Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 184/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 51/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.11.2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2004 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 15.11.2002 ein Arbeitsunfall und die Ruptur der Achillessehne links Unfallfolge ist.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung des Ereignisses am 15.11.2002 als Arbeitsunfall.
Der 1957 geborene Kläger ist Lackierer. Am Unfalltag schob er einen schweren Servicewagen (ca. 1100 kg). Dabei spürte er einen plötzlichen Schlag in der linken Wade und ein knallendes Geräusch. Anschließend hatte er starke Schmerzen im Bereich der Wade und der Achillessehne. Der Durchgangsarzt Dr. W. diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 18.11.2002 eine ursprungsnahe Achillessehnenteilruptur links. Die Ruptur wurde am 18.11.2002 operativ genäht.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte einen Bericht des Durchgangsarztes Dr. W. vom 19.02.2003 bei, in dem dargelegt wird, dass beim Kläger ein histologisch frisches Trauma nachvollzogen werden konnte und keinerlei Hinweise auf vorbestehende degenerative Veränderungen bestanden. Der Wagen sei ca. 1,1 Tonnen schwer gewesen. Dem D-Arztbericht war beigelegt ein histopathologischer Befundbericht des pathologischen Instituts der Universitätsklinik U. vom 20.11.2002. Danach war das histopathologische Bild gut vereinbar mit einem frischen Trauma. Aus der patho-anatomischen Präparation ergab sich kein Hinweis auf vorbestehende degenerative Veränderungen.
Nach einer vom Arbeitgeber eingeholten Auskunft war das Servicegerät, das der Kläger schob, 1130 kg schwer. In einer weiteren Mitteilung vom 22.04.2003 teilte der Arbeitgeber mit, dass das vom Kläger geschobene Gerät an der Torschwelle verkantete und stoppte. Bei der Kraftaufwendung zum Wiederanschieben habe der Kläger plötzlich einen Schlag oder Riss in der linken Wade gespürt. Die ursprünglichen Angaben in der Unfallanzeige hätten nicht auf den Angaben des Klägers basiert, da dieser wegen des Krankenhausaufenthalts nicht persönlich Stellung genommen habe. Das von der Beklagten eingeholte Zusammenhangsgutachten des Orthopäden Dr. G. vom 24.06.2003 bejahte den Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Riss der Achillessehne, da die zusätzliche Kraftanwendung beim Wiederanschieben unphysiologisch gewesen sei und durch äußere Umstände aufgezwungen. Der histologische Befund bestätige, dass der Riss unfallbedingt sei. Vorbestehende degenerative Veränderungen seien nicht beschrieben worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab 03.03.2003 10 v.H. Der von der Beklagten mit der Erstellung eines weiteren chirurgischen Gutachtens betraute Dr. G. kam in seinem Gutachten vom 20.09.2003, das nach Aktenlage erstellt wurde, zu dem Ergebnis, dass weder ein geeignetes Unfallereignis für eine traumatische Achillessehnenruptur vorliege noch der histologische Befund relevant sei. Auch die Lokalisation des Risses spreche gegen eine traumatische Verursachung. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2003 eine Entschädigung ab, da rechtlich wesentliche Ursache des Achillessehnenrisses die bereits vorbestehende Minderbelastbarkeit der Sehne gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers, dem eine ärztliche Stellungnahme des MDK-Arztes Dr. G. vom 14.11.2003 beigelegt war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2004 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) mit dem Antrag, den Bescheid vom 25.