Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 1296/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 137/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Januar 2006 in Ziffer II, betreffend die Verhängung von Verschuldenskosten gegen den Kläger, aufgehoben.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren gegen die Feststellung der Beendigung seines Klageverfahrens und die Auferlegung von Verschuldenskosten gewendet. Streitig sind nur noch die Verschuldenskosten.
Der Kläger beantragte am 05.08.2002 bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung und erhob nach der Ablehnung des Antrags Klage. Ein vom Sozialgericht München eingeholtes Gutachten ergab eine für eine Rentengewährung ausreichende Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens ab dem 31.12.2003. Die Beklagte erklärte hierzu, gestützt auf eine entsprechende Stellungnahme ihrer Ärzte, beim Kläger liege seit 31.12.2003 volle Erwerbsminderung auf Dauer vor, der Kläger weise aber nicht die für eine Rentengewährung notwendigen Pflichtbeiträge aus.
Der Klägerbevollmächtigte teilte daraufhin der Beklagten mit, er habe erfahren, dass der Kläger einen Unfall erlitten habe. Die Beklagte könne die fehlenden Beiträge im Regressverfahren geltend machen. Nach ersten Beitragszahlungen der Versicherung teilte die Beklagte mit, der Kläger sei zwar ab 31.12.2003 auf Dauer voll erwerbsgemindert, die gezahlten Beiträge reichten jedoch noch nicht für die Rente.
Nach weiteren Beitragszahlungen teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.11.2004 mit, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer seit 31.12.2003 lägen nunmehr vor. Sie bot die Zahlung der Rente ab 01.01.2004 an, wenn der Rechtsstreit damit erledigt sei. Kosten könnten nicht übernommen werden, weil der Leistungsfall während des sozialgerichtlichen Verfahrens eingetreten sei.
Mit sich überschneidenden Schreiben fragte das Gericht beim Klägerbevollmächtigten an, ob der Rechtsstreit für erledigt erklärt werden könne und der Klägerbevollmächtigte, ob die Beklagte die Klage anerkennen könne, nachdem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hergestellt seien.
Auf eine erneute Frage des Gerichts erklärte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 20.12.2004, der Rechtsstreit könne nicht für erledigt erklärt werden, es sei denn, das Gericht empfehle es. Die Beklagte hätte das Regressverfahren abwarten müssen, die Rentenablehnung sei von Anfang an falsch gewesen, so sei man zur Klage gezwungen gewesen.
Das Gericht erklärte daraufhin dem Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 22.12.2004, es könne nur empfehlen, die Sache für erledigt zu erklären, nachdem die Klage in der Sache den vollen Erfolg gehabt habe, dem Mandanten zur beantragten Rente zu verhelfen. Eine Sachentscheidung sei nicht mehr erforderlich. Dem folgten Hinweise zum Verfahren über die Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten.
Mit Schreiben vom 30.12.2004 erklärte der Klägerbevollmächtigte die Hauptsache für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Zur Begründung bezog er sich auf sein Schreiben vom 20.12.2004.
Mit Bescheid vom 07.03.2005 bewilligte die Beklagte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 01.01.2004.
Am 15.04.2005 hat der Klägerbevollmächtigte seine Erledigungserklärung gegenüber dem Sozialgericht widerrufen. Sie sei lediglich im Hinblick darauf erfolgt, dass die Beklagte die Kostenübernahme abgelehnt habe. Hierbei habe er vollkommen übersehen, dass das Angebot die Zeit vom Rentenantrag bis 31.12.2003 übersehe. Der Bescheid vom 07.03.2005 sage dem gemäß über diese Zeit nichts aus. Er erkläre den Rechtsstreit nur für die Zeit bis 01.01.2004 erledigt und erbitte eine Entscheidung für die davor liegende Zeit.
In der mündlichen Verhandlung hat er "beantragt, die Klage insoweit aufrechtzuerhalten, als weiterhin Rente ab Antragstellung bis zum 31.12.2003 zu zahlen ist. Weiterhin ist festzustellen, dass die Erledigungserklärung rechtmäßig angefochten wurde."
