Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 482/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 342/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Ein-gliederung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat.
Der 47-jährige Kläger stammt aus Polen und reiste im Juli 2000 nach Deutschland ein. Er war seither durchgängig arbeitslos. In Polen erwarb der Kläger einen Kfz-Gehilfenbrief. Im Jahr 2005 besuchte er in Polen einen "fachorientierten Berufskurs".
Mit Schreiben vom 28.07.2005 beantragte der Kläger bei der Be-klagten erstmals die Teilnahme an einem Kfz-Meisterkurs. Die-ses Begehren wurde von dieser jedoch nicht verbeschieden. Im Dezember 2005 trat die Beklagte an den Kläger mit dem Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung heran; darin war eine be-stimmte Coaching-Maßnahme vorgesehen. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29.12.2005 Widerspruch ein, der durch Wider-spruchsbescheid vom 18.01.2006 zurückgewiesen wurde. Als Reak-tion darauf erhob der Kläger am 02.02.2006 Klage beim Sozial-gericht Regensburg. Das Sozialgericht sah darin drei verschie-dene Klagebegehren, u.a. die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten einer Umschulung. Dementsprechend hat es drei verschiedene Verfahren mit jeweils eigenem Aktenzeichen geführt.
Im Hinblick auf das Begehren, die Beklagte möge ihm eine Um-schulung zum Kfz-Meister ermöglichen, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 27.10.2006 ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Förderung dieser Maßnahme. Diese liege im Ermessen der Behörde. Die Beklagte habe ihr Ermessen korrekt ausgeübt.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2006 Berufung eingelegt und in der Berufungsschrift ausschließlich auf die Weiterbildung zum Kfz-Meister abgestellt. Er hat argumentiert, eine Weiterbildung zum Kfz-Meister sei für ihn trotz seines Alters und seines Gesundheitszustandes geeignet, um eine tragfähige Existenzgrundlage aufbauen zu können.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger Unterlagen vorge-legt, wonach er vor kurzem in Polen einen Kfz-Meisterkurs er-folgreich absolviert habe. Angesichts dessen beantragt er zu-letzt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der Erreichung des Meisterdiploms in Polen und der Bescheinigung über den Lehrgang im Bereich der Montage-, Betriebs-, Bedienungs- und Instandsetzungsprinzipien bei Fahrzeugen vom 13.07.2005 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwal-tungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung war zulässig. Streitig waren zunächst Sach-/Geldleistungen von mehr als 500,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die in der mündlichen Verhandlung geänderte Zielrichtung der Klage beurteilt der Senat prozessrechtlich wie folgt: Bis zur mündlichen Verhandlung ging es dem Kläger darum, die Beklagte möge einen Kfz-Meisterkurs fördern. Damit hat er Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 ff. SGB III beantragt. In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob den §§ 77 ff. SGB III das Naturalleistungs- oder das Kostenerstattungsprinzip zugrunde liegt. Der Zugang zu der konkreten Maßnahme soll jedenfalls nach der gesetzlichen Intention dadurch verschafft werden, dass sich der zu Qualifizierende die Maßnahme in eigener Verantwortung aussucht, indem er mit dem Bildungsgutschein nach § 77 Abs. 3 SGB III im Regelfall frei unter zugelassenen Bildungsmaßnahmen und Trägern (vgl. §§ 84, 85 SGB III) wählen kann. Davon hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen. Vielmehr hat er sich darauf verlegt, die offenbar von ihm verauslagten Kosten für Kurse in Polen erstattet erhalten.
Der Senat nimmt an, dass darin eine Klageänderung im Sinn von § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 SGG liegt, und zwar eine klageaus-wechselnde Klageänderung. Das hat zur Folge, dass der ur-sprüngliche Streitgegenstand weggefallen ist. Entschieden wer-den durfte nur über den neuen Streitgegenstand. Deswegen hat der Senat nicht die Berufung zurück-, sondern die Klage abge-wiesen.
