Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 600/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 375/03
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Arbeitslosengeld.
Die 1966 geborene Klägerin hatte ab 18. April 1993 Mutterschaftsgeld und vom 5. Juni 1993 bis 20. April 1997 Bundes- und Landeserziehungsgeld bezogen.
Am 16. April 1997 meldete sie sich arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihr am 2. Juni 1997 Arbeitslosengeld ab 21. April 1997 für 312 Tage. Die Leistung wurde zum 19. Mai 1997 eingestellt. Danach erhielt die Klägerin bis 27. Juni 1997 wieder Mutterschaftsgeld. Sie bezog vom 28.Juni 1997 bis 27.Juni 1999 Erziehungsgeld für das dritte Kind L. (geboren 1997) und vom 30. Juni 1999 bis 29. Juni 2001 Erziehungsgeld für das vierte Kind F. (geboren 1998).
Am 30. August 2001 meldete sie sich erneut arbeitslos. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. September 2001 Arbeitslosengeld ab. Die Klägerin habe seit dem Erwerb des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit dem Antrag vom 21. April 1997 nicht mindestens
12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaft erworben. Es bestehe auch kein Rechtsanspruch aus der früheren Anwartschaft. Sie habe zudem keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe; innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 30. August 2001 habe sie nicht Arbeitslosengeld bezogen.
Sie legte hiergegen am 19. Oktober 2001 Widerspruch ein; die von der Beklagten herangezogene Rechtsgrundlage sei nicht verfassungskonform, das Verfahren sei zur Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht auszusetzen. Sie werde durch "die Geburt eines weiteren Kindes benachteiligt". Nach früherem Recht waren Kindererziehungszeiten und Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges versicherungspflichtig. Die gesetzliche Änderung sei am 24. März 1997 erlassen worden, während der Bewilligungs- und Aufhebungsbescheid vom 2. Juni 1997 stammt. Anstatt auf die Auswirkung durch die gesetzliche Neuregelung hinzuweisen, habe die zuständige Arbeitsvermittlerin mitgeteilt, dass nach der geltenden Rechtslage die Kinderziehungszeiten versicherungspflichtig sind und nach Ablauf des Erziehungsurlaubes ein neuer Anspruch besteht. Hieraus ergebe sich ein sozialversicherungsrechtlicher Herstellungsanspruch
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2001 den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld könne nicht mehr geltend gemacht werden, wenn, wie hier, nach seiner Entstehung vier Jahren verstrichen sind. Die Klägerin habe zuletzt am 21. April 1997 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Seit der Entstehung seien bereits vier Jahre verstrichen. Sie habe auch nicht die Anwartschaftszeit für einen neuen Anspruch mit der Antragstellung am 30. August 2001 erfüllt. Die Rahmenfrist aufgrund der Betreuungs- und Erziehungszeiten konnte nur bis 21. April 1997 verlängert werden. Im Zeitraum vom 21. April 1997 bis 29 August 2001 sei lediglich aufgrund einer Sonderregelung der Bezug von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld im Zeitraum vom 18. Mai 1997 bis 31.12. 97 (228 Tage) als Anwartschaft begründende Zeit zu berücksichtigen. Damit habe die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht mindestens 12 Monate (360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Sie erfülle auch nicht die Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe; innerhalb der aufgrund der Betreuungszeit auf drei Jahre erweiterten Vorfrist habe sie an keinem Tag Arbeitslosengeld bezogen. Ein Beratungsfehler des Arbeitsamtes liege nicht vor. Es bestehe keine Beratungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit, die Arbeitslosen allgemein und regelmäßig über den Ablauf einer Ausschlussfrist aufzuklären. Erst bei einem Antrag oder sonstigen Mitwirkungshandlung trete eine Beratungspflicht ein. Die behauptete, aber nicht nachgewiesene Auskunft einer Arbeitsvermittlerin im Kalenderjahr 1997 könne nach der damals geltenden Rechtslage keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen.
Die Klägerin hat mit der Klage vom 17. Dezember 2001 beim Sozialgericht Augsburg (SG) geltend gemacht, aufgrund der erheblichen Rechtsänderungen durch das SGB III hätte sich eine Beratungspflicht der Beklagten ergeben. Das Verfahren sei auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage zur Entscheidung vorzulegen, inwieweit das SGB III mit dem Grundgesetz (insbesondere Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz) hinsichtlich der Kinderziehungszeiten entsprechend dem dort bereits anhängigen Verfahren bezüglich der Mutterschaftszeiten vereinbar ist. Nach der Gesetzesänderung mit Wirkung zum 1. Januar 2003 seien nunmehr sowohl die Zeiten des Mutterschaftsgeldbezugs als auch die Kindererziehungszeiten wieder versicherungspflichtig. Hätte die Klägerin im fraglichen Zeitraum von 1998 bis 2002 nur eins statt zwei Kinder auf die Welt gebracht, wäre der ursprüngliche Arbeitslosengeldanspruch noch nicht erloschen gewesen. Damit sei sie durch die Geburt eines weiteren Kindes benachteiligt.
Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 16. September 2003 die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid bezogen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 16. Oktober 2003. Der Vorgang sei dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt worden, die gesetzliche Neuregelung rückwirkend zum 1. Januar 1998 in Kraft treten zu lassen. Anschließend werde die Berufung zurückgenommen bzw. begründet. In der Petition vom gleichen Tage macht die Klägerin geltend, sie sei durch die Ablösung des Arbeitsförderungsgesetzes durch das SGB III zum 1. Januar 1998 als Mutter mit mehreren Kindern in ihren Grundrechten verletzt. Die Benachteiligung habe der Gesetzgeber erst mit Wirkung zum 1. Januar 2003 durch das Job-AQTIV-Gesetz beseitigt, aber für die Übergangsfälle in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 keine Regelung getroffen. Für diese Übergangsfälle sei entweder die gesetzliche Regelung über die sonstigen Versicherungspflichtigen (§ 26 Abs. 2a SGB III) rückwirkend zum 1. Januar 1998 in Kraft zu setzen oder in
§ 147 SGB III, der das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld regelt, für die Zeit seit dem 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 ein Verlängerungstatbestand für Zeiten der Kindererziehung entsprechend der früheren Regelung einzuführen. Mit Schreiben vom 11. November 2004 hat sie wieder ihren Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wiederholt und ein Anerkenntnis der Beklagten beantragt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 9. Februar 2005 ein Anerkenntnis abgelehnt und darauf hingewiesen, dass die bereits beim Bundesverfassungsgericht anhängige Vorlage des Bundessozialgerichts sich auf das Mutterschaftsgeld bezieht und nicht auf das Erziehungsgeld übertragen werden kann, wobei es auch um die rechtliche Bewertung der mit dem Beschäftigungsverbot verbundenen Schutzfristen für Schwangere und Wöchnerinnen gehe.
Die Klägerin beantragt,
ihr unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 28. September 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2001 sowie des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 5. September 2003 ab 30. August 2001 Arbeitslosengeld für 312 Tage,
hilfsweise für 288 Tage aus der früheren Anwartschaft zu gewähren,
weiter hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "analog zum Vorlagebeschluss des BSG, 11. Senat, vom
20. Juni 2001, B 11 AL 20/01 ER in einem vergleichbaren Sachverhalt" einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143,144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, daher hat der Senat im schriftlichen Verfahren entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist in ihrem Haupt- und den Hilfsanträgen unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu. Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist gemäß § 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III), dass ein Arbeitnehmer 1. arbeitslos ist, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 123 S. 1 Nr. 1 SGB III erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs.1 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III sieht vor, dass Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in die Rahmenfrist nicht eingerechnet werden.
Bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf der Grundlage des am 21. April 1997 erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist zu beachten, dass gemäß § 147 Abs. 2 SGB III der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine Ausschlussfrist, die ohne Hemmung oder Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig abläuft. Die Ausschlussfrist bezieht sich auf die Geltendmachung des Anspruchs, d.h. sie trifft eine Bestimmung darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der Anspruch längstens geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme von der Geltung der vierjährigen Verfallsfrist wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für den eng umgrenzten Sonderfall zugelassen, dass während der Zeit des Beschäftigungsverbotes nach § 6 Mutterschutzgesetz die Vierjahresfrist abläuft und dadurch ein zuvor bewilligter Arbeitslosengeldanspruch erlischt (BSG vom 21. Oktober 2003 BSGE 91, 226; Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 147 Rn. 20). Dies trifft für den vorliegenden Fall nicht zu.
Die Klägerin hat hier auch im Anschluss an die spätere Arbeitslosmeldung vom 30. August 2001 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Denn sie hat in der genannten Rahmenfrist nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Auch die Zeiten der Betreuung und Erziehung der Kinder bewirken nur eine Verlängerung der Rahmenfrist bis 21. April 1997.
