Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 16/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 98/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II ab 01.01.2007 streitig.
Der 1970 geborene Kläger erhält von der Beklagten Alg II. Mit Bescheid vom 01.12.2006 wurde ihm die Leistung für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2007 in Höhe von monatlich 567,00 Euro bewilligt.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 16.11.2006 auf, am 23.11.2006 um 9.00 Uhr vorzusprechen. Mit Schreiben vom 17.11.2006 teilte der Kläger mit, aufgrund der schweren Erkrankungen und damit verbundener Notwendigkeit der Pflege und Beaufsichtigung seiner Mutter könne er den Termin nicht wahrnehmen. Er legte ein ärztliches Attest der Hausärztin Dr.S. vom 20.11.2006 vor, wonach die Mutter des Klägers kontinuierliche Pflege und Beaufsichtigung benötige.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2006 erneut aufgefordert worden war, bei der Beklagten zu erscheinen, verwies dieser auf seine frühere Absage und das vorgelegte ärztliche Attest.
Mit Bescheid vom 05.12.2006 hob die Beklagte die Bewilligung der Leistung teilweise in Höhe von 10 v.H. der Regelleistung wegen des Nichterscheinens zu dem ersten Termin auf. Mit einem weiteren Bescheid vom 05.12.2006 wurde für den gleichen Zeitraum eine weitere Aufhebung der Bewilligung um 10 v.H. wegen des Nichterscheinens am 01.12.2006 verfügt.
Der Kläger wurde sodann erneut zu einer Vorsprache am 13.12.2006 aufgefordert. Hierzu teilte er mit, es seien bereits mehrfach Anträge auf Pflegeeinstufung gestellt worden, jedoch aus unerfindlichen Gründen seien die Anträge nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Bayern abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 14.12.2006 teilte die Beklagte mit, die Leistungen würden aufgrund des dreimaligen Nichterscheinens eingestellt. Der Kläger habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er an einer Integration und damit an der Beseitigung/Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit nicht interessiert sei. Der Bewilligungsbescheid werde gem. § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X mit Ablauf des 31.12.2006 aufgehoben.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, auf ärztliche bzw. fachärztliche Versorgung mit Medikamenten angewiesen zu sein. Trotzdem kündige man seinen Krankenversicherungsschutz. Die umfangreichen Erkrankungen seiner Mutter und die damit verbundenen Pflege- und Beaufsichtigungsmaßnahmen bestünden weiterhin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger verhindere eine Integration in den Arbeitsmarkt mit der Begründung, seine Mutter pflegen zu müssen. Er habe weder ein geeignetes Attest noch die Einstufung in eine Pflegestufe als Nachweis für die dauernde Pflegebedürftigkeit beibringen können. Vielmehr sei bei dem Hausbesuch am 04.12.2006 festgestellt worden, dass die Mutter augenscheinlich nicht erkrankt sei und sogar einen Zeitraum von zehn Minuten habe stehend verbringen können.
Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Sinn einer professionellen Pflege liege in der Aktivierung der alltäglichen Dinge. Es sei der freiwillige Akt eines einzelnen Bürgers, sich durch den Medizinischen Dienst in eine Pflegestufe einstufen zu lassen.
Das SG hat einen Befundbericht der Hausärztin Dr.S. vom 03.02.2007 angefordert. Den in diesem Bericht enthaltenen Feststellungen hat der Kläger widersprochen und geltend gemacht, seine Mutter könne nicht drei Stunden unbeaufsichtigt bleiben.
