L 9 AL 485/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 37 AL 10/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 485/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a AL 74/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.06.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer Sperrzeit streitig.

Der 1956 geborene Kläger war vom 07.10.1996 bis 31.03.1998 als Elektriker beschäftigt, erhielt vom 01.09.1998 bis 17.12.1999 Meister-Bafög und ab 18.12.1999 bis 22.05.2000 Arbeitslosengeld. Am 22.05.2000 beantragte er Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Am gleichen Tag wurde dem Kläger ein Stellenangebot als Elektriker bei der Firma P. Partner für Zeitarbeit M. vorgeschlagen. Das Stellenangebot enthält folgende Anforderungen: mechanischer Aufbau von Schaltschränken, Schaltschrankverdrahtung, leichte Lagertätigkeit, Versand. Ausbildung erforderlich. Das Stellenangebot enthielt die Rechtsfolgenbelehrung (R1). Der Kläger wurde darüber informiert, dass sofort ein Vorstellungstermin für den heutigen Tag vereinbart werden solle. Daraufhin erklärte der Kläger, dass er nicht bei einer Zeitarbeitsfirma arbeiten möchte. Er suche eine Stelle als Betriebswirt des Handwerks. Er habe ca. zwölf Bewerbungen laufen. Der Kläger wurde ausführlich auf § 144 SGB III hingewiesen.

Mit Bescheid vom 15.06.2000 setzte die Beklagte eine Sperrzeit von zwölf Wochen fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch. Der Kläger habe trotz der Belehrung über die Rechtsfolgen das zumutbare Angebot bei der Firma P. nicht angenommen. Ein wichtiger Grund hierfür liege nicht vor. Die Stelle sei zumutbar. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 39 Tage, damit sei der Anspruch erschöpft.

Am 28.06.2000 teilte der Kläger telefonisch mit, dass er am 03.07.2000 bei der Firma S. Elektroanlagen G. eingestellt werde.

Mit seinem vom Bevollmächtigten eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Festsetzung einer Sperrzeit sei nicht gerechtfertigt. Der Kläger sei bis März 1998 als Betriebselektriker bei der Firma O. beschäftigt gewesen. Der Stundenlohn habe 22,00 DM brutto betragen. Das Arbeitsverhältnis sei betriebsbedingt beendet worden. Der Kläger habe dann an zwei Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen, vom 15.09.1998 bis 27.07.1999 eine Weiterqualifizierungsmaßnahme zum Elektrotechnik-Meister. Ein entsprechender Ausbildungsabschluss liege jedoch nicht vor. Auch die in der Zeit vom 01.09.1999 bis 17.12.1999 durchgeführte weitere Qualifizierungsmaßnahme zum sogenannten "Betriebswirt im Handwerk" habe der Kläger ohne Abschluss beendet. Das Arbeitsplatzangebot bei der Firma P. habe einen Stundenlohn von 17,00 DM brutto beinhaltet. Dieses Angebot habe der Kläger aus zwei Gründen abgelehnt, nämlich aus gesundheitlichen Gründen, die in der belastenden Tätigkeit des Elektrikers liegen. Desweiteren sei das Arbeitsplatzangebot wegen deutlicher Abqualifizierung des Klägers abgelehnt worden. Statt der 22,00 DM aus der Beschäftigung bei der Firma O. hätte er nur noch 17,00 DM brutto erzielt.

Im Februar 2000 hatte der Kläger ein privatärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr.R. M. vorgelegt. Der Kläger leide unter rezidivierenden Magenbeschwerden sowie gehäuft Bronchitiden und früher rezidivierenden Nierenkoliken bei bekanntem Steinleiden. Er sei für Arbeiten als Elektriker nicht geeignet, die mit Nässe, Zugluft, Kälte oder intensiven Staubinhalationen verbunden seien. Auf offenen Baustellen könne er als Elektriker nicht tätig sein, ohne seinen Gesundheitszustand zu verschlechtern. Daraufhin wurde ein ärztliches Gutachten von der Beklagten veranlasst. Danach sei der Kläger in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Elektriker zu verrichten. Es bestünden rezidivierende bronchitische Beschwerden bei jahrelangem Nikotinkonsum, aufgrund deren dauernde körperlich schwere Arbeiten sowie Arbeiten im Nachtschichtbetrieb vermieden werden sollten. Dieses Gutachten wurde mit dem Kläger am 05.04.2000 ausführlich besprochen. Der Kläger stellte sich im Rahmen des ärztlichen Gutachtens auch für Tätigkeiten als Elektroinstallateur und Betriebselektriker zur Verfügung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung der zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger erneut auf das Attest des Dr.M. vom 22.02.2000 hingewiesen. Den Beurteilungen des ärztlichen Dienstes könne deshalb nicht gefolgt werden. Die Beschäftigung als Elektroinstallateur habe er am 03.07.2000 nur aus finanziellen Gründen aufgenommen. Das Arbeitsverhältnis sei zum 15.12.2000 von Seiten des Arbeitgebers gekündigt worden. Der Kläger vermute, Grund sei seine erneute Arbeitsunfähigkeit ab 13.12.2000, da er wiederum wegen rezidivierender Magenbeschwerden seine Arbeit vorübergehend nicht mehr ausüben konnte. Das damals unterbreitete Arbeitsangebot sei für den Kläger nicht zumutbar gewesen.