Die Sondervorschrift des § 427 Abs. 3 SGB III führt gleichfalls nicht zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld. Danach stehen bei der Anwendung der Regelungen über die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderliche Anwartschaftszeit und die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Zeiten, die nach dem Arbeitsförderungsgesetz in der zuletzt geltenden Fassung den Zeiten einer die beitragsbegründende Beschäftigung ohne Beitragsleistung gleichstanden, den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich. Die Regelung stellt vor dem 1. Januar 1998 zurückgelegten Zeiten, die nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich standen und der Erfüllung der Anwartschaftszeit dienten, bei der Berechnung der Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld und der Anspruchsdauer den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses im Sinne des § 24 SGB III gleich. Es handelt sich vor allem um die in § 107 S. 1 Nr. 5 AFG genannten Zeiten, die weiterhin zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld und zur Erhöhung der Anspruchsdauer beitragen. Diese Regelung mit der Berücksichtigung der Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld als anwartschafsbegründende Zeit bis 31. Dezember 1997 ändert jedoch nichts daran, dass die Klägerin nicht innerhalb der Rahmenfrist von 12 Monaten in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
Zu Unrecht macht sie geltend, dass der Gesetzgeber in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 einen Verfassungsverstoß begangen habe, weil er die Regelung des § 26 Abs. 2a SGB III nicht schon am 1. Januar 1998, sondern erst ab 1. Januar 2003 in Kraft gesetzt hat. Nach § 26 Abs. 2a SGB III in der Fassung vom 10. Dezember 2001, die zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist, sind versicherungspflichtig auch Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie 1. unmittelbar vor der Kinderziehung versicherungspflichtig waren oder eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesen Buch bezogen haben und 2. sich im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder Bundeskindergeldgesetz haben oder ohne die Anwendung des § 64 oder 65 des Einkommensteuergesetzes oder § 3 oder § 4 Bundeskindergeldgesetzes haben würden. Diese Regelung knüpft an den bis 31. Dezember 1997 geltenden
§ 107 S. 1 Nr. 5b und c AFG an, wonach den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung Zeiten des Bezugs von Sonderunterstützung wie Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld unter den dort weiter genannten Voraussetzungen gleichstehen. Diese gesetzgeberische Lücke ist nicht verfassungswidrig.
Wie die Klägerin bereits im Petitionsverfahren erfahren hat (Schreiben des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit an den Deutschen Bundestag -Petitionsausschuss - vom 6. November 2003) beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Einführung des SGB III zum
1. Januar 1998 eine Stärkung des Versicherungsprinzips. Danach sollten nur noch Zeiten, für die Beiträge zur Arbeitsförderung entrichtet werden, zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld dienen. Die Regelung über die Berücksichtigung gleichgestellter Zeiten wurde gestrichen, weil der Gesetzgeber damals das öffentliche Interesse an der Konsolidierung des Haushalts der Bundesagentur als vordringliche Aufgabe angesehen hat (Schreiben des Deutschen Bundestags-Petitionsausschusses vom 25. September 2004). Da der Gesetzgeber jedoch in der Folge erkannt hat, dass die Neuregelung zu Härten führt, wenn in vorliegenden Fällen nach der Erziehungszeit der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Ablaufs der Vierjahresfrist nicht mehr geltend gemacht werden kann, hat er daher für Personen, die ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, die Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung beschlossen. Damit hat er Personen mit Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld und Zeiten der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren ab 1. Januar 2003 wieder in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einbezogen, wenn sie bereits vorher dem Kreis der versicherten Arbeitnehmer zuzurechnen waren. Mit der Einführung der Versicherungspflicht für Erziehende zum 1. Januar 2003 wollte der Gesetzgeber Nachteile im Versicherungsschutz ausschließen, die den Betroffenen durch eine Unterbrechung ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung entstehen könnten. Gleichzeitig wollte er eine Gleichstellung mit den Personen herstellen, die neben der Betreuung und Erziehung eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben. Schließlich sollte aber auch vermieden werden, dass die Betreuung und Erziehung eines Kindes während des Bezuges einer Entgeltersatzleistung wieder zur Begründung eines neuen Anspruchs dient (Brand in Niesel SGB III, § 26, Rn. 26 m.w.N.).
Dass der Gesetzgeber als Stichtag der Wiedereinführung der Versicherungspflicht den
1. Januar 2003 gewählt hat, macht die Regelung aus diesem Grunde nicht verfassungswidrig. Denn Stichtage dienen der Rechtssicherheit und der Verwaltungsvereinfachung; dies sind Gesichtspunkte, die für eine Massenverwaltung wie der Arbeitsverwaltung von Bedeutung sind, auch wenn sie im Einzelfall zu Härten führen können. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) verbietet dem Gesetzgeber nicht, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Ungleichheiten, die durch einen Stichtag entstehen, müssen hingenommen werden, wenn die Einführung eines solchen notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt vertretbar ist (Bundessozialgericht - BSG- vom 23. Januar 2008, rv 2008, 79 mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Auch die fehlende Rückwirkung der Neuregelung in § 26 Abs. 2a SGB III auf den von der Klägerin gewünschten Zeitpunkt
(1. Januar 1998), die zu einer Schließung der Lücke führen würde, ist nicht verfassungswidrig. Denn der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung des Sozialrechts einen weiten Spielraum, der durch das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) begrenzt ist. Der Gesetzgeber hatte allerdings, wie bereits ausgeführt wurde, für den Beginn des Inkrafttretens der Neuregelung des § 26 Abs. 2a SGB III sachliche Gründe.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Januar 2005 (NZA-RR 2005, 438 mit weiteren Hinweisen auf die frühere ständige Rechtsprechung des BSG) wird die Vierjahresfrist des § 147 Abs. 2 SGB III durch Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld nicht verlängert. Hiergegen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn eine Verlängerung wäre nicht mit dem Wesen einer materiellen Ausschlussfrist sowie mit dem Wortlaut und Zweck der Verfallsregelung zu vereinbaren.
