L 17 U 90/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 343/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 90/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.01.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung von Folgen des Arbeitsunfalls vom Juni 1991 sowie die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Der 1957 geborene Kläger erlitt im Juni 1991 (genauer Tag nicht bekannt) einen Arbeitsunfall. Im Betrieb lief er auf einem Schacht, in dem Versorgungsleitungen vorhanden waren. Aufgrund einer instabilen Abdeckung trat er in den Schacht, stürzte mit dem Oberkörper nach vorne und schlug sich das linke Knie in der Kniemitte erheblich an. Die Tiefe des Schachtes entsprach der Höhe seiner Kniescheibe. Außer einer Druckstelle, leichten Rötung und dem Abdruck der Randeinfassung sei - nach seinen Angaben - nichts festzustellen gewesen. Deshalb habe er einen sofortigen Arztbesuch und eine Krankmeldung unterlassen. Ab 1992 seien die Schmerzen aber unerträglich geworden. In ärztlicher Behandlung war er ab 09.12.1991 bei Dipl.Medizinerin E ...

Am 17.01.1992 hatte Dr.E. vom Krankenhaus N. den Kläger ebenfalls untersucht. Dieser hatte Beschwerden im linken Knie seit einem halben Jahr angegeben. Vom 03. bis 10.12.1992 befand er sich in stationärer Behandlung im Krankenhaus N ... Dort erfolgte eine Innenmeniskusresektion links bei Innenmeniskushinterhornverletzung links.

Nach Untersuchung durch den Chirurgen Dr.P. vom Kreiskrankenhaus G. am 27.07.2000 war er in stationärer Behandlung (31.07. bis 07.08.2000) in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M ... Nach Arthroskopie beider Kniegelenke ergab sich als Diagnose für das linke Kniegelenk Chondromalazie III - bis IV - gradig mediales Kompartiment, drittgradig Trochlea, erst- bis zweitgradig retropatellar, Chondromalazie erst- bis zweitgradig laterales Kompartiment, Osteophyten Patellaspitze, Trochlea lateral und mediales Kompartiment femoral und tibial. Innenmeniskusteilverlust. Am rechten Kniegelenk wurde ebenfalls eine Chondromalazie erst- bis zweitgradig mediales Kompartiment festgestellt.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Chirurgen Prof. Dr.H. vom 16.01.2001 ein. Dieser führte aus, dass das Unfallereignis zu einem Anpralltrauma, nicht aber zu einer - beim Kläger vorliegenden - Innenmeniskushinterhornschädigung geführt habe. Ein Anpralltrauma, so wie es der Kläger beschrieben habe, sei kein geeignetes Unfallereignis für einen Innenmeniskushinterhornschaden. Daher verbleibe als unfallbedingte Diagnose ein Anpralltrauma linkes Knie. Unfallunabhängig sei der Innenmeniskushinterhornschaden mit folgender Arthrose am linken Knie. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.02.2002 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom Sommer 1991 und der Innenmeniskushinterhornschädigung ab.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Stellungnahme ihres Beratungsarztes, des Chirurgen Dr.P. vom 22.07.2002, mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2002 zurück. Sie wiederholte, dass ein Anpralltrauma des linken Knies nicht geeignet sei, einen Innenmeniskushinterhornschaden hervorzurufen. Alle weiteren Schäden seien auf diesen unfallunabhängig bestehenden Schaden zurückzuführen, insbesondere die im weiteren Verlauf eingetretene Arthrose am linken Kniegelenk.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt, ihm eine Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalls vom Sommer 1991 zuzusprechen. Er hat ausgeführt, dass die Beschädigung des linken Knies auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Es habe unfallbedingt ein Knorpelabrieb im Gelenkspalt stattgefunden. Dieser Abrieb und weitere durch den Unfall losgelöste kleinere Knochenteile seien aus dem Gelenkspalt entfernt worden. Damit stehe die weitere Beschädigung im direkten Zusammenhang mit dem Unfallereignis.

Das SG hat die Krankenblattunterlagen der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. , einen Arztbericht des Kreiskrankenhauses G. vom 06.03.2003, Befundberichte der DiplomMedizinerin E. vom 26.03.2003 und des Allgemeinarztes Dr.P. vom 15.06.2003 sowie Operationsberichte des D. Centrum - Clinic N. - vom 23.03. und 04.12.1992 zum Verfahren beigezogen.

Sodann hat der Chirurg Dr.E. am 01.08.2003 ein Gutachten erstellt. Er hat zum Ausdruck gebracht, dass die 1992 dokumentierte Innenmeniskushinterhorn-Schädigung dem angeschuldigten Arbeitsunfall nicht angelastet werden könne. Eine traumatisch bedingte Schädigung des Hinterhorns könne ausschließlich bei maximaler Kniegelenksbeugung erfolgen. Zudem sei eine Hinterhornschädigung eher als degenerativ bedingt zu bewerten. Das Ereignis habe ausschließlich zu einer Prellung des linken Kniegelenks geführt, die folgenlos abgeklungen sei. Eine MdE unter 10 vH bestehe aufgrund der Unfallfolgen.