Die Beklagte hat die Feststellung beantragt, dass die Streitsache auf Grund der Erledigterklärung rechtswirksam beendet sei.
Das Gericht hatte zuvor auf die Umstände hingewiesen, aus denen seiner Meinung nach folgte, dass nur eine Rente ab 01.01.2004 angeboten worden sei und sich offensichtlich ergeben habe, dass darin kein entsprechendes Angebot für die Zeit davor enthalten gewesen sei. Ein rechtlich relevanter Irrtum sei nicht zu erkennen und der Kläger müsse für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens mit der Verhängung von Verschuldenskosten rechnen.
Mit Urteil vom 11.01.2006 hat das Sozialgericht in Ziffer I der Entscheidung festgestellt, dass das Verfahren S 30 RJ 528/03 auf Grund der Erledigungserklärung im Schreiben vom 30.12.2004 rechtswirksam beendet ist und in Ziffer II der Entscheidung gegen den Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR verhängt.
Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, der Rechtsstreit sei durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet worden, der mit Zugang der Erledigungserklärung des Klägerbevollmächtigten bei der Beklagten wirksam geworden sei. Der Kläger könne den Vergleich nicht anfechten, weil bei ihm bzw. seinem Bevollmächtigten kein Irrtum vorgelegen habe, der ein solches Recht begründen könne. Unter anderem hat das Gericht ausgeführt, mit Blick auf die Interessenlage der Rentenbewerber, die um die künftige Sicherung ihres Lebensunterhalts besorgt seien, sei die Aussage realistisch, eine Sachentscheidung über den vom Vergleich nicht abgedeckten möglichen Rentenbezugszeitraum sei nicht erforderlich. Wenn der Vorsitzende eine mögliche Fortsetzung des Verfahrens in diesem Punkt als nicht notwendig bezeichnet habe, begründe oder fördere er gewiss nicht einen Irrtum des rechtskundigen Klägervertreters über die Möglichkeit der Fortsetzung des Prozesses.
Der Versuch, einen interessengerechten Vergleich mit Vorwürfen gegen die Beklagte und das Gericht anzufechten, sei rechtsmissbräuchlich. Die Konstruktion eines Irrtums über Wesen und Inhalt eines Vergleiches sei besonders ärgerlich aus dem Munde genau jenes rechtskundigen Vertreters, dessen sich ein Bürger bediene, um Fehler, Täuschungen und Irrtümer in Verfahren mit Behörden und Gerichten auszuschließen. Die Antragstellung der Klageseite in der mündlichen Verhandlung sei kaum verständlich und nicht sachgerecht.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.
Ein Vergleich habe nicht vorgelegen. Es habe ein Teilanerkenntnis gegeben, über das ein Teilanerkenntnisurteil hätte beantragt werden müssen bei Verhandlung über den Rest, oder es hätte ein Vergleich geschlossen werden müssen. Durch die Empfehlung des Gerichts habe er diese Umstände übersehen, so dass tatsächlich ein Irrtum erregt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien einen Vergleich einschließlich einer Regelung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten über Ziffer I des angefochtenen Urteils geschlossen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.01.2006 in Ziffer II aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts München in dem vorangegangenen und früheren Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, die nur noch die Verhängung von Verschuldenskosten durch das Sozialgericht betrifft, ist zulässig und begründet.
Die Berufung war form- und fristgerecht eingelegt worden, eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG bestand nicht. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen, die dabei gegebene Zulässigkeit wird durch spätere Veränderungen des Streitgegenstandes nicht berührt (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, vor § 153 Rdnr.10b). eine Umgehung des § 144 Abs.4 SGG, wonach die Berufung ausgeschlossen ist, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt, liegt nicht vor, denn der Kläger hatte ein ernsthaftes Interesse auf Weiterverfolgung des Verfahrens bezüglich seines Rentenanspruches für die Zeit vor dem 01.01.2004 und die Parteien haben hierüber einen Vergleich geschlossen.