Entgegen der Klägerin ergeben sich aus dem Vorlagebeschluss des BSG vom 20. Juni 2001 (NZS 2002, 100) keine Anhaltspunkte für eine andere rechtliche Beurteilung bzw. eine für die Klägerin günstige Entscheidung. Denn der dortige Fall unterscheidet sich wesentlich im Sachverhalt und in der rechtlichen Problematik von der vorliegenden Streitsache. Damit war der Senat nicht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der von der Klägerin geltend gemachten "gesetzgeberischen Lücke" vorzulegen (Art. 100 Grundgesetz- GG -). Das BSG hatte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die gesetzliche Regelung des SGB III mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 4 GG insoweit vereinbar ist, als Frauen, die eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung unterbrechen und Mutterschaftsgeld beziehen, anders als die Bezieher von Krankengeld nicht versicherungspflichtig sind. Diese Vorlage betrifft die rechtliche ungleiche Bewertung von Mutterschaftsgeld und Krankengeld im Hinblick auf die Versicherungspflicht, befasst sich aber nicht mit dem Erziehungsgeld beziehungsweise der Erziehungszeit. Das BSG erkannte im Vorlagebeschluss eine Verletzung des Gleichheitssatzes, weil der Gesetzgeber die Versicherungspflicht der in § 26 Abs. 2 SGB III genannten Bezieher von Krankengeld und anderen Sozialleistungen in der Arbeitslosenversicherung mit der Folge begründet hat, dass sie trotz Ausfalls des Arbeitsentgelts versicherungspflichtig bleiben, während die Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld durch die Zeit des Leistungsbezugs anwartschaftsbegründende Zeiten dann nicht zurücklegen können, wenn durch Schwangerschaft oder Mutterschaft eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung unterbrochen worden ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei Krankheit, die zur Arbeitsunfähigkeit führt oder bei Schwangerschaft/Mutterschaft mit einem Beschäftigungsverbot von sechs Wochen beziehungsweise acht Wochen, die Versicherte aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht arbeiten kann. Dagegen ist es möglich und rechtlich zulässig, dass während der Zeit der Erziehung von Kindern die Mutter Arbeiten verrichten kann, und eine Erwerbstätigkeit im beschränkten Umfang auch dem Bezug von Erziehungsgeld nicht entgegensteht, wenn der Vorrang der Betreuung des Kindes eingehalten wird (§ 1 Abs. 1
S. 1 Nr. 4 BErzGG).
Auch eine Übertragung des früher geltenden § 196 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III im Rahmen der Anwendung des § 147 SGB III ist nicht zulässig. § 196 S. 2 Nr. 3 SGB III ist eine Ausnahmevorschrift zu § 196 S. 1 Nr. 2 SGB III, wonach der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erlischt, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ein Jahr vergangen ist. Es handelt sich damit um einen speziellen Normzusammenhang zwischen Regel und Ausnahme für die Leistung Arbeitslosenhilfe. Im Zusammenhang mit dieser Jahresfrist enthält § 196 S. 2 Nr. 3 SGB III eine Fristverlängerung um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, betreut und erzogen hat oder als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III im Sinne des 11. Buches zugeordneten Angehörigen, der Pflegeleistung bezieht, wenigstens 40 Stunden wöchentlich gepflegt hat. Dieser besondere Normzusammenhang und der Charakter des § 196 S. 2 Nr. 3 SGB III als Ausnahmevorschrift stehen einer analogen Anwendung im Rahmen des § 147 SGB III entgegen, zumal bei dieser Leistung die Ausschlussfrist bereits erheblich länger ist als bei der Arbeitslosenhilfe.
Die Klägerin beruft sich schließlich zu Unrecht auf den Herstellungsanspruch. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung gerade zu der Frage des Erlöschens des Arbeitslosengeldanspruchs mit den Urteilen vom 19. Januar 2005 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung entschieden (NZA-RR 2005, 438; SGB 2005, 233; info also 2006, 24), dass keine allgemeine Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit besteht, den Arbeitslosen auf die Möglichkeit des Anspruchsverlustes nach § 147 Abs. 2 SGB III hinzuweisen. Eine Beratungspflicht setzt vielmehr voraus, dass dafür nach den Umständen des Einzelfalles ein besonderer Anlass besteht. Einzelheiten über ein Beratungsersuchen bei der Beklagten hat die Klägerin nicht angegeben. Ein Herstellungsanspruch erfordert vielmehr im Allgemeinen ein besonderes Beratungsersuchen des Versicherten sowie einen Beratungsfehler der Behörde. Dies ist hier nicht ersichtlich. Für die Beklagte war auch nicht (von Amts wegen) zu erkennen, dass die Klägerin einen Zusammenhang zwischen dem Bezug von Sozialleistungen und der Familienplanung sieht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Herstellungsanspruch, selbst wenn das Vorliegen seiner Voraussetzungen unterstellt wird, nicht materielle Ansprüche verändern kann (z.B. Gagel, SGb, 2000, 517 ff, (518)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist Arbeitslosengeld.