Auf Veranlassung des Klägers hat das SG ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Orthopäden Prof. Dr.L. eingeholt. In dem Gutachten vom 02.02.2004/19.04.2004 hat er dargelegt, dass der Arbeitsunfall für die beim Kläger vorliegenden Beschwerden keine Bedeutung habe. Es handele sich ausschließlich um Beschwerden aus schicksalsmäßigen, unfallunabhängigen Gegebenheiten. Insbesondere der Schaden am Innenmeniskushinterhorn sei nicht auf das Ereignis vom Juli 1991 zu beziehen. Auch sei der Unfallmechanismus nicht geeignet, ein Innenmeniskushinterhorn traumatisch zu schädigen.

Mit Urteil vom 17.01.2006 hat das SG Nürnberg die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass traumatisch bedingte Folgen bzw. Knorpelschäden beim Kläger nicht erkennbar seien.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, dass ein weiterer Operationsbericht aus dem Klinikum N. von den Gutachtern Dr.E. und Prof. Dr.L. nicht berücksichtigt worden sei. Hierzu hat er eine ärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr.N. (Kreiskrankenhaus G.) vom 02.10.2006 vorgelegt.

Nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen hat Dr.N. am 09.01.2007 ein Gutachten nach § 109 SGG erstellt. Er hat als Folgen des Unfalls eine Distorsion linkes Kniegelenk mit Innenmeniskushinterhornverletzung und nachfolgender posttraumatischer medialer Gonarthrose links und Implantation einer medialen Schlittenprothese links angesehen. Der Unfallmechanismus sei geeignet gewesen, eine Meniskusverletzung hervorzurufen, da der Kläger durch den Tritt in den ca. 50 bis 60 cm tiefen Schacht neben dem Anprall- auch ein Verdrehtrauma des linken Kniegelenks erlitten habe. Die MdE sei mit 20 vH einzuschätzen. Die Beklagte ist dem Gutachten mit Stellungnahme vom 08.03.2007 nicht gefolgt, da nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger ein Verdrehtrauma erlitten habe.

Anschließend hat der Senat noch ein Gutachten des Orthopäden Dr.W. vom 22.05.2007 veranlasst. Dieser hat erläutert, dass es durch den Arbeitsunfall zu keinen allein verursachten oder wesentlich mitverursachten Gesundheitsstörungen im Bereich der linken unteren Extremität gekommen sei. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass aufgrund des Ereignisablaufes eine wesentliche Verdrehung des linken Beines eingetreten sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 17.01.2006 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 07.02.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2002 zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 17.01.2006 zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat. Die Voraussetzungen des § 56 Abs 1 Satz 1 iVm § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind nicht erfüllt.

Verletztenrente ist gemäß § 56 Abs 1 SGB VII dann zu gewähren, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens 20 vH gemindert ist. Eine solche rentenberechtigende MdE wird im Hinblick auf die als Folge des Arbeitsunfalls vom Juni 1991 anzusehende Gesundheitsstörung des Klägers nicht erreicht. Der Senat geht in Würdigung der aus den Akten ersichtlichen medizinischen Befunde und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - insbesondere unter Berücksichtigung der Beurteilungen der im Klage- und Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr.E. , Prof. Dr.L. und Dr.W. , denen auch die beiden Operationsberichte des Klinikums N. vorlagen - davon aus, dass der Kläger anlässlich des Unfallereignisses vom Juni 1991 keine traumatisch bedingte Schädigung des Innenmeniskushinterhorns erlitten hat. Das Unfallereignis hat lediglich zu einem Anpralltrauma in Höhe der Kniescheibe am linken Knie geführt. Dieses bewirkt jedenfalls keine Innenmeniskushinterhornschädigung.

Vorweg ist festzustellen, dass der Unfallmechanismus nicht geeignet war, eine traumatische Schädigung des Kniegelenks zu verursachen. Dies wird auch durch die Unterlagen über das Unfallereignis unterstützt. Weder im Arztbericht des Krankenhauses N. vom 10.05.1992, noch in den Operationsberichten vom 23.03. und 04.12.1992 sind Angaben über den Unfallhergang enthalten. Auch die Ärzte Dipl.Med.E. und Dr.P. , die den Kläger am 09.12.1991 bzw. 14.07.1992 untersucht haben, machen keine näheren Angaben über den Unfallhergang. Konkretere Ausführungen finden sich erstmals im Arztbericht des Chirurgen Dr.P. (Kreiskrankenhaus G.) vom 27.07.2000. Er führt aus, der Kläger habe berichtet, er sei in einen Schacht getreten, dann mit dem Oberkörper nach vorne gestürzt und habe sich das Knie in Kniemitte erheblich angeschlagen. Der Kläger selbst hat dies mit Schreiben vom 15.10.2000 bestätigt, in dem er sinngemäß wiederholte, dass er mit dem linken Bein nach vorne weg in den Versorgungsschacht hinein gefallen sei. Die Tiefe des Schachtes habe der Höhe seiner Kniescheibe entsprochen. Außer einer Druckstelle, leichten Rötung und dem Abdruck der Randeinfassung sei nichts festzustellen gewesen. Daher habe es auch keinen Arztbesuch und keine Krankmeldung gegeben. Erst ab 1992 seien die Schmerzen immer unerträglicher geworden. Von einer Verdrehung spricht der Kläger erstmals anlässlich der im Jahr 2000 stattgehabten Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M ...