Das Vorliegen einer Klageänderung scheitert nach den Gesamtum-ständen nicht an der Ausnahmeregelung des § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG. Zwar erscheint es nicht unvertretbar anzunehmen, im vorliegenden Fall werde nunmehr im Sinn dieser Regelung statt der ursprünglich geforderten Leistung aufgrund einer später eingetretenen Veränderung - die Selbstbeschaffung - eine andere Leistung verlangt. Jedoch setzt § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG voraus, dass der zugrunde liegende Lebenssachverhalt, abgesehen von der nachträglichen Änderung, der gleiche geblieben ist. Gerade wenn eine Modifikation des Streitgegenstandes während des Berufungsverfahrens eintritt, müssen insoweit strenge Anforderungen gestellt werden. Denn es kann nicht sein, dass Kläger noch in der zweiten Instanz nach Belieben - vor allem gegen den Willen der beklagten Behörde - die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwingen können, über nachgeschobene Streitgegenstände zu entscheiden. Daher verlangt der Senat, dass ein sehr enger Konnex zwischen den Lebenssachverhalten vor und nach der Modifikation besteht. Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, wenn beispielsweise der Wechsel von der Geltendmachung eines krankenversicherungsrechtlichen Sachleistungsanspruchs zu einem Kostenerstattungsanspruch unter § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG subsumiert wird (vgl. BSGE 79, 261 (262); BSGE 90, 220 (223)).
Hier jedoch liegt der Fall anders. Leistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 ff. SGB III sind von vornherein da-durch charakterisiert, dass sowohl der Maßnahmeträger wie auch die Maßnahme selbst "zertifiziert" sind. Wenn sich dagegen der Kläger in Polen irgendwelchen Kursen unterzogen hat, so hat er damit nicht nur sich quasi in Ersatzvornahme diese Leistungen - nämlich solche nach §§ 77 ff. SGB III - beschafft, sondern sich Qualifikationen besorgt, die von ihrem Wesen her grundlegend verschieden sind; sie entstammen ihrer Art nach nicht mehr dem gesetzlich vorgegebenen "Leistungssortiment", das eben auf zertifizierte Maßnahmen und Maßnahmeträger beschränkt ist. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt hat also nicht nur eine nachträgliche Änderung im Sinn des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG erfahren, sondern ist komplett ausgetauscht worden.
Dafür, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG hier nicht anzuwenden, spricht auch, dass man, würde man es doch tun, konsequenter Weise der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen halten dürfte, der Kläger hätte zunächst einen Leistungsantrag bezüglich der in Polen durchgeführten Maßnahmen bei der Beklagten stellen müssen. Denn wenn man schon unter Berufung auf § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG sagt, eine Sachverhaltsmodifikation sei so marginal, dass dadurch der Streitgegenstand nicht geändert werde, dann muss das Gericht diesen modifizierten Sachverhalt auch seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne eine vorherige Zwischenschaltung der Behörde verlangen zu dürfen. Das aber würde im vorliegenden Fall nach Ansicht des Senats der grundsätzlichen Kompetenzaufteilung zwischen Behörden und Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gerecht. Im Zivilprozess, wo keine Behördenentscheidungen zu überprüfen sind, mag eine solch restriktive Betrachtungsweise möglicherweise unangebracht sein. Im Sozialgerichtsprozess dagegen sollte tunlichst vermieden werden, dass Gerichte Behördenkompetenzen an sich ziehen, indem sie für während des gerichtlichen Verfahrens neu gestellte Anträge die Erstprüfung und Erstentscheidung vornehmen.
Die somit vorliegende Klageänderung ist jedoch nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1, 2 SGG zulässig. Denn die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung ohne Widerspruch auf den geänderten Streitgegenstand eingelassen, was als Einwilligung zur Klageänderung zu interpretieren ist.
Die so geänderte Klage ist indes unzulässig. Denn es ist Sach-urteilsvoraussetzung, dass der Kläger, der eine Leistung be-gehrt, dieses Ansinnen der Behörde überhaupt vorgetragen hat. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat in der mündlichen Verhand-lung zur Überraschung aller Beteiligten ein Begehren einge-führt, mit welchem die Beklagte noch nicht befasst worden war. Aufgrund der oben dargestellten Andersartigkeit des modifi-zierten Streitgegenstandes gegenüber dem ursprünglichen genügt der Antrag vom 28.07.2005 nicht, um die Zulässigkeit der geän-derten Klage bewirken zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Ein-gliederung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat.
