Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 101/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 28/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. August 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Heranziehung des Klägers zur Beitragszahlung bzw. die Rückerstattung geleisteter Beiträge in Höhe von 567,69 EUR.
Der Kläger errichtete in der Zeit von August 2004 bis August 2005 ein Einfamilienwohnhaus. Als private Helfer meldete dieser am 16. September 2005 sich, seine Ehefrau E. M. und seinen 1987 geborenen Sohn J. M. , letzteren mit insgesamt 260 Arbeitsstunden für Trockenbau-, Fließen- und Bodenarbeiten. Am 30. September 2005 erließ die Beklagte einen Beitragsbescheid für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in Höhe von 567,69 EUR, bezogen auf 260 Arbeitsstunden. Der Kläger zahlte den Betrag, erhob jedoch zugleich Widerspruch. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit seinem Sohn habe nicht vorgelegen. Auch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit scheide aus, da die Hilfeleistungen durch den Sohn nur sporadisch je nach dessen Leistungsmöglichkeit und Anfall erbracht worden seien. Dabei habe der Sohn im Wesentlichen eine eigene Angelegenheit betrieben, da es in seinem eigenen, wirtschaftlichen Interesse gelegen habe, sich eine kostenlose Wohnmöglichkeit zu verschaffen. Er habe ein eigenes Zimmer in dem Haus. Ohne die Eigenleistungen wäre die gesamte Familie nicht in der Lage gewesen, sich ein Haus zu bauen. Weder der Sohn noch die Eltern hätten aber die erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten gehabt, um die Arbeiten durchzuführen. Ein Bauleiter der Fertighausfirma sei vor Ort gewesen und hätte die Familienangehörigen für ihre Tätigkeiten eingewiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007 zurück. Insbesondere hätten die vom Sohn des Klägers geleisteten 260 Arbeitsstunden nach Art, Umfang und Zeitdauer den Rahmen verwandtschaftlicher Gefälligkeit überschritten. Er sei nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) versichert gewesen.
Mit der Klage zum Sozialgericht Regensburg begehrte der Kläger die Aufhebung des Beitragsbescheides und die Rückerstattung von 567,69 EUR. Die Eigenarbeiten seines Sohnes seien aus eigenem wirtschaftlichen Interesse erfolgt und stellten keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dar. Das Sozialgericht hörte in der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2007 den Sohn im Wege der uneidlichen Einvernahme als Zeugen. Auf die Niederschrift der Sitzung wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 28. August 2007 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 auf. Der Sohn sei bei der Baumaßnahme im Rahmen einer familienhaften Mithilfe tätig geworden. Ein Handeln im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VII liege nicht vor. Zum einen sei dessen Handeln wesentlich von eigenen Interessen getragen gewesen. Es sei darauf gerichtet gewesen, sich wiederum eine eigene Wohnstatt zu schaffen, in der er mietfrei wohnen konnte. Von der Familie seien nur Maßnahmen, die der Verschönerung bzw. dem angenehmeren Leben im Haus dienen, erbracht worden. Diese Vorgehensweise entspreche einer zunehmend "sozialen Adäquanz". Es sei nicht um die Substanzbeschaffung, sondern um eine "Vervollkommung" des geschaffenen Objekts gegangen. Die Festlegung einer bestimmten Stundenzahl als Kriterium für die Annahme oder Nichtannahme einer familienhaften Mithilfe erscheine willkürlich. Im Übrigen könnten bei Eltern-Kind-Beziehungen auch Tätigkeiten von erheblichem Umfang und größerer Zeitdauer diesem Verhältnis ihr Gepräge geben.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Mitarbeit von Kindern bei der Baumaßnahme der Eltern könne nach der Rechtsprechung nicht von vornherein als eigenwirtschaftlich und damit unversichert angesehen werden. Für die Beurteilung, ob es sich um eine gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII versicherte Tätigkeit handele, seien neben dem Grad der Verwandtschaft auch Art und Umfang der Tätigkeit ausschlaggebend. Die vorliegend geleisteten Arbeiten gingen nach Art und Umfang deutlich über den Rahmen einer unversicherten, noch verwandtschaftlich geprägten Gefälligkeitsleistung hinaus. Die vom Sozialgericht getroffene Unterscheidung zwischen Bauarbeiten im klassischen Sinne und Arbeiten zur Verschönerung und Verbesserung des Wohnumfeldes sei für den Versicherungsschutz ohne Belang. Für den Versicherungsschutz sei gemäß § 150 SGB VII ein Beitrag zu fordern gewesen.