Mit Urteil vom 27.02.2007 hat das SG die Bescheide der Beklagten insoweit aufgehoben, als dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2007 mehr als 20 % der Regelleistung versagt wurden. Für den Monat April 2007 hat es den Bescheid insgesamt aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Beklagte verpflichtet, 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Durch die Meldeversäumnisse sei der Bewilligungsbescheid vom 26.10.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.12.2006 nicht rechtswidrig geworden. Zwar stünden die Leistungen nach dem SGB II unter dem Grundsatz des Förderns und Forderns nach §§ 1, 2 SGB II, jedoch eröffneten diese Normen keine direkten Sanktionsmöglichkeiten. Der Gesetzgeber habe ein Sanktionssystem durch § 31 SGB II geschaffen. Insgesamt lasse das Verhalten des Klägers nicht die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entfallen. Der Bescheid vom 14.12.2006 könne auch nicht auf § 66 Abs.1 SGB I gestützt werden, da auch insoweit die Rechtsfolgen für das Verhalten des Klägers spezialgesetzlich in § 31 Abs.2 SGB II geregelt seien. Das Verhalten des Klägers erfülle jedoch die Sanktionsnorm des § 31 Abs.2 SGB II.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die geltend macht, nach § 3 Abs.1 SGB II dürften Leistungen nur erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich seien. Gemäß Absatz 3 dürften sie nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden könne. Dies bedeute, dass durch die Leistungen die Integration in den Arbeitsmarkt bezweckt bzw. ermöglicht werden müsse. Durch mehrfaches Nichterscheinen ohne wichtigen Grund werde schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger an einer Integration kein Interesse habe. Dadurch habe er gegen seine gesetzliche Verpflichtung aus § 2 SGB II verstoßen. Das Sanktionssystem des SGB II möge zwar in § 31 SGB II abschließend geregelt sein, hier habe der Kläger aber zum Ausdruck gebracht, dass er seinerseits kein Interesse an einer Vermittlung habe, da er seine Mutter pflegen müsse. Dies widerspreche Sinn und Zweck des SGB II, ihn in langfristige Arbeit zu vermitteln. Es liege eine Gesetzeslücke für diejenigen Fälle vor, in denen der erwerbsfähige Hilfebedürftige deutlich zum Ausdruck bringe, dass er auch in Zukunft zu den Meldeterminen nicht erscheinen werde.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Forderung des SG, die 80-jährige Großmutter könne auf die Mutter aufpassen, sei ethisch nicht vertretbar. Für ihn stellten weiterhin die schwerwiegenden Erkrankungen der Mutter und die damit im Zusammenhang stehenden Pflege- und Beaufsichtigungsmaßnahmen einen wichtigen Grund dar, um einen Meldetermin nicht wahrzunehmen. Die von der Hausärztin attestierte Zeit von drei Stunden, in der die Mutter alleine bleiben könne, entspreche nicht der Realität. Am 24.04.2007 sei es erneut zu einem Sturz der Mutter gekommen, bei dem sie sich einen Riss im oberen Augenlid rechts zugezogen habe. Sie sei mittlerweile auf den Rollstuhl angewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet.
Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 14.12.2006 aufgehoben, soweit mit diesem Bescheid die Bewilligung von Alg II ganz ab 01.01.2007 aufgehoben wurde.
Der Senat folgt den Ausführungen in dem Urteil des SG und sieht gem. § 153 Abs.2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend hierzu ist festzustellen, dass durch das Verhalten des Klägers, Meldetermine nicht wahrzunehmen, keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs.1 SGB X eingetreten ist, die die Beklagte berechtigen würde, die Bewilligung des Alg II ganz aufzuheben. Denn dieses Verhalten berechtigte die Beklagte allenfalls, die Regelleistung gem. § 31 SGB II herabzusetzen - dies ist hier nicht Streitgegenstand -; jedoch ist hierdurch der Anspruch auf Alg II nicht gänzlich weggefallen.
Die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II sind in § 7 abschließend geregelt. Voraussetzung sind u.a. Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs.1 Satz 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hierzu ist der Kläger in der Lage.
