Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 5039/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 14/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. November 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 12.825,04 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 12.825,04 EUR für den Beigeladenen zu 2 wegen Unterschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze in den Jahren 2002 bis 2004.
Die Beklagte führte am 7.3.2005 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV durch. Der Prüfzeitraum erstreckte sich vom 1.1.2001 bis 31.12.2004. Dabei stellte sie fest, dass für den Versicherten H. - dem Beigeladenen zu 2) -fehlerhaft ab 1.8.2002 weiterhin vom Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze (JAE) ausgegangen wurde. Aufgrund der Vereinbarung einer Gehaltskürzung um 10% sowie des Verzichts auf Weihnachtsgeld ab 1.8.2002 bezog der Beigeladene zu 2) ab diesem Zeitpunkt nur mehr ein monatliches sozialversicherungspflichtiges Entgelt von 2871,72 EUR, so dass Sozialversicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung eingetreten sei. Der Beigeladene zu 2) hatte vom 1.1.2002 bis 31.7.2002 ein monatliches Bruttoentgelt von 3181,72 EUR erhalten.
Mit dem Bescheid vom 14.4.2005 forderte die Beklagte Versicherungsbeiträge in Höhe von 17.418,24 EUR für die Zeit ab 1.1.2002 für den Beigeladenen zu 2).
Dagegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin, der damit begründet wurde, dass bis zum 31.7.2002 das Entgelt des Beigeladenen zu 2 über der JAE gelegen habe und erst mit Wirkung vom 1.8.2002 an die Kürzung vereinbart worden sei. Im Übrigen sei die rückwirkende Aufhebung der bisherigen Versicherungsfreiheit unter Berücksichtigung der bereits in Anspruch genommenen Versicherungsleistungen nicht systemgerecht, da eine Rückabwicklung mit der privaten Krankenversicherung des Beigeladenen zu 2) nicht mehr möglich sei. Damit entstehe eine Doppelbelastung, die dem Grundgedanken des Sozialrechts widerspreche. Das Beitragsrecht kenne nämlich keine mehrfache Beitragserhebung. Da erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden, werde eine Aussetzung und zinslose Stundung der Nachzahlung beantragt.
Zur Begründung wurden Entscheidungen des BSG vom 16.12.2003 (B1 KR 20/01 R) und des Sozialgerichts Aachen vom 10.1.2003 (S 8 RA 94/02) zitiert.
Mit Bescheid vom 25.8.2005 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und reduzierte die Nachforderung auf 12.825,04 EUR mit der Begründung, dass bis 31.7.2002 Kranken- und Pflegeversicherungsfreiheit vorgelegen habe und erst ab 1.8.2002 die Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht mehr überschritten worden sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2005 zurück. Die Versicherungspflicht trete kraft Gesetzes ein, so dass es unerheblich sei, dass der Beigeladene zu 2) während der streitigen Zeit privat krankenversichert gewesen sei. Das Gesetz sehe vor, dass bei Eintritt der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht der Versicherte den privaten Versicherungsvertrag kündigen könne (§ 5
Abs. 9 SGB V). Ergänzt werde diese Bestimmung durch § 178 h Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Diese Regelung bestimme, dass binnen zwei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht der Vertrag rückwirkend gekündigt werden könne. Für den Fall der Fristversäumung könne das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats gekündigt werden, in dem der Eintritt nachgewiesen werde.
Die zitierte BSG Rechtsprechung betreffe nicht den hier zu entscheidenden Fall, das Urteil des Sozialgerichts Aachen stelle eine Einzelfallentscheidung dar und könne nicht auf andere Fälle übertragen werden.
Den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 8.2.2006, ab, da weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides beständen noch eine unbillige, nicht durch das überwiegende öffentliche Interesse gebotene Härte vorliege. Die Antragstellerin habe keine Nachweise erbracht, dass ihre derzeitige wirtschaftliche Situation es nicht erlaube, den Beitragsverpflichtungen nachzukommen.
