Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 553/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 296/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 1. August 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig ist die Höhe der Leistungen im Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.06.2005. Im Einzelnen begehren die Kläger, dass für die Klägerin zu 2 ein Mehraufwand wegen kostenaufwändiger Ernährung, die durch medizinische Gründe bedingt ist, anerkannt wird.
Die Kläger beziehen seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kläger zu 1 ist 1950 geboren und seit 01.04.1997 arbeitslos. Arbeitslos ist auch die mit dem Kläger zu 1 verheiratete, 1965 geborene Klägerin zu 2. Diese leidet an einer Erkrankung des Typs Diabetes mellitus Typ I (Erstdiagnose 1995/1996). Dennoch lässt es der Gesundheitszustand beider Kläger zu, dass sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sind. Die Kläger wohnten bis zu ihrem Wegzug nach Baden-Württemberg in dem Anwesen H.straße, B ... Im Dezember 2006 zogen die Kläger nach F. , Baden-Württemberg.
Mit Schreiben vom 14.04.2005 hatten die Kläger einen Mehrbedarf für krankheitsbedingt aufwändige Ernährung der Klägerin zu 2 wegen deren Diabetes-Erkrankung geltend gemacht, die Beklagte aber zunächst darauf nicht reagiert. Mit Schreiben vom 15.05.2006 erinnerten die Kläger an ihr Anliegen und legten dazu eine formblattmäßige Bescheinigung der Hausärztin Dr. K. vom gleichen Tag vor. Dr. K. attestierte unter "Art der Erkrankung" Diabetes mellitus Typ I mit intensivierter konventioneller Insulintherapie; als erforderliche Krankenkost kennzeichnete sie "Diabeteskost". Sodann holte die Beklagte eine sachverständige Äußerung der Amtsärztin beim Landratsamt D. ein. Am 01.06.2006 stellte sich die Klägerin zu 2 im Fachbereich Gesundheit des Landratsamtes vor. Laut Stellungnahme der Amtsärztin Dr. K. vom 08.06.2006 sei die Klägerin zu 2 gezwungen, eine intensivierte Insulintherapie mit vierfachvariablem Spritzschema bei Blutzuckerselbstkontrolle durchzuführen. Notwendig sei eine engmaschige hausärztliche Kontrolle, welche bislang nicht in ausreichendem Maße festgestellt werden könnte. Die heutige Diabetesdiät folge generell den Regeln einer gesundheitsbewussten, normalen Ernährung. Für Diabetiker würden deshalb grundsätzlich die gleichen Nährstoffbedürfnisse wie für Gesunde gelten. Die wissenschaftliche Auffassung bezüglich der beim Diabetes erforderlichen Diät habe sich in den letzten Jahren fundamental geändert. Bei der Klägerin zu 2, so die Amtsärztin sinngemäß, könnten Mehrkosten gegenüber der vollwertigen Normalkost begründet werden, sofern sie tatsächlich spezielle Lebensmittel nutze. Es werde vorgeschlagen, die Bewilligung eines Mehrbedarfs auf ein halbes Jahr zu befristen.
Daraufhin gewährte die Beklagte mit insgesamt drei Bescheiden vom 13.06.2006 für die Zeit vom 14.04.2005 bis einschließlich 30.06.2006 höhere Leistungen gegenüber den bis dato geltenden Bewilligungen unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfs von 25,56 EUR. Gegen alle drei Bescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 22.06.2006 Widerspruch ein; sie rügten dabei sowohl Höhe als auch Beginn der Mehrbedarfszuerkennung.
Sodann holte die Beklagte eine neuerliche Stellungnahme nach Aktenlage der Amtsärztin beim Landratsamt D. ein. Dr. K. bestätigte, bei der Klägerin zu 2 werde eine intensivierte konventionelle Insulintherapie durchgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im "Rubrum" des Widerspruchsbescheids wird bei der Angabe der angegriffenen Verwaltungsmaßnahme nur von "Bescheid" im Singular gesprochen. Im ersten Absatz der Begründung hat die Beklagte eine Leistungsbewilligung von Januar bis Juni 2005, nicht aber für andere Zeiträume erwähnt. Weiter ist davon die Rede, ein Änderungsbescheid vom 13.06.2006 habe das Alg II für das erste Halbjahr 2005 neu festgesetzt. Gegen diesen Bescheid, so die Beklagte, richte sich der Widerspruch.
Mit Schriftsatz vom 13.07.2006 haben die Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. In Schriftsätzen vom 13.07. und 02.08.2006 haben sie ihrer Ansicht Nachdruck verliehen, Streitgegenstand sei der gesamte Zeitraum Januar 2005 bis Juni 2006. Mit Urteil vom 01.08.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, einen Mehrbedarf auch für den Zeitraum 01.01. bis 13.04.2005 zuzuerkennen. Hinsichtlich des klägerischen Bemühens, einen höheren monatlichen Mehrbedarf als 25,56 EUR zugebilligt zu erhalten, hat es die Klage jedoch abgewiesen. Im Einleitungssatz des Tatbestandes hat das Gericht festgestellt, streitig seien Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 13.04.2005. Zwar sei bei Diabetes mellitus früher ein Betrag von 51,13 EUR monatlich für Diabeteskost anerkannt gewesen. Dies entspreche aber nicht mehr dem aktuellen Stand der medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse. Ausreichend sei vielmehr eine Vollkost, für die monatlich jedoch nur 25,56 Euro berücksichtigt werden könnten.
Mit Schriftsatz vom 19.08.2007 haben die Kläger Berufung eingelegt. Sie sind nach wie vor der Ansicht, der Klägerin zu 2 stünde wegen der Diabetes-Erkrankung ein höherer Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu. Dies gelte umso mehr, als beide Kläger nur je 90 v.H. der Regelleistung für allein stehende Personen erhalten würden. In einer zivilrechtlichen Vollstreckungsangelegenheit im Jahr 2000 sei der Klägerin zu 2 ein monatlicher Betrag von 53,68 EUR zuerkannt worden.
In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien übereinstimmend erklärt, Gegenstand der Entscheidung solle nur der Zeitraum Januar bis Juni 2005 sein.