Auf die zulässige Berufung ist auch die Kostenentscheidung nach § 192 SGG zu überprüfen (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 192 Rdnr.20). Jedenfalls in den Verfahren, in denen die Kostenentscheidung nach § 192 SGG noch (alleiniger) Gegenstand einer anhängigen und zulässigen Berufung ist, hat das Gericht durch Urteil zu entscheiden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht Breithaupt 2005, S.808 f.). Das Verfahren ist dann noch nicht im Sinne des § 193 Abs.1 Satz 3 SGG anders beendet worden, so dass auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden gewesen wäre.
Die Auferlegung von Verschuldenskosten durch das Sozialgericht war unberechtigt. Sie konnte nach § 192 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG im vorliegenden Fall nur ergehen bei Rechtsmissbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und stand im Ermessen des entscheidenden Gerichts (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 192 Rdnr.16). Eine solche Missbräuchlichkeit kann vorliegen, wenn ein Anspruch trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit weiterverfolgt wird. Dies allein genügt jedoch nicht, es müssen besondere Umstände hinzukommen. Rechtsmissbräuchlichkeit liegt insbesondere dann vor, wenn ein Beteiligter den Prozess weiter betreibt, obwohl er subjektiv weiß, dass die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos ist und wenn er entgegen besserer Einsicht von einer weiteren Prozessführung nicht Abstand nimmt (BayLSG a.a.O.). Hierbei können auch von einem rechtskundigen Klägerbevollmächtigten nicht fundiertere Rechtskenntnisse verlangt werden, als das Gericht sie selbst an den Tag legt. Dies gilt insbesondere, weil nach § 192 SGG der Kläger auf die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit hingewiesen werden muss und Gelegenheit haben muss, sich hierauf in seinem rechtlichen Vorbringen einzustellen und weil eine Ermessenserwägung nur rechtmäßig sein kann, soweit sie einen zutreffenden Sachverhalt und dessen zutreffende rechtliche Würdigung zu Grunde legt.
Die zur Begründung der Verhängung von Verschuldenskosten angeführten rechtlichen Annahmen des Sozialgerichts über die Prozessbeendigung waren nicht zutreffend. Das Sozialgericht hat hier, anders als im Urteilstenor, zu Unrecht angenommen, dass ein Vergleich das Verfahren beendigt habe. Das Klageverfahren ist jedoch durch übereinstimmende schriftliche Erledigungserklärungen der Parteien nach § 202 SGG i.V.m. § 91a ZPO beendet worden. Sofern man nicht schon der Meinung ist, dass jedenfalls in den nach § 183 SGG kostenfreien Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung den Rechtsstreit beendet (BSG Urteil vom 20.12.1995 Az.: 6 RKa 18/95), tun es jedenfalls nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 91a ZPO die übereinstimmenden Erklärungen der Parteien. Im vorliegenden Verfahren hat der Klägerbevollmächtigte eine Erledigungserklärung in der nach § 91a ZPO vorgesehenen Form gegenüber dem Gericht abgegeben, die Beklagte hat in der Erklärung zum Rentenanspruch ab 01.01.2004 ihre Billigung vorweggenommen.
Die Erklärungen beenden den Rechtsstreit unabhängig davon, ob das erledigende Ereignis tatsächlich eingetreten ist und damit auch unabhängig davon, ob die Parteien zum Beispiel einen wirksamen Vergleich geschlossen haben oder ein Teil/Anerkenntnis wirksam angenommen wurde. Auf Willensmängel beim Zustandekommen einer zu Grunde liegenden Vereinbarung in der Sache kommt es deshalb nicht mehr an, sie stehen der prozessbeendigenden Wirkung nicht mehr entgegen. Eine Erledigungserklärung kann dann nicht mehr widerrufen und auch nicht mehr angefochten werden (BSG Urteil vom 20.12.1995 Az.: 6 RKa 18/95; BGH NJW 2002, S.442 f.; Musielak, Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 91a Rdnr.11 f.; Zöller, Kommentar zur ZPO, 26. Auflage Rdnr.2 f.). Eine Ausnahme gilt nur für Restitutionsgründe nach § 580 ZPO. Solche wurden vom Klägerbevollmächtigten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Wäre es für die Beendigung des Verfahrens maßgeblich auf den Vergleich angekommen, so hätte sich im vorliegenden Fall zuerst die Frage nach seiner Wirksamkeit nach § 118 Abs.1 SGG i.V.m. §§ 361, 362 ZPO gestellt (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 101 Rdnr.9 f.). Auch bei einer materiellen Wirksamkeit des Vergleiches hätte die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Irrtums bestanden (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 101 Rdnr.12 f.). Eine solche hätte als rechtlich nicht gerade fernliegendes Prozessverhalten angesehen werden müssen, nachdem bereits dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20.12.2004 zumindest ein Hinweis darauf zu entnehmen war, dass er sich über das Verhältnis zwischen der beantragten und der dann zugestandenen Rente in einem Irrtum befunden haben könnte, auch wenn dies seinen Grund in mangelnder Sorgfalt bei der Führung des Prozesses gehabt haben könnte. Es lag auch nicht fern, dass das Schreiben des Gerichts vom 22.12.2004 einen solchen Irrtum wenigstens begünstigt haben könnte. Schließlich verwendet das Gericht selbst in seinem Urteil einen nicht unerheblichen Begründungsaufwand, um darzulegen, dass bei einer am 05.08.2002 beantragten Rente die Klage als in vollem Umfang erfolgreich angesehen werden müsse, wenn der Kläger ab 01.01.2004 Rente erhält.