Mit der Klage vom 25.5.2005 begehrte die Klägerin in der Hauptsache die Aufhebung des Bescheides vom 25.8.2005. Zur Begründung wurde auf das zitierte Urteil des Sozialgerichts Aachen Bezug genommen. Durch die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung würde diese Beiträge erhalten, ohne jemals ein Versicherungsrisiko getragen zu haben. Es sei in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch anerkannt, dass das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis als Instrument der Daseinsvorsorge durch gegenseitige Rechte und Pflichten gekennzeichnet sei. Diese Wechselbeziehung wäre gestört, wenn aus den Beitragsansprüchen gegen den Versicherten nicht einmal das Risiko einer möglichen Gewährung von Versicherungsschutz durch Gewährung von Sozialleistungen bestehe. Tatsächlich könne auch das Verhältnis zur privaten Krankenversicherung vom Beigeladenen nicht rückabgewickelt werden, da die Frist des § 178 h Abs. 2 S. 3 VVG verstrichen sei und eine spätere Kündigung nur das Ende des Versicherungsvertrages zum Monat der Kündigung bewirke. Vorsorglich werde auch die Verwirkung der geforderten Nachforderungsansprüche geltend gemacht.
Die private Versicherung des Beigeladenen habe es abgelehnt den Vertrag rückabzuwickeln. Im Übrigen seien in der Zeit vom 1.8.2002 bis 31.12.2004 Leistungen erbracht worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.11.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab und setzte den Streitwert auf 12.825,04 EUR fest.
Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) in der Zeit vom 1.8.2002 bis 31.12.2004 einen Verdienst erzielt habe, der jeweils unter der JAE gelegen habe, so dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestanden habe und die Beklagte daher Beiträge in Höhe von 12.825,04 EUR nachfordern habe können.
Die Nachforderung der Beiträge führe entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einer offenkundigen Störung des versicherungsrechtlichen Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzips. Das Sozialgericht hielt aufgrund des Gesetzeswortlauts von § 5 Abs. 9 S. 1 SGB V eine Rückabwicklung des privaten Kranken- und Pflegeversicherungsvertrags für möglich, so dass sowohl die gezahlten Beiträge als auch die Leistungen gemäß §§ 812 ff. BGB ab 1.8.2002 gegenseitig herauszugeben seien. Auch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse habe der Versicherte einen Anspruch auf Erstattung der Leistungen im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V. Diese Ansprüche seien auch nicht verjährt.
Dass die Klägerin den vollen Beitrag zu tragen habe, sei Folge eines fehlerhaften Verhaltens, nämlich der unzutreffenden Beurteilung des krankenversicherungs- und pflegeversicherungsrechtlichen Status des Beschäftigten. Diesen Fehler ihrer früheren Bevollmächtigten müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.
Da aufgrund der Rückabwicklungsmöglichkeit keine doppelte Beitragserhebung vorliege bleibe kein Raum für die Anwendung der zitierten Rechtsprechung.
Die Nacherhebung von Beiträgen sei auch nicht in analoger Anwendung von § 242 BGB aus Gründen der Verwirkung rechtswidrig. Denn diese setze als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen habe und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung eines Rechtes nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lasse. Dies liege zum Beispiel dann vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde, und darauf auch tatsächlich vertrauen durfte. Dies sei nicht gegeben, da vorliegend die Versicherungspflicht erstmals im Rahmen der am 7.3.2005 durchgeführten Betriebsprüfung entdeckt worden sei.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 12.1.2007 eingelegte Berufung, zu deren Begründung auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen wurde. Insbesondere wurde auf die Störung der Wechselbeziehung zwischen Rechten und Pflichten in der gesetzlichen Versicherung hingewiesen für den Fall, dass eine Nachforderung der Beiträge erfolge. Entgegen der Annahme der ersten Instanz sei es nicht möglich, die gezahlten Prämien zur privaten Krankenversicherung zurückzufordern. Deshalb seien die vom BSG aufgestellten Grundsätze zur doppelten Beitragserhebung anzuwenden.
Die Beklagte hält hingegen das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers sei kraft Gesetzes eingetreten, so dass es unerheblich sei, dass der Beigeladene zu 2) während des streitigen Zeitraums privat krankenversichert gewesen sei. Es bedürfe bei Begründung der Versicherungspflicht grundsätzlich keines Antrags, keines Aufnahmeaktes der Krankenkasse und keiner Beitragszahlung. Befreiungstatbestände hätten nicht vorgelegen. Das von der Klägerin erwähnte Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzip sei in der gesetzlichen Krankenversicherung nur ansatzweise ausgestaltet. Es sei dem Prinzip der Solidargemeinschaft nicht systemfremd, dass der Beitragspflicht nicht immer ein vollständiger Leistungsanspruch gegenüberstehe.