Demgemäß beantragen die Kläger, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 1. August 2007 sowie Bescheids vom 13.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.07.2007 zu verurteilen, ihnen für den Zeitraum Januar bis Juni 2005 zusätzliche Kosten wegen Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 25,57 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich vollumfänglich dem Urteil des Sozialgerichts an.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Streitig sind Geldleistungen von mehr als 500,- EUR (§ 144 Abs.1 Satz 1 SGG). Zwar haben die Kläger zunächst lediglich 460,26 EUR (18 x 25,57 EUR) zusätzlich begehrt. Jedoch hat das Rechtsmittel laufende Leistungen für 18 Monate betroffen, weswegen die Ausnahme des § 144 Abs.1 Satz 2 SGG greift. Dass die Kläger die Berufung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen haben, soweit sie die Zeit von Juli 2005 bis Juni 2006 betroffen hat, macht die Berufung nicht zulassungsbedürftig. Denn insoweit kommt es auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an (§ 202 SGG i.V.m. § 4 Abs.1 ZPO); die nachträgliche Reduzierung der zeitlichen "Verstrickung" auf lediglich ein halbes Jahr schadet deshalb nicht.
Die Berufung hat aber keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist richtig.
Soweit das Verfahren zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch anhängig war - bezüglich des Zeitraums von Januar bis Juni 2005 -, ist die Klage zulässig. Insbesondere ist ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt worden.
Das wäre bezüglich der zunächst streitgegenständlichen Folgezeiträume (Juli 2005 bis Juni 2006) indes nicht der Fall. Denn im Widerspruchsbescheid vom 11.07.2007 hat die Beklagte nur über das erste Halbjahr 2005 entschieden hat, obwohl sich der Widerspruch der Kläger ohne Zweifel auf alle drei Bescheide vom 13.06.2006 bezogen hat. Bezüglich der Leistungszeiträume Juli 2005 bis Juni 2006 würde nach wie vor eine Widerspruchsentscheidung fehlen. Das Sozialgericht seinerseits hat das Verfahren nicht ausgesetzt und eine Widerspruchsentscheidung nachholen lassen, sondern den Streitgegenstand gar nur auf den Zeitraum vom 01.01. bis 13.04.2005 beschränkt. Mit der teilweisen Berufungsrücknahme haben sich die damit verbundenen Probleme aber erledigt.
Jedoch fehlt es an der Begründetheit der Klage. Den Klägern stehen höhere Leistungen unter Zuerkennung eines höheren Mehrbedarfs nicht zu.
Nach § 21 Abs.5 SGB II in der seit 01.01.2005 unverändert geltenden Fassung erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Im vorliegenden Fall ist problematisch, welcher Betrag im Sinn von § 21 Abs.5 SGB II angemessen ist. Die Kläger vertreten die Auffassung, die von der Beklagten berücksichtigten 25,56 EUR seien zu niedrig angesetzt; sie verlangen eine "Aufstockung" von 25,57 EUR pro Monat. Damit vermögen sie jedoch nicht durchzudringen.
Bei der "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der prinzipiell eine kombiniert medizinisch-ernährungswissenschaftliche Beurteilung verlangt. Die Beklagte hat bezüglich der Höhe des Mehrbedarfs weder Ermessen noch einen Beurteilungsspielraum (Münder in: Ders., LPK-SGB II, 2. Auflage 2007 § 21 RdNr. 27). Sie unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die gerichtliche Prüfung führt zum Ergebnis, dass ein höherer Mehrbedarf als 25,56 EUR im Monat nicht angemessen ist. Der Senat stützt sich insoweit in erster Linie auf die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (im Folgenden: DV) entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen (im Folgenden: Empfehlungen). Nach der Begründung zum Fraktionsentwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BTDrucks 15/1516, S. 57) können die Empfehlungen zur Ermittlung der Angemessenheit herangezogen werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 14.09.2006 - L 7 AS 97/06). In diesem Zusammenhang hat der DV auf der Grundlage von ernährungswissenschaftlichen Untersuchungen Gutachten und Empfehlungen veröffentlicht, die zuletzt 1997 überarbeitet wurden (LSG Bayern, Urteil vom 16.02.2006 L 11 AS 68/05 - unter Hinweis auf Lang in: Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2005, § 21 RdNr. 65).
Es ist grundsätzlich zulässig, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sich bei der Beurteilung, welcher Mehrbedarf angemessen ist, auf generelle Leitlinien fachkundiger Stellen stützen. Im Prinzip bestehen keine verfassungs- oder prozessrechtlichen Bedenken dagegen, antizipierte Sachverständigengutachten in Gerichtsprozessen als nichtförmliche Beweismittel zu verwenden, sofern ihnen keine normative Wirkung mit der Folge einer Bindung des Gerichts beigemessen wird. Auch die Empfehlungen können als antizipiertes Sachverständigengutachten Berücksichtigung finden.
Unter einem antizipierten Sachverständigengutachten ist ein Gutachten zu verstehen, das nicht im Rahmen der Beweisaufnahme eines konkreten Prozesses eingeholt wird, sondern im Vorhinein erstellt worden ist und in genereller Form Antwort auf eine bestimmte Tatsachenfrage gibt. Zwar erlegt die Amtsermittlungspflicht den Gerichten auf, den Sachverhalt von sich aus hinreichend aufzuklären. Auf welche Weise sie sich diese Sachverhaltskenntnis verschaffen, entzieht sich indes einer formalen Regelung. So gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. § 128 Abs.1 Satz 1 SGG), dem es zuwiderlaufen würde, von vornherein und generell bestimmte Beweismittel als minderwertig zu erachten.
Die Gerichte dürfen antizipierte Sachverständigengutachten nicht nur überhaupt für ihre Entscheidungsfindung heranziehen, sondern sich gegebenfalls - auch das hängt von der freien Beweiswürdigung des Gerichts ab - mit ihrer Heranziehung begnügen. Es ist verfassungs- und prozessrechtlich weder gefordert, dass gerichtlich zu verwertende Sachverständigenäußerungen stets einzelfallbezogen abgegeben werden müssen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ ders., Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 103 RdNr. 7c), noch dass antizipierten Sachverständigenäußerungen im Rahmen der Beweiswürdigung ein verminderter Beweiswert zukommt. Ein antizipiertes Sachverständigengutachten kann im Rahmen der Beweiswürdigung möglicherweise (wegen eventuell erhöhter Richtigkeitsgewähr) sogar mit einem höheren Beweiswert im Vergleich zu Einzelfallgutachten Berücksichtigung finden. Eine quasi-normative Bindung der Gerichte wäre hingegen verfassungswidrig.