Der Kläger hat darauf verwiesen, dass das Handeln des Sohnes wesentlich von eigenen Interessen getragen gewesen sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. August 2007 aufzuheben und die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Der Kläger begehrt die Aufhebung des streitgegenständlichen Beitragsbescheides und die Rückerstattung des geleisteten Beitrags. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG wird diesem Klageziel Genüge getan, da sich mit Wegfall des Beitragsbescheides ohne Weiteres ein Rückzahlunganspruch gegen die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts ergibt. Ein Ausspruch der Rückzahlungsverpflichtung ist nicht notwendig.
Umstritten ist zwischen den Beteiligten nicht die Beitragshöhe, sondern die Veranlagung. Grundsätzlich ist zwischen dem Veranlagungs- und dem nachfolgenden Beitragsbescheid zu unterscheiden (BSG v. 09.12.2003, BSGE 91, 287-293). Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger jedoch gemäß § 136 Abs. 1 S. 3 SGB VII von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen.
Beitragspflichtig sind in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherungspflicht begründenden Beziehung stehen. Nach der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 SGB VII sind darunter im Bereich der gewerblichen Berufsgenossenschaften Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten zu verstehen. Ein Unternehmen in diesem Sinne setzt eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten voraus, die auf ein einheitliches Ziel gerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 16 m.w.N.). Unter den Begriff der Tätigkeit können auch Tätigkeiten des privaten Lebensbereichs fallen, wie etwa solche als Bauherr eines eigenen Wohnhauses bzw. als Auftraggeber nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten zum Eigenheimbau (vgl. BSG vom 24. März 1998, az.: B 2 U 21/97 R; BSG vom 5. März 2002, Az.: B 2 U 8/01 R).
Die Beitragspflicht des Klägers für die von seinem Sohn geleisteten Bauarbeiten setzt voraus, dass dieser als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) oder wie ein Beschäftigter (§ 2 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) tätig geworden ist. Beides ist vorliegend nicht der Fall.
Unstreitig besteht keine Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Auch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit § 7 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) scheidet aus. Vielmehr liegt eine sog. familiäre Mitarbeit vor, die, wenn nicht Besonderheiten vorliegen, grundsätzlich nicht von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erfasst wird. Entscheidendes Indiz ist insbesondere, dass der Sohn für seine Tätigkeiten beim Bau kein Entgelt erhalten hat.
Eine Versicherungspflicht kann sich somit nur aus § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als sog. "Wie-Beschäftigter" ergeben. Danach sind Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden. Das BSG hat zu der entsprechenden früheren Regelung des § 539 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeführt, § 539 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 RVO setze voraus, dass eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG vom 17.03.1992, Az.: 2 RU 22/91 m.w.N.). Bei einer Tätigkeit gemäß § 539 Abs. 2 RVO braucht eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen.
Grundsätzlich schließen auch Verwandtschafts-, Freundschafts- und Gefälligkeitsdienste den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII nicht aus (BSGE 5, 168, 172; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 55 S 160). Ein Verwandter wird allerdings dann nicht wie ein Beschäftigter, sondern als Verwandter tätig, wenn die zum Unfall führende Verrichtung nach Art und Umfang sowie Zeitdauer (BSG SozR-2200 § 539 RVO Nr. 55) durch das verwandtschaftliche Verhältnis geprägt ist. Dabei ist nicht allein auf die Stundenzahl abzustellen; die vom Kläger angegebene und vom Sohn bestätigte Stundenzahl von 260 ist dabei als sehr hoch zu bewerten, so dass allein danach von einem Versicherungsschutz auszugehen wäre. Dies allein betrachtet ginge über eine übliche Hilfsbereitschaft im Sinne von Gefälligkeitshandlungen, die unter Verwandten vorgenommen werden und von familiären Beziehungen geprägt sind, hinaus (hierzu: BSG SozR 2200 § 539 Nr. 100; SozR 3-2200 § 548 Nr. 20).