Was die weitere Begründung der Entscheidung über die Verschuldenskosten betrifft, kann der Senat den Akten keinerlei Hinweis darauf entnehmen, dass der Klägerbevollmächtigte einen Irrtum konstruiert habe. Er hat von Anbeginn klar zu erkennen gegeben, dass er den Prozessstoff für die Zeit bis 01.01.2004 übersehen habe. Die Akten enthalten auch keine Äußerungen des Klägerbevollmächtigten, in denen er gegen die Beklagte oder das Gericht Vorwürfe geäußert hätte.
Der Berufung war deshalb in der noch zur Entscheidung verbleibenden Frage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass sich die Parteien bezüglich des Streitgegenstandes nach Ziffer I des angefochtenen Urteils auch in der Kostenfrage geeinigt haben und im Übrigen keine Veranlassung bestanden hat, der Beklagten außergerichtliche Kosten aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren gegen die Feststellung der Beendigung seines Klageverfahrens und die Auferlegung von Verschuldenskosten gewendet. Streitig sind nur noch die Verschuldenskosten.
Der Kläger beantragte am 05.08.2002 bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung und erhob nach der Ablehnung des Antrags Klage. Ein vom Sozialgericht München eingeholtes Gutachten ergab eine für eine Rentengewährung ausreichende Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens ab dem 31.12.2003. Die Beklagte erklärte hierzu, gestützt auf eine entsprechende Stellungnahme ihrer Ärzte, beim Kläger liege seit 31.12.2003 volle Erwerbsminderung auf Dauer vor, der Kläger weise aber nicht die für eine Rentengewährung notwendigen Pflichtbeiträge aus.
Der Klägerbevollmächtigte teilte daraufhin der Beklagten mit, er habe erfahren, dass der Kläger einen Unfall erlitten habe. Die Beklagte könne die fehlenden Beiträge im Regressverfahren geltend machen. Nach ersten Beitragszahlungen der Versicherung teilte die Beklagte mit, der Kläger sei zwar ab 31.12.2003 auf Dauer voll erwerbsgemindert, die gezahlten Beiträge reichten jedoch noch nicht für die Rente.
Nach weiteren Beitragszahlungen teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.11.2004 mit, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer seit 31.12.2003 lägen nunmehr vor. Sie bot die Zahlung der Rente ab 01.01.2004 an, wenn der Rechtsstreit damit erledigt sei. Kosten könnten nicht übernommen werden, weil der Leistungsfall während des sozialgerichtlichen Verfahrens eingetreten sei.
Mit sich überschneidenden Schreiben fragte das Gericht beim Klägerbevollmächtigten an, ob der Rechtsstreit für erledigt erklärt werden könne und der Klägerbevollmächtigte, ob die Beklagte die Klage anerkennen könne, nachdem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hergestellt seien.
Auf eine erneute Frage des Gerichts erklärte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 20.12.2004, der Rechtsstreit könne nicht für erledigt erklärt werden, es sei denn, das Gericht empfehle es. Die Beklagte hätte das Regressverfahren abwarten müssen, die Rentenablehnung sei von Anfang an falsch gewesen, so sei man zur Klage gezwungen gewesen.
Das Gericht erklärte daraufhin dem Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 22.12.2004, es könne nur empfehlen, die Sache für erledigt zu erklären, nachdem die Klage in der Sache den vollen Erfolg gehabt habe, dem Mandanten zur beantragten Rente zu verhelfen. Eine Sachentscheidung sei nicht mehr erforderlich. Dem folgten Hinweise zum Verfahren über die Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten.
Mit Schreiben vom 30.12.2004 erklärte der Klägerbevollmächtigte die Hauptsache für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Zur Begründung bezog er sich auf sein Schreiben vom 20.12.2004.
Mit Bescheid vom 07.03.2005 bewilligte die Beklagte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 01.01.2004.
Am 15.04.2005 hat der Klägerbevollmächtigte seine Erledigungserklärung gegenüber dem Sozialgericht widerrufen. Sie sei lediglich im Hinblick darauf erfolgt, dass die Beklagte die Kostenübernahme abgelehnt habe. Hierbei habe er vollkommen übersehen, dass das Angebot die Zeit vom Rentenantrag bis 31.12.2003 übersehe. Der Bescheid vom 07.03.2005 sage dem gemäß über diese Zeit nichts aus. Er erkläre den Rechtsstreit nur für die Zeit bis 01.01.2004 erledigt und erbitte eine Entscheidung für die davor liegende Zeit.
In der mündlichen Verhandlung hat er "beantragt, die Klage insoweit aufrechtzuerhalten, als weiterhin Rente ab Antragstellung bis zum 31.12.2003 zu zahlen ist. Weiterhin ist festzustellen, dass die Erledigungserklärung rechtmäßig angefochten wurde."
Die Beklagte hat die Feststellung beantragt, dass die Streitsache auf Grund der Erledigterklärung rechtswirksam beendet sei.
Das Gericht hatte zuvor auf die Umstände hingewiesen, aus denen seiner Meinung nach folgte, dass nur eine Rente ab 01.01.2004 angeboten worden sei und sich offensichtlich ergeben habe, dass darin kein entsprechendes Angebot für die Zeit davor enthalten gewesen sei. Ein rechtlich relevanter Irrtum sei nicht zu erkennen und der Kläger müsse für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens mit der Verhängung von Verschuldenskosten rechnen.
Mit Urteil vom 11.01.2006 hat das Sozialgericht in Ziffer I der Entscheidung festgestellt, dass das Verfahren S 30 RJ 528/03 auf Grund der Erledigungserklärung im Schreiben vom 30.12.2004 rechtswirksam beendet ist und in Ziffer II der Entscheidung gegen den Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR verhängt.
Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, der Rechtsstreit sei durch einen außergerichtlichen Vergleich beendet worden, der mit Zugang der Erledigungserklärung des Klägerbevollmächtigten bei der Beklagten wirksam geworden sei. Der Kläger könne den Vergleich nicht anfechten, weil bei ihm bzw. seinem Bevollmächtigten kein Irrtum vorgelegen habe, der ein solches Recht begründen könne. Unter anderem hat das Gericht ausgeführt, mit Blick auf die Interessenlage der Rentenbewerber, die um die künftige Sicherung ihres Lebensunterhalts besorgt seien, sei die Aussage realistisch, eine Sachentscheidung über den vom Vergleich nicht abgedeckten möglichen Rentenbezugszeitraum sei nicht erforderlich. Wenn der Vorsitzende eine mögliche Fortsetzung des Verfahrens in diesem Punkt als nicht notwendig bezeichnet habe, begründe oder fördere er gewiss nicht einen Irrtum des rechtskundigen Klägervertreters über die Möglichkeit der Fortsetzung des Prozesses.