Antizipierte Sachverständigengutachten dürfen aber - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - nur dann auf diese Weise als mindestens gleichwertiges Beweismittel im Prozess berücksichtigt werden, wenn verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Zunächst müssen die Voraussetzungen gegeben sein, die an jedes Sachverständigengutachten zu stellen sind. Hinsichtlich der begutachtenden Personen müssen Sachkunde, Objektivität und Neutralität gewährleistet sein. Die Gutachten müssen deutlich herauslesbar Aussagen für den konkreten Fall enthalten; die allgemeine Regel muss in der Lage sein, den konkreten Fall tatbestandsmäßig zu erfassen (Stelkens/Kallerhoff in: Stelkens/ Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 26 RdNr. 33; vgl. auch Vieweg, Antizipierte Sachverständigengutachten - Funktion, Verwertungsformen, rechtliche Bedeutung, NJW 1982, S. 2473 (2476)), und zeitnah sein (vgl. Vieweg, a.a.O., NJW 1982, S. 2473 (2475); Pense, Die Rechtsnatur von MdE-Tabellen, S. 99 m.w.N., 102, 137; vgl. zum Erfordernis der Aktualität BVerwGE 55, 250 (258); Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 1995, SozR 3-3870 § 3 SchwbG Nr. 6, S. 12). Die gerichtliche Verwertung einer vom konkreten Fall losgelösten Begutachtung ist zudem nur dann gerechtfertigt, wenn für die Äußerung eine besondere Richtigkeitsgewähr besteht. So darf die generelle Sachverständigenäußerung nicht dem Gesetz widersprechen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 1995, a.a.O.). Weiter ist Voraussetzung, dass bestimmte organisatorische und verfahrensbezogene Vorkehrungen existieren, die den Weg zu einer richtigen Entscheidung ebnen (vgl. Keller, Das antizipierte Sachverständigengutachten im Sozialrecht, SGb 2003, S. 254 (257); Wiester, Über die Aufgabe der Unfallversicherungsträger, die Richtwerte zur Bemessung der MdE überprüfen zu lassen, NZS 2001, S. 630 (634); Pense, a.a.O., S. 100 f.). Insoweit bedarf es einer spezifischen Zusammensetzung des Sachverständigengremiums, effektiver Methoden zur Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen sowie einer Optimierung des Entscheidungsprozesses. Zudem müssen eine gewisse Verfahrenspublizität gewährleistet sein und den Entscheidungen substantielle Begründungen beigegeben werden. Nur so können die Gerichte den Beweiswert des antizipierten Sachverständigengutachtens prüfen (vgl. Keller, a.a.O., SGb 2003, S. 254 (257); Pense, a.a.O., S. 101). Zum Teil wird auch gefordert, die antizipierte Sachverständigenäußerung müsse bereits mehrfach angewendet worden sein und auf eine weitgehende, länger dauernde Akzeptanz stoßen (BSG SozR 3-2200 § 581 RVO Nr. 8, S. 40; vgl. dazu Keller, a.a.O., SGb 2003, S. 254 (256 f.)).
Gemessen daran geben die Empfehlungen nach Ansicht des Senats nur hinsichtlich ihrer Aktualität Anlass zu Bedenken. Denn ihre letzte Überarbeitung erfolgte im Jahr 1997. Dieser Umstand mag einen gewissen Aktualisierungsbedarf begründen. Jedoch ist die Heranziehung als antizipiertes Sachverständigengutachten deswegen nicht ausgeschlossen. Denn die Begründung zum Fraktionsentwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BTDrucks 15/1516, S. 57) lässt nur den Schluss zu, die Empfehlungen seien noch hinreichend aktuell. Andernfalls wäre es nicht verständlich, dass in der Gesetzesbegründung gesagt wird, die Empfehlungen könnten herangezogen werden.
Nach den Empfehlungen steht der Klägerin zu 2 in der Tat nur ein Mehrbedarf in Höhe von monatlich 25,56 EUR zu. Denn diese weisen für an Diabetes mellitus Typ I Erkrankte nur eine Zulage in dieser Höhe für Vollkost aus, wenn eine intensivierte konventionelle Insulintherapie durchgeführt wird. 51,13 EUR (für Diabeteskost) sind dagegen nur bei Typ I mit konventioneller Insulintherapie sowie bei Typ II a vorgesehen. Dass die Insulintherapie der Klägerin zu 2 tatsächlich eine intensivierte ist, wird sowohl von der Hausärztin als auch von der Amtsärztin bestätigt. Von daher ist unerheblich, dass die Hausärztin gleichwohl für Diabetikerkost plädiert. Denn die Zuordnung bestimmter Ernährungserfordernisse zu einer bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigung wird von der sachverständigen Stellungnahme der Empfehlungen umfasst. Das Formblatt, das die Hausärztin ausgefüllt hat, ist insoweit nicht ganz eindeutig, als es geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, der zertifizierende Arzt könne die Ernährungsform bestimmen. Das ist jedoch nicht der Fall.
Dieses Ergebnis, dass für die Klägerin zu 2 kein höherer Mehrbedarf als 25,56 Euro monatlich zu berücksichtigen ist, lässt sich anhand des Begutachtungsleitfadens für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gem. § 23 Abs. 4 BSHG des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe (im Folgenden: Leitfaden) verifizieren. Nach Ansicht des Senats erfüllt auch dieser grundsätzlich die Voraussetzungen, um als antizipiertes Sachverständigengutachten einfließen zu können (dagegen OVG Lüneburg FEVS 55, S. 359). Auch auf den Leitfaden hat die sozialgerichtliche Rechtsprechung bereits wiederholt zurückgegriffen (so z.B. SG Aachen Urteil vom 7.11.2006 - S 11 AS 109/06; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 6.9.05 - L 9 B 186/05 SO ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 24.11.05 - L 9 B 259/05 SO PKH). Gemäß dem Leitfaden (S. 9, 10, 15) entstehen bei der Erkrankung der Klägerin zu 2 keine Mehrkosten.
Das Urteil des Bundessozialgericht vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Daraus können gegenwärtig ohnehin nur begrenzt Folgerungen gezogen werden, weil die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Immerhin geht aus dem Terminbericht Nr. 10/08 vom 28.02.2008 hervor, dass das Bundessozialgericht die Empfehlungen als generelle Leitlinien für die Verwaltungspraxis betrachtet, die den Grundsicherungsträger dann nicht von der Notwendigkeit entbinden würden, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn der Hilfebedürftige einen höheren Bedarf (etwa wegen Vorliegens mehrerer Erkrankungen) geltend mache. Welche verallgemeinerungsfähigen Erwägungen das Bundessozialgericht im Einzelnen angestellt hat, lässt sich aber erst absehen, wenn die Entscheidungsgründe vollständig vorliegen.
