L 5 KR 68/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 R 1610/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 68/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. August 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung.

Die Klägerin ist ein in M. ansässiges Bauunternehmen. Die aus Rumänien stammenden Beigeladenen zu 6) bis 12) waren vorübergehend als Bauarbeiter bei der Klägerin beschäftigt.

Das Finanzamt M. für Körperschaften machte mit Haftungsbescheid vom 13.09.1995 Steuernachforderungen für die Jahre 1991 bis 1995 geltend, u.a. weil die Klägerin den beigeladenen Bauarbeitern Entschädigungen zur Abgeltung für Mehraufwendungen bei auswärtiger Beschäftigung (Auslösen) steuerfrei ausgezahlt hatte, diese jedoch lohnsteuerpflichtiges Entgelt darstellten. Steuerfreiheit - so der Bescheid - bestehe nicht, weil die Auslösen nicht zusätzlich zum vereinbarten Monatslohn geleistet, sondern aus dem ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt in steuerfreie Auslösen umgewandelt worden seien.

In Auswertung der Steuerunterlagen führte die Beklagte eine Betriebsprüfung der Klägerin durch und forderte mit Bescheid vom 30.11.1998 für den Prüfzeitraum 01.12.1993 bis 31.12.1997 Ge-samtsozialversicherungsbeiträge iHv 126.914,32 DM nach mit der Begründung, die Klägerin habe Auslösen als zusätzlich gezahlt und damit steuer - und sozialversicherungsfrei angesehen, obgleich diese zum versicherungspflichtigen Entgelt zählten. Sie habe bei den Beigeladenen zu 6) bis 12) den Festlohn zu Gunsten einer Auslöse gekürzt. Es liege somit eine verdeckte Entgeltzahlung vor, so dass die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern seien. Zudem seien 241,20 DM Beiträge für den Arbeitnehmer S. B. nachzuzahlen.

Dagegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt mit der Begründung, sie habe den Lohnsteuerhaftungsbescheid nur wegen einer gleichzeitigen Steuerrückerstattung akzeptiert. Tatsächlich seinen die Auslösen steuer- und beitragsfrei. Beispielsweise ergebe sich für den Beigeladenen zu 7) im Monat Oktober ein Festlohn von 690,00 DM und eine Auslöse von 2.550,00 DM. Dies entspreche für 30 Tage einer täglichen Auslöse von 85,00 DM, wovon 46,00 DM pauschaler Verpflegungsmehraufwand bei doppelter Haushaltsführung und 39,00 DM Übernachtungsersatz seien. Darauf bestehe ein gesetzlicher und arbeitsvertraglich fixierter Anspruch, weil die rumänischen Arbeitnehmer an wechselnden Einsatzorten abweichend von der Wohnstätte eingesetzt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aus dem vorgelegten exemplarischen Arbeitsvertrag hätte sich bei 180 Arbeitsstun-den/Monat ein zu beanspruchendes Bruttoentgelt von 3.240,00 DM ergeben. Tatsächlich sei hiervon ein Betrag von 30 x 85,00 DM = 2.550,00 DM abgezogen worden, so dass als steuer- und bei-tragspflichtig von nur 690,00 DM verblieben seien, woraus sich ein Brutto-Stundenlohn von 3,83 DM errechne. Es sei abwegig, dass Arbeitnehmer, denen bei der Anwerbung ein Entgelt von DM 18,00/Stunde versprochen worden sei, diesen Stundenlohn akzeptiert hätten. Beitragsfreiheit der Auslösen sei nicht anzunehmen, weil diese nicht zusätzlich zum, sondern abzüglich vom vereinbarten Lohn gezahlt worden seien. Dieses Vorgehen habe die Beklagte erst nach der Lohnsteueraußenprüfung der Finanzbehörden aufgegeben.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben und Bescheidsaufhebung sowie Rückzahlung der gezahlten Beitragsnachforderung zuzüglich Zinsen beantragt. Sie hat zur Begründung auf das Widerspruchsvorbringen Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, es liege keine nachträgliche Entgeltumwandlung vor, vielmehr sei bereits im Arbeitsvertrag der Brut-tolohn abzüglich steuerfreier Auslöse vereinbart worden. Die Klägerin habe den rumänischen Bauarbeitern wegen Einsatzwechseltätigkeit eine Auslöse geschuldet, welche sie auch zusätzlich zum Lohn gezahlt habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt, den effektiven Bruttolohn als zu niedrig einzuschätzen, dies sei Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und habe sich am als zweifelhaft einzustufenden Ausbildungsstand und an den ebensolchen Fertigkeiten der rumänischen Bauarbeiter orientiert.

Mit Urteil vom 09.08.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die angefochtene Verwaltungsentscheidung Bezug genommen.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.08.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 64.890,26 Euro zuzüglich 10,75 % Zinsen hieraus seit dem 16.01.1999 zu bezahlen.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2008 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgeseetz - SGG), jedoch unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 30.11.1998/ Widerspruchsbescheid vom 12.08.1999 mit Ausnahme der Nachforderungen für den Arbeitsnehmer S. B ... Zum Erlass dieser Entscheidung war die Beklagte gemäß § 28p Abs 2 SGB IV zuständig und verpflichtet. Sie hat die an die beigeladenen rumänischen Bauarbeiter gezahlten Auslösen dem Grunde und der Höhe nach zu Recht der Beitragspflicht unterworfen, wie auch das angefochtene Urteil vom 09.08.2006 zutreffend ausführt.

Nach § 14 Abs.1 SGB IV (§ 173a AFG in der bis 31.12.1997 gültigen Fassung) sind zu verbeitragendes Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder in Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelts in § 14 Abs.1 SGB IV erfasst solche Einnahmen, die den Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil vom 07.03.2007 - B 12 KR 4/06 R m.w.N.).

In Ausfüllung dieses Begriffes bestimmt die aufgrund § 17 SGB IV erlassene Arbeitsentgeltverordnung, dass einmalige Einnahmen, laufende Zahlungen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden (§ 1 Arbeitsentgeltverordnung). Ergänzend regeln §§ 2 und 3 Arbeitsentgeltverordnung, dass bestimmte Leistungen - die hier nicht näher zu erörtern sind - beitragsfrei bleiben.

Die den beigeladenen rumänischen Arbeitnehmern gezahlten Leistungen, die die Klägerin in den abgeschlossenen Arbeitsverträgen als "Auslöse" bezeichnet hat, erfüllen die Anforderungen der Beitragsfreiheit nicht, die § 1 Arbeitsentgeltverordnung stellt. Es fehlt an der Zahlung zusätzlich zum Arbeitsentgelt, wie dies auch im Steuerrecht § 3 Nr 16 EStG erfordert (vgl. BFH Urteil vom 27.04.2001 - VI R 2/98). Tatsächlich stellen die "Auslösen" lediglich umgewandeltes geschuldetes Arbeitsentgelt dar. Aus den Unterlagen der Beklagten und vor allem aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die die Klägerin bis zur Umstellung ihrer Praxis in Folge der Lohnsteueraußenprüfung mit den betroffenen beigeladenen Arbeitnehmer getroffen hat, ergibt sich, dass dort ein Stundenlohn von 18,00 DM bei rund 180 Arbeitsstunden/Monat vereinbart war. Arbeitsvertraglich ist für die beigeladenen Bauarbeiter als Entgelt bestimmt: "steuerfrei: Auslösen aufgrund doppelte Haushaltsführung ca. 85,00 DM je Tag/steuerpflichtig: Stunden x 18,00 DM abzüglich Auslöse". Das Arbeitsentgelt, das die Klägerin den Arbeitnehmern für deren Leistung geschuldet hat umfasst also einen Stundenlohn von 18,00 DM. Die Auslösen waren nicht als zusätzliche Leistung zu erbringen, sondern waren ein Abzugsposten. In dem Umfange von geleisteten Stunden x 18,00 DM ist das Arbeitsentgelt somit der Beitragspflicht unterworfen.

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Klägerin, die Auslösen seien zuzüglich zu den geschuldeten Entgelten gezahlt worden. Dies widerlegt die ausdrückliche Formulierung der Arbeitsverträge. Insoweit geht die Klägerin, die die Auslösen als steuerfrei bezeichnet hat, unzutreffend davon aus, es unterliege ihrer Disposition, einen wirksamen Vertrag nach der jeweiligen Individualnützlichkeit auszulegen. In Anbetracht der Umstände sind somit die Zahlungen der Klägerin als einheitliche Gegenleistungen für die erbrachten Arbeiten anzusehen.

Weil die Beklagte die Nachforderungsbeiträge - wie dargelegt - dem Grunde nach zutreffend bestimmt und auch der Höhe nach richtig berechnet hat, bleibt die Berufung in vollem Umfange ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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