L 4 KR 100/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 566/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 100/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21. November 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Beitragsforderung zur klägerischen Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund nachträglicher Neuberechnung in Höhe von zuletzt 2.765,72 EUR plus 515,00 EUR Säumniszuschläge.

Die 1964 geborene Klägerin war bei der Beklagten in der Krankenversicherung vom 01.07.2001 bis 30.04.2003 freiwillig als hauptberuflich Selbstständige versichert. Am 02.07.2001 erließ die Beklagte einen Bescheid, der im Original nicht mehr vorliegt, mit dem die Klägerin in die Beitragsklasse 605 unter geschätzten beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 5.000,00 DM monatlich eingestuft wurde. Der Monatsbeitrag wurde auf 662,00 DM für die Kranken- und 58,86 DM für die Pflegeversicherung festgesetzt, den die Klägerin auch bezahlt hat. Auf den Vorbehalt endgültiger Prüfung wurde hingewiesen und die Klägerin aufgefordert, den Einkommensteuerbescheid baldmöglichst vorzulegen, um danach die Beitragsberechnung endgültig vorzunehmen. Im beigefügten Merkblatt hieß es, dass die Einnahmen grundsätzlich anhand der vom Versicherten vorgelegten Einkommensunterlagen festgesetzt würden und Ausnahmen nur bei neuer Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gemacht werden könne. Das in solchen Fällen geschätzte Einkommen werde nur unter Vorbehalt anerkannt und nach Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides überprüft und ggf. Beiträge nacherhoben. Nach den Aufzeichnungen der Beklagten erinnerte sie die Klägerin mit Formblattschreiben vom 26.11.2002 und 28.04.2004 an die Vorlage der Steuerbescheide, ohne dass diese darauf reagierte.

Am 01.07.2004 teilte das Finanzamt K. der Beklagten auf Anfrage mit, dass der am 06.05.2003 bereits erstellte Einkommensteuerbescheid 2001 neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 50.696,00 DM aufweise. Der Einkommensteuerbescheid für 2002 sei noch nicht erstellt worden. Daraufhin erließ die Beklagte am 01.07.2004 zwei Bescheide. Darin legte sie jeweils auf der Grundlage der Auskunft des Finanzamtes für das Jahr 2001 rückwirkend Einnahmen und zwar monatlich statt 5.000,00 DM nunmehr 6.525,00 DM fest. Diese Höhe der Einnahmen gelte auch für das Jahr 2002 und die vier verbleibenden Monate Januar bis April 2003. Aus der Differenz zu den tatsächlich gezahlten Beiträgen errechnete die Beklagte für beide Versicherungen eine Nachforderung von 668,28 EUR für 2001 und 2.077,44 EUR für die Folgezeit. Die Zahlungsaufforderung wiederholte die Beklagte im weiteren Bescheid vom 08.10.2004 und korrigierte sie in den Bescheiden vom 03.12.2004 und 18.01.2005 für 2001 auf 676,92 EUR 2002 1.527,72 EUR 2003 570,22 EUR. Dazu erließ sie am 21.01.2005 eine vollstreckbare Ausfertigung über 2.936,72 EUR einschließlich 189,00 EUR Säumniszuschläge.

Mit ihrem Widerspruch gegen diese Bescheide machte die Klägerin eine Gegenrechnung auf, bei der sie mit dem Gewinn 2001 einen Verlustausgleich verrechnete und ihn auf 12 statt 6 Monate verteilte. 2002 und 2003 seien ihre Einnahmen noch geringer gewesen, sodass sie tatsächlich 1.499,69 EUR zuviel bezahlt habe. Diese Rechnung korrigierte die Klägerin dann für das Jahr 2001.

Den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 28.07.2004 legte sie am 27.06.2005 vor. Mit weiterem Schreiben vom 05.07.2005 erläuterte die Beklagte ihre Berechnung erneut, nämlich dass sie für das Jahr 2001 von monatlichen Einnahmen von 3.493,15 EUR ausgehe, was auch für die Folgezeit gelte, da ein neuer Einkommensteuerbescheid erst nach den Jahren 2002 und 2003 vorgelegt worden sei. Im Übrigen sei ein Verlustausgleich zwischen zwei verschiedenen Einnahmearten nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2005 bestätigte die Beklagte ihre Auffassung, dass für die gesamte Versicherungszeit für die Klägerin Einnahmen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze anzusetzen und damit entsprechende Nachforderungen zu erheben seien. Der Vorbehaltsbescheid vom 02.07.2001, dessen Inhalt sich angesichts der höheren Einnahmen als falsch herausgestellt habe, sei auf der Grundlage des § 45 SGB X aufzuheben und stattdessen der richtige Beitrag zu bezahlen, ebenso wie Säumniszuschläge und eine Mahngebühr von 2,00 EUR. Dem widersetzte sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 05.12.2005 und wiederholte darin ihre Gegenrechnung aus dem Widerspruch. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.11.2006, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom gleichen Tage ab. Dazu führt es unter Bezug auf BSG vom 22.03.2006 - SGb 07, 173 aus, dass die Beklagte den vorläufigen Bescheid habe korrigieren können und zwar entsprechend dem zu versteuernden Einkommen 2001 mit seinem höheren Gewinn. Der spätere Nachweis niedrigerer Einkünfte durch den Einkommensteuerbescheid 2002 habe daran nichts mehr ändern können. Richigerweise habe die Beklagte auch die Verluste aus der Vermietung im Jahre 2001 in Höhe von 13.744,00 DM nicht mindernd auf die Einkünfte aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit angerechnet, sodass die Beitragsbemessung korrekt erfolgt sei.

Die dagegen am 14.03.2007 eingelegte Berufung wird damit begründet, dass die Vorläufigkeit des Erstbescheides auch im Nachhinein erfordere, für die Versicherungszeit die Einnahmen zum Lebensunterhalt nach den tatsächlichen Einnahmen zu bestimmen, da es sich ja hier um ein abgeschlossenes Versicherungsverhältnis handle.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21.11.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 01.07.2004 ergänzt durch die Bescheide vom 18.10.2004, 15.02.2005, 01.06.2005, 25.07.2005 und 06.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2005 aufzuheben.

Die Beklagte dagegen hält die Steuerbescheide 2002 und 2003, die erst weit nach den streitigen Beitragszeiten erlassen wurden für nicht mehr ausschlaggebend und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen und den der beigezogenen Akten.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist gemäß den §§ 143 ff SGG zulässig. In der Sache ist sie unbegründet, das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Augsburg ist nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat die nachgeforderten Beitragsteile - hinsichtlich der Pflegeversicherung gilt die Unterwerfungsvereinbarung vom 29.06.2007 - zu bezahlen. Sie ist für die Krankenversicherung Schuldnerin gemäß den §§ 250 Abs.2, 252 SGB V, die auch für die Pflegeversicherung gelten.

Die Beitragshöhe ist von der Beklagten zutreffend ermittelt und festgesetzt worden und dabei die zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage korrekt errechnet worden. Die Ausführungen des Sozialgerichts in Anlehnung an das Urteil des BSG vom 22.03.2006 aaO treffen vollumfänglich zu. In den Entscheidungsgründen dazu hat sich das BSG ausführlich mit der Wirkung eines vorläufigen Verwaltungsaktes (hier also der vom 02.07.2001) auseinandergesetzt, wie auch mit den der Verwaltung an die Hand gegebenen Möglichkeiten, einen solchen Vorbehalt zu beenden. Die dortigen Ausführungen, mit denen sich die Berufung in keiner Weise auseinandersetzt, treffen auch hier zu.

Wie bei anderen freiwillig Versicherten orientiert sich bei der Klägerin die Beitragsbemessung ihrer Krankenversicherung an den beitragspflichtigen Einnahmen. Jedoch unterliegt sie als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige einer Einnahmefiktion, nämlich dass ihr Einnahmen zugeschrieben werden, die die Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze erreichen, unabhängig davon, ob ihre tatsächlichen Einnahmen höher oder geringer sind (§ 240 Abs.4 Satz 2 SGB V). Allerdings macht der Gesetzgeber und darauf aufbauend die Beklagte in § 22 ihrer Satzung davon eine Ausnahme, nämlich bei Nachweis niedrigerer Einnahmen mit der Untergrenze des 40. Teils der Beitragsbemessungsgrenze. Das waren im Jahre 2001 112,00 DM täglich. Die Klägerin schätzte ihren Monatsverdienst ab 01.07.2001 mit 5.000,00 DM ein. Nach diesen Angaben richtete sich die Beitragseinstufung im Bescheid vom 02.07.2001, jedoch hatte die Beklagte im Hinblick auf den für die Beitragsermäßigung vom Gesetzgeber in § 240 Abs.2 Satz 2 SGB V geforderten Nachweis geringerer Einnahmen, den die Klägerin bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht führen konnte, die Beitragseinstufung nur vorläufig getroffen. Das sollte gelten bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides zur selbstständigen Tätigkeit. Dies ist der Inhalt des Bescheides, der zwar im Original von den Beteiligten nicht mehr vorgelegt werden konnte, an dessen Inhalt der Senat aber nicht zweifelt. Aus dem Bescheid selbst wie auch dem beigefügten Merkblatt ging ein solcher Vorbehalt der Prüfung und der endgültigen Einstufung deutlich hervor. Eine solche Regelung zugunsten ihrer Versicherten, also die vorläufige Anerkennung einer Schätzung, statt einen Nachweis zu verlangen, ist der Beklagten auch auf der Grundlage des § 32 Abs.2 Nr.3 SGB X möglich gewesen. Dies hat das BSG am 22.03.2006 a.a.O. unter Nr.17 in umfassender Ausführlichkeit dargelegt, wovon abzuweichen der erkennende Senat keinen Anlass hat.