Der 47-jährige Kläger stammt aus Polen und reiste im Juli 2000 nach Deutschland ein. Er war seither durchgängig arbeitslos. In Polen erwarb der Kläger einen Kfz-Gehilfenbrief. Im Jahr 2005 besuchte er in Polen einen "fachorientierten Berufskurs".
Mit Schreiben vom 28.07.2005 beantragte der Kläger bei der Be-klagten erstmals die Teilnahme an einem Kfz-Meisterkurs. Die-ses Begehren wurde von dieser jedoch nicht verbeschieden. Im Dezember 2005 trat die Beklagte an den Kläger mit dem Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung heran; darin war eine be-stimmte Coaching-Maßnahme vorgesehen. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29.12.2005 Widerspruch ein, der durch Wider-spruchsbescheid vom 18.01.2006 zurückgewiesen wurde. Als Reak-tion darauf erhob der Kläger am 02.02.2006 Klage beim Sozial-gericht Regensburg. Das Sozialgericht sah darin drei verschie-dene Klagebegehren, u.a. die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten einer Umschulung. Dementsprechend hat es drei verschiedene Verfahren mit jeweils eigenem Aktenzeichen geführt.
Im Hinblick auf das Begehren, die Beklagte möge ihm eine Um-schulung zum Kfz-Meister ermöglichen, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 27.10.2006 ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Förderung dieser Maßnahme. Diese liege im Ermessen der Behörde. Die Beklagte habe ihr Ermessen korrekt ausgeübt.
Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2006 Berufung eingelegt und in der Berufungsschrift ausschließlich auf die Weiterbildung zum Kfz-Meister abgestellt. Er hat argumentiert, eine Weiterbildung zum Kfz-Meister sei für ihn trotz seines Alters und seines Gesundheitszustandes geeignet, um eine tragfähige Existenzgrundlage aufbauen zu können.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger Unterlagen vorge-legt, wonach er vor kurzem in Polen einen Kfz-Meisterkurs er-folgreich absolviert habe. Angesichts dessen beantragt er zu-letzt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der Erreichung des Meisterdiploms in Polen und der Bescheinigung über den Lehrgang im Bereich der Montage-, Betriebs-, Bedienungs- und Instandsetzungsprinzipien bei Fahrzeugen vom 13.07.2005 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwal-tungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung war zulässig. Streitig waren zunächst Sach-/Geldleistungen von mehr als 500,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die in der mündlichen Verhandlung geänderte Zielrichtung der Klage beurteilt der Senat prozessrechtlich wie folgt: Bis zur mündlichen Verhandlung ging es dem Kläger darum, die Beklagte möge einen Kfz-Meisterkurs fördern. Damit hat er Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 ff. SGB III beantragt. In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob den §§ 77 ff. SGB III das Naturalleistungs- oder das Kostenerstattungsprinzip zugrunde liegt. Der Zugang zu der konkreten Maßnahme soll jedenfalls nach der gesetzlichen Intention dadurch verschafft werden, dass sich der zu Qualifizierende die Maßnahme in eigener Verantwortung aussucht, indem er mit dem Bildungsgutschein nach § 77 Abs. 3 SGB III im Regelfall frei unter zugelassenen Bildungsmaßnahmen und Trägern (vgl. §§ 84, 85 SGB III) wählen kann. Davon hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen. Vielmehr hat er sich darauf verlegt, die offenbar von ihm verauslagten Kosten für Kurse in Polen erstattet erhalten.
Der Senat nimmt an, dass darin eine Klageänderung im Sinn von § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 SGG liegt, und zwar eine klageaus-wechselnde Klageänderung. Das hat zur Folge, dass der ur-sprüngliche Streitgegenstand weggefallen ist. Entschieden wer-den durfte nur über den neuen Streitgegenstand. Deswegen hat der Senat nicht die Berufung zurück-, sondern die Klage abge-wiesen.