Nachdem der Kläger ca. 9 Jahre lang nicht auf eine etwaige Verdrehung des linken Knies hingewiesen hat, insbesondere in seinem Schreiben vom 15.10.2000, in dem er den Unfallhergang genauer darstellte, auch bei den behandelnden Ärzten vor 2000 kein Hinweis auf eine Verdrehung ersichtlich ist, geht der Senat davon aus, dass der Kläger mit dem Knie an die Schachtfassung anschlug. Eine Verdrehung ist nicht nachgewiesen. Er ist mit dem linken Bein in einen etwa kniehohen Versorgungsschacht getreten und dann nach vorne gestürzt. Dabei hat er sich auch mit der linken Hand abgestützt. Daraus kann aber nicht auf einen sogenannten isolierten Meniskusschaden geschlossen werden. Der Stoß des Kniegelenks an einer Kante im Sinne einer Knieprellung ist grundsätzlich nicht geeignet für die isolierte Schädigung eines altersentsprechenden Meniskus (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl, S 693). Ein Sturz bei fixiertem Fuß des Standbeines (Schönberger aaO S 691) ist nicht nachgewiesen. Insbesondere liegt kein Verletzungsmechanismus bei gebeugtem Knie durch Rotation (Drehung) zwischen Unter- und Oberschenkel vor.

Dr.W. hat zutreffend ausgeführt, dass gerade ein Drehsturz bei dem Kläger dadurch verhindert wurde, dass er sich nach dem Tritt in den Versorgungsschacht beim Fallen nach vorne mit der linken Hand abstützte. Somit wurde der mit der Sicherheitsschuhspitze im Versorgungsrohr fixierte Fuß nicht verdreht. Diese Auffassung wird von allen Vorgutachtern - mit Ausnahme des Dr.N. - vertreten.

Gegen eine traumatische Meniskusverletzung spricht auch, dass direkt nach dem angeschuldigten Ereignis kein verletzungsspezifischer Funktionsverlust des verletzten Kniegelenks mit Belastungsunfähigkeit, erheblicher Schmerzsymptomatik und sofortiger Arbeitsniederlegung eingetreten ist. Der Kläger hat direkt nach dem angeschuldigten Ereignis die Arbeit fortgesetzt und war trotz schwerer körperlicher Arbeit in den folgenden Tagen und Wochen nicht arbeitsunfähig. Zudem werden seine Vorstellungen nicht dadurch unterstützt, dass er sich erstmals Monate später, im Dezember 1991, bei einem Arzt wegen des Unfalls vorstellte.

Danach ist festzuhalten, dass bei dem Arbeitsunfall vom Sommer 1991 ein ungeeigneter Ereignisablauf für einen Innenmeniskushinterhornschaden vorlag. Das Verhalten des Untersuchten direkt nach dem angeschuldigten Ereignis war unfallunspezifisch. Ein typisches verletzungsspezifisches Schadensbild direkt nach dem Ereignis hat nicht vorgelegen. Die Befunde der bildgebenden Verfahren, der Krankheitsverlauf sowie auch das Mitbetroffensein der Gegenseite sprechen nicht für eine unfallbedingte Verursachung des im März 1992 intraoperativ gesicherten Innenmeniskushinterhornschadens. Eine unfallbedingte Verletzung des linken Schultergelenks anlässlich des Unfalls von 1991 ist ebenfalls ausgeschlossen. Hier fehlt es an den Brückensymptomen. Der Kläger gab nämlich erstmals 1996 Schultergelenksbeschwerden links an.

Nicht folgen kann der Senat dem Gutachten des Dr.N. vom 09.01.2007. Dr.N. gibt an, dass es durch das Treten in den 50 bis 60 cm tiefen Schacht zu einer axialen Belastung und nachfolgend durch die Verdrehung des Unterschenkels in diesen Schacht zu einem Sturz auf den linken Arm gekommen sei. Es ist aber nicht nachvollziehbar, dass sich der linke Oberschenkel gegenüber dem darüber liegenden Restkörper verdreht haben soll. Gerade die Verdrehung beim Sturz nach vorne ist durch das Abstützen des linken Armes verhindert worden. Somit sind die Voraussetzungen für den Drehsturz bei erzwungener Streckung nicht gegeben.

Da die Folgen der Gesundheitsstörung vor allem am linken Kniegelenk nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind, hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Das Urteil des SG Nürnberg ist daher nicht zu beanstanden. Die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved