Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 104/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 448/08 AS ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.04.2008 Pkt.I und II aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
III. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Frau Rechtsanwältin B., B-Straße, A-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig ist der Wegfall der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II – Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2008 bis 30.04.2008.
Die 1971 geborene Antragstellerin (Ast) bezieht Alg II zuletzt aufgrund des Bescheides vom 09.01.2008 für die Zeit ab 01.02.2008. Mit Eingliederungsvereinbarung vom 24.09.2007 verpflichtete sie sich gegenüber der Antragsgegnerin (Ag) zur "Stellensuche / Erstellung von Bewerbungsunterlagen,
- mindestens fünf Bewerbungen pro Monat in den nächsten sechs Monaten, auch unbefristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen
- Nutzung des Internets zur Stellensuche
- Nutzung der gelben Seiten zur Stellensuche
- Nutzung der aktuellen Presse/Stellenanzeiger und Belege der Eigenbemühungen durch Bewerbungsliste."
Nach wiederholten Pflichtverletzungen und Absenkungen der Leistungen gemäß § 31 Abs.1 SGB II konnte die Ast nach Aufforderung der Ag zur Vorlage von fünf Bewerbungen pro Monat (Schreiben vom 03.12.2007) diese nicht vorlegen. Die Ag stellte daher mit weiterem Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 den vollständigen Wegfall der Leistung zur Sicherung des Alg II für die Zeit vom 01.02.2008 bis 30.04.008 fest. Über die hiergegen erhobene Klage (S17 AS 177/08) ist noch nicht entschieden.
Am 22.01.2008 hat die Ast beim Sozialgericht Nürnberg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend begehrt, die Ag zu verpflichten, Zahlungen entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 09.01.2008 zu leisten.
Mit Beschluss vom 28.04.2008 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Pkt.I und II des Beschlusses) abgelehnt. Die Ast sei ihrer Pflicht, fünf Bewerbungen zu versenden, nicht nachgekommen, obwohl dies aus gesundheitlichen Gründen möglich gewesen wäre. Die Absenkung um 100 v.H. sei rechtmäßig.
Gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung hat die Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des SG S 17 AS 177/08 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) , ist zulässig und auch begründet. Die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 erhobenen Klage ist anzuordnen.
Gemäß § 39 Nr.1 SGB II haben Widerspruch und Klage gegen einen Absenkungs- bzw. Wegfallbescheid gemäß § 31 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Diese Bescheide stellen Entscheidungen der Ag über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dar. Unter Berücksichtigung des § 39 Nr.1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl., § 86b Rdnr.12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegend öffentliches Interesse und Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr.1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen: Keller aaO Rdnr.12c).
Vorliegend ist die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen, denn der Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 ist offenbar rechtswidrig. Im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung wurde die Ast lediglich verpflichtet, mindestens fünf Bewerbungen pro Monat zu erstellen. Eine Regelung, dass sie diese Bewerbungen nachzuweisen bzw. Belege hierüber vorzulegen hat, ist der Eingliederungsvereinbarung nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Vielmehr hat die Ag die Ast erst mit Schreiben vom 03.12.2007 konkret aufgefordert, diese Bewerbungsschreiben vorzulegen. Im Rahmen dieses Schreibens hat die Ag die Ast über die Rechtsfolgen nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) belehrt. Mit dem Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 hat die Ag allein die Nichtvorlage von Nachweisen über die Bewerbungen geahndet. Damit hat sie jedoch eine Pflichtverletzung sanktioniert, die in der Eingliederungsvereinbarung nicht vorgesehen war.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Ast für die Zeit vom September bis Dezember eine Unzahl von Bewerbungsschreiben vorgelegt hat, die auf durchschnittlich fünf Bewerbungen pro Monat schließen lassen. Dabei geht aus der Eingliederungsvereinbarung nicht hervor, ob sich die Zahl von fünf Bewerbungen pro Monat in den nächsten sechs Monaten auf einen Durchschnittswert oder auf den Kalendermonat bezieht.
Nach alledem ist die Eingliederungsvereinbarung in den hier streitigen Punkten nicht geeignet, den geahndeten Pflichtverstoß der Ast zu begründen. Die aufschiebende Wirkung war damit anzuordnen. Die Ag hat die einbehaltenen Leistungen nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Ast ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die hinreichende Erfolgsaussicht liegt ebenso vor wie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Ast bezieht Leistungen nach dem SGB II.