Das Vorliegen einer Klageänderung scheitert nach den Gesamtum-ständen nicht an der Ausnahmeregelung des § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG. Zwar erscheint es nicht unvertretbar anzunehmen, im vorliegenden Fall werde nunmehr im Sinn dieser Regelung statt der ursprünglich geforderten Leistung aufgrund einer später eingetretenen Veränderung - die Selbstbeschaffung - eine andere Leistung verlangt. Jedoch setzt § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG voraus, dass der zugrunde liegende Lebenssachverhalt, abgesehen von der nachträglichen Änderung, der gleiche geblieben ist. Gerade wenn eine Modifikation des Streitgegenstandes während des Berufungsverfahrens eintritt, müssen insoweit strenge Anforderungen gestellt werden. Denn es kann nicht sein, dass Kläger noch in der zweiten Instanz nach Belieben - vor allem gegen den Willen der beklagten Behörde - die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwingen können, über nachgeschobene Streitgegenstände zu entscheiden. Daher verlangt der Senat, dass ein sehr enger Konnex zwischen den Lebenssachverhalten vor und nach der Modifikation besteht. Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, wenn beispielsweise der Wechsel von der Geltendmachung eines krankenversicherungsrechtlichen Sachleistungsanspruchs zu einem Kostenerstattungsanspruch unter § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG subsumiert wird (vgl. BSGE 79, 261 (262); BSGE 90, 220 (223)).
Hier jedoch liegt der Fall anders. Leistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 ff. SGB III sind von vornherein da-durch charakterisiert, dass sowohl der Maßnahmeträger wie auch die Maßnahme selbst "zertifiziert" sind. Wenn sich dagegen der Kläger in Polen irgendwelchen Kursen unterzogen hat, so hat er damit nicht nur sich quasi in Ersatzvornahme diese Leistungen - nämlich solche nach §§ 77 ff. SGB III - beschafft, sondern sich Qualifikationen besorgt, die von ihrem Wesen her grundlegend verschieden sind; sie entstammen ihrer Art nach nicht mehr dem gesetzlich vorgegebenen "Leistungssortiment", das eben auf zertifizierte Maßnahmen und Maßnahmeträger beschränkt ist. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt hat also nicht nur eine nachträgliche Änderung im Sinn des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG erfahren, sondern ist komplett ausgetauscht worden.
Dafür, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG hier nicht anzuwenden, spricht auch, dass man, würde man es doch tun, konsequenter Weise der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen halten dürfte, der Kläger hätte zunächst einen Leistungsantrag bezüglich der in Polen durchgeführten Maßnahmen bei der Beklagten stellen müssen. Denn wenn man schon unter Berufung auf § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG sagt, eine Sachverhaltsmodifikation sei so marginal, dass dadurch der Streitgegenstand nicht geändert werde, dann muss das Gericht diesen modifizierten Sachverhalt auch seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne eine vorherige Zwischenschaltung der Behörde verlangen zu dürfen. Das aber würde im vorliegenden Fall nach Ansicht des Senats der grundsätzlichen Kompetenzaufteilung zwischen Behörden und Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gerecht. Im Zivilprozess, wo keine Behördenentscheidungen zu überprüfen sind, mag eine solch restriktive Betrachtungsweise möglicherweise unangebracht sein. Im Sozialgerichtsprozess dagegen sollte tunlichst vermieden werden, dass Gerichte Behördenkompetenzen an sich ziehen, indem sie für während des gerichtlichen Verfahrens neu gestellte Anträge die Erstprüfung und Erstentscheidung vornehmen.
Die somit vorliegende Klageänderung ist jedoch nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1, 2 SGG zulässig. Denn die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung ohne Widerspruch auf den geänderten Streitgegenstand eingelassen, was als Einwilligung zur Klageänderung zu interpretieren ist.
Die so geänderte Klage ist indes unzulässig. Denn es ist Sach-urteilsvoraussetzung, dass der Kläger, der eine Leistung be-gehrt, dieses Ansinnen der Behörde überhaupt vorgetragen hat. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat in der mündlichen Verhand-lung zur Überraschung aller Beteiligten ein Begehren einge-führt, mit welchem die Beklagte noch nicht befasst worden war. Aufgrund der oben dargestellten Andersartigkeit des modifi-zierten Streitgegenstandes gegenüber dem ursprünglichen genügt der Antrag vom 28.07.2005 nicht, um die Zulässigkeit der geän-derten Klage bewirken zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht vorliegen.
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