Nicht zutreffend seien auch die Ausführungen des Sozialgerichts Aachen in der genannten Entscheidung, da dieses in unzulässiger Weise die Position des Versicherten und des Arbeitgebers gleichgestellt habe. Wenn nämlich der Arbeitgeber aufgrund der von ihm zu vertretenden Fehleinschätzung des Versichertenstatus der Solidargemeinschaft Beitragsmittel vorenthalte, sei seine Inanspruchnahme grundsätzlich gerechtfertigt, ungeachtet des Umstandes, dass die öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungsträger kein konkretes Versicherungsrisiko getragen haben. Dies folge zum einen daraus, dass ohnehin nicht feststehe, dass der Versicherte Versicherungsschutz in Anspruch genommen hätte und zum anderen könnte bei gegenteiliger Auffassung die Beitragspflicht ohne Weiteres unterlaufen werden, wenn das Risiko der ordnungsgemäßen Beurteilung des Versicherungsstatus der Solidargemeinschaft aufgebürdet werden würde. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auf eine rechtskräftig gewordene Entscheidung des LSG NRW (L 16 B 17/04 KR ER). Im Übrigen habe die Klägerin keine Krankenversicherungsbeiträge doppelt gezahlt, da die Beiträge zur privaten Krankenversicherung allein vom Arbeitnehmer getragen worden seien. Der durch die Klägerin nunmehr zu Unrecht gezahlte Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung stelle keinen Versicherungsbeitrag dar und könne zurückgefordert werden. Der Arbeitnehmer habe das Recht, einen Antrag auf Rückzahlung seiner privaten Krankenversicherungsbeiträge zu stellen, nicht aber die Klägerin. Ob dieser sein Recht privatrechtlich durchsetzen könne, bleibe dahingestellt und sei für die Entscheidung in diesem Verfahren unerheblich.
Zum Verfahren wurde statt der zunächst beigeladenen AOK die Techniker Krankenkasse, bei der der Beigeladene zu 2) seit 1.3.2005 versichert ist, beigeladen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.11.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 14.4.2005 und 25.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Bayreuth und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich als unbegründet
(§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -),
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) ab 1.8.2002 und in den Jahren 2003 und 2004 keine Einkünfte erzielte, die über der Jahresarbeitsentgeltgrenze ( JAE) lagen und deshalb ab 1.8.2002 gemäß § 5 Abs. 1
SGB V Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestand.
Erfüllt jemand, der unter den persönlichen und räumlichen Geltungsbereich des SGB fällt einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 SGB V ist er versicherungspflichtig, sofern keine Ausnahme wie z.B. Versicherungsfreiheit, Befreiung auf Antrag, vorrangiger Tatbestand der Versicherungspflicht etc. eingreift. Es handelt sich um eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes, die immer - aber nur dann eintritt, wenn und solange der Tatbestand erfüllt ist. Sie ist unabdingbar (vgl. Peters in Kasseler Kommentar § 5 SGB V Anm. 206).
Unstreitig und nach den vorliegenden Dokumenten erwiesen, lag das Einkommen des Versicherten und Beigeladenen zu 2 ab 1.8.2002 unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze aufgrund der Vereinbarung über die zehnprozentige Kürzung des Gehalts. Unstreitig und erwiesen ist auch, dass dieser Sachverhalt erst anlässlich der Betriebsprüfung bekannt wurde.
Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass damit kraft Gesetzes Versicherungspflicht ab 1.8.2002 entstanden ist (§ 6 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V).
Gleichzeitig bestand aber weiterhin die private Krankenversicherung, da zumindest dem Beigeladenen zu 2) nicht bewusst sein musste, dass er die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit nicht mehr erfüllt.
Während das Gesetz in § 190 Abs. 3 SGB V bestimmt, wie die Mitgliedschaft zu behandeln ist, wenn wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze die Versicherungspflicht in der GKV endet, enthält das Gesetz keine Regelung darüber, zu welchem Zeitpunkt die Versicherungsfreiheit beim Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze endet und die Beitragspflicht einsetzt. Geregelt ist nur, dass, wer versicherungspflichtig wird und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, den Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen kann (§ 5 Abs. 9 SGB V; § 178 h VVG). Gleichzeitig ist aber den Regelungen zu entnehmen, dass trotz der Existenz von zwei unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen sowohl vermieden werden soll, dass eine Lücke im Versicherungsschutz entsteht, als auch die Doppelversicherung unerwünscht ist. Dem dient die Bestimmung des § 5 Abs. 9
SGB V (Peters in Kasseler Kommentar § 5 SGB V Anm. 215).
