L 2 U 309/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 27/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 309/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme von Behandlungskosten wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 12. Februar 1993.

Am 6. April 1993 berichteten die behandelnden Ärzte, es bestünden nur noch Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule bei längerer Belastung. Am 17. Juni 1993 gab der Kläger an, die Beschwerden besserten sich, die Muskulatur sei aber deutlich verspannt. Am 27. Juli 1993 gab er massive Beschwerden im Bereich der Rückenmuskulatur an. Im August 1993 wurde der Kläger im Krankenhaus Bad A./ H. untersucht. Er gab an, zunächst sei eine stetige Besserung der Beschwerden eingetreten, seit Mai 1993 aber eine wesentliche Verschlechterung. Am 8. Dezember 1993 berichteten die Ärzte des Zentralklinikums A. über eine deutliche Besserung der Beschwerden.

Im Gutachten vom 15. März 1995 führte der Neurochirurg Dr. J. aus, der Kläger gebe Beschwerden bei stärkerer körperlicher Belastung an. Außer einer leichten Sensibilitätsstörung im Bereich des vierten und fünften Fingers bestünden keine Ausfallerscheinungen, somit keine MdE auf neurochirurgischem Fachgebiet. Der Chirurg Prof. Dr. B. erklärte im Gutachten vom 14. März 1995, die MdE sei mit 20 v.H. zu bewerten. Der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. B. , entgegnete in der Stellungnahme vom 6. Juni 1995, im klinischen Befund würden nur muskuläre Verspannungen angegeben. Es sei eine weitestgehende Ausheilung eingetreten. Die MdE sei auf 10 v.H. einzuschätzen.

Mit Bescheid vom 21. Juli 1995 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da die Folgen der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen über den 6. Februar 1995 hinaus keine MdE in rentenberechtigendem Grad mehr bedingten. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 1996 zurückgewiesen.

Im Hinblick auf das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr. L. im Klageverfahren vom 24. September 1996 wurde dem Kläger mit Bescheid vom 10. Januar 1997 ab 7. Februar 1995 eine Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H. gewährt.

Der Kläger beantragte am 20. Mai 1999 eine Erhöhung der MdE auf mindestens 50 v.H., da die Schmerzen unerträglich seien. Dr. L. führte im Gutachten vom 5. August 1999 aus, eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. September 1999 ab.

Gegenüber dem Chirurgen Dr. U. klagte der Kläger am 28. September 1999 über starke Schmerzen an der Lendenwirbelsäule. Dr. U. hielt eine Objektivierung der Schmerzen für nicht möglich, ebenso der Chirurg Dr. P ...

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 1999 zurück. Im hiergegen gerichteten Klageverfahren (S 3 U 22/00) wies das Sozialgericht Augsburg die Klage mit Urteil vom 14. September 2000 ab. Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. hatte im Gutachten vom 18. April 2000 ausgeführt, die Wirbelsäulenbrüche erklärten nicht das streckenweise vehement vorgebrachte Beschwerdebild. Eine Depression liege nicht vor und werde auch nicht behandelt. Es könne von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ausgegangen werden, die in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auftrete, hier die emotionalen Probleme im Zusammenhang mit der Übersiedlung aus der DDR. Es bleibe eine deutliche Diskrepanz zwischen Art und Ausmaß der geklagten Schmerzen und dem objektivierbaren Befund. Da für verheilte Wirbelbrüche eine MdE um 10 bis 20 v.H. angesetzt werde, sei mit einer MdE von 20 v.H. bereits eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzsymptomatik anerkannt.

Im Berufungsverfahren (L 3 U 433/00) erklärte der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. B. im Gutachten vom 13. Januar 2002, beim Kläger sei es zu einer über das normale Maß hinausgehenden Schmerzhaftigkeit mit deutlicher Chronifizierung im Sinne der Entstehung einer eigenen Krankheit, die nicht mehr im Rahmen der biologischen Kausalkette liege, gekommen. Daher sei die MdE ab 1. Februar 2000 auf 30 v.H. einzuschätzen; die Verschlimmerung bestehe in der Chronifizierung.

Mit Schreiben vom 5. Januar 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass wegen der Wirbelsäulenbeschwerden keine weitere Therapiemaßnahme für erforderlich gehalten werde. Somit könne eine Kostenübernahme nicht erfolgen. Mit Schreiben vom 25. April 2000 beantragte der Kläger die Kostenerstattung für vier Fahrten zu Behandlungen in der Schmerzambulanz des Universitätsklinikums U. sowie der Parkgebühren und der Zuzahlungen in Apotheken. Mit Schreiben vom 23. Mai 2000 lehnte die Beklagte eine Erstattung dieser Aufwendungen ab. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 24. Juli 2000 die Übernahme der Fahrtkosten zur Schmerzklinik.

Mit Bescheid vom 2. August 2000 lehnte die Beklagte die Erstattung der im Zusammenhang mit den Behandlungen in der Universitätsklinik U. entstandenen Aufwendungen ab. Auch die damit zusammenhängenden Fahrtkosten und Zuzahlungen für Medikamente würden nicht erstattet.

Den Widerspruch vom 23. August 2000 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2000 zurück. Prof. Dr. B. , Dr. L. , Dr. H. und Dr. P. hätten die Auffassung vertreten, dass wegen der Wirbelsäulenbeschwerden keine weiteren Therapiemaßnahmen erforderlich seien. Eine Besserung der Unfallfolgen könne dadurch nicht erzielt werden.

Der Orthopäde Dr. T. führte im Gutachten nach Aktenlage vom 31. Mai 2002 aus, es sei lediglich eine mäßige Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule erkennbar. Unter Berücksichtigung allgemein akzeptierter Bewertungsvorschläge lasse sich die unfallbedingte MdE eigentlich nur mit 10 v.H. beziffern. Die MdE von 20 v.H. schöpfe den Ermessenspielraum bereits sehr weitgehend aus. Eine Schmerzkrankheit als Unfallfolge komme nicht in Betracht. Die somatoforme Schmerzstörung sei eine unfallfremde Krankheitsentwicklung; offensichtlich hätten psychosoziale Gründe eine entscheidende Rolle gespielt

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. August 2002 nahm der Kläger die Berufung gegen das Urteil vom 14. September 2000 zurück.

Im gegen den Bescheid vom 2. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2000 gerichteten Klageverfahren (S 9 U 320/02) holte das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein Gutachten der Ärztin für Psychiatrie Dr. R. vom 29. Oktober 2004 ein. Dr. R. vertrat die Auffassung, der schwere Arbeitsunfall habe zunächst länger anhaltende organisch begründbare Schmerzen bedingt. Danach sei es zu einem zunächst sehr positiven Krankheitsverlauf bekommen. Eine Reihe somato-psychischer Synergismen habe das bestehende Krankheitsbild hervorgerufen. Die unfallbedingten Verletzungen hätten das jetzt bestehende Schmerzsyndrom angestoßen, auch wenn für dessen ausgeprägte Chronifizierung andere Ursachen mitverantwortlich seien. In der ergänzenden Stellungnahme vom 15. Dezember 2004 erklärte Dr. R. , der Unfall habe die seelischen Bewältigungsstrategien so sehr überfordert, dass die psychische Störung habe entstehen können.

Der Diplom-Psychologe W. führte in der Stellungnahme nach Aktenlage vom 30. Dezember 2004 aus, beim Kläger habe sich im Verlauf des Jahres 1995 eine anhaltende lumbale somatoforme Schmerzstörung entwickelt. Die Entwicklung dieses Schmerzsyndroms sei wesentlich ursächlich auf die Arbeitslosigkeit Ende 1994 zurückzuführen. Die Schmerzsymptomatik sei einerseits Ausdruck für seine psychische Krise, zum anderen habe das Krankheitsbild den psychologischen Sinn, die Beschäftigungslosigkeit dem Unfallereignis zuzuschreiben. Ein wesentlich ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der somatoformen Schmerzstörung bestehe nicht. Insofern bestehe auch nicht Behandlungsbedürftigkeit.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2005 lehnte die Beklagte die Erstattung von Kosten für Behandlungsmaßnahmen, Fahrtkosten und Zuzahlungen über den 2. August 2000 hinaus ab.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. September 2005 (im Klageverfahren S 5 U 320/02) nahm der Kläger die Klage gegen den Bescheid vom 20. Juni 2005 zurück. Die Klage gegen den Bescheid vom 2. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides und 29. November 2000 wurde abgewiesen.

