 nochmals vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2008 ist der Kläger nicht erschienen.
Er beantragte sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.06.2006 aufzuheben und den Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 21.10.2003 insoweit abzuändern, als der Beklagte zu verurteilen ist, einen höheren GdB als 60 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.03.2006 als unbegründt zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht München hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.03.2006 - S 34 SB 1532/03 - zu Recht abgewiesen. Der Änderungs-Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 21.10.2003 ist zutreffend ergangen. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 60; die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" liegen nicht vor.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Menschen sind gemäß § 2 Abs.2 SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30 Abs.1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs.1 SGB IX).
Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2004, 2005 und 2008" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (vgl. Urteil des 9a Senats des BSG vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1991, S.227 ff. zu "Anhaltspunkte 1983").
Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994 S.78, 79) hat das BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. Die "Anhaltspunkte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (vgl. Papier, DÜV 1986, S.621 ff. und in Festschrift für Ule, 1987, S.235 ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (vgl. NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art.3 GG normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3 SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004 S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".
Ergänzend ist auf § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) hinzuweisen: Soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Hiervon ausgehend haben die erstinstanzlich bestellten Gutachter Dr. V. F. und Dr. H. K. mit orthopädischem und nervenfachärztlichem Gutachten vom 21.12.2004 bzw. 04.11.2005 schlüssig und überzeugend dargelegt, dass der bei dem Kläger bestehende GdB 60 beträgt und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX nicht vorliegen. Insoweit sieht der Senat gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung vollinhaltlich zu folgen ist.
Zweitinstanzlich geht es zu Lasten des Klägers, dass sich dieser einer Untersuchung bei den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dres. G. L. , T. E. und H. R. in F. nicht unterzogen hat. In Berücksichtigung der Einwände des Klägers hat das Bayer. Landessozialgericht mit Nachricht vom 05.02.2007 ihm mitgeteilt, dass er Funktionsstörungen auf orthopädischem, nervenärztlichem und internistisch-allgemeinärztlichem Fachgebiet geltend gemacht habe und alsbald entsprechend §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gericht das Gutachterteam Dres. L. und Kollegen in F. ausgewählt habe, um eine zeitnahe Begutachtung durch erfahrene Sachverständige zu ermöglichen, die sich auch im Bereich des Schwerbehindertenrechts bereits ausgezeichnet hätten. Nachdem täglich aus dem Raum A. eine große Anzahl Berufspendler nach M. mit der Bahn anreise, sei es auch zumutbar in umgekehrter Richtung für die Bahnreise M.-H.-F. etwa eine Stunde aufzuwenden. Sofern der Kläger den entsprechenden Fahrpreis nicht auslegen könne, wolle er einen Vorschuss hierfür beim Sozialamt beantragen, da die Übersendung einer Fahrkarte oder die Zahlung eines Vorschusses durch die Gerichtskasse aus technischen Gründen nicht mehr möglich sei. Die notwendigen Kosten könnten jedoch unmittelbar nach den Untersuchungen auf telefonische Ankündigung hier bar erstattet werden. Eine Begleitperson müsse auf eigenes Kostenrisiko mitgenommen werden. Deren Kosten könnten nur dann nachträglich auf die Staatskasse übernommen werden, wenn die Notwendigkeit einer Begleitung durch die ärztlichen Sachverständigen am Tag der Begutachtung bestätigt werde.
Nachdem sich der Kläger einer Untersuchung bei den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht unterzogen hat, fertigten diese die Gutachten nach Aktenlage. Dr. R. berücksichtigte mit allgemeinärztlichem Gutachten vom 29.08.2007 zusammenfassend insgesamt sechs Funktionsstörungen, vor allem auf nervenfachärztlichem und orthopädischem, aber auch auf internistischem Fachgebiet mit Einzel-GdB-Werten von 40, 4 mal 20 und 10. Hierzu ist anzumerken, dass entsprechend Rz.26.3 der "Anhaltspunkte" stärker behindernde nervenärztliche Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder motorische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 berücksichtigt werden können. Die am Verfahren beteiligten Ärzte haben bereits den höheren Einzel-GdB angesetzt. Die orthopädischen Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, der Schultergelenke und der unteren Extremitäten sind entsprechend Rz.26.18 der "Anhaltspunkte" mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend berücksichtigt. Gleiches gilt für den Diabetes mellitus Typ II, das schwergradige obstruktive Schlafapnoe-Syndrom sowie den nutritiv-toxischen Leberparenchymschaden (Rz.26.15, 26.8 und 26.10 der "Anhaltspunkte"). Das chronische Durchfallleiden ohne Beeinträchtigung des Ernährungszustandes sowie das Hämorrhoidalleiden sind mit einem Einzel-GdB von 10 entsprechend Rz.26.10 der "Anhaltspunkte" ausreichend berücksichtigt.
Bei insgesamt sechs Beschwerdekomplexen mit Einzel-GdB-Werten von 40, 4 mal 20 und 10 beträgt der Gesamt-GdB nach Rz.19 der "Anhaltspunkte" 60. Denn bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB-Grad bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit dadurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Kläger ist auch nicht erheblich gehbehindert im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX. Entsprechend Rz.30 Abs.3 der "Anhaltspunkte" sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Beweglichkeit im Straßenverkehr in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens vor allem dann als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und bzw. oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Kniegelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Dies ist nach Aktenlage zweifelsfrei nicht der Fall (vgl. vor allem Gutachten von Dr. G. L. vom 10.05.2007).
Auch die erfolgreiche arthroskopische Rotatorenmanschettenrekonstruktion vom 23.01.2008 hat keinen Einfluss auf die Höhe des GdB, geschweige denn auf die Gehfähigkeit des Klägers.
Auf internistischem oder nervenfachärztlichem Gebiet sind nach Aktenlage keine Funktionsstörungen in einem solchen Ausmaß feststellbar, dass sie entsprechend Rz.30 Absätze 3 bis 5 der "Anhaltspunkte" einer erheblichen Gehbehinderung im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX gleich erachtet werden könnten. Auf das schlüssige und überzeugende Gutachten von Dr. T. E. vom 03.06.2007 sowie das zusammenfassende allgemeinärztliche Gutachten von Dr. H. R. vom 29.08.2007 wird Bezug genommen.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.03.2006 zurückzuweisen. Die Anwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2008 ist gemäß § 110 Abs.1 SGG nicht erforderlich gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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