Das etwa für die Leistungen nach dem SGB III geltende zusätzliche Erfordernis der "subjektiven" Verfügbarkeit, nämlich der Bereitschaft, im Rahmen des objektiv Möglichen eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist in das SGB II nicht übernommen worden. Falls sich ein hilfebedürftiger Erwerbsfähiger weigert, Beschäftigungen aufzunehmen oder Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, zu denen er objektiv in der Lage ist, führt dies lediglich zu den Sanktionen des § 31 SGB II. Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber offensichtlich vor dem Hintergrund getroffen, dass solche Hilfebedürftige, sollten sie nicht mehr zu dem Personenkreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II zählen, grundsätzlich als Leistungsberechtigte nach dem SGB XII in Betracht kämen, was offensichtlich nicht gewollt war.
Aus § 10 Abs.1 Nr.3 und 4 SGB II ergibt sich zudem, dass es einem Leistungsanspruch auf Alg II nicht entgegensteht, wenn ein Hilfebedürftiger trotz gesundheitlicher Leistungsfähigkeit letztlich doch keine Beschäftigung von wenigstens drei Stunden ausüben kann. Dies betrifft z.B. den Fall, dass die Aufnahme einer Beschäftigung wegen der Erziehung eines Kinder oder der Pflege eines Angehörigen, die auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann, nicht möglich ist. Der Kläger beruft sich auf diese Vorschrift. Die Frage, ob er sich hierauf zu Recht beruft, ist nur im Rahmen der Prüfung einer Absenkung der Regelleistung nach § 31 SGB II, insbesondere bei der Prüfung, ob für sein Verhalten ein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs.1 Satz 2 SGB II vorliegt, relevant.
Eine Gesetzeslücke liegt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Vielmehr ist sie darauf zu verweisen, bei entsprechendem Fehlverhalten die Sanktionen des § 31 SGB II umzusetzen. Ob die Voraussetzungen für eine Entziehung nach § 66 SGB I vorlagen, kann dahinstehen, da die Beklagte keinen Entziehungsbescheid erlassen hat. Der Aufhebungsbescheid kann auch nicht in einen Entziehungsbescheid umgedeutet werden, da es sich um Bescheide mit verschiedenem Inhalt handelt (BSG Urteil vom 31.01.2006, B 11a AL 5/05 R).
Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.2007 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II ab 01.01.2007 streitig.
Der 1970 geborene Kläger erhält von der Beklagten Alg II. Mit Bescheid vom 01.12.2006 wurde ihm die Leistung für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2007 in Höhe von monatlich 567,00 Euro bewilligt.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 16.11.2006 auf, am 23.11.2006 um 9.00 Uhr vorzusprechen. Mit Schreiben vom 17.11.2006 teilte der Kläger mit, aufgrund der schweren Erkrankungen und damit verbundener Notwendigkeit der Pflege und Beaufsichtigung seiner Mutter könne er den Termin nicht wahrnehmen. Er legte ein ärztliches Attest der Hausärztin Dr.S. vom 20.11.2006 vor, wonach die Mutter des Klägers kontinuierliche Pflege und Beaufsichtigung benötige.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2006 erneut aufgefordert worden war, bei der Beklagten zu erscheinen, verwies dieser auf seine frühere Absage und das vorgelegte ärztliche Attest.
Mit Bescheid vom 05.12.2006 hob die Beklagte die Bewilligung der Leistung teilweise in Höhe von 10 v.H. der Regelleistung wegen des Nichterscheinens zu dem ersten Termin auf. Mit einem weiteren Bescheid vom 05.12.2006 wurde für den gleichen Zeitraum eine weitere Aufhebung der Bewilligung um 10 v.H. wegen des Nichterscheinens am 01.12.2006 verfügt.
