L 11 AS 293/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 47/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 293/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.08.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.08.2006 bis 22.08.2007 zu bewilligen sind.

Der 1955 geborenen Klägerin bewilligte die Beklagte Alg II vom 01.08.2005 bis 31.07.2006. Wegen zu berücksichtigenden Vermögens nahm die Beklagte diese Bewilligung zurück. Die Klägerin habe neben dem angegebenen Vermögen einen Rückforderungsanspruch gemäß § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), denn sie habe nach Antragstellung am 15.06.2005, aber vor Beginn der Leistungsbewilligung, vorhandenes Vermögen ihren in den USA lebenden Eltern geschenkt und gegen diese nunmehr wegen des Eintritts von Hilfebedürftigkeit einen als Vermögen anzurechnenden Rückforderungsanspruch. Die Klägerin selbst gab an, sie habe an die Eltern ein von diesen gewährtes Darlehen zurückgezahlt. Im Rahmen des Verfahrens bezüglich der Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit bestätigte der Vater der Klägerin, S. I. , schriftlich gegenüber der Beklagten sowie der bei der Geldübergabe anwesende Vermieter der Klägerin, H. D. , gegenüber dem SG (S 9 AS 1/07 ER) diese Angaben der Klägerin. Im Rahmen des hiergegen durchgeführten Klageverfahrens hat das SG den Zeugen I. erneut schriftlich vernommen und auf die Klage hin den Rücknahmebescheid aufgehoben. Es sei von einer Darlehensrückzahlung, nicht von einer Schenkung auszugehen und im Übrigen könne mit einem Rückforderungsanspruch lediglich der aktuelle Bedarf, nicht aber ein bereits in der Vergangenheit liegender Bedarf gedeckt werden. Die Berufung der Beklagten hiergegen ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Senates vom 24.04.2008 - L 11 AS 292/07 -). Eine Schenkung sei von der Beklagten nicht nachgewiesen. Es könne sich auch um eine Darlehensrückzahlung handeln. Die Beweisführungslast für das Vorliegen einer Schenkung aber habe nach Ausschöpfung der Ermittlungspflicht die Beklagte zu tragen.

Am 20.06.2006 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag für die Zeit ab 01.08.2006.

Am 01.08.2006 verfügte die Klägerin neben dem von der Beklagten angenommenen Rückforderungsanspruch in Höhe von 22.000,00 EUR über folgendes Vermögen: - Lebens-/Rentenversicherung: Rückkaufswert inkl. Überschussanteile 10.129,90 EUR, - eingezahlte Beiträge: 10.558,84 EUR; Kapitalstand auf Beitragsdepot: 2514,02 EUR; Verwertungsausschluss vom - 26.03.2006; Depot 2.257,04 EUR; - Bausparguthaben 1.889,70 EUR.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2006 mangels Hilfebedürftigkeit ab. Die Klägerin habe wegen der Schenkung an die Eltern einen Rückforderungsanspruch gegen diese. Dieser Anspruch sei als Vermögen zu berücksichtigen.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Sie habe am 28.08.2006 1.197,81 EUR und am 31.08.2006 298,22 EUR Abfindung aus einem Sozialplan ihres früheren Arbeitgebers erhalten, bis 31.10.2006 250,00 EUR Warmmiete sowie ab 01.11.2006 250,00 EUR Kaltmiete und 50,00 EUR Heizkosten zu zahlen. Weitere Nebenkosten in Höhe von 30,00 EUR monatlich zahle sie jährlich. Kfz-Haftpflicht habe sie für 2006 in Höhe von 413,63 EUR und für 2008 in Höhe von 277,67 EUR jährlich gezahlt.

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2006 antragsgemäß verurteilt, der Klägerin vom 01.08.2006 bis 31.10.2006 monatlich Leistungen in Höhe von 199,00 EUR, vom 01.11.2006 bis 31.12.2006 in Höhe von monatlich 644,00 EUR, vom 01.01.2007 bis 31.01.2007 in Höhe von 197,00 EUR, vom 01.02.2007 bis 30.06.2007 in Höhe von monatlich 644,00 EUR, vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 in Höhe von 646,00 EUR und vom 01.08.2007 bis 22.08.2007 in Höhe von 468,00 EUR zu zahlen. Das Einkommen aus dem Sozialplan sei auf drei Monate zu verteilen, im Januar 2007 habe die Klägerin 500,00 EUR von ihrer Tante geschenkt bekommen. Unter Berücksichtigung der Absetz- und Freibeträge decke dieses Einkommen den Bedarf nicht vollständig, so dass die Beklagte zu verurteilen sei, Alg II in der entsprechenden Höhe für die jeweiligen Monate zu zahlen. Vermögen sei nicht zu berücksichtigen, die Klägerin habe kein Vermögen an die Eltern verschenkt, sondern ein Darlehen zurückgezahlt.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin verfüge über den Freibetrag übersteigendes Vermögen. Der Nachweis einer Darlehensrückzahlung sei nicht erbracht und schriftliche Darlehensunterlagen seien nicht vorgelegt worden. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Beantragung von Alg II und der Hergabe des Geldes an die Eltern spreche für eine Schenkung. Der Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB könne in der Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht werden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.08.2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 23.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2006 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Es habe sich um eine Darlehensrückzahlung gehandelt. Auch bei Annahme einer Schenkung sei das Geld nicht rückwirkend als Vermögen zu berücksichtigen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des SG Bayreuth S 9 AS 714/06 ER, S 9 AS 717/06 und S 9 AS 1/07 ER sowie die Akten des Berufungsverfahrens L 11 AS 292/07 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 23.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2006 aufgehoben und die Beklagte für die Zeit vom 01.08.2006 bis 22.08.2007 zur Leistung von Alg II in der jeweiligen Höhe verurteilt. Die Ablehnung der Leistungsbewilligung war rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat für die streitige Zeit Anspruch auf Alg II in der vom SG festgelegten Höhe.