II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
III. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Frau Rechtsanwältin B., B-Straße, A-Stadt, beigeordnet.
Gründe:
I.
Streitig ist der Wegfall der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II – Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2008 bis 30.04.2008.
Die 1971 geborene Antragstellerin (Ast) bezieht Alg II zuletzt aufgrund des Bescheides vom 09.01.2008 für die Zeit ab 01.02.2008. Mit Eingliederungsvereinbarung vom 24.09.2007 verpflichtete sie sich gegenüber der Antragsgegnerin (Ag) zur "Stellensuche / Erstellung von Bewerbungsunterlagen,
- mindestens fünf Bewerbungen pro Monat in den nächsten sechs Monaten, auch unbefristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen
- Nutzung des Internets zur Stellensuche
- Nutzung der gelben Seiten zur Stellensuche
- Nutzung der aktuellen Presse/Stellenanzeiger und Belege der Eigenbemühungen durch Bewerbungsliste."
Nach wiederholten Pflichtverletzungen und Absenkungen der Leistungen gemäß § 31 Abs.1 SGB II konnte die Ast nach Aufforderung der Ag zur Vorlage von fünf Bewerbungen pro Monat (Schreiben vom 03.12.2007) diese nicht vorlegen. Die Ag stellte daher mit weiterem Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 den vollständigen Wegfall der Leistung zur Sicherung des Alg II für die Zeit vom 01.02.2008 bis 30.04.008 fest. Über die hiergegen erhobene Klage (S17 AS 177/08) ist noch nicht entschieden.
Am 22.01.2008 hat die Ast beim Sozialgericht Nürnberg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend begehrt, die Ag zu verpflichten, Zahlungen entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 09.01.2008 zu leisten.
Mit Beschluss vom 28.04.2008 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Pkt.I und II des Beschlusses) abgelehnt. Die Ast sei ihrer Pflicht, fünf Bewerbungen zu versenden, nicht nachgekommen, obwohl dies aus gesundheitlichen Gründen möglich gewesen wäre. Die Absenkung um 100 v.H. sei rechtmäßig.
Gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung hat die Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des SG S 17 AS 177/08 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) , ist zulässig und auch begründet. Die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 erhobenen Klage ist anzuordnen.
Gemäß § 39 Nr.1 SGB II haben Widerspruch und Klage gegen einen Absenkungs- bzw. Wegfallbescheid gemäß § 31 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Diese Bescheide stellen Entscheidungen der Ag über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dar. Unter Berücksichtigung des § 39 Nr.1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl., § 86b Rdnr.12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegend öffentliches Interesse und Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr.1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen: Keller aaO Rdnr.12c).
Vorliegend ist die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen, denn der Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 ist offenbar rechtswidrig. Im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung wurde die Ast lediglich verpflichtet, mindestens fünf Bewerbungen pro Monat zu erstellen. Eine Regelung, dass sie diese Bewerbungen nachzuweisen bzw. Belege hierüber vorzulegen hat, ist der Eingliederungsvereinbarung nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Vielmehr hat die Ag die Ast erst mit Schreiben vom 03.12.2007 konkret aufgefordert, diese Bewerbungsschreiben vorzulegen. Im Rahmen dieses Schreibens hat die Ag die Ast über die Rechtsfolgen nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) belehrt. Mit dem Bescheid vom 09.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2008 hat die Ag allein die Nichtvorlage von Nachweisen über die Bewerbungen geahndet. Damit hat sie jedoch eine Pflichtverletzung sanktioniert, die in der Eingliederungsvereinbarung nicht vorgesehen war.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Ast für die Zeit vom September bis Dezember eine Unzahl von Bewerbungsschreiben vorgelegt hat, die auf durchschnittlich fünf Bewerbungen pro Monat schließen lassen. Dabei geht aus der Eingliederungsvereinbarung nicht hervor, ob sich die Zahl von fünf Bewerbungen pro Monat in den nächsten sechs Monaten auf einen Durchschnittswert oder auf den Kalendermonat bezieht.
Nach alledem ist die Eingliederungsvereinbarung in den hier streitigen Punkten nicht geeignet, den geahndeten Pflichtverstoß der Ast zu begründen. Die aufschiebende Wirkung war damit anzuordnen. Die Ag hat die einbehaltenen Leistungen nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Ast ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die hinreichende Erfolgsaussicht liegt ebenso vor wie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Ast bezieht Leistungen nach dem SGB II.
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