In der bis 31.12.2004 geltenden Fassung bestimmte § 5 Abs. 9 SGB V, dass "wer versicherungspflichtig wird und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, dann den Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen kann." Dies hat aber nicht zur Folge, dass unabhängig vom Weiterbestehen der privaten Versicherung nicht Beitragspflicht in der gesetzlichen Versicherung eintritt. Das Gesetz bietet keine Grundlage dafür, dass erst nach Auflösung der privaten Versicherung Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung eintritt. Vielmehr tritt mit dem Unterschreiten der JAE-Grenze die Beitrags- und Versicherungspflicht ein und zwar nicht erst mit Ablauf des Kalenderjahres, wenn die JAE-Grenze aufgrund einer Änderung des Beschäftigungsverhältnisses unterschritten wird (vgl. Baier in Krauskopf § 6 SGB V Anm. 68). Dies muss im Falle des Beigeladenen zu 2) besonders deshalb gelten, weil aufgrund der vereinbarten Lohnkürzung auch bei einer vorausschauenden Bewertung deutlich war, dass er im folgenden Kalenderjahr die JAE-Grenze mit dem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt erneut nicht überschreiten wird. Selbst bei einer vorausschauenden Betrachtung hätte also ab 1.8.2002 beim Beigeladenen zu 2) festgestellt werden müssen, dass er auch zukünftig die JAE- Grenze nicht überschreiten wird und deshalb die Versicherungspflicht ab 1.8.2002 besteht. Nach den bis 31.1.2007 geltenden Bestimmungen war in manchen Fällen eine vorausschauende Betrachtungsweise erforderlich, wenn zum Beispiel Sonderzahlungen oder Einmalzahlungen erst zum Überschreiten der JAE-Grenze geführt haben. Das Überschreiten der JAE-Grenze musste mit dem regelmäßigen JAE erfolgt sein. Eine solche unsichere Entwicklung des Einkommens lag beim Beigeladenen zu 2) jedoch nicht vor, da ab 10.8.2002 eine auf Dauer vereinbarte Kürzung des Entgelts vorgenommen worden war. Deshalb stand ab 1.8.2002 objektiv fest dass Beigeladene
zu 2) auch zukünftig die JAE- Grenze nicht überschreiten wird. Die Beklagte ist daher zu Recht von der Versicherungspflicht ab 1.8.2002 und der damit ab diesem Zeitpunkt verbundenen Beitragspflicht ausgegangen (vgl. dazu auch Peters in Kasseler Kommentar § 6 SGB V Anm. 17 ff).
Dass die Klägerin die durch die Versicherungspflicht fällig gewordenen Beiträge an die Beklagte zu leisten hat, verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), denn die Klägerin hatte die Pflicht, den Sozialversicherungsstatus ihres Arbeitnehmers zu prüfen und bei Änderungen des Entgelts gegebenenfalls eine Überprüfung durchzuführen oder eine Entscheidung der Einzugsstelle herbeizuführen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin nicht nachgekommen. Zu Recht hat das Sozialgericht darauf abgestellt, dass es nach dem System der Solidargemeinschaft nicht darauf ankommt, ob der Versicherte für diese Beiträge tatsächlich auch Leistungen erhalten kann.
Ob es nach dem bis 31.12.2007 geltenden § 178 h VVG nicht möglich war, nach Ablauf der Zweimonatsfrist das private Versicherungsverhältnis rückabzuwickeln ist, in der Rechtsprechung in der Vergangenheit unterschiedlich entschieden worden, wäre aber vom Versicherten zivilrechtlich zu verfolgen und kann daher vorliegend keine Berücksichtigung finden (siehe auch Baier in Krauskopf a.a.O. § 5 SGB V Amn.106, 107).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 197a SGG, 154 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung entspricht dem streitigen Nachforderungsbetrag, sowie dem Streitwertbeschluss des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich, insbesondere ist aufgrund der Änderung der Bestimmung der §§ 6 Abs. 4 SGB V und 5 Abs. 9 SGB V keine grundsätzliche Frage mehr gegeben.
II. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 12.825,04 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 12.825,04 EUR für den Beigeladenen zu 2 wegen Unterschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze in den Jahren 2002 bis 2004.
Die Beklagte führte am 7.3.2005 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p
SGB IV durch. Der Prüfzeitraum erstreckte sich vom 1.1.2001 bis 31.12.2004. Dabei stellte sie fest, dass für den Versicherten H. - dem Beigeladenen zu 2) -fehlerhaft ab 1.8.2002 weiterhin vom Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze (JAE) ausgegangen wurde. Aufgrund der Vereinbarung einer Gehaltskürzung um 10% sowie des Verzichts auf Weihnachtsgeld ab 1.8.2002 bezog der Beigeladene zu 2) ab diesem Zeitpunkt nur mehr ein monatliches sozialversicherungspflichtiges Entgelt von 2871,72 EUR, so dass Sozialversicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung eingetreten sei. Der Beigeladene zu 2) hatte vom 1.1.2002 bis 31.7.2002 ein monatliches Bruttoentgelt von 3181,72 EUR erhalten.
Mit dem Bescheid vom 14.4.2005 forderte die Beklagte Versicherungsbeiträge in Höhe von 17.418,24 EUR für die Zeit ab 1.1.2002 für den Beigeladenen zu 2).
Dagegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin, der damit begründet wurde, dass bis zum 31.7.2002 das Entgelt des Beigeladenen zu 2 über der JAE gelegen habe und erst mit Wirkung vom 1.8.2002 an die Kürzung vereinbart worden sei. Im Übrigen sei die rückwirkende Aufhebung der bisherigen Versicherungsfreiheit unter Berücksichtigung der bereits in Anspruch genommenen Versicherungsleistungen nicht systemgerecht, da eine Rückabwicklung mit der privaten Krankenversicherung des Beigeladenen zu 2) nicht mehr möglich sei. Damit entstehe eine Doppelbelastung, die dem Grundgedanken des Sozialrechts widerspreche. Das Beitragsrecht kenne nämlich keine mehrfache Beitragserhebung. Da erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden, werde eine Aussetzung und zinslose Stundung der Nachzahlung beantragt.
Zur Begründung wurden Entscheidungen des BSG vom 16.12.2003 (B1 KR 20/01 R) und des Sozialgerichts Aachen vom 10.1.2003 (S 8 RA 94/02) zitiert.
Mit Bescheid vom 25.8.2005 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und reduzierte die Nachforderung auf 12.825,04 EUR mit der Begründung, dass bis 31.7.2002 Kranken- und Pflegeversicherungsfreiheit vorgelegen habe und erst ab 1.8.2002 die Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht mehr überschritten worden sei.
Den Widerspruch wies die Beklagte im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2005 zurück. Die Versicherungspflicht trete kraft Gesetzes ein, so dass es unerheblich sei, dass der Beigeladene zu 2) während der streitigen Zeit privat krankenversichert gewesen sei. Das Gesetz sehe vor, dass bei Eintritt der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht der Versicherte den privaten Versicherungsvertrag kündigen könne (§ 5
Abs. 9 SGB V). Ergänzt werde diese Bestimmung durch § 178 h Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Diese Regelung bestimme, dass binnen zwei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht der Vertrag rückwirkend gekündigt werden könne. Für den Fall der Fristversäumung könne das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats gekündigt werden, in dem der Eintritt nachgewiesen werde.
Die zitierte BSG Rechtsprechung betreffe nicht den hier zu entscheidenden Fall, das Urteil des Sozialgerichts Aachen stelle eine Einzelfallentscheidung dar und könne nicht auf andere Fälle übertragen werden.
Den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 8.2.2006, ab, da weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides beständen noch eine unbillige, nicht durch das überwiegende öffentliche Interesse gebotene Härte vorliege. Die Antragstellerin habe keine Nachweise erbracht, dass ihre derzeitige wirtschaftliche Situation es nicht erlaube, den Beitragsverpflichtungen nachzukommen.