Nach der Rechtsprechung besteht jedoch keine feste Stundengrenze für die Beurteilung einer Versicherungspflicht bei Gefälligkeitsdiensten. Entscheidend ist vielmehr stets das Gesamtbild der gegenseitig im Rahmen der Familien- oder Freundschaftsbande geleisteten Gefälligkeiten (z.B. auch: Bayer. Landessozialgericht v. 26. Juli 2006, Az.: L 2 U 432/04). Dabei hat der Senat vor allem zu berücksichtigen, dass für das Eltern-Kind-Verhältnis besondere Pflichten bestehen, die eine erhöhte Erwartung an die Hilfsbereitschaft rechtfertigen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 139 Nr. 6). So ergibt sich aus § 1618 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) der allgemeine Rechtsgedanke, dass sich Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig sind. Der Sohn war zum Zeitpunkt des Hausbaus noch minderjährig und wohnte in der elterlichen Wohnung. Er half nach eigenen Angaben beim Innenausbau mit. Seine Tätigkeiten bestanden insbesondere im Mischen von Fliesenmörtel, Verlegen von Laminatböden, Anbringen von Rigipsplatten und Pflasterarbeiten im Bereich der Außenarbeiten. Dabei arbeitete er gemeinsam mit seinem Vater, dem Kläger, und seinem Onkel. Entgegen der Annahme der Beklagten half er nicht bei Malerarbeiten, ferner nicht beim Fliesen und beim Anbringen des Innenputzes. Es handelte sich somit um Arbeiten, für die keine besondere Fachkenntnisse erforderlich waren, die der Sohn im Übrigen auch nicht besaß. Ohne die weitgehende Übernahme der Innenarbeiten in Eigenregie durch die Familie hätte diese ihr Ziel, ein eigenes Haus zu errichten, nicht erreichen können. Der noch minderjährige Sohn war in dieses Gesamtvorhaben mit eingebunden: es betraf "sein zukünftiges Zuhause", in dem er weiterhin mit seinen Eltern wohnen sollte. Insoweit steht den Eltern als Sorgeberechtigten das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Im Rahmen der Verwirklichung dieser Lebensplanung half die gesamte Familie, unterstützt noch vom Onkel, zusammen, um sich ein Haus zu ermöglichen. Dieses von der familiären Beziehung geprägte Gesamtbild bestimmte die Tätigkeit des Sohnes. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass bei Mithilfe im Rahmen der Familie vor allem der Grad der Verwandtschaft und der tatsächliche Umgang innerhalb der Gemeinschaft maßgebend sind (vgl. Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht, § 14 Rdnr. 68), ist der Senat der Auffassung, dass der Sohn im Rahmen einer erheblichen, aber auch zu erwartenden Hilfeleistung tätig wurde.
Maßgebend für den Senat ist damit im Rahmen der Gesamtabwägung nicht eine Unterscheidung nach Tätigkeiten, die der Bausubstanz oder der Verschönerung bzw. Verbesserung des Wohnumfeldes dienen. Insoweit weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es für eine derartige Unterscheidung im Gesetz keine Anhaltspunkte gibt. Entscheidend ist hingegen trotz der hohen Stundenzahl der Arbeitsleistung das bestehende Eltern-Kind-Verhältnis, die Minderjährigkeit des Sohnes mit der Pflicht, bei seinen Eltern zu wohnen, die Realisierbarkeit des Hausbauswunsches der Familie, die Art der Tätigkeit, die Mithilfe der gesamten Familie sowie die Mithilfe weiterer Verwandter. Ferner ist die Gesamtstundenzahl auch im Verhältnis zur Dauer der Arbeiten zu sehen, die vorliegend mit acht Monaten zugrunde gelegt wurden. Es ergibt sich eine wöchentliche Hilfeleistung von gerundet acht Stunden. Auch dies spricht für eine angemessene mithelfende Tätigkeit des Sohnes.
