L 19 R 43/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 389/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 43/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 373/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.09.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Altersrente streitig.

Der 1933 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Nach dem Kontospiegel vom 09.10.2003 war er in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum von 10.08.1966 bis 31.03.1976 versicherungspflichtig beschäftigt und ist danach wieder in die Türkei zurückgekehrt.

Mit Bescheid vom 29.11.1977 erstatte die LVA Rheinprovinz die vom 10.08.1966 bis 31.03.1976 zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge in Höhe von 12.735,80 DM.

Den Antrag des Klägers vom 05.04.2002 auf Beitragserstattung bzw. Rente wies die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2003 unter Hinweis auf die erfolgte Beitragserstattung zurück. Mit Schreiben vom 05.05.2003 machte der Kläger geltend, dass er sich nicht an eine Auszahlung seiner Beiträge erinnern könne. Er beantrage erneut Rente von der Beklagten. Hingegen räumte der Kläger mit Schreiben vom 15.09.2003 an die LVA Rheinprovinz ein, dass er seine Beiträge zurückerhalten habe. Die Beiträge seiner Arbeitgeber seien von der Beklagten einbehalten worden. Er lege Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 07.11.2003 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 05.09.2003 sowohl eine Rentenzahlung als auch eine Beitragserstattung im Hinblick auf die von der LVA Rheinprovinz mit Bescheid vom 29.11.1977 erstatteten Beiträge in Höhe von 12.735,80 DM ab. Weitere Beiträge zur deutschen Rentenversicherung seien vom Kläger nicht mehr entrichtet worden. Damit seien keine auf die Wartezeit anrechnungsfähigen Zeiten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr vorhanden. Daraufhin beantragte der Kläger am 05.01.2004 erneut Rente aus den Arbeitgeberbeiträgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13.03.2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 06.05.2004 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Er habe in der Türkei bei der S.S.K (türkische Renten- und Krankenversicherung) eine Rente beantragt. Die S.S.K habe von ihm eine Nachzahlung der Beiträge von der Zeit an verlangt, in der er in Deutschland gewesen sei. Er habe damals 2 (US)$ für jeden Tag von der Zeit in Deutschland an die S.S.K zahlen müssen. Also seien die Beiträge, die er von der Beklagten zurückerhalten habe, an die S.S.K als Nachzahlung gegangen. Wenn seine Zeit in Deutschland mit einer Nachzahlung an die S.S.K übertragen werden könne, so müssten die Beiträge von seinen Arbeitgebern auch an die S.S.K übertragen werden.

Mit Urteil vom 06.09.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger besitze keinen Anspruch auf Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Unter Berücksichtigung der durchgeführten Beitragserstattung seien keine auf die allgemeine Wartezeit anrechnungsfähigen Versicherungszeiten mehr vorhanden. Durch die Beitragserstattung seien gemäß § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten, also im Fall des Klägers aus den Versicherungszeiten für den Zeitraum August 1966 bis März 1976, ausgeschlossen. Sie könnten daher auch nicht mehr im Rahmen der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit als Voraussetzung für eine Altersrente berücksichtigt werden. Nachdem der Kläger nach dem Zeitpunkt der erfolgten Beitragserstattung keinerlei Versicherungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr zurückgelegt habe, seien somit keine Zeiten vorhanden, welche auf die allgemeine Wartezeit als Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente angerechnet werden könnten. Die Beitragserstattung gemäß § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO sei ausdrücklich auf die Hälfte der entrichteten Beiträge (dies entspreche den sog. Arbeitnehmerbeiträgen) begrenzt. Auch in der ab 01.01.1992 geltenden Vorschrift des § 210 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) finde sich die Bestimmung, dass Beiträge lediglich in der Höhe erstattet werden, in der die Versicherten sie getragen hätten. Nach § 210 Abs 6 SGB VI werde mit der Beitragserstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ein Anspruch auf Versichertenrente aus den sog. Arbeitgeberbeiträgen sei aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage ausgeschlossen. Die deutsche Rentenversicherung habe im Zusammenhang mit der Nachzahlung von Beiträgen an den türkischen Rentenversicherungsträger weder die vom Kläger selbst zur deutschen Rentenversicherung geleisteten Beiträge noch die vom Arbeitgeber entrichteten Beiträge an die türkische Rentenversicherung zu übertragen. Dies sei auch rechtlich nicht möglich und nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen nicht vorgesehen.

Hiergegen richtet sich die beim SG am 03.01.2008 und beim BayLSG am 10.01.2008 eingegangene Berufung des Klägers, die nicht begründet wurde.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.09.2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 13.03.2003 und 07.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Zurückweisung der Berufung gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 06.09.2007.

Ein Anspruch auf Versichertenrente bestehe nicht, da keine auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren Zeiten vorhanden seien.

Das Gericht hat die Akte der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung des Klägers erweist sich jedoch als nicht begründet. Streitgegenstand ist sowohl der Bescheid der Beklagten vom 13.03.2003 als auch der Bescheid vom 07.11.2003, der eine "wiederholende Verfügung" (s. hierzu: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 14.Aufl, Anh § 42 Rdnr 29) darstellt, weil der Regelungsgehalt des Bescheides vom 13.03.2003 nicht geändert wurde. Das bei der Beklagten am 05.05.2003 eingegangene Schreiben des Klägers vom 25.04.2003 ist - auch wenn es nicht als solches bezeichnet wurde - als Widerspruch zu werten, denn der Kläger hat sich innerhalb der Widerspruchsfrist gegen die Ablehnung der Gewährung einer Altersrente bzw. Beitragserstattung gewandt; die Einlegung eines Widerspruchs ist auch das "vernünftigerweise Gewollte" (s. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 8.Auflage, Vor § 60 Rdnr 11a).

Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 06.09.2007 die Klage abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Altersrente.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) liegen nicht vor. Der Kläger hat nämlich aufgrund der durchgeführten Beitragserstattung die für die Gewährung einer Altersrente erforderliche Wartezeit gemäß §§ 34 Abs 1, 50 Abs 1 Nr 1 SGB VI nicht erfüllt. Versicherte haben Anspruch auf Rente, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen vorliegen, § 34 Abs 1 SGB VI. Regelaltersrente wird ab dem vollendeten 65. Lebensjahr und der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit gewährt, § 35 SGB VI.

Der Kläger erfüllt nicht die allgemeine Wartezeit, weil seine Rentenanwartschaften - worauf das Erstgericht zutreffend hinweist - seit der mit Bescheid vom 29.11.1977 durchgeführten Beitragserstattung erloschen sind. Nach dem zum Zeitpunkt der Beitragserstattung gültigen Recht der RVO schließt die Erstattung weitere Ansprüche aus den bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten aus, § 1303 Abs 7 RVO. Ansprüche aus dem bisherigen Versicherungsverhältnis erlöschen.

Eine Rentenanwartschaft hätte nur durch nachfolgende Beitragszeiten neu begründet werden können. Der Kläger hat jedoch nach der Beitragserstattung keine weiteren Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr entrichtet.

Die für eine Altersrente erforderliche Wartezeit gemäß §§ 34 Abs 1, 50 Abs 1 Nr 1 SGB VI ist somit nicht erfüllt.

Zu erstatten war nur die Hälfte der entrichteten Beiträge, d.h. die vom Kläger (Versicherten) selbst getragenen Beiträge, § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO. Die Erstattung der vom Arbeitgeber getragenen Anteile zur Rentenversicherung ist hingegen vom Gesetz ausgeschlossen.

Auch nach dem zwischenzeitlich zum 01.01.1992 in Kraft getretenen Recht des Sozialgesetzbuchs VI ist keine inhaltliche Änderung hinsichtlich der zu erstattenden Anteile eingetreten. Rentenversicherungsbeiträge werden weiterhin nur in der Höhe erstattet, in der die Versicherten diese getragen haben, § 210 Abs 3 Satz 1 SGB VI. Nach wie vor schließt das Gesetz somit die vom Kläger erstrebte Erstattung der Arbeitgeberanteile aus. Somit besteht weder nach dem Recht der RVO noch nach demjenigen des SGB VI ein Anspruch auf Erstattung der vom Arbeitgeber entrichteten Beitragsanteile. Dies gilt auch trotz des Umstands, dass der Arbeitgeber aufgrund der hälftigen Beitragstragung zugunsten des Versicherten Beiträge auf dessen Versicherungskonto entrichtet.

Die Beschränkung der Beitragserstattung auf den Arbeitnehmeranteil ist mit dem Verfassungsrecht vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen das Willkürverbot (vgl. dazu beispielhaft: BSG SozR 2200 R 1303 Nr 18, 33; BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr 19, 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2; BSG Beschluss vom 31.07.2007 Az: B 5a/4 R 199/07 B; BayLSG, Urteil vom 31.01.2007 Az: L 20 R 592/06).

Zu Unrecht geht der Kläger daher davon aus, dass er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übertragung der vom Arbeitgeber getragenen Beiträge auf sein Versicherungskonto bei dem türkischen Rentenversicherungsträger hat. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann gemäß § 153 Abs 2 SGG abgesehen werden, weil das Gericht die Berufung im Übrigen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 06.09.2007 zurückzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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