Der Kläger übersandte der Beklagten eine Aufstellung über die 2001 und 2002 entstandenen Behandlungskosten.

Mit Bescheid vom 25. August 2006 lehnte die Beklagte die Erstattung von Fahrtkosten, Parkgebühren und Zuzahlungen für Medikamente, Krankengymnastik und stationärer Behandlung sowie von Praxisgebühren in Höhe von insgesamt 1462,71 ab. Im Zusammenhang mit der somatoformen Schmerzstörung seien insgesamt Kosten nur in Höhe von 798,28 belegt; die über diesen Betrag hinausgehenden Kosten seien nicht belegt. Auch die Kosten in Höhe von 798,28 könnten nicht erstattet werden, da die somatoforme Schmerzstörung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 12. Februar 1993 zurückzuführen sei.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2006 zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage begründete der Kläger damit, dass die somatoforme Schmerzstörung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen sei. Er übersandte einen Bericht der Schmerzklinik am A. , Bad M. , vom 12. März 2007 über die stationäre Behandlung von 24. Januar bis 7. März 2007: es handle es sich um ein posttraumatisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule und Brustwirbelsäule sowie des Fersenbeines. Ursächlich für die Schmerzen sei der Unfall.

Die Beklagte wandte ein, die somatoforme Schmerzstörung sei nicht in Zusammenhang mit dem Unfall zu sehen und habe sich auch erst anderthalb Jahre nach dem Unfall entwickelt.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Juli 2007 ab. Es sei letztlich nicht weiter aufklärbar, welches Gutachten zum richtigen Ergebnis komme. Durch den Behandlungsbericht der Schmerzklinik A. werde lediglich deutlich, dass eine erhebliche behandlungsbedürftige Schmerzstörung vorliege. Die in der Entscheidung des Sozialgerichts vom 20. September 2005 dargelegten nicht weiter aufklärbaren Anknüpfungspunkte des Krankheitsverlaufs mit anfänglicher Besserung, der persönlichen Situation des Klägers nach Verlust des Arbeitsplatzes und nach Übersiedlung aus der DDR würden in diesem Bericht nicht berührt. Die Feststellungen erschöpften sich in der Darlegung der Möglichkeit einer unfalbedingten Genese der Schmerzstörung. Die im Rahmen der Schmerzbehandlung angefallenen Kosten seien nicht unfallbedingt.

Zur Begründung der Berufung verwies der Kläger auf das Gutachten von Dr. R. sowie den Bericht der A.-Klinik. Er habe von Anfang an Schmerzen gehabt, so schon während des Heilverfahrens vom 23. September bis 25. Oktober 1993.

Der Kläger stellt den Antrag, den Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 24. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides am 19. Dezember 2006 zu verurteilen festzustellen, dass die somatoforme Schmerzstörung Folge seines Arbeitsunfalles vom 12. Februar 1993 ist mit der Konsequenz, dass ihm Behandlungskosten einschließlich Fahrtkosten zur Krankengymnastik und Zuzahlung betreffend Medikamente und Parkgebühren für die Zeit ab dem Jahr 2001 zu erstatten sind.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Gemäß den §§ 26 f. des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und auf ergänzende Leistungen. Die Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) umfasst auch die Versorgung mit Arznei, Heil- und Hilfsmitteln sowie die Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen. Voraussetzung für eine entsprechende Entschädigung ist, dass die Schäden rechtlich wesentlich durch den Versicherungsfall verursacht oder mitverursacht sind. Entschädigt werden die unmittelbaren Schäden sowie Folgeschäden, die sich im weiteren Verlauf schicksalsmäßig in rechtlich wesentlichem Zusammenhang mit dem Erstschaden ergeben.

Streitig ist im vorliegenden Fall, ob die somatoforme Schmerzstörung Folge des Arbeitsunfalles ist. Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BSGE 1, 150 ff.; BSG vom 12. April 2005, BSGE 94, 269). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung grundsätzlich festgestellt, dass es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ist eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannten Ursachen wesentlich und damit Ursachen im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSGE 12, 242 ff.). Die Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSGE 62, 220 ff.) Eine Gesundheitsstörung ist dann Folge eines Unfalls, wenn dieser im Verhältnis zu anderen Bedingungen nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen seiner besonderen Beziehung zum Erfolg zu deren Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Für das Bestehen des ursächlichen Zusammenhangs genügt nach der Rechtsprechung des BSG eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d.h., bei vernünftiger Abwägung aller Umstände muss den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommen, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann (vgl. BSGE 45, 286).

Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge ist möglich. Denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden (vgl. BSGE 61, 113). Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge ist zunächst die Prüfung, welche Ursachen für die psychischen Gesundheitstörungen nach der Bedingungstheorie gegeben sind und ob das Unfallereignis direkt oder mittelbar für diese Gesundheitsstörungen wesentlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung war.

Denn für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. BSGE 94, 269). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Trotzdem ist es nicht so, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben dem Arbeitsunfall einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war - weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte (vgl. BSGE 38, 127 ff.).

Aus dem rein zeitlichen Aufeinanderfolgen des Unfalls, der Behandlung der Unfallfolgen und der psychischen Gesundheitsstörung kann nicht gefolgert werden, dass die psychischen Gesundheitstörungen wesentlich durch den Unfall verursacht wurden. Dies würde zu einer Beweislastumkehr führen, für die keine rechtliche Grundlage zu erkennen ist (vgl. BSG vom 9. Mai 2006, BSGE 96, 196 ff.)

Im vorliegenden Fall ist nach Überzeugung des Senats die somatoforme Schmerzstörung nicht ursächlich auf den Unfall vom 12. Februar 1993 zurückzuführen. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Unfall und der Schmerzstörung ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Schwerwiegende Folgen des Unfalls vom 12. Februar 1993 lagen schon im April 1993 nicht mehr vor, wie sich aus den Berichten der behandelnden Ärzte ergibt. Der Kläger hatte Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule nur bei längerer Belastung; Untersuchungen des Organbefundes haben eine regelrechte Ausheilung der Frakturen ohne wesentliche posttraumatische Veränderungen gezeigt. Die chronifizierten Beschwerden können auf diese Unfallfolgen nicht zurückgeführt werden. Die kurz vor und kurz nach dem Unfall, unabhängig vom Unfall, eingetretenen belastenden Faktoren, wie die Übersiedlung aus der DDR und der Verlust des Arbeitsplatzes durch die Betriebsstilllegung, sind, wie Dr. H. überzeugend dargelegt hat, für die Entstehung der Schmerzstörung von wesentlicher Bedeutung gewesen. Grundsätzlich gehört die Disposition zur Entwicklung einer derartigen psychischen Erkrankung zu der unfallunabhängigen Persönlichkeit des Klägers. Zwar ist erst mit dem Unfallereignis die Entwicklung in Gang gekommen. Aber die Schwere der geklagten Schmerzen und deren Chronifizierung steht in keiner Beziehung zur Schwere des Unfallereignisses. Der Unfall ist als Auslöser und nicht als Ursache der Symptomatik zu sehen. Es ergibt sich lediglich ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Erkrankung, ohne dass eine kausale Verknüpfung bestünde.

Auch Dr. R. hat im Gutachten vom 29. Oktober 2004 die Auffassung vertreten, dass das Krankheitsbild hervorgerufen worden ist durch den Verlust des Arbeitsplatzes, die ausschließlich organmedizinisch ausgerichteten Behandlungsverfahren, die die psychische und psychosoziale Komponente völlig außer acht gelassen hätten, die langen Krankschreibungen und die juristischen Auseinandersetzungen. Wenn Dr. R. erklärt, die unfallbedingten Verletzungen hätten das jetzt bestehende Schmerzsyndrom angestoßen, für dessen Chronifizierung andere Ursachen mitverantwortlich seien, so liegt in dieser Beurteilung nicht die Bestätigung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des Unfallversicherungsrechts. Denn der Unfall wird von Dr. R. nicht als die wesentliche Ursache der somatoformen Schmerzstörung beurteilt. Der Diplom-Psychologe W. hat überzeugend erläutert, dass die Schmerzsymptomatik einerseits Ausdruck für eine psychische Krise ist, andererseits aber den psychologischen Sinn hat, die Beschäftigungslosigkeit dem Unfallereignis zuzuschreiben. Ein wesentlich ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der somatoformen Schmerzstörung besteht nicht.

Daher ist eine Erstattung der durch die Behandlung der Schmerzkrankheit entstandenen Kosten nicht begründet.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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