Der Duktus des Terminberichts deutet jedoch darauf hin, dass nach Ansicht des Bundessozialgerichts die Empfehlungen schnell ihre Relevanz einbüßen können, und zwar ohne dass die ihnen zukommende Richtigkeitsvermutung massiv erschüttert werden müsste. Die Empfehlungen werden als bloße Leitlinien für die Verwaltungspraxis bezeichnet. Möglicherweise soll damit zum Ausdruck gebracht werden, sie seien für die Gerichte zur Gänze unmaßgeblich; das würde sie als bloße (interne) Verwaltungsvorschriften ausweisen. Weitere Ermittlungen von behördlicher - und damit natürlich auch von tatsachengerichtlicher - Seite hält das Bundessozialgericht bereits dann für notwendig, wenn Hilfebedürftige einen höheren Bedarf "geltend machen".
Extensive Einzelfallermittlungen in Bezug auf die "Angemessenheit" würden die Behörden und die Tatsachengerichte nicht nur vor ganz erhebliche praktische Probleme stellen, sondern wären auch in qualitativer Hinsicht kontraproduktiv. Das erklärt sich aus der Natur der feststellungsbedürftigen Tatsachen. Zunächst muss im Rahmen von § 21 Abs. 5 SGB II ermittelt werden, welche Gesundheitsstörungen beim Hilfesuchenden vorliegen. Dabei handelt es sich um den einzigen ausschließlich individuell definierten Faktor. Bereits auf der nächsten Ermittlungsebene ist aber eine gewisse Standardisierung nicht nur nützlich, sondern im Interesse der Gleichbehandlung aller Hilfesuchenden auch geboten; dort stellt sich nämlich die Frage, welche ernährungsspezifischen Folgerungen aus einem bestimmten Krankheitsbild zu ziehen sind. Diese bestimmen sich kaum nach individuellen, sondern vielmehr nach generellen, nämlich krankheitsspezifischen Merkmalen. Noch weniger Raum für die individuellen Verhältnisse besteht bei der letzten Ermittlungsstufe, wenn es darum geht, anhand der festgestellten ernährungsspezifischen Erfordernisse den Mehrbedarf monetär zu quantifizieren. Denn es kommt nicht darauf an, welchen Mehrbedarf Hilfesuchende tatsächlich haben (so aber offenbar Münder in: Ders., LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 21 RdNr. 27), sondern darauf, was bei einem bestimmten Krankheitsbild angemessen ist; die individuellen Ernährungsgewohnheiten und -vorlieben müssen dabei unberücksichtigt bleiben. Das ergibt sich allein daraus, dass in § 21 Abs. 5 SGB II die Angemessenheit ausdrücklich zum Maßstab erhoben ist, aber auch daraus, dass alle Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter dem Vorbehalt der Angemessenheit stehen.
Es erübrigt sich, sich an dieser Stelle weiter mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts befassen. Denn auch wenn man die im Terminbericht enthaltene Aussage als Obersatz heranzöge, ergäbe sich im vorliegenden Fall kein Grund, von den Empfehlungen abzuweichen. Denn die Kläger machen keinen höheren Bedarf geltend. Dabei versteht der Senat "Geltendmachung" als substantiierte Darlegung, quasi als qualifiziertes Bestreiten. Daran fehlt es.
Die Kläger wenden sich im vorliegenden Fall nicht dagegen, dass antizipierte Sachverständigengutachten angewandt werden. Sie machen nicht geltend, für die Klägerin zu 2 fielen tatsächlich krankheitsbedingt höhere Kosten für Ernährung an, als sie die Beklagte anerkannt hat. Vielmehr möchten sie sogar, dass die Empfehlungen in ihrem Fall zur Anwendung kommen. Sie rügen lediglich eine falsche "Subsumtion" unter die Regelungen der Empfehlungen. Das zeigen ihre bisherigen Einlassungen: Ihren Widerspruch vom 22.06.2006 haben die Kläger allein darauf gestützt, für Diabeteskost würden die Empfehlungen 51,13 EUR ausweisen. Auch in der Klageschrift vom 13.07.2006 - ebenso in Schriftsätzen vom 25.07.2006 und vom 04.07.2007 - berufen sich die Kläger darauf, ihre Hausärztin habe die Notwendigkeit von Diabeteskost bescheinigt, wofür die Empfehlungen einen Betrag von "ca. 50 EUR" ausweisen würden. In der Berufungsschrift vom 19.08.2007 verdeutlichen die Kläger, sie würden das zuerkannt haben wollen, was ihre Hausärztin bescheinigt habe, nämlich 51,13 EUR für Diabeteskost. Die Kläger rekurrieren mit ihrer Argumentation auf den Umstand, dass die Hausärztin in der formblattmäßigen Stellungnahme vom 15.05.2006 zwar von einer intensivierten konventionellen Insulintherapie gesprochen, entgegen der Zuordnung der Empfehlungen jedoch "Diabeteskost" als erforderliche Krankenkost bestimmt hatte. Allein aus dieser Handlung der Hausärztin leiten sie einen Anspruch auf einen Mehrbedarf von 51,13 EUR monatlich ab. Damit haben sie jedoch keine höheren Aufwendungen - im Übrigen trotz Vorhalt durch den Senat auch nicht in der mündlichen Verhandlung - "geltend gemacht".
So ist es den Klägern nicht gelungen, die Vermutung der Richtigkeit, die den Empfehlungen inhärent ist, zu entkräften oder auch nur zu schwächen. Vor diesem Hintergrund hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kommt er vielmehr zum Ergebnis, dass die einschlägige Regelung in den Empfehlungen überzeugend ist und den Sachverhalt zutreffend wiedergibt. Wenn sich der Senat aber bereits aus den Empfehlungen eine hinreichende Überzeugung verschaffen hat können, ist er nicht gehalten, weiter zu ermitteln: Das Ausmaß der Ermittlungen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BSGE 30, 192 (205)). Es bestimmt sich nach dem Einzelfall und dem Vortrag der Beteiligten (Leitherer, a.a.O., § 103 RdNr. 4). Das Gericht muss nicht nach Tatsachen forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte bieten (BSGE 81, 259 (262 f.); 86, 107 (110); 87, 132 (138)).
Nicht zugunsten der Kläger vermag sich der Umstand auszuwirken, dass vollstreckungsrechtliche Bestimmungen der Zivilprozessordnung möglicherweise einen höheren Mehraufwand "zubilligen". Ebensowenig spielt eine Rolle, dass beide Kläger jeweils nur 90 v.H. der Regelleistung für eine allein stehende Person beziehen; § 21 Abs.5 SGB II dient nicht dazu, eventuelle durch die Regelleistung bedingte Bedarfslücken zu schließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen. Da im vorliegenden Fall die Kläger keine höheren Aufwendungen substantiiert geltend gemacht haben, besteht keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig ist die Höhe der Leistungen im Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.06.2005. Im Einzelnen begehren die Kläger, dass für die Klägerin zu 2 ein Mehraufwand wegen kostenaufwändiger Ernährung, die durch medizinische Gründe bedingt ist, anerkannt wird.