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2004 aufzuheben und das Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall und den Achillessehnenriss links als Unfallfolge anzuerkennen. Zur Aufklärung des Sachverhalts holte das SG ein Sachverständigengutachten des Chirurgen Dr. P. vom 17.03.2005 ein. Dieser kam unter Zugrundelegung der Schilderung des Klägers, er sei beim Wiederanschieben des Servicegeräts weggerutscht, zu dem Ergebnis, dass ein geeigneter Unfallhergang vorliege und nahm Bezug auf die Ausführungen in Schoenberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 495, nach denen ein plötzliches Ausrutschen beim Tragen von Lasten mit plötzlicher Überdehnung der Sehne einen Achillessehnenriss verursachen könne. Für den Unfall spreche ferner die histologische Untersuchung. Ein bloßes Schieben des Wagens mit großer Kraftanstrengung wäre dagegen als Unfallhergang nicht geeignet. Die MdE betrage nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit noch 10 v.H., ab der gutachtlichen Untersuchung am 17.03.2005 liege keine messbare MdE mehr vor. Nachdem die Beklagte darauf hinwies, dass das Ausrutschen nicht nachgewiesen sei, wies das SG die Klage mit Urteil vom 07.11.2005 ab. Zur Begründung legte es dar, dass ein Ausrutschen des Klägers nicht nachgewiesen sei, das alleinige Schieben des Wagens aber einen Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ausschließe.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R liege ein Arbeitsunfall vor. Der Senat holte ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr. W. vom 23.01.2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass zum Schieben des Wagens über den Hofraum eine erhebliche Kraftanstrengung erforderlich gewesen sei. Es sei jedoch nicht genau nachvollziehbar, was vor dem Eintritt der Achillessehnenruptur geschah, da verschiedene Angaben vorlägen. Dr. W. stellte fest, dass aus dem histo-pathologischen Befund keine Hinweise für entsprechende Altersveränderungen entnommen werden könnten. Diese Behauptungen seien gänzlich aus der Luft gegriffen. Lediglich die Vorerkrankung des Klägers vom 22.01. bis 28.02.2001 könne als Hinweis auf vorbestehende degenerative Veränderungen gesehen werden. Dem histologischen Befund sei jedoch ein höherer Stellenwert beizumessen. Entgegen den Ausführungen des Dr. G. entspreche auch die Lokalisation der Achillessehnenverletzung eher einer traumatisch bedingten Schädigung. Zum Unfallmechanismus legte er dar, dass komplexe Bewegungsabläufe auch bei einer rein willentlichen Kraftanstrengung zur Ruptur der Achillessehne führen könnten. In Anbetracht der erheblichen Kraftanstrengung beim Bewegen des schweren Gerätewagens sei davon auszugehen, dass die Achillessehne unter einer erheblichen Vorspannung bei fußrückenwärtiger Streckung des Fußes stand. Der Vortrieb müsse dabei über eine Anspannung der Oberschenkelmuskulatur durch Streckung im Kniegelenk erfolgen. Eine ruckartige Bewegung, wie sie in jedem Falle beim Wiederanschieben eines stehen gebliebenen Wagens glaubhaft sei, könne durchaus ausreichen, auch eine gesunde Sehne zum Zerreißen zu bringen. Wesentlich sei die erhebliche Vorspannung der Muskel-Sehnen-Einheit, von der aufgrund der zweifelsfrei anzunehmenden extremen Kraftanstrengung auszugehen sei. Die MdE betrage ab 03.03.2003 10 v.H., ab 17.03.2005 unter 10 v.H. Wesentliche Folgen lägen nicht mehr vor.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.11.2005 sowie den Bescheid vom 25.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2004 aufzuheben und das Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall und den Achillessehnenriss links als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.11.2005 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, festzustellen, dass das Ereignis vom 11.02.2002 ein Arbeitsunfall war und die Ruptur der Achillessehne eine Unfallfolge ist.
Zur Überzeugung des Senats steht zunächst fest, dass das Ereignis ein Arbeitsunfall war. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügt entgegen der Auffassung des SG bereits die Kraft, die zum (An-)Schieben des schweren Servicewagens erforderlich war, als äußeres Ereignis im Sinne des Unfallbegriffes der gesetzlichen Unfallversicherung (Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R).