Mit der Klage vom 25.5.2005 begehrte die Klägerin in der Hauptsache die Aufhebung des Bescheides vom 25.8.2005. Zur Begründung wurde auf das zitierte Urteil des Sozialgerichts Aachen Bezug genommen. Durch die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung würde diese Beiträge erhalten, ohne jemals ein Versicherungsrisiko getragen zu haben. Es sei in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch anerkannt, dass das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis als Instrument der Daseinsvorsorge durch gegenseitige Rechte und Pflichten gekennzeichnet sei. Diese Wechselbeziehung wäre gestört, wenn aus den Beitragsansprüchen gegen den Versicherten nicht einmal das Risiko einer möglichen Gewährung von Versicherungsschutz durch Gewährung von Sozialleistungen bestehe. Tatsächlich könne auch das Verhältnis zur privaten Krankenversicherung vom Beigeladenen nicht rückabgewickelt werden, da die Frist des § 178 h Abs. 2 S. 3 VVG verstrichen sei und eine spätere Kündigung nur das Ende des Versicherungsvertrages zum Monat der Kündigung bewirke. Vorsorglich werde auch die Verwirkung der geforderten Nachforderungsansprüche geltend gemacht.
Die private Versicherung des Beigeladenen habe es abgelehnt den Vertrag rückabzuwickeln. Im Übrigen seien in der Zeit vom 1.8.2002 bis 31.12.2004 Leistungen erbracht worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.11.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab und setzte den Streitwert auf 12.825,04 EUR fest.
Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) in der Zeit vom 1.8.2002 bis 31.12.2004 einen Verdienst erzielt habe, der jeweils unter der JAE gelegen habe, so dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestanden habe und die Beklagte daher Beiträge in Höhe von 12.825,04 EUR nachfordern habe können.
Die Nachforderung der Beiträge führe entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einer offenkundigen Störung des versicherungsrechtlichen Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzips. Das Sozialgericht hielt aufgrund des Gesetzeswortlauts von § 5 Abs. 9 S. 1 SGB V eine Rückabwicklung des privaten Kranken- und Pflegeversicherungsvertrags für möglich, so dass sowohl die gezahlten Beiträge als auch die Leistungen gemäß §§ 812 ff. BGB ab 1.8.2002 gegenseitig herauszugeben seien. Auch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse habe der Versicherte einen Anspruch auf Erstattung der Leistungen im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V. Diese Ansprüche seien auch nicht verjährt.
Dass die Klägerin den vollen Beitrag zu tragen habe, sei Folge eines fehlerhaften Verhaltens, nämlich der unzutreffenden Beurteilung des krankenversicherungs- und pflegeversicherungsrechtlichen Status des Beschäftigten. Diesen Fehler ihrer früheren Bevollmächtigten müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.
Da aufgrund der Rückabwicklungsmöglichkeit keine doppelte Beitragserhebung vorliege bleibe kein Raum für die Anwendung der zitierten Rechtsprechung.
Die Nacherhebung von Beiträgen sei auch nicht in analoger Anwendung von § 242 BGB aus Gründen der Verwirkung rechtswidrig. Denn diese setze als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen habe und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes die verspätete Geltendmachung eines Rechtes nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lasse. Dies liege zum Beispiel dann vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde, und darauf auch tatsächlich vertrauen durfte. Dies sei nicht gegeben, da vorliegend die Versicherungspflicht erstmals im Rahmen der am 7.3.2005 durchgeführten Betriebsprüfung entdeckt worden sei.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 12.1.2007 eingelegte Berufung, zu deren Begründung auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen wurde. Insbesondere wurde auf die Störung der Wechselbeziehung zwischen Rechten und Pflichten in der gesetzlichen Versicherung hingewiesen für den Fall, dass eine Nachforderung der Beiträge erfolge. Entgegen der Annahme der ersten Instanz sei es nicht möglich, die gezahlten Prämien zur privaten Krankenversicherung zurückzufordern. Deshalb seien die vom BSG aufgestellten Grundsätze zur doppelten Beitragserhebung anzuwenden.
Die Beklagte hält hingegen das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers sei kraft Gesetzes eingetreten, so dass es unerheblich sei, dass der Beigeladene zu 2) während des streitigen Zeitraums privat krankenversichert gewesen sei. Es bedürfe bei Begründung der Versicherungspflicht grundsätzlich keines Antrags, keines Aufnahmeaktes der Krankenkasse und keiner Beitragszahlung. Befreiungstatbestände hätten nicht vorgelegen. Das von der Klägerin erwähnte Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzip sei in der gesetzlichen Krankenversicherung nur ansatzweise ausgestaltet. Es sei dem Prinzip der Solidargemeinschaft nicht systemfremd, dass der Beitragspflicht nicht immer ein vollständiger Leistungsanspruch gegenüberstehe.
Nicht zutreffend seien auch die Ausführungen des Sozialgerichts Aachen in der genannten Entscheidung, da dieses in unzulässiger Weise die Position des Versicherten und des Arbeitgebers gleichgestellt habe. Wenn nämlich der Arbeitgeber aufgrund der von ihm zu vertretenden Fehleinschätzung des Versichertenstatus der Solidargemeinschaft Beitragsmittel vorenthalte, sei seine Inanspruchnahme grundsätzlich gerechtfertigt, ungeachtet des Umstandes, dass die öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungsträger kein konkretes Versicherungsrisiko getragen haben. Dies folge zum einen daraus, dass ohnehin nicht feststehe, dass der Versicherte Versicherungsschutz in Anspruch genommen hätte und zum anderen könnte bei gegenteiliger Auffassung die Beitragspflicht ohne Weiteres unterlaufen werden, wenn das Risiko der ordnungsgemäßen Beurteilung des Versicherungsstatus der Solidargemeinschaft aufgebürdet werden würde. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auf eine rechtskräftig gewordene Entscheidung des LSG NRW (L 16 B 17/04 KR ER). Im Übrigen habe die Klägerin keine Krankenversicherungsbeiträge doppelt gezahlt, da die Beiträge zur privaten Krankenversicherung allein vom Arbeitnehmer getragen worden seien. Der durch die Klägerin nunmehr zu Unrecht gezahlte Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung stelle keinen Versicherungsbeitrag dar und könne zurückgefordert werden. Der Arbeitnehmer habe das Recht, einen Antrag auf Rückzahlung seiner privaten Krankenversicherungsbeiträge zu stellen, nicht aber die Klägerin. Ob dieser sein Recht privatrechtlich durchsetzen könne, bleibe dahingestellt und sei für die Entscheidung in diesem Verfahren unerheblich.
Zum Verfahren wurde statt der zunächst beigeladenen AOK die Techniker Krankenkasse, bei der der Beigeladene zu 2) seit 1.3.2005 versichert ist, beigeladen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.11.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 14.4.2005 und 25.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Bayreuth und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich als unbegründet
(§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -),
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) ab 1.8.2002 und in den Jahren 2003 und 2004 keine Einkünfte erzielte, die über der Jahresarbeitsentgeltgrenze ( JAE) lagen und deshalb ab 1.8.2002 gemäß § 5 Abs. 1
SGB V Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestand.
Erfüllt jemand, der unter den persönlichen und räumlichen Geltungsbereich des SGB fällt einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 SGB V ist er versicherungspflichtig, sofern keine Ausnahme wie z.B. Versicherungsfreiheit, Befreiung auf Antrag, vorrangiger Tatbestand der Versicherungspflicht etc. eingreift. Es handelt sich um eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes, die immer - aber nur dann eintritt, wenn und solange der Tatbestand erfüllt ist. Sie ist unabdingbar (vgl. Peters in Kasseler Kommentar § 5 SGB V Anm. 206).
Unstreitig und nach den vorliegenden Dokumenten erwiesen, lag das Einkommen des Versicherten und Beigeladenen zu 2 ab 1.8.2002 unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze aufgrund der Vereinbarung über die zehnprozentige Kürzung des Gehalts. Unstreitig und erwiesen ist auch, dass dieser Sachverhalt erst anlässlich der Betriebsprüfung bekannt wurde.
Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass damit kraft Gesetzes Versicherungspflicht ab 1.8.2002 entstanden ist (§ 6 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V).
Gleichzeitig bestand aber weiterhin die private Krankenversicherung, da zumindest dem Beigeladenen zu 2) nicht bewusst sein musste, dass er die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit nicht mehr erfüllt.
Während das Gesetz in § 190 Abs. 3 SGB V bestimmt, wie die Mitgliedschaft zu behandeln ist, wenn wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze die Versicherungspflicht in der GKV endet, enthält das Gesetz keine Regelung darüber, zu welchem Zeitpunkt die Versicherungsfreiheit beim Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze endet und die Beitragspflicht einsetzt. Geregelt ist nur, dass, wer versicherungspflichtig wird und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, den Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen kann (§ 5 Abs. 9 SGB V; § 178 h VVG). Gleichzeitig ist aber den Regelungen zu entnehmen, dass trotz der Existenz von zwei unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen sowohl vermieden werden soll, dass eine Lücke im Versicherungsschutz entsteht, als auch die Doppelversicherung unerwünscht ist. Dem dient die Bestimmung des § 5 Abs. 9
SGB V (Peters in Kasseler Kommentar § 5 SGB V Anm. 215).
In der bis 31.12.2004 geltenden Fassung bestimmte § 5 Abs. 9 SGB V, dass "wer versicherungspflichtig wird und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, dann den Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen kann." Dies hat aber nicht zur Folge, dass unabhängig vom Weiterbestehen der privaten Versicherung nicht Beitragspflicht in der gesetzlichen Versicherung eintritt. Das Gesetz bietet keine Grundlage dafür, dass erst nach Auflösung der privaten Versicherung Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung eintritt. Vielmehr tritt mit dem Unterschreiten der JAE-Grenze die Beitrags- und Versicherungspflicht ein und zwar nicht erst mit Ablauf des Kalenderjahres, wenn die JAE-Grenze aufgrund einer Änderung des Beschäftigungsverhältnisses unterschritten wird (vgl. Baier in Krauskopf § 6 SGB V Anm. 68). Dies muss im Falle des Beigeladenen zu 2) besonders deshalb gelten, weil aufgrund der vereinbarten Lohnkürzung auch bei einer vorausschauenden Bewertung deutlich war, dass er im folgenden Kalenderjahr die JAE-Grenze mit dem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt erneut nicht überschreiten wird. Selbst bei einer vorausschauenden Betrachtung hätte also ab 1.8.2002 beim Beigeladenen zu 2) festgestellt werden müssen, dass er auch zukünftig die JAE- Grenze nicht überschreiten wird und deshalb die Versicherungspflicht ab 1.8.2002 besteht. Nach den bis 31.1.2007 geltenden Bestimmungen war in manchen Fällen eine vorausschauende Betrachtungsweise erforderlich, wenn zum Beispiel Sonderzahlungen oder Einmalzahlungen erst zum Überschreiten der JAE-Grenze geführt haben. Das Überschreiten der JAE-Grenze musste mit dem regelmäßigen JAE erfolgt sein. Eine solche unsichere Entwicklung des Einkommens lag beim Beigeladenen zu 2) jedoch nicht vor, da ab 10.8.2002 eine auf Dauer vereinbarte Kürzung des Entgelts vorgenommen worden war. Deshalb stand ab 1.8.2002 objektiv fest dass Beigeladene
zu 2) auch zukünftig die JAE- Grenze nicht überschreiten wird. Die Beklagte ist daher zu Recht von der Versicherungspflicht ab 1.8.2002 und der damit ab diesem Zeitpunkt verbundenen Beitragspflicht ausgegangen (vgl. dazu auch Peters in Kasseler Kommentar § 6 SGB V Anm. 17 ff).
Dass die Klägerin die durch die Versicherungspflicht fällig gewordenen Beiträge an die Beklagte zu leisten hat, verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), denn die Klägerin hatte die Pflicht, den Sozialversicherungsstatus ihres Arbeitnehmers zu prüfen und bei Änderungen des Entgelts gegebenenfalls eine Überprüfung durchzuführen oder eine Entscheidung der Einzugsstelle herbeizuführen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin nicht nachgekommen. Zu Recht hat das Sozialgericht darauf abgestellt, dass es nach dem System der Solidargemeinschaft nicht darauf ankommt, ob der Versicherte für diese Beiträge tatsächlich auch Leistungen erhalten kann.
Ob es nach dem bis 31.12.2007 geltenden § 178 h VVG nicht möglich war, nach Ablauf der Zweimonatsfrist das private Versicherungsverhältnis rückabzuwickeln ist, in der Rechtsprechung in der Vergangenheit unterschiedlich entschieden worden, wäre aber vom Versicherten zivilrechtlich zu verfolgen und kann daher vorliegend keine Berücksichtigung finden (siehe auch Baier in Krauskopf a.a.O. § 5 SGB V Amn.106, 107).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 197a SGG, 154 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung entspricht dem streitigen Nachforderungsbetrag, sowie dem Streitwertbeschluss des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen sind nicht ersichtlich, insbesondere ist aufgrund der Änderung der Bestimmung der §§ 6 Abs. 4 SGB V und 5 Abs. 9 SGB V keine grundsätzliche Frage mehr gegeben.
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