Mit Urteil vom 24.06.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dessen Tatsachenfeststellungen hätten sich keine wichtigen Gründe für das Verhalten des Klägers ergeben. Das vorgelegte ärztliche Attest sei nicht geeignet, einen wichtigen Grund anzuerkennen. Das ärztliche Gutachten der Beklagten habe unbestritten ergeben, dass der Kläger als Elektriker arbeiten könne und dass die Bronchitis von einem langjährigen Nikotinabusus stamme.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der nach wie vor die Auffassung vertritt, dass er aufgrund des Attests seines Hausarztes und der auch durch den arbeitsärztlichen Dienst bestätigten bronchialen Beschwerden die Stelle nicht anzunehmen brauchte. Zumindest habe es aber auch einer Prüfung bedurft, ob nicht im Rahmen einer besonderen Härte eine Reduzierung der Sperrzeit indiziert gewesen wäre. Die Beklagte wies darauf hin, dass eine sechswöchige Sperrzeit (42 Kalendertage) zwar ein Ruhen des Leistungsanspruchs lediglich vom 23.05.2000 bis 04.07.2000 zur Folge hätte. Doch würde sie den per 01.04.1998 entstandenen, zu Beginn der Sperrzeit bis auf 39 Tage verbrauchten Alg-Anspruch auf Null mindern. Einem eventuellen Anspruch auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe ab 05.07.2000 würde die Arbeitsaufnahme vom 03.07.2000 entgegenstehen. Ab 27.10.2001 sei ein neuer Alg-Anspruch für den Kläger entstanden. Der Kläger legte daraufhin ein weiteres ärztliches Attest vom 10.07.2006 des Internisten Dr.H. H. , M. , vor, wonach der Kläger im Jahr 2000 wegen akuter Bronchitiden und im Jahr 2001 wegen rezidivierend auftretender Magenschmerzen in ambulanter Behandlung gewesen sei. In einem weiteren Attest vom 24.01.2007 bestätigt dieser dem Kläger folgende Behandlungstermine: 13.03.2000, 21.03.2000, 26.06.2000 wegen Bronchitis und 13.03.2000, 14.12.2000, 21.12.2000, 02.01.2001, 09.01.2001, 30.11.2001 wegen Magenbeschwerden. Wegen der zu akuten Schüben neigenden chronischen Bronchitis sei es aus medizinischer Sicht sinnvoll und notwendig, den Patienten von staubigen, starken Temperaturschwankungen unterworfenen und zugigen Arbeitsplätzen fernzuhalten.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2008 stellte der Bevollmächtigte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 18.01.2006.

Die Beklagte beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers erweist sich in der Sache als unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 24.06.2005 die Klage abgewiesen, denn der Bescheid vom 15.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2000 ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat gegen die streitgegenständlichen Bescheide, mit denen die Beklagte eine Sperrzeit von 12 Wochen und die Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld um 39 Tage festgestellt hat, zutreffend eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.4 SGG) erhoben.

Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind zu Recht ergangen. Denn der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld hat wegen der von der Beklagten auf der zutreffenden Rechtsgrundlage des § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III festgestellten Sperrzeit von 12 Wochen geruht. § 144 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB III gilt noch in der Fassung des Gesetzes vom 01.01.1998. Eine Sperrzeit tritt nach Abs.1 Nr.2 der Vorschrift unter folgenden Voraussetzungen ein: Es liegt ein Arbeitsangebot vor, das hinreichend benannt und zumutbar ist. Die Arbeit wurde nicht angenommen oder nicht angetreten trotz ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung. Ein wichtiger Grund für das Verhalten liegt nicht vor.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat die angebotene Arbeit nicht angenommen. Er hat dies der Beklagten ausdrücklich erklärt. Er hat keinen Vorstellungstermin mit dem Arbeitgeber vereinbart. Der Vermittlungsvorschlag der Beklagten war unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit hinreichend konkretisiert. Er war auch zumutbar, da er nicht gegen die Grundsätze sachgerechter Arbeitsvermittlung verstieß. Da der Kläger die beiden Weiterbildungsmaßnahmen nicht erfolgreich abgeschlossen hatte, musste sich die Beklagte auch nicht zunächst um eine Vermittlung in den höchstwertigen Zielberuf bemühen. Aufgrund der Nichtannahme des Vermittlungsvorschlages wurde die Dauer der Arbeitslosigkeit bis 02.07.2000 verlängert. Der Kläger war über die Folgen der Nichtannahme des Arbeitsangebotes hinreichend belehrt.

Auch ein wichtiger Grund für die Ablehnung des Arbeitsangebotes lag nicht vor. Ein solcher liegt in der Regel vor, wenn der Arbeitnehmer überfordert wird, d.h. die Arbeit ihm im Hinblick auf das Leistungsvermögen billigerweise nicht angesonnen werden kann. Ein Angebot kann insbesondere abgelehnt werden, wenn der Arbeitnehmer gesundheitlich überfordert würde. Lohneinbußen sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl. Niesel, Kommentar zum SGB III, § 144 RdNr.85).

Der Kläger macht durch Atteste des Dr.M. und des Dr.H. Erkrankungen geltend, die ihn daran hindern würden, die angebotene Arbeit als Elektriker anzunehmen. Das zeitnah vorgelegte Attest des Dr.M. aus dem Jahre 2000 bestätigt dem Kläger rezidivierende Magenbeschwerden, sowie ferner gehäuft Bronchitiden. Dr.M. schränkt das Leistungsvermögen des Klägers dahingehend ein, dass er als Elektriker auf offenen Baustellen nicht tätig sein könne. Der ärztliche Dienst der Beklagten hingegen kommt in seinem ärztlichen Gutachten vom 21.03.2000 zum Ergebnis, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Elektriker weiter ausüben könne, ohne Unterscheidung zwischen den Feldern des Betriebselektrikers und des Elektroinstallateurs zu differenzieren. Dieses Gutachten hat der Kläger akzeptiert. Das erst im Berufungsverfahren vorgebrachte Attest des Dr.H. nennt zunächst nur rezidivierend auftretende Magenschmerzen. Erst in einem weiteren Attest ist auch von zu akuten Schüben neigender chronischer Bronchitis die Rede. Es werden jedoch wiederum nur ambulante Behandlungen bescheinigt, aber keine Krankschreibungen. Aufgrund des vorliegenden zeitnah erstellten ärztlichen Gutachtens liegt kein wichtiger Grund für eine Arbeitsablehnung vor. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger am 03.07.2000 eine anderweitige Stelle als Elektroinstallateur angenommen hat. Ob er diese Stelle später aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, ist für die streitgegenständliche Sperrzeit nicht entscheidungserheblich. Die von Dr.H. für diesen Zeitraum bestätigten Magenbeschwerden sind nicht spezifisch durch die Belastungen im Beruf eines Elektrikers.

Auch die Voraussetzungen der allgemeinen Härteklausel des § 144 Abs.3 SGB III sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift halbiert sich die Regelsperrzeit auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeutet. Diese gesetzliche Regelung entzieht sich grundsätzlich einer generalisierenden Betrachtung; vielmehr ist eine Bewertung der Gesamtumstände des Einzelfalls vorzunehmen. Die vom Kläger später genannten Probleme gesundheitlicher Art sind insoweit mangels dokumentierter AU-Zeiten für die Annahme einer Härte nicht ausreichend. Außerdem hat der Kläger in seinen unbefangenen Erstangaben bei der Beklagten selbst angegeben, dass er eine höherqualifizierte Beschäftigung anstrebe. Schließlich ist auch das Übermaßverbot nicht verletzt.

Der Beginn der Sperrzeit wurde in zutreffender Weise auf den Tag nach Ablehnung des Arbeitsangebotes festgelegt.

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang ist die Beklagte nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen zu verpflichten, die dem Kläger zu seiner Rechtsverfolgung entstanden sind.
Rechtskraft
Aus
Saved