Der Versuch, einen interessengerechten Vergleich mit Vorwürfen gegen die Beklagte und das Gericht anzufechten, sei rechtsmissbräuchlich. Die Konstruktion eines Irrtums über Wesen und Inhalt eines Vergleiches sei besonders ärgerlich aus dem Munde genau jenes rechtskundigen Vertreters, dessen sich ein Bürger bediene, um Fehler, Täuschungen und Irrtümer in Verfahren mit Behörden und Gerichten auszuschließen. Die Antragstellung der Klageseite in der mündlichen Verhandlung sei kaum verständlich und nicht sachgerecht.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.
Ein Vergleich habe nicht vorgelegen. Es habe ein Teilanerkenntnis gegeben, über das ein Teilanerkenntnisurteil hätte beantragt werden müssen bei Verhandlung über den Rest, oder es hätte ein Vergleich geschlossen werden müssen. Durch die Empfehlung des Gerichts habe er diese Umstände übersehen, so dass tatsächlich ein Irrtum erregt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien einen Vergleich einschließlich einer Regelung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten über Ziffer I des angefochtenen Urteils geschlossen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.01.2006 in Ziffer II aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts München in dem vorangegangenen und früheren Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, die nur noch die Verhängung von Verschuldenskosten durch das Sozialgericht betrifft, ist zulässig und begründet.
Die Berufung war form- und fristgerecht eingelegt worden, eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG bestand nicht. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels abzustellen, die dabei gegebene Zulässigkeit wird durch spätere Veränderungen des Streitgegenstandes nicht berührt (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, vor § 153 Rdnr.10b). eine Umgehung des § 144 Abs.4 SGG, wonach die Berufung ausgeschlossen ist, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt, liegt nicht vor, denn der Kläger hatte ein ernsthaftes Interesse auf Weiterverfolgung des Verfahrens bezüglich seines Rentenanspruches für die Zeit vor dem 01.01.2004 und die Parteien haben hierüber einen Vergleich geschlossen.
Auf die zulässige Berufung ist auch die Kostenentscheidung nach § 192 SGG zu überprüfen (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 192 Rdnr.20). Jedenfalls in den Verfahren, in denen die Kostenentscheidung nach § 192 SGG noch (alleiniger) Gegenstand einer anhängigen und zulässigen Berufung ist, hat das Gericht durch Urteil zu entscheiden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht Breithaupt 2005, S.808 f.). Das Verfahren ist dann noch nicht im Sinne des § 193 Abs.1 Satz 3 SGG anders beendet worden, so dass auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden gewesen wäre.
Die Auferlegung von Verschuldenskosten durch das Sozialgericht war unberechtigt. Sie konnte nach § 192 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG im vorliegenden Fall nur ergehen bei Rechtsmissbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und stand im Ermessen des entscheidenden Gerichts (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 192 Rdnr.16). Eine solche Missbräuchlichkeit kann vorliegen, wenn ein Anspruch trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit weiterverfolgt wird. Dies allein genügt jedoch nicht, es müssen besondere Umstände hinzukommen. Rechtsmissbräuchlichkeit liegt insbesondere dann vor, wenn ein Beteiligter den Prozess weiter betreibt, obwohl er subjektiv weiß, dass die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos ist und wenn er entgegen besserer Einsicht von einer weiteren Prozessführung nicht Abstand nimmt (BayLSG a.a.O.). Hierbei können auch von einem rechtskundigen Klägerbevollmächtigten nicht fundiertere Rechtskenntnisse verlangt werden, als das Gericht sie selbst an den Tag legt. Dies gilt insbesondere, weil nach § 192 SGG der Kläger auf die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit hingewiesen werden muss und Gelegenheit haben muss, sich hierauf in seinem rechtlichen Vorbringen einzustellen und weil eine Ermessenserwägung nur rechtmäßig sein kann, soweit sie einen zutreffenden Sachverhalt und dessen zutreffende rechtliche Würdigung zu Grunde legt.