Alg II erhalten Personen, wenn sie u.a. hilfebedürftig sind (§ 7 Abs 1 Nr 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt ... nicht oder nicht ausreichend ... aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs 1 SGB II). Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme bestimmter - hier nicht vorliegender - Leistungen (§ 11 Abs 1 Satz 1 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs 1 SGB II). Vom Vermögen sind abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber 3.100,00 EUR; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 9.750,00 EUR nicht übersteigen (§ 12 Abs 2 Nr 1 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung). Vom Vermögen sind weiter abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 16.250,00 EUR nicht übersteigt (§ 12 Abs 2 Nr 3 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung) und ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen (§ 12 Abs 2 Nr 4 SGB II).

Die Klägerin hat kein diese Freibeträge übersteigendes und damit kein verwertbares Vermögen zur Verfügung.

Nicht anzurechnen ist ein Rückforderungsanspruch der Klägerin gegenüber ihren Eltern gemäß § 528 BGB, denn das Bestehen eines solchen wie auch einer einem Rückforderungsanspruch zugrunde liegende Schenkung ist nicht nachgewiesen. Die Beklagte trägt hierfür die Beweisführungslast, denn es handelt sich um eine den Anspruch der Klägerin vernichtende Einwendung, nachdem dieses Geldvermögen sich unbestritten nicht mehr im Besitz bzw. Eigentum der Klägerin befindet. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es noch unter ihrem Namen angelegt ist. Nach Ausschöpfung der Ermittlungspflicht zum Vorliegen einer Schenkung - der Vater der Klägerin und weitere Zeugen sind vernommen worden - konnte eine Schenkung nicht bewiesen werden. Von einer Schenkung und einem damit bestehenden Rückforderungsanpruch gemäß § 528 BGB ist nicht auszugehen. Die Beklagte hat die Folgen dieser Nichtverweislichkeit der anspruchsvernichtenden Einwendung zu tragen (vgl hierzu die Ausführungen im Urteil des Senates vom 24.04.2008 - L 11 AS 292/07 -).

Nach Abschluss eines Verwertungsverbotes bezüglich der Lebens-/Rentenversicherung im März 2006 war auch die Versicherung vom Vermögen abzusetzen (§ 12 Abs 2 Nr 3 SGB II).

Das übrige verwertbare Vermögen übersteigt den am 01.08.2006 der Klägerin zustehenden Freibetrag in Höhe von 7.650,00 EUR (§ 12 Abs 1 Nr 1 SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung) und den Freibetrag in Höhe von 750,00 EUR (gemäß § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II) nicht. Es beträgt lediglich 6.660,79 EUR. Der Freibetrag hingegen beträgt 8.400,00 EUR.

Angerechnet hat das SG als Einkommen jedoch die im August 2006 zugeflossene Zahlung des Insolvenzverwalters, die das SG auf drei Monate verteilt hat, sowie eine einmalige Einnahme im Januar 2007 in Höhe von 500,00 EUR von der Tante der Klägerin. Die Klägerin hat hierwegen keine Berufung eingelegt.

Bezüglich der Höhe der vom SG berechneten Leistung hat die Beklagte keine Einwendungen vorgetragen. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass das SG das zu zahlende Alg II zu hoch bemessen hätte, insbesondere nachdem für die Erwärmung von Wasser mehr als 6,22 EUR von den angegebenen Heizkosten abgezogen worden sind (vgl BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R und B 14/7b AS 32/06 R -).

Nachdem die Klägerin am 22.08.2007 einen Fortzahlungsantrag gestellt und lediglich die Beklagte Berufung eingelegt hat, sind Leistungen über den 22.08.2007 hinaus nicht Gegenstand des Rechtsstreites. Mit der Stellung eines Fortzahlungsantrages endet der Zeitraum, für den die erste ablehnende - hier streitgegenständliche - Entscheidung ihre Wirkung entfaltet (vgl hierzu auch: BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b 59/06 R -).

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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