Das Bundessozialgericht hat insoweit ausführlich dargelegt, dass z.B. die beim Anheben eines Steines erforderlichen Kräfte als von außen wirkend zu qualifizieren sind. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist nämlich kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Das äußere Ereignis dient vielmehr der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw, wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten (Vorschäden), sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Ist also eine innere Ursache oder eine Selbstschädigung nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor (BSG SozR 2200 § 550 Nr.35, Urteil vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83 - sowie zum Dienstunfall: BVerwGE 17, 59, 61 f).
Das Anschieben des Servicewagens ist also unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung grundsätzlich als äußeres Ereignis zu qualifizieren.
Die dem Begriff des Unfalls immanente Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft - ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung widerspricht dem Begriff des Unfalls (BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr.6 S.20) - ist im zu entscheidenden Rechtsstreit ebenfalls anzunehmen. Der Kläger wollte zwar den Servicewagen schieben, nicht jedoch sich verletzen. Auch in diesen Fällen eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung ist das Merkmal der Unfreiwilligkeit erfüllt, so dass eine äußere Einwirkung gegeben ist (Keller in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2008, § 8 RdNr 14).
Die äußere Einwirkung liegt also im vorliegenden Fall in der Kraft, die der schwere Servicewagen dem Versicherten entgegensetzte. Der Versicherte, der auf Anordnung seines Arbeitgebers zur Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine derartige Kraftanstrengung unternimmt und - den Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung unterstellt - dabei einen Gesundheitsschaden erleidet, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Gesundheitsschaden ist durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden und ihr zuzurechnen.
Den Ursachenzusammenhang sieht der Senat aufgrund der medizinischen Ermittlungen als gegeben an. Er davon aus, dass die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Ereignis - Anschieben des Servicewagens - und der Ruptur der Achillessehne erfüllt ist.
Der Sachverständige Dr. W. hat - in weitgehender Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Dr. G. und dem vom SG beauftragten Dr. P. - dargelegt, dass ein geeigneter Unfallvorgang vorliegt, der die Achillessehnenruptur auslösen konnte. Dabei hat insbesondere Dr. W. ausgeführt, dass letztendlich der genaue Unfallhergang offen bleiben kann, also z.B. die Frage, ob der Kläger und gegebenenfalls mit welchem Bein ausrutschte: Allein aufgrund des Gewichts des Servicewagens von rund 1,1 Tonnen war nämlich der Muskel-Sehnen-Komplex aufs äußerste gespannt, so dass bereits eine ruckhafte Bewegung ausreichend war, um eine gesunde Sehne zum Zerreißen zu bringen.
Der Senat ist außerdem davon überzeugt, dass ein Vorschaden nicht nachgewiesen ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Vorschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müsste, wobei die objektive Beweislast bei der Beklagten liegt. Insoweit geht der Senat übereinstimmend mit den Vorgutachtern Dr. G. und Dr. P. sowie dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. davon aus, dass dem histo-pathologischen Befund eine überragende Bedeutung zukommt. Nach diesem ist eine Degeneration der Achillessehne nicht wahrscheinlich. Der Senat sieht sich nicht im Stande, den Ausführungen des Dr. G. zu folgen, zumal dieser die Beweislast verkehrt und letztendlich argumentiert, aus dem histopathologischen Befund könne nicht geschlossen werden, dass die Achillessehne des Klägers gesund gewesen sei. Diese Argumentation schlösse letztendlich in allen Fällen den Nachweis einer Kausalität aus.
Im Ergebnis ist also festzustellen, dass der Unfall ein Arbeitsunfall war und als dessen Folge die Achillessehnenruptur anzuerkennen ist.
Die Berufung ist damit in vollem Umfang begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt. Die Frage, wann ein Arbeitsunfall gegeben ist, ist vom Bundessozialgericht in der o.g. Entscheidung ausführlich beantwortet worden.
II. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 15.11.2002 ein Arbeitsunfall und die Ruptur der Achillessehne links Unfallfolge ist.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung des Ereignisses am 15.11.2002 als Arbeitsunfall.
Der 1957 geborene Kläger ist Lackierer. Am Unfalltag schob er einen schweren Servicewagen (ca. 1100 kg). Dabei spürte er einen plötzlichen Schlag in der linken Wade und ein knallendes Geräusch. Anschließend hatte er starke Schmerzen im Bereich der Wade und der Achillessehne. Der Durchgangsarzt Dr. W. diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 18.11.2002 eine ursprungsnahe Achillessehnenteilruptur links. Die Ruptur wurde am 18.11.2002 operativ genäht.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte einen Bericht des Durchgangsarztes Dr. W. vom 19.02.2003 bei, in dem dargelegt wird, dass beim Kläger ein histologisch frisches Trauma nachvollzogen werden konnte und keinerlei Hinweise auf vorbestehende degenerative Veränderungen bestanden. Der Wagen sei ca. 1,1 Tonnen schwer gewesen. Dem D-Arztbericht war beigelegt ein histopathologischer Befundbericht des pathologischen Instituts der Universitätsklinik U. vom 20.11.2002. Danach war das histopathologische Bild gut vereinbar mit einem frischen Trauma. Aus der patho-anatomischen Präparation ergab sich kein Hinweis auf vorbestehende degenerative Veränderungen.
Nach einer vom Arbeitgeber eingeholten Auskunft war das Servicegerät, das der Kläger schob, 1130 kg schwer. In einer weiteren Mitteilung vom 22.04.2003 teilte der Arbeitgeber mit, dass das vom Kläger geschobene Gerät an der Torschwelle verkantete und stoppte. Bei der Kraftaufwendung zum Wiederanschieben habe der Kläger plötzlich einen Schlag oder Riss in der linken Wade gespürt. Die ursprünglichen Angaben in der Unfallanzeige hätten nicht auf den Angaben des Klägers basiert, da dieser wegen des Krankenhausaufenthalts nicht persönlich Stellung genommen habe. Das von der Beklagten eingeholte Zusammenhangsgutachten des Orthopäden Dr. G. vom 24.06.2003 bejahte den Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Riss der Achillessehne, da die zusätzliche Kraftanwendung beim Wiederanschieben unphysiologisch gewesen sei und durch äußere Umstände aufgezwungen. Der histologische Befund bestätige, dass der Riss unfallbedingt sei. Vorbestehende degenerative Veränderungen seien nicht beschrieben worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab 03.03.2003 10 v.H. Der von der Beklagten mit der Erstellung eines weiteren chirurgischen Gutachtens betraute Dr. G. kam in seinem Gutachten vom 20.09.2003, das nach Aktenlage erstellt wurde, zu dem Ergebnis, dass weder ein geeignetes Unfallereignis für eine traumatische Achillessehnenruptur vorliege noch der histologische Befund relevant sei. Auch die Lokalisation des Risses spreche gegen eine traumatische Verursachung. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2003 eine Entschädigung ab, da rechtlich wesentliche Ursache des Achillessehnenrisses die bereits vorbestehende Minderbelastbarkeit der Sehne gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers, dem eine ärztliche Stellungnahme des MDK-Arztes Dr. G. vom 14.11.2003 beigelegt war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2004 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) mit dem Antrag, den Bescheid vom 25.