Die Aufhebung der Bescheides vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 durch das Sozialgericht war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Heranziehung des Klägers zur Beitragszahlung bzw. die Rückerstattung geleisteter Beiträge in Höhe von 567,69 EUR.
Der Kläger errichtete in der Zeit von August 2004 bis August 2005 ein Einfamilienwohnhaus. Als private Helfer meldete dieser am 16. September 2005 sich, seine Ehefrau E. M. und seinen 1987 geborenen Sohn J. M. , letzteren mit insgesamt 260 Arbeitsstunden für Trockenbau-, Fließen- und Bodenarbeiten. Am 30. September 2005 erließ die Beklagte einen Beitragsbescheid für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in Höhe von 567,69 EUR, bezogen auf 260 Arbeitsstunden. Der Kläger zahlte den Betrag, erhob jedoch zugleich Widerspruch. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit seinem Sohn habe nicht vorgelegen. Auch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit scheide aus, da die Hilfeleistungen durch den Sohn nur sporadisch je nach dessen Leistungsmöglichkeit und Anfall erbracht worden seien. Dabei habe der Sohn im Wesentlichen eine eigene Angelegenheit betrieben, da es in seinem eigenen, wirtschaftlichen Interesse gelegen habe, sich eine kostenlose Wohnmöglichkeit zu verschaffen. Er habe ein eigenes Zimmer in dem Haus. Ohne die Eigenleistungen wäre die gesamte Familie nicht in der Lage gewesen, sich ein Haus zu bauen. Weder der Sohn noch die Eltern hätten aber die erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten gehabt, um die Arbeiten durchzuführen. Ein Bauleiter der Fertighausfirma sei vor Ort gewesen und hätte die Familienangehörigen für ihre Tätigkeiten eingewiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007 zurück. Insbesondere hätten die vom Sohn des Klägers geleisteten 260 Arbeitsstunden nach Art, Umfang und Zeitdauer den Rahmen verwandtschaftlicher Gefälligkeit überschritten. Er sei nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) versichert gewesen.
Mit der Klage zum Sozialgericht Regensburg begehrte der Kläger die Aufhebung des Beitragsbescheides und die Rückerstattung von 567,69 EUR. Die Eigenarbeiten seines Sohnes seien aus eigenem wirtschaftlichen Interesse erfolgt und stellten keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dar. Das Sozialgericht hörte in der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2007 den Sohn im Wege der uneidlichen Einvernahme als Zeugen. Auf die Niederschrift der Sitzung wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 28. August 2007 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 auf. Der Sohn sei bei der Baumaßnahme im Rahmen einer familienhaften Mithilfe tätig geworden. Ein Handeln im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VII liege nicht vor. Zum einen sei dessen Handeln wesentlich von eigenen Interessen getragen gewesen. Es sei darauf gerichtet gewesen, sich wiederum eine eigene Wohnstatt zu schaffen, in der er mietfrei wohnen konnte. Von der Familie seien nur Maßnahmen, die der Verschönerung bzw. dem angenehmeren Leben im Haus dienen, erbracht worden. Diese Vorgehensweise entspreche einer zunehmend "sozialen Adäquanz". Es sei nicht um die Substanzbeschaffung, sondern um eine "Vervollkommung" des geschaffenen Objekts gegangen. Die Festlegung einer bestimmten Stundenzahl als Kriterium für die Annahme oder Nichtannahme einer familienhaften Mithilfe erscheine willkürlich. Im Übrigen könnten bei Eltern-Kind-Beziehungen auch Tätigkeiten von erheblichem Umfang und größerer Zeitdauer diesem Verhältnis ihr Gepräge geben.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Mitarbeit von Kindern bei der Baumaßnahme der Eltern könne nach der Rechtsprechung nicht von vornherein als eigenwirtschaftlich und damit unversichert angesehen werden. Für die Beurteilung, ob es sich um eine gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII versicherte Tätigkeit handele, seien neben dem Grad der Verwandtschaft auch Art und Umfang der Tätigkeit ausschlaggebend. Die vorliegend geleisteten Arbeiten gingen nach Art und Umfang deutlich über den Rahmen einer unversicherten, noch verwandtschaftlich geprägten Gefälligkeitsleistung hinaus. Die vom Sozialgericht getroffene Unterscheidung zwischen Bauarbeiten im klassischen Sinne und Arbeiten zur Verschönerung und Verbesserung des Wohnumfeldes sei für den Versicherungsschutz ohne Belang. Für den Versicherungsschutz sei gemäß § 150 SGB VII ein Beitrag zu fordern gewesen.