Die Kläger beziehen seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kläger zu 1 ist 1950 geboren und seit 01.04.1997 arbeitslos. Arbeitslos ist auch die mit dem Kläger zu 1 verheiratete, 1965 geborene Klägerin zu 2. Diese leidet an einer Erkrankung des Typs Diabetes mellitus Typ I (Erstdiagnose 1995/1996). Dennoch lässt es der Gesundheitszustand beider Kläger zu, dass sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sind. Die Kläger wohnten bis zu ihrem Wegzug nach Baden-Württemberg in dem Anwesen H.straße, B ... Im Dezember 2006 zogen die Kläger nach F. , Baden-Württemberg.
Mit Schreiben vom 14.04.2005 hatten die Kläger einen Mehrbedarf für krankheitsbedingt aufwändige Ernährung der Klägerin zu 2 wegen deren Diabetes-Erkrankung geltend gemacht, die Beklagte aber zunächst darauf nicht reagiert. Mit Schreiben vom 15.05.2006 erinnerten die Kläger an ihr Anliegen und legten dazu eine formblattmäßige Bescheinigung der Hausärztin Dr. K. vom gleichen Tag vor. Dr. K. attestierte unter "Art der Erkrankung" Diabetes mellitus Typ I mit intensivierter konventioneller Insulintherapie; als erforderliche Krankenkost kennzeichnete sie "Diabeteskost". Sodann holte die Beklagte eine sachverständige Äußerung der Amtsärztin beim Landratsamt D. ein. Am 01.06.2006 stellte sich die Klägerin zu 2 im Fachbereich Gesundheit des Landratsamtes vor. Laut Stellungnahme der Amtsärztin Dr. K. vom 08.06.2006 sei die Klägerin zu 2 gezwungen, eine intensivierte Insulintherapie mit vierfachvariablem Spritzschema bei Blutzuckerselbstkontrolle durchzuführen. Notwendig sei eine engmaschige hausärztliche Kontrolle, welche bislang nicht in ausreichendem Maße festgestellt werden könnte. Die heutige Diabetesdiät folge generell den Regeln einer gesundheitsbewussten, normalen Ernährung. Für Diabetiker würden deshalb grundsätzlich die gleichen Nährstoffbedürfnisse wie für Gesunde gelten. Die wissenschaftliche Auffassung bezüglich der beim Diabetes erforderlichen Diät habe sich in den letzten Jahren fundamental geändert. Bei der Klägerin zu 2, so die Amtsärztin sinngemäß, könnten Mehrkosten gegenüber der vollwertigen Normalkost begründet werden, sofern sie tatsächlich spezielle Lebensmittel nutze. Es werde vorgeschlagen, die Bewilligung eines Mehrbedarfs auf ein halbes Jahr zu befristen.
Daraufhin gewährte die Beklagte mit insgesamt drei Bescheiden vom 13.06.2006 für die Zeit vom 14.04.2005 bis einschließlich 30.06.2006 höhere Leistungen gegenüber den bis dato geltenden Bewilligungen unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfs von 25,56 EUR. Gegen alle drei Bescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 22.06.2006 Widerspruch ein; sie rügten dabei sowohl Höhe als auch Beginn der Mehrbedarfszuerkennung.
Sodann holte die Beklagte eine neuerliche Stellungnahme nach Aktenlage der Amtsärztin beim Landratsamt D. ein. Dr. K. bestätigte, bei der Klägerin zu 2 werde eine intensivierte konventionelle Insulintherapie durchgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im "Rubrum" des Widerspruchsbescheids wird bei der Angabe der angegriffenen Verwaltungsmaßnahme nur von "Bescheid" im Singular gesprochen. Im ersten Absatz der Begründung hat die Beklagte eine Leistungsbewilligung von Januar bis Juni 2005, nicht aber für andere Zeiträume erwähnt. Weiter ist davon die Rede, ein Änderungsbescheid vom 13.06.2006 habe das Alg II für das erste Halbjahr 2005 neu festgesetzt. Gegen diesen Bescheid, so die Beklagte, richte sich der Widerspruch.
Mit Schriftsatz vom 13.07.2006 haben die Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. In Schriftsätzen vom 13.07. und 02.08.2006 haben sie ihrer Ansicht Nachdruck verliehen, Streitgegenstand sei der gesamte Zeitraum Januar 2005 bis Juni 2006. Mit Urteil vom 01.08.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, einen Mehrbedarf auch für den Zeitraum 01.01. bis 13.04.2005 zuzuerkennen. Hinsichtlich des klägerischen Bemühens, einen höheren monatlichen Mehrbedarf als 25,56 EUR zugebilligt zu erhalten, hat es die Klage jedoch abgewiesen. Im Einleitungssatz des Tatbestandes hat das Gericht festgestellt, streitig seien Leistungen für die Zeit vom 01.01. bis 13.04.2005. Zwar sei bei Diabetes mellitus früher ein Betrag von 51,13 EUR monatlich für Diabeteskost anerkannt gewesen. Dies entspreche aber nicht mehr dem aktuellen Stand der medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse. Ausreichend sei vielmehr eine Vollkost, für die monatlich jedoch nur 25,56 Euro berücksichtigt werden könnten.
Mit Schriftsatz vom 19.08.2007 haben die Kläger Berufung eingelegt. Sie sind nach wie vor der Ansicht, der Klägerin zu 2 stünde wegen der Diabetes-Erkrankung ein höherer Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu. Dies gelte umso mehr, als beide Kläger nur je 90 v.H. der Regelleistung für allein stehende Personen erhalten würden. In einer zivilrechtlichen Vollstreckungsangelegenheit im Jahr 2000 sei der Klägerin zu 2 ein monatlicher Betrag von 53,68 EUR zuerkannt worden.
In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien übereinstimmend erklärt, Gegenstand der Entscheidung solle nur der Zeitraum Januar bis Juni 2005 sein.