Die zur Begründung der Verhängung von Verschuldenskosten angeführten rechtlichen Annahmen des Sozialgerichts über die Prozessbeendigung waren nicht zutreffend. Das Sozialgericht hat hier, anders als im Urteilstenor, zu Unrecht angenommen, dass ein Vergleich das Verfahren beendigt habe. Das Klageverfahren ist jedoch durch übereinstimmende schriftliche Erledigungserklärungen der Parteien nach § 202 SGG i.V.m. § 91a ZPO beendet worden. Sofern man nicht schon der Meinung ist, dass jedenfalls in den nach § 183 SGG kostenfreien Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung den Rechtsstreit beendet (BSG Urteil vom 20.12.1995 Az.: 6 RKa 18/95), tun es jedenfalls nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 91a ZPO die übereinstimmenden Erklärungen der Parteien. Im vorliegenden Verfahren hat der Klägerbevollmächtigte eine Erledigungserklärung in der nach § 91a ZPO vorgesehenen Form gegenüber dem Gericht abgegeben, die Beklagte hat in der Erklärung zum Rentenanspruch ab 01.01.2004 ihre Billigung vorweggenommen.
Die Erklärungen beenden den Rechtsstreit unabhängig davon, ob das erledigende Ereignis tatsächlich eingetreten ist und damit auch unabhängig davon, ob die Parteien zum Beispiel einen wirksamen Vergleich geschlossen haben oder ein Teil/Anerkenntnis wirksam angenommen wurde. Auf Willensmängel beim Zustandekommen einer zu Grunde liegenden Vereinbarung in der Sache kommt es deshalb nicht mehr an, sie stehen der prozessbeendigenden Wirkung nicht mehr entgegen. Eine Erledigungserklärung kann dann nicht mehr widerrufen und auch nicht mehr angefochten werden (BSG Urteil vom 20.12.1995 Az.: 6 RKa 18/95; BGH NJW 2002, S.442 f.; Musielak, Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 91a Rdnr.11 f.; Zöller, Kommentar zur ZPO, 26. Auflage Rdnr.2 f.). Eine Ausnahme gilt nur für Restitutionsgründe nach § 580 ZPO. Solche wurden vom Klägerbevollmächtigten nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Wäre es für die Beendigung des Verfahrens maßgeblich auf den Vergleich angekommen, so hätte sich im vorliegenden Fall zuerst die Frage nach seiner Wirksamkeit nach § 118 Abs.1 SGG i.V.m. §§ 361, 362 ZPO gestellt (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 101 Rdnr.9 f.). Auch bei einer materiellen Wirksamkeit des Vergleiches hätte die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Irrtums bestanden (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 101 Rdnr.12 f.). Eine solche hätte als rechtlich nicht gerade fernliegendes Prozessverhalten angesehen werden müssen, nachdem bereits dem Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20.12.2004 zumindest ein Hinweis darauf zu entnehmen war, dass er sich über das Verhältnis zwischen der beantragten und der dann zugestandenen Rente in einem Irrtum befunden haben könnte, auch wenn dies seinen Grund in mangelnder Sorgfalt bei der Führung des Prozesses gehabt haben könnte. Es lag auch nicht fern, dass das Schreiben des Gerichts vom 22.12.2004 einen solchen Irrtum wenigstens begünstigt haben könnte. Schließlich verwendet das Gericht selbst in seinem Urteil einen nicht unerheblichen Begründungsaufwand, um darzulegen, dass bei einer am 05.08.2002 beantragten Rente die Klage als in vollem Umfang erfolgreich angesehen werden müsse, wenn der Kläger ab 01.01.2004 Rente erhält.
Was die weitere Begründung der Entscheidung über die Verschuldenskosten betrifft, kann der Senat den Akten keinerlei Hinweis darauf entnehmen, dass der Klägerbevollmächtigte einen Irrtum konstruiert habe. Er hat von Anbeginn klar zu erkennen gegeben, dass er den Prozessstoff für die Zeit bis 01.01.2004 übersehen habe. Die Akten enthalten auch keine Äußerungen des Klägerbevollmächtigten, in denen er gegen die Beklagte oder das Gericht Vorwürfe geäußert hätte.
Der Berufung war deshalb in der noch zur Entscheidung verbleibenden Frage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass sich die Parteien bezüglich des Streitgegenstandes nach Ziffer I des angefochtenen Urteils auch in der Kostenfrage geeinigt haben und im Übrigen keine Veranlassung bestanden hat, der Beklagten außergerichtliche Kosten aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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