Der Kläger wurde sodann erneut zu einer Vorsprache am 13.12.2006 aufgefordert. Hierzu teilte er mit, es seien bereits mehrfach Anträge auf Pflegeeinstufung gestellt worden, jedoch aus unerfindlichen Gründen seien die Anträge nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Bayern abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 14.12.2006 teilte die Beklagte mit, die Leistungen würden aufgrund des dreimaligen Nichterscheinens eingestellt. Der Kläger habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er an einer Integration und damit an der Beseitigung/Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit nicht interessiert sei. Der Bewilligungsbescheid werde gem. § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X mit Ablauf des 31.12.2006 aufgehoben.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, auf ärztliche bzw. fachärztliche Versorgung mit Medikamenten angewiesen zu sein. Trotzdem kündige man seinen Krankenversicherungsschutz. Die umfangreichen Erkrankungen seiner Mutter und die damit verbundenen Pflege- und Beaufsichtigungsmaßnahmen bestünden weiterhin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger verhindere eine Integration in den Arbeitsmarkt mit der Begründung, seine Mutter pflegen zu müssen. Er habe weder ein geeignetes Attest noch die Einstufung in eine Pflegestufe als Nachweis für die dauernde Pflegebedürftigkeit beibringen können. Vielmehr sei bei dem Hausbesuch am 04.12.2006 festgestellt worden, dass die Mutter augenscheinlich nicht erkrankt sei und sogar einen Zeitraum von zehn Minuten habe stehend verbringen können.
Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Sinn einer professionellen Pflege liege in der Aktivierung der alltäglichen Dinge. Es sei der freiwillige Akt eines einzelnen Bürgers, sich durch den Medizinischen Dienst in eine Pflegestufe einstufen zu lassen.
Das SG hat einen Befundbericht der Hausärztin Dr.S. vom 03.02.2007 angefordert. Den in diesem Bericht enthaltenen Feststellungen hat der Kläger widersprochen und geltend gemacht, seine Mutter könne nicht drei Stunden unbeaufsichtigt bleiben.
Mit Urteil vom 27.02.2007 hat das SG die Bescheide der Beklagten insoweit aufgehoben, als dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2007 mehr als 20 % der Regelleistung versagt wurden. Für den Monat April 2007 hat es den Bescheid insgesamt aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Beklagte verpflichtet, 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Durch die Meldeversäumnisse sei der Bewilligungsbescheid vom 26.10.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.12.2006 nicht rechtswidrig geworden. Zwar stünden die Leistungen nach dem SGB II unter dem Grundsatz des Förderns und Forderns nach §§ 1, 2 SGB II, jedoch eröffneten diese Normen keine direkten Sanktionsmöglichkeiten. Der Gesetzgeber habe ein Sanktionssystem durch § 31 SGB II geschaffen. Insgesamt lasse das Verhalten des Klägers nicht die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entfallen. Der Bescheid vom 14.12.2006 könne auch nicht auf § 66 Abs.1 SGB I gestützt werden, da auch insoweit die Rechtsfolgen für das Verhalten des Klägers spezialgesetzlich in § 31 Abs.2 SGB II geregelt seien. Das Verhalten des Klägers erfülle jedoch die Sanktionsnorm des § 31 Abs.2 SGB II.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die geltend macht, nach § 3 Abs.1 SGB II dürften Leistungen nur erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich seien. Gemäß Absatz 3 dürften sie nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden könne. Dies bedeute, dass durch die Leistungen die Integration in den Arbeitsmarkt bezweckt bzw. ermöglicht werden müsse. Durch mehrfaches Nichterscheinen ohne wichtigen Grund werde schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger an einer Integration kein Interesse habe. Dadurch habe er gegen seine gesetzliche Verpflichtung aus § 2 SGB II verstoßen. Das Sanktionssystem des SGB II möge zwar in § 31 SGB II abschließend geregelt sein, hier habe der Kläger aber zum Ausdruck gebracht, dass er seinerseits kein Interesse an einer Vermittlung habe, da er seine Mutter pflegen müsse. Dies widerspreche Sinn und Zweck des SGB II, ihn in langfristige Arbeit zu vermitteln. Es liege eine Gesetzeslücke für diejenigen Fälle vor, in denen der erwerbsfähige Hilfebedürftige deutlich zum Ausdruck bringe, dass er auch in Zukunft zu den Meldeterminen nicht erscheinen werde.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Forderung des SG, die 80-jährige Großmutter könne auf die Mutter aufpassen, sei ethisch nicht vertretbar. Für ihn stellten weiterhin die schwerwiegenden Erkrankungen der Mutter und die damit im Zusammenhang stehenden Pflege- und Beaufsichtigungsmaßnahmen einen wichtigen Grund dar, um einen Meldetermin nicht wahrzunehmen. Die von der Hausärztin attestierte Zeit von drei Stunden, in der die Mutter alleine bleiben könne, entspreche nicht der Realität. Am 24.04.2007 sei es erneut zu einem Sturz der Mutter gekommen, bei dem sie sich einen Riss im oberen Augenlid rechts zugezogen habe. Sie sei mittlerweile auf den Rollstuhl angewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet.
Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 14.12.2006 aufgehoben, soweit mit diesem Bescheid die Bewilligung von Alg II ganz ab 01.01.2007 aufgehoben wurde.
Der Senat folgt den Ausführungen in dem Urteil des SG und sieht gem. § 153 Abs.2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend hierzu ist festzustellen, dass durch das Verhalten des Klägers, Meldetermine nicht wahrzunehmen, keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs.1 SGB X eingetreten ist, die die Beklagte berechtigen würde, die Bewilligung des Alg II ganz aufzuheben. Denn dieses Verhalten berechtigte die Beklagte allenfalls, die Regelleistung gem. § 31 SGB II herabzusetzen - dies ist hier nicht Streitgegenstand -; jedoch ist hierdurch der Anspruch auf Alg II nicht gänzlich weggefallen.
Die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II sind in § 7 abschließend geregelt. Voraussetzung sind u.a. Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs.1 Satz 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hierzu ist der Kläger in der Lage.
Das etwa für die Leistungen nach dem SGB III geltende zusätzliche Erfordernis der "subjektiven" Verfügbarkeit, nämlich der Bereitschaft, im Rahmen des objektiv Möglichen eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist in das SGB II nicht übernommen worden. Falls sich ein hilfebedürftiger Erwerbsfähiger weigert, Beschäftigungen aufzunehmen oder Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, zu denen er objektiv in der Lage ist, führt dies lediglich zu den Sanktionen des § 31 SGB II. Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber offensichtlich vor dem Hintergrund getroffen, dass solche Hilfebedürftige, sollten sie nicht mehr zu dem Personenkreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II zählen, grundsätzlich als Leistungsberechtigte nach dem SGB XII in Betracht kämen, was offensichtlich nicht gewollt war.
Aus § 10 Abs.1 Nr.3 und 4 SGB II ergibt sich zudem, dass es einem Leistungsanspruch auf Alg II nicht entgegensteht, wenn ein Hilfebedürftiger trotz gesundheitlicher Leistungsfähigkeit letztlich doch keine Beschäftigung von wenigstens drei Stunden ausüben kann. Dies betrifft z.B. den Fall, dass die Aufnahme einer Beschäftigung wegen der Erziehung eines Kinder oder der Pflege eines Angehörigen, die auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann, nicht möglich ist. Der Kläger beruft sich auf diese Vorschrift. Die Frage, ob er sich hierauf zu Recht beruft, ist nur im Rahmen der Prüfung einer Absenkung der Regelleistung nach § 31 SGB II, insbesondere bei der Prüfung, ob für sein Verhalten ein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs.1 Satz 2 SGB II vorliegt, relevant.
Eine Gesetzeslücke liegt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Vielmehr ist sie darauf zu verweisen, bei entsprechendem Fehlverhalten die Sanktionen des § 31 SGB II umzusetzen. Ob die Voraussetzungen für eine Entziehung nach § 66 SGB I vorlagen, kann dahinstehen, da die Beklagte keinen Entziehungsbescheid erlassen hat. Der Aufhebungsbescheid kann auch nicht in einen Entziehungsbescheid umgedeutet werden, da es sich um Bescheide mit verschiedenem Inhalt handelt (BSG Urteil vom 31.01.2006, B 11a AL 5/05 R).
Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.2007 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zuzulassen.
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