Demgemäß beantragen die Kläger, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 1. August 2007 sowie Bescheids vom 13.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.07.2007 zu verurteilen, ihnen für den Zeitraum Januar bis Juni 2005 zusätzliche Kosten wegen Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 25,57 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich vollumfänglich dem Urteil des Sozialgerichts an.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Streitig sind Geldleistungen von mehr als 500,- EUR (§ 144 Abs.1 Satz 1 SGG). Zwar haben die Kläger zunächst lediglich 460,26 EUR (18 x 25,57 EUR) zusätzlich begehrt. Jedoch hat das Rechtsmittel laufende Leistungen für 18 Monate betroffen, weswegen die Ausnahme des § 144 Abs.1 Satz 2 SGG greift. Dass die Kläger die Berufung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen haben, soweit sie die Zeit von Juli 2005 bis Juni 2006 betroffen hat, macht die Berufung nicht zulassungsbedürftig. Denn insoweit kommt es auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an (§ 202 SGG i.V.m. § 4 Abs.1 ZPO); die nachträgliche Reduzierung der zeitlichen "Verstrickung" auf lediglich ein halbes Jahr schadet deshalb nicht.
Die Berufung hat aber keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist richtig.
Soweit das Verfahren zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch anhängig war - bezüglich des Zeitraums von Januar bis Juni 2005 -, ist die Klage zulässig. Insbesondere ist ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt worden.
Das wäre bezüglich der zunächst streitgegenständlichen Folgezeiträume (Juli 2005 bis Juni 2006) indes nicht der Fall. Denn im Widerspruchsbescheid vom 11.07.2007 hat die Beklagte nur über das erste Halbjahr 2005 entschieden hat, obwohl sich der Widerspruch der Kläger ohne Zweifel auf alle drei Bescheide vom 13.06.2006 bezogen hat. Bezüglich der Leistungszeiträume Juli 2005 bis Juni 2006 würde nach wie vor eine Widerspruchsentscheidung fehlen. Das Sozialgericht seinerseits hat das Verfahren nicht ausgesetzt und eine Widerspruchsentscheidung nachholen lassen, sondern den Streitgegenstand gar nur auf den Zeitraum vom 01.01. bis 13.04.2005 beschränkt. Mit der teilweisen Berufungsrücknahme haben sich die damit verbundenen Probleme aber erledigt.
Jedoch fehlt es an der Begründetheit der Klage. Den Klägern stehen höhere Leistungen unter Zuerkennung eines höheren Mehrbedarfs nicht zu.
Nach § 21 Abs.5 SGB II in der seit 01.01.2005 unverändert geltenden Fassung erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Im vorliegenden Fall ist problematisch, welcher Betrag im Sinn von § 21 Abs.5 SGB II angemessen ist. Die Kläger vertreten die Auffassung, die von der Beklagten berücksichtigten 25,56 EUR seien zu niedrig angesetzt; sie verlangen eine "Aufstockung" von 25,57 EUR pro Monat. Damit vermögen sie jedoch nicht durchzudringen.
Bei der "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der prinzipiell eine kombiniert medizinisch-ernährungswissenschaftliche Beurteilung verlangt. Die Beklagte hat bezüglich der Höhe des Mehrbedarfs weder Ermessen noch einen Beurteilungsspielraum (Münder in: Ders., LPK-SGB II, 2. Auflage 2007 § 21 RdNr. 27). Sie unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die gerichtliche Prüfung führt zum Ergebnis, dass ein höherer Mehrbedarf als 25,56 EUR im Monat nicht angemessen ist. Der Senat stützt sich insoweit in erster Linie auf die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (im Folgenden: DV) entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen (im Folgenden: Empfehlungen). Nach der Begründung zum Fraktionsentwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BTDrucks 15/1516, S. 57) können die Empfehlungen zur Ermittlung der Angemessenheit herangezogen werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 14.09.2006 - L 7 AS 97/06). In diesem Zusammenhang hat der DV auf der Grundlage von ernährungswissenschaftlichen Untersuchungen Gutachten und Empfehlungen veröffentlicht, die zuletzt 1997 überarbeitet wurden (LSG Bayern, Urteil vom 16.02.2006 L 11 AS 68/05 - unter Hinweis auf Lang in: Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2005, § 21 RdNr. 65).
Es ist grundsätzlich zulässig, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sich bei der Beurteilung, welcher Mehrbedarf angemessen ist, auf generelle Leitlinien fachkundiger Stellen stützen. Im Prinzip bestehen keine verfassungs- oder prozessrechtlichen Bedenken dagegen, antizipierte Sachverständigengutachten in Gerichtsprozessen als nichtförmliche Beweismittel zu verwenden, sofern ihnen keine normative Wirkung mit der Folge einer Bindung des Gerichts beigemessen wird. Auch die Empfehlungen können als antizipiertes Sachverständigengutachten Berücksichtigung finden.
Unter einem antizipierten Sachverständigengutachten ist ein Gutachten zu verstehen, das nicht im Rahmen der Beweisaufnahme eines konkreten Prozesses eingeholt wird, sondern im Vorhinein erstellt worden ist und in genereller Form Antwort auf eine bestimmte Tatsachenfrage gibt. Zwar erlegt die Amtsermittlungspflicht den Gerichten auf, den Sachverhalt von sich aus hinreichend aufzuklären. Auf welche Weise sie sich diese Sachverhaltskenntnis verschaffen, entzieht sich indes einer formalen Regelung. So gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (vgl. § 128 Abs.1 Satz 1 SGG), dem es zuwiderlaufen würde, von vornherein und generell bestimmte Beweismittel als minderwertig zu erachten.
Die Gerichte dürfen antizipierte Sachverständigengutachten nicht nur überhaupt für ihre Entscheidungsfindung heranziehen, sondern sich gegebenfalls - auch das hängt von der freien Beweiswürdigung des Gerichts ab - mit ihrer Heranziehung begnügen. Es ist verfassungs- und prozessrechtlich weder gefordert, dass gerichtlich zu verwertende Sachverständigenäußerungen stets einzelfallbezogen abgegeben werden müssen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ ders., Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 103 RdNr. 7c), noch dass antizipierten Sachverständigenäußerungen im Rahmen der Beweiswürdigung ein verminderter Beweiswert zukommt. Ein antizipiertes Sachverständigengutachten kann im Rahmen der Beweiswürdigung möglicherweise (wegen eventuell erhöhter Richtigkeitsgewähr) sogar mit einem höheren Beweiswert im Vergleich zu Einzelfallgutachten Berücksichtigung finden. Eine quasi-normative Bindung der Gerichte wäre hingegen verfassungswidrig.
Antizipierte Sachverständigengutachten dürfen aber - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - nur dann auf diese Weise als mindestens gleichwertiges Beweismittel im Prozess berücksichtigt werden, wenn verschiedene Bedingungen erfüllt sind. Zunächst müssen die Voraussetzungen gegeben sein, die an jedes Sachverständigengutachten zu stellen sind. Hinsichtlich der begutachtenden Personen müssen Sachkunde, Objektivität und Neutralität gewährleistet sein. Die Gutachten müssen deutlich herauslesbar Aussagen für den konkreten Fall enthalten; die allgemeine Regel muss in der Lage sein, den konkreten Fall tatbestandsmäßig zu erfassen (Stelkens/Kallerhoff in: Stelkens/ Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 26 RdNr. 33; vgl. auch Vieweg, Antizipierte Sachverständigengutachten - Funktion, Verwertungsformen, rechtliche Bedeutung, NJW 1982, S. 2473 (2476)), und zeitnah sein (vgl. Vieweg, a.a.O., NJW 1982, S. 2473 (2475); Pense, Die Rechtsnatur von MdE-Tabellen, S. 99 m.w.N., 102, 137; vgl. zum Erfordernis der Aktualität BVerwGE 55, 250 (258); Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 1995, SozR 3-3870 § 3 SchwbG Nr. 6, S. 12). Die gerichtliche Verwertung einer vom konkreten Fall losgelösten Begutachtung ist zudem nur dann gerechtfertigt, wenn für die Äußerung eine besondere Richtigkeitsgewähr besteht. So darf die generelle Sachverständigenäußerung nicht dem Gesetz widersprechen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 1995, a.a.O.). Weiter ist Voraussetzung, dass bestimmte organisatorische und verfahrensbezogene Vorkehrungen existieren, die den Weg zu einer richtigen Entscheidung ebnen (vgl. Keller, Das antizipierte Sachverständigengutachten im Sozialrecht, SGb 2003, S. 254 (257); Wiester, Über die Aufgabe der Unfallversicherungsträger, die Richtwerte zur Bemessung der MdE überprüfen zu lassen, NZS 2001, S. 630 (634); Pense, a.a.O., S. 100 f.). Insoweit bedarf es einer spezifischen Zusammensetzung des Sachverständigengremiums, effektiver Methoden zur Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen sowie einer Optimierung des Entscheidungsprozesses. Zudem müssen eine gewisse Verfahrenspublizität gewährleistet sein und den Entscheidungen substantielle Begründungen beigegeben werden. Nur so können die Gerichte den Beweiswert des antizipierten Sachverständigengutachtens prüfen (vgl. Keller, a.a.O., SGb 2003, S. 254 (257); Pense, a.a.O., S. 101). Zum Teil wird auch gefordert, die antizipierte Sachverständigenäußerung müsse bereits mehrfach angewendet worden sein und auf eine weitgehende, länger dauernde Akzeptanz stoßen (BSG SozR 3-2200 § 581 RVO Nr. 8, S. 40; vgl. dazu Keller, a.a.O., SGb 2003, S. 254 (256 f.)).
Gemessen daran geben die Empfehlungen nach Ansicht des Senats nur hinsichtlich ihrer Aktualität Anlass zu Bedenken. Denn ihre letzte Überarbeitung erfolgte im Jahr 1997. Dieser Umstand mag einen gewissen Aktualisierungsbedarf begründen. Jedoch ist die Heranziehung als antizipiertes Sachverständigengutachten deswegen nicht ausgeschlossen. Denn die Begründung zum Fraktionsentwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BTDrucks 15/1516, S. 57) lässt nur den Schluss zu, die Empfehlungen seien noch hinreichend aktuell. Andernfalls wäre es nicht verständlich, dass in der Gesetzesbegründung gesagt wird, die Empfehlungen könnten herangezogen werden.
Nach den Empfehlungen steht der Klägerin zu 2 in der Tat nur ein Mehrbedarf in Höhe von monatlich 25,56 EUR zu. Denn diese weisen für an Diabetes mellitus Typ I Erkrankte nur eine Zulage in dieser Höhe für Vollkost aus, wenn eine intensivierte konventionelle Insulintherapie durchgeführt wird. 51,13 EUR (für Diabeteskost) sind dagegen nur bei Typ I mit konventioneller Insulintherapie sowie bei Typ II a vorgesehen. Dass die Insulintherapie der Klägerin zu 2 tatsächlich eine intensivierte ist, wird sowohl von der Hausärztin als auch von der Amtsärztin bestätigt. Von daher ist unerheblich, dass die Hausärztin gleichwohl für Diabetikerkost plädiert. Denn die Zuordnung bestimmter Ernährungserfordernisse zu einer bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigung wird von der sachverständigen Stellungnahme der Empfehlungen umfasst. Das Formblatt, das die Hausärztin ausgefüllt hat, ist insoweit nicht ganz eindeutig, als es geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, der zertifizierende Arzt könne die Ernährungsform bestimmen. Das ist jedoch nicht der Fall.
Dieses Ergebnis, dass für die Klägerin zu 2 kein höherer Mehrbedarf als 25,56 Euro monatlich zu berücksichtigen ist, lässt sich anhand des Begutachtungsleitfadens für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gem. § 23 Abs. 4 BSHG des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe (im Folgenden: Leitfaden) verifizieren. Nach Ansicht des Senats erfüllt auch dieser grundsätzlich die Voraussetzungen, um als antizipiertes Sachverständigengutachten einfließen zu können (dagegen OVG Lüneburg FEVS 55, S. 359). Auch auf den Leitfaden hat die sozialgerichtliche Rechtsprechung bereits wiederholt zurückgegriffen (so z.B. SG Aachen Urteil vom 7.11.2006 - S 11 AS 109/06; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 6.9.05 - L 9 B 186/05 SO ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 24.11.05 - L 9 B 259/05 SO PKH). Gemäß dem Leitfaden (S. 9, 10, 15) entstehen bei der Erkrankung der Klägerin zu 2 keine Mehrkosten.
Das Urteil des Bundessozialgericht vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Daraus können gegenwärtig ohnehin nur begrenzt Folgerungen gezogen werden, weil die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Immerhin geht aus dem Terminbericht Nr. 10/08 vom 28.02.2008 hervor, dass das Bundessozialgericht die Empfehlungen als generelle Leitlinien für die Verwaltungspraxis betrachtet, die den Grundsicherungsträger dann nicht von der Notwendigkeit entbinden würden, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn der Hilfebedürftige einen höheren Bedarf (etwa wegen Vorliegens mehrerer Erkrankungen) geltend mache. Welche verallgemeinerungsfähigen Erwägungen das Bundessozialgericht im Einzelnen angestellt hat, lässt sich aber erst absehen, wenn die Entscheidungsgründe vollständig vorliegen.
Der Duktus des Terminberichts deutet jedoch darauf hin, dass nach Ansicht des Bundessozialgerichts die Empfehlungen schnell ihre Relevanz einbüßen können, und zwar ohne dass die ihnen zukommende Richtigkeitsvermutung massiv erschüttert werden müsste. Die Empfehlungen werden als bloße Leitlinien für die Verwaltungspraxis bezeichnet. Möglicherweise soll damit zum Ausdruck gebracht werden, sie seien für die Gerichte zur Gänze unmaßgeblich; das würde sie als bloße (interne) Verwaltungsvorschriften ausweisen. Weitere Ermittlungen von behördlicher - und damit natürlich auch von tatsachengerichtlicher - Seite hält das Bundessozialgericht bereits dann für notwendig, wenn Hilfebedürftige einen höheren Bedarf "geltend machen".
Extensive Einzelfallermittlungen in Bezug auf die "Angemessenheit" würden die Behörden und die Tatsachengerichte nicht nur vor ganz erhebliche praktische Probleme stellen, sondern wären auch in qualitativer Hinsicht kontraproduktiv. Das erklärt sich aus der Natur der feststellungsbedürftigen Tatsachen. Zunächst muss im Rahmen von § 21 Abs. 5 SGB II ermittelt werden, welche Gesundheitsstörungen beim Hilfesuchenden vorliegen. Dabei handelt es sich um den einzigen ausschließlich individuell definierten Faktor. Bereits auf der nächsten Ermittlungsebene ist aber eine gewisse Standardisierung nicht nur nützlich, sondern im Interesse der Gleichbehandlung aller Hilfesuchenden auch geboten; dort stellt sich nämlich die Frage, welche ernährungsspezifischen Folgerungen aus einem bestimmten Krankheitsbild zu ziehen sind. Diese bestimmen sich kaum nach individuellen, sondern vielmehr nach generellen, nämlich krankheitsspezifischen Merkmalen. Noch weniger Raum für die individuellen Verhältnisse besteht bei der letzten Ermittlungsstufe, wenn es darum geht, anhand der festgestellten ernährungsspezifischen Erfordernisse den Mehrbedarf monetär zu quantifizieren. Denn es kommt nicht darauf an, welchen Mehrbedarf Hilfesuchende tatsächlich haben (so aber offenbar Münder in: Ders., LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 21 RdNr. 27), sondern darauf, was bei einem bestimmten Krankheitsbild angemessen ist; die individuellen Ernährungsgewohnheiten und -vorlieben müssen dabei unberücksichtigt bleiben. Das ergibt sich allein daraus, dass in § 21 Abs. 5 SGB II die Angemessenheit ausdrücklich zum Maßstab erhoben ist, aber auch daraus, dass alle Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter dem Vorbehalt der Angemessenheit stehen.
Es erübrigt sich, sich an dieser Stelle weiter mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts befassen. Denn auch wenn man die im Terminbericht enthaltene Aussage als Obersatz heranzöge, ergäbe sich im vorliegenden Fall kein Grund, von den Empfehlungen abzuweichen. Denn die Kläger machen keinen höheren Bedarf geltend. Dabei versteht der Senat "Geltendmachung" als substantiierte Darlegung, quasi als qualifiziertes Bestreiten. Daran fehlt es.
Die Kläger wenden sich im vorliegenden Fall nicht dagegen, dass antizipierte Sachverständigengutachten angewandt werden. Sie machen nicht geltend, für die Klägerin zu 2 fielen tatsächlich krankheitsbedingt höhere Kosten für Ernährung an, als sie die Beklagte anerkannt hat. Vielmehr möchten sie sogar, dass die Empfehlungen in ihrem Fall zur Anwendung kommen. Sie rügen lediglich eine falsche "Subsumtion" unter die Regelungen der Empfehlungen. Das zeigen ihre bisherigen Einlassungen: Ihren Widerspruch vom 22.06.2006 haben die Kläger allein darauf gestützt, für Diabeteskost würden die Empfehlungen 51,13 EUR ausweisen. Auch in der Klageschrift vom 13.07.2006 - ebenso in Schriftsätzen vom 25.07.2006 und vom 04.07.2007 - berufen sich die Kläger darauf, ihre Hausärztin habe die Notwendigkeit von Diabeteskost bescheinigt, wofür die Empfehlungen einen Betrag von "ca. 50 EUR" ausweisen würden. In der Berufungsschrift vom 19.08.2007 verdeutlichen die Kläger, sie würden das zuerkannt haben wollen, was ihre Hausärztin bescheinigt habe, nämlich 51,13 EUR für Diabeteskost. Die Kläger rekurrieren mit ihrer Argumentation auf den Umstand, dass die Hausärztin in der formblattmäßigen Stellungnahme vom 15.05.2006 zwar von einer intensivierten konventionellen Insulintherapie gesprochen, entgegen der Zuordnung der Empfehlungen jedoch "Diabeteskost" als erforderliche Krankenkost bestimmt hatte. Allein aus dieser Handlung der Hausärztin leiten sie einen Anspruch auf einen Mehrbedarf von 51,13 EUR monatlich ab. Damit haben sie jedoch keine höheren Aufwendungen - im Übrigen trotz Vorhalt durch den Senat auch nicht in der mündlichen Verhandlung - "geltend gemacht".
So ist es den Klägern nicht gelungen, die Vermutung der Richtigkeit, die den Empfehlungen inhärent ist, zu entkräften oder auch nur zu schwächen. Vor diesem Hintergrund hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung kommt er vielmehr zum Ergebnis, dass die einschlägige Regelung in den Empfehlungen überzeugend ist und den Sachverhalt zutreffend wiedergibt. Wenn sich der Senat aber bereits aus den Empfehlungen eine hinreichende Überzeugung verschaffen hat können, ist er nicht gehalten, weiter zu ermitteln: Das Ausmaß der Ermittlungen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BSGE 30, 192 (205)). Es bestimmt sich nach dem Einzelfall und dem Vortrag der Beteiligten (Leitherer, a.a.O., § 103 RdNr. 4). Das Gericht muss nicht nach Tatsachen forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte bieten (BSGE 81, 259 (262 f.); 86, 107 (110); 87, 132 (138)).
Nicht zugunsten der Kläger vermag sich der Umstand auszuwirken, dass vollstreckungsrechtliche Bestimmungen der Zivilprozessordnung möglicherweise einen höheren Mehraufwand "zubilligen". Ebensowenig spielt eine Rolle, dass beide Kläger jeweils nur 90 v.H. der Regelleistung für eine allein stehende Person beziehen; § 21 Abs.5 SGB II dient nicht dazu, eventuelle durch die Regelleistung bedingte Bedarfslücken zu schließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen. Da im vorliegenden Fall die Kläger keine höheren Aufwendungen substantiiert geltend gemacht haben, besteht keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Rechtskraft
Aus
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