Die 1966 geborene Klägerin hatte ab 18. April 1993 Mutterschaftsgeld und vom 5. Juni 1993 bis 20. April 1997 Bundes- und Landeserziehungsgeld bezogen.
Am 16. April 1997 meldete sie sich arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihr am 2. Juni 1997 Arbeitslosengeld ab 21. April 1997 für 312 Tage. Die Leistung wurde zum 19. Mai 1997 eingestellt. Danach erhielt die Klägerin bis 27. Juni 1997 wieder Mutterschaftsgeld. Sie bezog vom 28.Juni 1997 bis 27.Juni 1999 Erziehungsgeld für das dritte Kind L. (geboren 1997) und vom 30. Juni 1999 bis 29. Juni 2001 Erziehungsgeld für das vierte Kind F. (geboren 1998).
Am 30. August 2001 meldete sie sich erneut arbeitslos. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. September 2001 Arbeitslosengeld ab. Die Klägerin habe seit dem Erwerb des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit dem Antrag vom 21. April 1997 nicht mindestens
12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaft erworben. Es bestehe auch kein Rechtsanspruch aus der früheren Anwartschaft. Sie habe zudem keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe; innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 30. August 2001 habe sie nicht Arbeitslosengeld bezogen.
Sie legte hiergegen am 19. Oktober 2001 Widerspruch ein; die von der Beklagten herangezogene Rechtsgrundlage sei nicht verfassungskonform, das Verfahren sei zur Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht auszusetzen. Sie werde durch "die Geburt eines weiteren Kindes benachteiligt". Nach früherem Recht waren Kindererziehungszeiten und Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges versicherungspflichtig. Die gesetzliche Änderung sei am 24. März 1997 erlassen worden, während der Bewilligungs- und Aufhebungsbescheid vom 2. Juni 1997 stammt. Anstatt auf die Auswirkung durch die gesetzliche Neuregelung hinzuweisen, habe die zuständige Arbeitsvermittlerin mitgeteilt, dass nach der geltenden Rechtslage die Kinderziehungszeiten versicherungspflichtig sind und nach Ablauf des Erziehungsurlaubes ein neuer Anspruch besteht. Hieraus ergebe sich ein sozialversicherungsrechtlicher Herstellungsanspruch
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2001 den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld könne nicht mehr geltend gemacht werden, wenn, wie hier, nach seiner Entstehung vier Jahren verstrichen sind. Die Klägerin habe zuletzt am 21. April 1997 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Seit der Entstehung seien bereits vier Jahre verstrichen. Sie habe auch nicht die Anwartschaftszeit für einen neuen Anspruch mit der Antragstellung am 30. August 2001 erfüllt. Die Rahmenfrist aufgrund der Betreuungs- und Erziehungszeiten konnte nur bis 21. April 1997 verlängert werden. Im Zeitraum vom 21. April 1997 bis 29 August 2001 sei lediglich aufgrund einer Sonderregelung der Bezug von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld im Zeitraum vom 18. Mai 1997 bis 31.12. 97 (228 Tage) als Anwartschaft begründende Zeit zu berücksichtigen. Damit habe die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht mindestens 12 Monate (360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Sie erfülle auch nicht die Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe; innerhalb der aufgrund der Betreuungszeit auf drei Jahre erweiterten Vorfrist habe sie an keinem Tag Arbeitslosengeld bezogen. Ein Beratungsfehler des Arbeitsamtes liege nicht vor. Es bestehe keine Beratungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit, die Arbeitslosen allgemein und regelmäßig über den Ablauf einer Ausschlussfrist aufzuklären. Erst bei einem Antrag oder sonstigen Mitwirkungshandlung trete eine Beratungspflicht ein. Die behauptete, aber nicht nachgewiesene Auskunft einer Arbeitsvermittlerin im Kalenderjahr 1997 könne nach der damals geltenden Rechtslage keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen.
Die Klägerin hat mit der Klage vom 17. Dezember 2001 beim Sozialgericht Augsburg (SG) geltend gemacht, aufgrund der erheblichen Rechtsänderungen durch das SGB III hätte sich eine Beratungspflicht der Beklagten ergeben. Das Verfahren sei auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage zur Entscheidung vorzulegen, inwieweit das SGB III mit dem Grundgesetz (insbesondere Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz) hinsichtlich der Kinderziehungszeiten entsprechend dem dort bereits anhängigen Verfahren bezüglich der Mutterschaftszeiten vereinbar ist. Nach der Gesetzesänderung mit Wirkung zum 1. Januar 2003 seien nunmehr sowohl die Zeiten des Mutterschaftsgeldbezugs als auch die Kindererziehungszeiten wieder versicherungspflichtig. Hätte die Klägerin im fraglichen Zeitraum von 1998 bis 2002 nur eins statt zwei Kinder auf die Welt gebracht, wäre der ursprüngliche Arbeitslosengeldanspruch noch nicht erloschen gewesen. Damit sei sie durch die Geburt eines weiteren Kindes benachteiligt.
Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 16. September 2003 die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid bezogen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 16. Oktober 2003. Der Vorgang sei dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt worden, die gesetzliche Neuregelung rückwirkend zum 1. Januar 1998 in Kraft treten zu lassen. Anschließend werde die Berufung zurückgenommen bzw. begründet. In der Petition vom gleichen Tage macht die Klägerin geltend, sie sei durch die Ablösung des Arbeitsförderungsgesetzes durch das SGB III zum 1. Januar 1998 als Mutter mit mehreren Kindern in ihren Grundrechten verletzt. Die Benachteiligung habe der Gesetzgeber erst mit Wirkung zum 1. Januar 2003 durch das Job-AQTIV-Gesetz beseitigt, aber für die Übergangsfälle in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 keine Regelung getroffen. Für diese Übergangsfälle sei entweder die gesetzliche Regelung über die sonstigen Versicherungspflichtigen (§ 26 Abs. 2a SGB III) rückwirkend zum 1. Januar 1998 in Kraft zu setzen oder in
§ 147 SGB III, der das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld regelt, für die Zeit seit dem 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 ein Verlängerungstatbestand für Zeiten der Kindererziehung entsprechend der früheren Regelung einzuführen. Mit Schreiben vom 11. November 2004 hat sie wieder ihren Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wiederholt und ein Anerkenntnis der Beklagten beantragt.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 9. Februar 2005 ein Anerkenntnis abgelehnt und darauf hingewiesen, dass die bereits beim Bundesverfassungsgericht anhängige Vorlage des Bundessozialgerichts sich auf das Mutterschaftsgeld bezieht und nicht auf das Erziehungsgeld übertragen werden kann, wobei es auch um die rechtliche Bewertung der mit dem Beschäftigungsverbot verbundenen Schutzfristen für Schwangere und Wöchnerinnen gehe.
Die Klägerin beantragt,
ihr unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 28. September 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2001 sowie des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 5. September 2003 ab 30. August 2001 Arbeitslosengeld für 312 Tage,
hilfsweise für 288 Tage aus der früheren Anwartschaft zu gewähren,
weiter hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "analog zum Vorlagebeschluss des BSG, 11. Senat, vom
20. Juni 2001, B 11 AL 20/01 ER in einem vergleichbaren Sachverhalt" einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143,144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, daher hat der Senat im schriftlichen Verfahren entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist in ihrem Haupt- und den Hilfsanträgen unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu. Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist gemäß § 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III), dass ein Arbeitnehmer 1. arbeitslos ist, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 123 S. 1 Nr. 1 SGB III erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs.1 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III sieht vor, dass Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in die Rahmenfrist nicht eingerechnet werden.
Bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf der Grundlage des am 21. April 1997 erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist zu beachten, dass gemäß § 147 Abs. 2 SGB III der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine Ausschlussfrist, die ohne Hemmung oder Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig abläuft. Die Ausschlussfrist bezieht sich auf die Geltendmachung des Anspruchs, d.h. sie trifft eine Bestimmung darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der Anspruch längstens geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme von der Geltung der vierjährigen Verfallsfrist wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für den eng umgrenzten Sonderfall zugelassen, dass während der Zeit des Beschäftigungsverbotes nach § 6 Mutterschutzgesetz die Vierjahresfrist abläuft und dadurch ein zuvor bewilligter Arbeitslosengeldanspruch erlischt (BSG vom 21. Oktober 2003 BSGE 91, 226; Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 147 Rn. 20). Dies trifft für den vorliegenden Fall nicht zu.
Die Klägerin hat hier auch im Anschluss an die spätere Arbeitslosmeldung vom 30. August 2001 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Denn sie hat in der genannten Rahmenfrist nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Auch die Zeiten der Betreuung und Erziehung der Kinder bewirken nur eine Verlängerung der Rahmenfrist bis 21. April 1997.
Die Sondervorschrift des § 427 Abs. 3 SGB III führt gleichfalls nicht zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld. Danach stehen bei der Anwendung der Regelungen über die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderliche Anwartschaftszeit und die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Zeiten, die nach dem Arbeitsförderungsgesetz in der zuletzt geltenden Fassung den Zeiten einer die beitragsbegründende Beschäftigung ohne Beitragsleistung gleichstanden, den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich. Die Regelung stellt vor dem 1. Januar 1998 zurückgelegten Zeiten, die nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich standen und der Erfüllung der Anwartschaftszeit dienten, bei der Berechnung der Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld und der Anspruchsdauer den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses im Sinne des § 24 SGB III gleich. Es handelt sich vor allem um die in § 107 S. 1 Nr. 5 AFG genannten Zeiten, die weiterhin zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld und zur Erhöhung der Anspruchsdauer beitragen. Diese Regelung mit der Berücksichtigung der Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld als anwartschafsbegründende Zeit bis 31. Dezember 1997 ändert jedoch nichts daran, dass die Klägerin nicht innerhalb der Rahmenfrist von 12 Monaten in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
Zu Unrecht macht sie geltend, dass der Gesetzgeber in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 einen Verfassungsverstoß begangen habe, weil er die Regelung des § 26 Abs. 2a SGB III nicht schon am 1. Januar 1998, sondern erst ab 1. Januar 2003 in Kraft gesetzt hat. Nach § 26 Abs. 2a SGB III in der Fassung vom 10. Dezember 2001, die zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist, sind versicherungspflichtig auch Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie 1. unmittelbar vor der Kinderziehung versicherungspflichtig waren oder eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesen Buch bezogen haben und 2. sich im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder Bundeskindergeldgesetz haben oder ohne die Anwendung des § 64 oder 65 des Einkommensteuergesetzes oder § 3 oder § 4 Bundeskindergeldgesetzes haben würden. Diese Regelung knüpft an den bis 31. Dezember 1997 geltenden
§ 107 S. 1 Nr. 5b und c AFG an, wonach den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung Zeiten des Bezugs von Sonderunterstützung wie Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld unter den dort weiter genannten Voraussetzungen gleichstehen. Diese gesetzgeberische Lücke ist nicht verfassungswidrig.