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2004 aufzuheben und das Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall und den Achillessehnenriss links als Unfallfolge anzuerkennen. Zur Aufklärung des Sachverhalts holte das SG ein Sachverständigengutachten des Chirurgen Dr. P. vom 17.03.2005 ein. Dieser kam unter Zugrundelegung der Schilderung des Klägers, er sei beim Wiederanschieben des Servicegeräts weggerutscht, zu dem Ergebnis, dass ein geeigneter Unfallhergang vorliege und nahm Bezug auf die Ausführungen in Schoenberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 495, nach denen ein plötzliches Ausrutschen beim Tragen von Lasten mit plötzlicher Überdehnung der Sehne einen Achillessehnenriss verursachen könne. Für den Unfall spreche ferner die histologische Untersuchung. Ein bloßes Schieben des Wagens mit großer Kraftanstrengung wäre dagegen als Unfallhergang nicht geeignet. Die MdE betrage nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit noch 10 v.H., ab der gutachtlichen Untersuchung am 17.03.2005 liege keine messbare MdE mehr vor. Nachdem die Beklagte darauf hinwies, dass das Ausrutschen nicht nachgewiesen sei, wies das SG die Klage mit Urteil vom 07.11.2005 ab. Zur Begründung legte es dar, dass ein Ausrutschen des Klägers nicht nachgewiesen sei, das alleinige Schieben des Wagens aber einen Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ausschließe.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R liege ein Arbeitsunfall vor. Der Senat holte ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr. W. vom 23.01.2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass zum Schieben des Wagens über den Hofraum eine erhebliche Kraftanstrengung erforderlich gewesen sei. Es sei jedoch nicht genau nachvollziehbar, was vor dem Eintritt der Achillessehnenruptur geschah, da verschiedene Angaben vorlägen. Dr. W. stellte fest, dass aus dem histo-pathologischen Befund keine Hinweise für entsprechende Altersveränderungen entnommen werden könnten. Diese Behauptungen seien gänzlich aus der Luft gegriffen. Lediglich die Vorerkrankung des Klägers vom 22.01. bis 28.02.2001 könne als Hinweis auf vorbestehende degenerative Veränderungen gesehen werden. Dem histologischen Befund sei jedoch ein höherer Stellenwert beizumessen. Entgegen den Ausführungen des Dr. G. entspreche auch die Lokalisation der Achillessehnenverletzung eher einer traumatisch bedingten Schädigung. Zum Unfallmechanismus legte er dar, dass komplexe Bewegungsabläufe auch bei einer rein willentlichen Kraftanstrengung zur Ruptur der Achillessehne führen könnten. In Anbetracht der erheblichen Kraftanstrengung beim Bewegen des schweren Gerätewagens sei davon auszugehen, dass die Achillessehne unter einer erheblichen Vorspannung bei fußrückenwärtiger Streckung des Fußes stand. Der Vortrieb müsse dabei über eine Anspannung der Oberschenkelmuskulatur durch Streckung im Kniegelenk erfolgen. Eine ruckartige Bewegung, wie sie in jedem Falle beim Wiederanschieben eines stehen gebliebenen Wagens glaubhaft sei, könne durchaus ausreichen, auch eine gesunde Sehne zum Zerreißen zu bringen. Wesentlich sei die erhebliche Vorspannung der Muskel-Sehnen-Einheit, von der aufgrund der zweifelsfrei anzunehmenden extremen Kraftanstrengung auszugehen sei. Die MdE betrage ab 03.03.2003 10 v.H., ab 17.03.2005 unter 10 v.H. Wesentliche Folgen lägen nicht mehr vor.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.11.2005 sowie den Bescheid vom 25.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2004 aufzuheben und das Ereignis vom 15.11.2002 als Arbeitsunfall und den Achillessehnenriss links als Unfallfolge anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.11.2005 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Beklagtenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, festzustellen, dass das Ereignis vom 11.02.2002 ein Arbeitsunfall war und die Ruptur der Achillessehne eine Unfallfolge ist.
Zur Überzeugung des Senats steht zunächst fest, dass das Ereignis ein Arbeitsunfall war. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügt entgegen der Auffassung des SG bereits die Kraft, die zum (An-)Schieben des schweren Servicewagens erforderlich war, als äußeres Ereignis im Sinne des Unfallbegriffes der gesetzlichen Unfallversicherung (Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R).
