L 8 AY 1/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AY 6/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AY 1/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Januar 2006 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kürzung der Taschengeldleistung gemäß § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die 1989 und 1999 geborenen Kläger ab 01.10.2004 um 50 v.H. und ab 01.11.2004 um 100 v.H. streitig.

Die Kläger sind nach Angaben ihrer Eltern im Asylverfahren aserbaidschanische Staatsangehörige. Sie reisten mit ihren Eltern am 31.10.2003 ohne Ausweispapiere in das Bundesgebiet ein und stellten am 10.11.2003 beim damals zuständigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) Asylanträge.

Mit fünf Verfügungen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 02.12.2003 die Asylanträge als offensichtlich unbegründet ab (1), stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 Ausländergesetz (AuslG 1990) offensichtlich nicht vorlägen (2), verneinte Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (3) und drohte den Klägern unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung die Abschiebung nach Aserbaidschan oder in ein anderes zu ihrer Aufnahme bereites oder verpflichtetes Land an (4).

Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer hiergegen erhobenen Klagen wurden mit Beschluss des Verwaltungsgerichts A. vom 17.12.2003 (Az.: AnS 03.31982) unanfechtbar abgelehnt, die Klagen mit Urteil des Verwaltungsgerichts A. (VG) vom 20.07.2004 rechtskräftig abgewiesen (Az.: AnK 03.31983).

Nach weiteren, vom Ergebnis her erfolglosen, Ermittlungen bezüglich der Identität der Kläger verfügte die Beklagte mit Bescheiden vom 29.10. und 02.11.2004 eine um 50 v.H. gekürzte Gewährung der Geldleistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (Taschengeld) ab 01.10.2004 und ab 01.11.2004 den Wegfall dieser Leistungen.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch trugen die Kläger im Wesentlichen vor, die Kürzung der Leistungen ihnen gegenüber sei rechtswidrig, weil sie sich das Handeln ihrer gesetzlichen Vertreter nicht zurechnen lassen müssten.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 02.08.2005 wies die Regierung von Schwaben die Widersprüche als unbegründet zurück.

Mit den dagegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klagen haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.01.2006 hat das SG die Klagen abgewiesen, weil die Kläger aus allein von ihnen zu vertretenden Gründen keine Heimreisepapiere besitzen würden. Minderjährige Leistungsberechtigte müssten sich das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter zurechnen lassen. Denn es entspreche bislang der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass sich minderjährige Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter insoweit zurechnen lassen müssten, als Art und Umfang ihres Hilfeanspruchs betroffen sei (vgl. dazu VGH BW vom 14.09.1994 FEVS 46, 27; BayVGH vom 06.12.2004 Az.: 12 CE 04.3015 und vom 27.02.2002 Az.: 12 CE 01.2945; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, AsylbLG, SGB II und BKGG, 3. Auflage 2005 § 1a AsylbLG RdNr.15 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass im Einzelfall ein Missbrauch des Sorgerechts vorläge oder dass hier allein höchstpersönliche Mitwirkungspflichten der minderjährigen Kläger inmitten gestanden hätten, seien weder ersichtlich noch dargetan. Darauf, dass es sich bei den Leistungen nach dem AsylbLG um Individualansprüche handle, komme es nicht an, denn die zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen erforderlichen Mitwirkungspflichten seien nicht höchstpersönlicher Natur.

Dagegen richten sich die Berufung, mit denen die Kläger ihr Begehren weiterverfolgen. Sie vertreten nach wie vor die Auffassung, dass sie sich das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter nicht zurechnen lassen müssten. Die Leistungen nach dem AsylbLG würden ohnehin ein Niveau betreffen, welches gerade noch das Existenzminimum abdecke. Eine weitere Einschränkung dieser Leistungen, ganz bewusst mit Strafcharakter, sei nur für die Personen vorzunehmen, die sich selbst etwas zu Schulden kommen lassen. Sie selbst seien aber zu keinem Zeitpunkt befragt worden.

Gleichzeitig mit der Berufungseinlegung wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Der Antrag wurde mit Senatsbeschluss vom 08.01.2008 mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 12.01.2006 sowie die Bescheide vom 29.10.2004 und 02.11.2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.08.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen für Oktober 2004 und darüber hinaus ungekürzte Geldleistungen zur Deckung persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (Taschengeld) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Regierung von Schwaben, der Ausländer-Akten der Stadt B. , die erledigte Akte BayLSG L 11 B 94/06 AY PKH sowie die erledigte Klageakte S 15 AY 7/05 des SG Augsburg sowie die Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig, denn sie sind insbesondere ordnungsgemäß eingelegt worden, da die erforderliche Prozessvollmacht vorlag.

Nach § 73 Abs.1 Satz 1 können sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens durch prozessfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und zu den Akten bis zur Verkündung der Entscheidung einzureichen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie kann die Bevollmächtigung unterstellt werden (§ 73 Abs.2 SGG).