Wie die Klägerin bereits im Petitionsverfahren erfahren hat (Schreiben des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit an den Deutschen Bundestag -Petitionsausschuss - vom 6. November 2003) beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Einführung des SGB III zum
1. Januar 1998 eine Stärkung des Versicherungsprinzips. Danach sollten nur noch Zeiten, für die Beiträge zur Arbeitsförderung entrichtet werden, zur Begründung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld dienen. Die Regelung über die Berücksichtigung gleichgestellter Zeiten wurde gestrichen, weil der Gesetzgeber damals das öffentliche Interesse an der Konsolidierung des Haushalts der Bundesagentur als vordringliche Aufgabe angesehen hat (Schreiben des Deutschen Bundestags-Petitionsausschusses vom 25. September 2004). Da der Gesetzgeber jedoch in der Folge erkannt hat, dass die Neuregelung zu Härten führt, wenn in vorliegenden Fällen nach der Erziehungszeit der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Ablaufs der Vierjahresfrist nicht mehr geltend gemacht werden kann, hat er daher für Personen, die ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, die Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung beschlossen. Damit hat er Personen mit Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld und Zeiten der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren ab 1. Januar 2003 wieder in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einbezogen, wenn sie bereits vorher dem Kreis der versicherten Arbeitnehmer zuzurechnen waren. Mit der Einführung der Versicherungspflicht für Erziehende zum 1. Januar 2003 wollte der Gesetzgeber Nachteile im Versicherungsschutz ausschließen, die den Betroffenen durch eine Unterbrechung ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung entstehen könnten. Gleichzeitig wollte er eine Gleichstellung mit den Personen herstellen, die neben der Betreuung und Erziehung eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben. Schließlich sollte aber auch vermieden werden, dass die Betreuung und Erziehung eines Kindes während des Bezuges einer Entgeltersatzleistung wieder zur Begründung eines neuen Anspruchs dient (Brand in Niesel SGB III, § 26, Rn. 26 m.w.N.).
Dass der Gesetzgeber als Stichtag der Wiedereinführung der Versicherungspflicht den
1. Januar 2003 gewählt hat, macht die Regelung aus diesem Grunde nicht verfassungswidrig. Denn Stichtage dienen der Rechtssicherheit und der Verwaltungsvereinfachung; dies sind Gesichtspunkte, die für eine Massenverwaltung wie der Arbeitsverwaltung von Bedeutung sind, auch wenn sie im Einzelfall zu Härten führen können. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) verbietet dem Gesetzgeber nicht, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Ungleichheiten, die durch einen Stichtag entstehen, müssen hingenommen werden, wenn die Einführung eines solchen notwendig und die Wahl des Zeitpunktes, orientiert am gegebenen Sachverhalt vertretbar ist (Bundessozialgericht - BSG- vom 23. Januar 2008, rv 2008, 79 mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Auch die fehlende Rückwirkung der Neuregelung in § 26 Abs. 2a SGB III auf den von der Klägerin gewünschten Zeitpunkt
(1. Januar 1998), die zu einer Schließung der Lücke führen würde, ist nicht verfassungswidrig. Denn der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung des Sozialrechts einen weiten Spielraum, der durch das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) begrenzt ist. Der Gesetzgeber hatte allerdings, wie bereits ausgeführt wurde, für den Beginn des Inkrafttretens der Neuregelung des § 26 Abs. 2a SGB III sachliche Gründe.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Januar 2005 (NZA-RR 2005, 438 mit weiteren Hinweisen auf die frühere ständige Rechtsprechung des BSG) wird die Vierjahresfrist des § 147 Abs. 2 SGB III durch Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld nicht verlängert. Hiergegen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn eine Verlängerung wäre nicht mit dem Wesen einer materiellen Ausschlussfrist sowie mit dem Wortlaut und Zweck der Verfallsregelung zu vereinbaren.
Entgegen der Klägerin ergeben sich aus dem Vorlagebeschluss des BSG vom 20. Juni 2001 (NZS 2002, 100) keine Anhaltspunkte für eine andere rechtliche Beurteilung bzw. eine für die Klägerin günstige Entscheidung. Denn der dortige Fall unterscheidet sich wesentlich im Sachverhalt und in der rechtlichen Problematik von der vorliegenden Streitsache. Damit war der Senat nicht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der von der Klägerin geltend gemachten "gesetzgeberischen Lücke" vorzulegen (Art. 100 Grundgesetz- GG -). Das BSG hatte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die gesetzliche Regelung des SGB III mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 4 GG insoweit vereinbar ist, als Frauen, die eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung unterbrechen und Mutterschaftsgeld beziehen, anders als die Bezieher von Krankengeld nicht versicherungspflichtig sind. Diese Vorlage betrifft die rechtliche ungleiche Bewertung von Mutterschaftsgeld und Krankengeld im Hinblick auf die Versicherungspflicht, befasst sich aber nicht mit dem Erziehungsgeld beziehungsweise der Erziehungszeit. Das BSG erkannte im Vorlagebeschluss eine Verletzung des Gleichheitssatzes, weil der Gesetzgeber die Versicherungspflicht der in § 26 Abs. 2 SGB III genannten Bezieher von Krankengeld und anderen Sozialleistungen in der Arbeitslosenversicherung mit der Folge begründet hat, dass sie trotz Ausfalls des Arbeitsentgelts versicherungspflichtig bleiben, während die Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld durch die Zeit des Leistungsbezugs anwartschaftsbegründende Zeiten dann nicht zurücklegen können, wenn durch Schwangerschaft oder Mutterschaft eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung unterbrochen worden ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei Krankheit, die zur Arbeitsunfähigkeit führt oder bei Schwangerschaft/Mutterschaft mit einem Beschäftigungsverbot von sechs Wochen beziehungsweise acht Wochen, die Versicherte aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht arbeiten kann. Dagegen ist es möglich und rechtlich zulässig, dass während der Zeit der Erziehung von Kindern die Mutter Arbeiten verrichten kann, und eine Erwerbstätigkeit im beschränkten Umfang auch dem Bezug von Erziehungsgeld nicht entgegensteht, wenn der Vorrang der Betreuung des Kindes eingehalten wird (§ 1 Abs. 1
S. 1 Nr. 4 BErzGG).
Auch eine Übertragung des früher geltenden § 196 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III im Rahmen der Anwendung des § 147 SGB III ist nicht zulässig. § 196 S. 2 Nr. 3 SGB III ist eine Ausnahmevorschrift zu § 196 S. 1 Nr. 2 SGB III, wonach der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erlischt, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ein Jahr vergangen ist. Es handelt sich damit um einen speziellen Normzusammenhang zwischen Regel und Ausnahme für die Leistung Arbeitslosenhilfe. Im Zusammenhang mit dieser Jahresfrist enthält § 196 S. 2 Nr. 3 SGB III eine Fristverlängerung um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, betreut und erzogen hat oder als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III im Sinne des 11. Buches zugeordneten Angehörigen, der Pflegeleistung bezieht, wenigstens 40 Stunden wöchentlich gepflegt hat. Dieser besondere Normzusammenhang und der Charakter des § 196 S. 2 Nr. 3 SGB III als Ausnahmevorschrift stehen einer analogen Anwendung im Rahmen des § 147 SGB III entgegen, zumal bei dieser Leistung die Ausschlussfrist bereits erheblich länger ist als bei der Arbeitslosenhilfe.
Die Klägerin beruft sich schließlich zu Unrecht auf den Herstellungsanspruch. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung gerade zu der Frage des Erlöschens des Arbeitslosengeldanspruchs mit den Urteilen vom 19. Januar 2005 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung entschieden (NZA-RR 2005, 438; SGB 2005, 233; info also 2006, 24), dass keine allgemeine Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit besteht, den Arbeitslosen auf die Möglichkeit des Anspruchsverlustes nach § 147 Abs. 2 SGB III hinzuweisen. Eine Beratungspflicht setzt vielmehr voraus, dass dafür nach den Umständen des Einzelfalles ein besonderer Anlass besteht. Einzelheiten über ein Beratungsersuchen bei der Beklagten hat die Klägerin nicht angegeben. Ein Herstellungsanspruch erfordert vielmehr im Allgemeinen ein besonderes Beratungsersuchen des Versicherten sowie einen Beratungsfehler der Behörde. Dies ist hier nicht ersichtlich. Für die Beklagte war auch nicht (von Amts wegen) zu erkennen, dass die Klägerin einen Zusammenhang zwischen dem Bezug von Sozialleistungen und der Familienplanung sieht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Herstellungsanspruch, selbst wenn das Vorliegen seiner Voraussetzungen unterstellt wird, nicht materielle Ansprüche verändern kann (z.B. Gagel, SGb, 2000, 517 ff, (518)).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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