Der Kläger hat darauf verwiesen, dass das Handeln des Sohnes wesentlich von eigenen Interessen getragen gewesen sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. August 2007 aufzuheben und die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Der Kläger begehrt die Aufhebung des streitgegenständlichen Beitragsbescheides und die Rückerstattung des geleisteten Beitrags. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG wird diesem Klageziel Genüge getan, da sich mit Wegfall des Beitragsbescheides ohne Weiteres ein Rückzahlunganspruch gegen die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts ergibt. Ein Ausspruch der Rückzahlungsverpflichtung ist nicht notwendig.
Umstritten ist zwischen den Beteiligten nicht die Beitragshöhe, sondern die Veranlagung. Grundsätzlich ist zwischen dem Veranlagungs- und dem nachfolgenden Beitragsbescheid zu unterscheiden (BSG v. 09.12.2003, BSGE 91, 287-293). Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Unfallversicherungsträger jedoch gemäß § 136 Abs. 1 S. 3 SGB VII von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen.
Beitragspflichtig sind in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherungspflicht begründenden Beziehung stehen. Nach der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 SGB VII sind darunter im Bereich der gewerblichen Berufsgenossenschaften Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten zu verstehen. Ein Unternehmen in diesem Sinne setzt eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten voraus, die auf ein einheitliches Ziel gerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 16 m.w.N.). Unter den Begriff der Tätigkeit können auch Tätigkeiten des privaten Lebensbereichs fallen, wie etwa solche als Bauherr eines eigenen Wohnhauses bzw. als Auftraggeber nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten zum Eigenheimbau (vgl. BSG vom 24. März 1998, az.: B 2 U 21/97 R; BSG vom 5. März 2002, Az.: B 2 U 8/01 R).
Die Beitragspflicht des Klägers für die von seinem Sohn geleisteten Bauarbeiten setzt voraus, dass dieser als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) oder wie ein Beschäftigter (§ 2 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) tätig geworden ist. Beides ist vorliegend nicht der Fall.
Unstreitig besteht keine Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Auch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit § 7 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) scheidet aus. Vielmehr liegt eine sog. familiäre Mitarbeit vor, die, wenn nicht Besonderheiten vorliegen, grundsätzlich nicht von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erfasst wird. Entscheidendes Indiz ist insbesondere, dass der Sohn für seine Tätigkeiten beim Bau kein Entgelt erhalten hat.
Eine Versicherungspflicht kann sich somit nur aus § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als sog. "Wie-Beschäftigter" ergeben. Danach sind Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden. Das BSG hat zu der entsprechenden früheren Regelung des § 539 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeführt, § 539 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 RVO setze voraus, dass eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG vom 17.03.1992, Az.: 2 RU 22/91 m.w.N.). Bei einer Tätigkeit gemäß § 539 Abs. 2 RVO braucht eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen.
Grundsätzlich schließen auch Verwandtschafts-, Freundschafts- und Gefälligkeitsdienste den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII nicht aus (BSGE 5, 168, 172; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 55 S 160). Ein Verwandter wird allerdings dann nicht wie ein Beschäftigter, sondern als Verwandter tätig, wenn die zum Unfall führende Verrichtung nach Art und Umfang sowie Zeitdauer (BSG SozR-2200 § 539 RVO Nr. 55) durch das verwandtschaftliche Verhältnis geprägt ist. Dabei ist nicht allein auf die Stundenzahl abzustellen; die vom Kläger angegebene und vom Sohn bestätigte Stundenzahl von 260 ist dabei als sehr hoch zu bewerten, so dass allein danach von einem Versicherungsschutz auszugehen wäre. Dies allein betrachtet ginge über eine übliche Hilfsbereitschaft im Sinne von Gefälligkeitshandlungen, die unter Verwandten vorgenommen werden und von familiären Beziehungen geprägt sind, hinaus (hierzu: BSG SozR 2200 § 539 Nr. 100; SozR 3-2200 § 548 Nr. 20).