Ordnungsgemäß hat der gesetzliche Vertreter seinerzeit Frau Rechtsanwältin B. M. mit der Wahrnehmung der Interessen der Kläger beauftragt. Die erteilte Vollmacht zur Einlegung der Berufung am 20.02.2006 enthält zwar kein Datum. Aus den Gesamtumständen ergibt sich aber, dass sie zeitnah erteilt wurde, da sie am 27.02.2006 von der C. übersandt wurde. Auch bestehen keine Bedenken wegen der erfolgten Fax-Übermittlung, da auch diese Übermittlungsweise ordnungsgemäß ist. Im Übrigen folgt auch aus der Ausländerakte die ordnungsgemäße Vollmachterteilung vom 18.11.2007.

Ausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor, da hier Leistungen für die Zeit ab Oktober 2004 begehrt werden.

Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 29.11.2004 und 02.11.2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 02.08.2005, mit denen die Beklagte eine Kürzung für Oktober 2004 in Höhe von 50 v.H. und ab November 2004 eine solche in Höhe von 100 v.H. vorgenommen hat.

Zutreffend verfolgen die Kläger ihr Begehren mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs.4 SGG.

Die zulässigen Berufungen sind aber unbegründet, da das SG zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 12.01.2006 die Klagen abgewiesen hat, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind.

Denn die Beklagte war berechtigt, die Bewilligung von Taschengeld für Oktober 2004 in Höhe von 50 v.H. bzw. ab 01.11.2004 in Höhe von 100 v.H. zu kürzen.

Die am 15.08.1989 bzw. 19.06.1999 geborenen Kläger sind im Besitz von Duldungen nach § 56a AuslG. Sie zählen somit zum Personenkreis des § 1 Abs.1 Nr.4 AsylbLG. Sie zählen auch zum Personenkreis des § 1 Abs.1 Nr.5 AsylbLG, denn sie sind vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seit 22.07.2004 bestandskräftig ist. Ihre Ausreise war jedoch nicht möglich, da die Eltern dem Ausländeramt der Beklagten weder einen gültigen Pass noch einen Passersatz vorgelegt haben. Das Verhalten der gesetzlichen Vertreter der Kläger in Bezug auf die Weigerung, bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitzuwirken, ist auch den Klägern zuzurechnen. Denn insoweit gilt der Grundsatz, dass das Verhalten des Vertreters prinzipiell dem Vertretenen zuzurechnen ist. Die durch ein missbräuchliches Verhalten der gesetzlichen Vertreter ausgelöste Anspruchseinschränkung muss in einem Familienverbund mit minderjährigen Kindern jeden, also auch die Kinder, gleich treffen. Trotz der eigenen Leistungsberechtigung der Kinder auf Grund der erteilten eigenständigen Duldung sind sie nicht losgelöst vom Familienverbund zu sehen. In Bezug auf die 1999 geborene Klägerin zu 2) ist schon auf Grund ihres Alters offensichtlich, dass sie nicht eigenständig gegenüber der Aserbaidschanischen Botschaft zur Erlangung eines Passes bzw. eines Passersatzes und zur Identitätsklärung handeln kann. Bei dem erst während des Verfahrensablaufs volljährig gewordenen Kläger zu 1) konnte während seiner Minderjährigkeit keine eigenständige Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung erwartet werden. Daraus folgt, dass es den beiden seinerzeit minderjährigen Kindern gar nicht möglich war, selbständig dafür Sorge zu tragen, dass zumindest ihnen gegenüber aufenthaltsbeendende Maßnahmen vollzogen werden, sondern sie teilen auch bei einer eigenen Leistungsberechtigung auf Grund einer eigenständigen Duldung das Schicksal des Familienverbunds, das durch das Handeln und den Willen der Sorgungsberechtigten bestimmt wurde.

Im Übrigen entspricht es bislang der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass sich minderjährige Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter insoweit zurechnen lassen müssen, als Art und Umfang ihres Hilfeanspruches betroffen sind (vgl. dazu VGH BW vom 14.09.1994 FEVS 46, 27; BayVGH vom 06.12.2004 Az.: 12 CE 04.3015 und vom 27.02.2002 Az.: 12 CE 01.2945; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, AsylbLG, SGB II und BKGG, 3. Auflage 2005 § 1a AsylbLG Rdnr.15 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass im Einzelfall ein Missbrauch des Sorgerechts vorliegt, oder dass hier allein höchstpersönliche Mitwirkungspflichten der minderjährigen Kläger inmitten standen (vgl. dazu GK-AsylbLG, § 1a Rdnr.36), sind weder ersichtlich noch dargetan. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus der Berufungsschrift vom 27.01.2006. Darauf, dass es sich bei den Leistungen nach dem AsylbLG um Individualansprüche handelt, kommt es nicht an, denn die zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen erforderliche Mitwirkungspflichten sind nicht höchstpersönlicher Natur.

Darüber hinaus ist eine vorgenommene Kürzung bzw. Einstellung der Bewilligung des Geldbetrages zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens auch schon deshalb nicht unverhältnismäßig angesichts des dauerhaften Verweigerns der Mitwirkung der Eltern am Vollzug aufenthaltsbeendigender Maßnahmen nach § 1a Nr.2 AsylbLG, weil das Taschengeld nicht vom verfassungsrechtlichen Existenzminimum umfasst ist.

Somit waren die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 12.01.2006 zurückzuweisen.

Auf Grund des Unterliegens der Kläger sind ihnen keine Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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