Es ist dem BSG auch dahin zu folgen, als es anders als die Beklagte noch in ihrem Widerspruchsbescheid, die vorläufige Regelung im Vorbehaltsbescheid, hier also den Bescheid vom 02.07.2001, entfallen lässt, ohne dass jener ausdrücklich nach den Bestimmungen des § 45 SGB X aufzuheben ist. Dazu führt das BSG unter Nr.12 aus: "Die Bindungswirkung eines bestandskräftig gewordenen einstweiligen Verwaltungsakts schafft zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des endgültigen Verwaltungsakts und ist von vorneherein auf Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt angelegt, ohne den Verwaltungsträger bei Erlass des endgültigen Verwaltungsakts zu binden. Mit seinem Erlass erledigt sich die vorläufige Regelung im Sinne von § 39 Abs.2 SGB X ...".

In ihrer gesamten Versicherungszeit bei der Beklagten hat die Klägerin den Nachweis ihrer tatsächlichen Einnahmen nicht erbracht. Den am 06.05.2003 vom Finanzamt K. erlassenen Einkommensteuerbescheid, mit dem Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 50.696,00 DM besteuert wurden, hatte die Klägerin trotz entsprechender Erinnerungen nicht an die Beklagte weitergeleitet. Vielmehr erfuhr die Beklagte erstmalig am 01.07.2004 von diesen Einnahmen nach direkter Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt. Am gleiche Tage korrigierte sie die ursprünglich zu niedrige Festsetzung und ersetzte die vorläufige durch eine endgültige Regelung. Das geschah zu diesem Zeitpunkt. Danach bestand keine vorläufige Regelung mehr, die durch Wegfall eines Vorbehaltes zu korrigieren war. Damit stellte die Beklagte die Grundsituation wieder her, nämlich dass bei einer selbstständig Gewerbetreibenden von der Beitragsbemessungsgrenze auszugehen ist. Am Tage dieser Entscheidung, dem 01.07.2004, lag ein Nachweis von einem nach dem 31.12.2001 möglicherweise niedrigeren Einkommen nicht vor, sodass kein Anlass bestand, bei der Korrektur des abgelaufenen Beitragszeitraums 01.07.2001 bis Vertragsende 30.04.2003 von anderen Werten auszugehen. Als dann am 27.06.2005 der Einkommensteuerbescheid 2002 vorgelegt wurde, ließ sich angesichts des beendeten Versicherungsverhältnisses keine günstigere Regelung für die Zukunft mehr treffen. Denn erst infolge eines Nachweises, der für 2003 bis zur mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt worden ist, lässt sich für die Zeit nach dessen Vorlage eine Beitragsanpassung realisieren und zwar ab dem ersten Tag des Folgemonats (§ 240 Abs.2 Satz 3 SGB V).

Dass der geltend gemachte vertikale Verlustausgleich nicht möglich ist, hat das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt, worauf Bezug genommen wird. Hier ist auf das vom SG zitierte Urteil des BSG vom 09.08.2006 - B 12 KR 8/06 R (SozR 4-2500 § 240 Nr.8) zu verweisen, das die frühere Rechtsprechung dazu bestätigt. Die Berechnung der Säumniskosten sind als solche nicht angezweifelt worden. Sie beruhen auf § 24 Abs.1 SGB IV.

Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, ergeben sich aufgrund der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht.
Rechtskraft
Aus
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