Das Bundessozialgericht hat insoweit ausführlich dargelegt, dass z.B. die beim Anheben eines Steines erforderlichen Kräfte als von außen wirkend zu qualifizieren sind. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist nämlich kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Das äußere Ereignis dient vielmehr der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw, wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten (Vorschäden), sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Ist also eine innere Ursache oder eine Selbstschädigung nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor (BSG SozR 2200 § 550 Nr.35, Urteil vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83 - sowie zum Dienstunfall: BVerwGE 17, 59, 61 f).
Das Anschieben des Servicewagens ist also unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung grundsätzlich als äußeres Ereignis zu qualifizieren.
Die dem Begriff des Unfalls immanente Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft - ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung widerspricht dem Begriff des Unfalls (BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr.6 S.20) - ist im zu entscheidenden Rechtsstreit ebenfalls anzunehmen. Der Kläger wollte zwar den Servicewagen schieben, nicht jedoch sich verletzen. Auch in diesen Fällen eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung ist das Merkmal der Unfreiwilligkeit erfüllt, so dass eine äußere Einwirkung gegeben ist (Keller in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2008, § 8 RdNr 14).
Die äußere Einwirkung liegt also im vorliegenden Fall in der Kraft, die der schwere Servicewagen dem Versicherten entgegensetzte. Der Versicherte, der auf Anordnung seines Arbeitgebers zur Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine derartige Kraftanstrengung unternimmt und - den Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung unterstellt - dabei einen Gesundheitsschaden erleidet, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Gesundheitsschaden ist durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden und ihr zuzurechnen.
Den Ursachenzusammenhang sieht der Senat aufgrund der medizinischen Ermittlungen als gegeben an. Er davon aus, dass die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Ereignis - Anschieben des Servicewagens - und der Ruptur der Achillessehne erfüllt ist.
Der Sachverständige Dr. W. hat - in weitgehender Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Dr. G. und dem vom SG beauftragten Dr. P. - dargelegt, dass ein geeigneter Unfallvorgang vorliegt, der die Achillessehnenruptur auslösen konnte. Dabei hat insbesondere Dr. W. ausgeführt, dass letztendlich der genaue Unfallhergang offen bleiben kann, also z.B. die Frage, ob der Kläger und gegebenenfalls mit welchem Bein ausrutschte: Allein aufgrund des Gewichts des Servicewagens von rund 1,1 Tonnen war nämlich der Muskel-Sehnen-Komplex aufs äußerste gespannt, so dass bereits eine ruckhafte Bewegung ausreichend war, um eine gesunde Sehne zum Zerreißen zu bringen.
Der Senat ist außerdem davon überzeugt, dass ein Vorschaden nicht nachgewiesen ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Vorschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müsste, wobei die objektive Beweislast bei der Beklagten liegt. Insoweit geht der Senat übereinstimmend mit den Vorgutachtern Dr. G. und Dr. P. sowie dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. davon aus, dass dem histo-pathologischen Befund eine überragende Bedeutung zukommt. Nach diesem ist eine Degeneration der Achillessehne nicht wahrscheinlich. Der Senat sieht sich nicht im Stande, den Ausführungen des Dr. G. zu folgen, zumal dieser die Beweislast verkehrt und letztendlich argumentiert, aus dem histopathologischen Befund könne nicht geschlossen werden, dass die Achillessehne des Klägers gesund gewesen sei. Diese Argumentation schlösse letztendlich in allen Fällen den Nachweis einer Kausalität aus.
Im Ergebnis ist also festzustellen, dass der Unfall ein Arbeitsunfall war und als dessen Folge die Achillessehnenruptur anzuerkennen ist.
Die Berufung ist damit in vollem Umfang begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt. Die Frage, wann ein Arbeitsunfall gegeben ist, ist vom Bundessozialgericht in der o.g. Entscheidung ausführlich beantwortet worden.
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