Nach der Rechtsprechung besteht jedoch keine feste Stundengrenze für die Beurteilung einer Versicherungspflicht bei Gefälligkeitsdiensten. Entscheidend ist vielmehr stets das Gesamtbild der gegenseitig im Rahmen der Familien- oder Freundschaftsbande geleisteten Gefälligkeiten (z.B. auch: Bayer. Landessozialgericht v. 26. Juli 2006, Az.: L 2 U 432/04). Dabei hat der Senat vor allem zu berücksichtigen, dass für das Eltern-Kind-Verhältnis besondere Pflichten bestehen, die eine erhöhte Erwartung an die Hilfsbereitschaft rechtfertigen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 139 Nr. 6). So ergibt sich aus § 1618 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) der allgemeine Rechtsgedanke, dass sich Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig sind. Der Sohn war zum Zeitpunkt des Hausbaus noch minderjährig und wohnte in der elterlichen Wohnung. Er half nach eigenen Angaben beim Innenausbau mit. Seine Tätigkeiten bestanden insbesondere im Mischen von Fliesenmörtel, Verlegen von Laminatböden, Anbringen von Rigipsplatten und Pflasterarbeiten im Bereich der Außenarbeiten. Dabei arbeitete er gemeinsam mit seinem Vater, dem Kläger, und seinem Onkel. Entgegen der Annahme der Beklagten half er nicht bei Malerarbeiten, ferner nicht beim Fliesen und beim Anbringen des Innenputzes. Es handelte sich somit um Arbeiten, für die keine besondere Fachkenntnisse erforderlich waren, die der Sohn im Übrigen auch nicht besaß. Ohne die weitgehende Übernahme der Innenarbeiten in Eigenregie durch die Familie hätte diese ihr Ziel, ein eigenes Haus zu errichten, nicht erreichen können. Der noch minderjährige Sohn war in dieses Gesamtvorhaben mit eingebunden: es betraf "sein zukünftiges Zuhause", in dem er weiterhin mit seinen Eltern wohnen sollte. Insoweit steht den Eltern als Sorgeberechtigten das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Im Rahmen der Verwirklichung dieser Lebensplanung half die gesamte Familie, unterstützt noch vom Onkel, zusammen, um sich ein Haus zu ermöglichen. Dieses von der familiären Beziehung geprägte Gesamtbild bestimmte die Tätigkeit des Sohnes. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass bei Mithilfe im Rahmen der Familie vor allem der Grad der Verwandtschaft und der tatsächliche Umgang innerhalb der Gemeinschaft maßgebend sind (vgl. Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2, Unfallversicherungsrecht, § 14 Rdnr. 68), ist der Senat der Auffassung, dass der Sohn im Rahmen einer erheblichen, aber auch zu erwartenden Hilfeleistung tätig wurde.
Maßgebend für den Senat ist damit im Rahmen der Gesamtabwägung nicht eine Unterscheidung nach Tätigkeiten, die der Bausubstanz oder der Verschönerung bzw. Verbesserung des Wohnumfeldes dienen. Insoweit weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es für eine derartige Unterscheidung im Gesetz keine Anhaltspunkte gibt. Entscheidend ist hingegen trotz der hohen Stundenzahl der Arbeitsleistung das bestehende Eltern-Kind-Verhältnis, die Minderjährigkeit des Sohnes mit der Pflicht, bei seinen Eltern zu wohnen, die Realisierbarkeit des Hausbauswunsches der Familie, die Art der Tätigkeit, die Mithilfe der gesamten Familie sowie die Mithilfe weiterer Verwandter. Ferner ist die Gesamtstundenzahl auch im Verhältnis zur Dauer der Arbeiten zu sehen, die vorliegend mit acht Monaten zugrunde gelegt wurden. Es ergibt sich eine wöchentliche Hilfeleistung von gerundet acht Stunden. Auch dies spricht für eine angemessene mithelfende Tätigkeit des Sohnes.
Die Aufhebung der Bescheides vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 durch das Sozialgericht war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved