L 4 P 21/08 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 P 231/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 P 21/08 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage herzustellen, wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


Der Kläger und Antragsteller - Ast - streitet in zweiter Instanz (L 4 P 50/07) mit der Beklagten und Antragsgegnerin - Ag - über seine Pflicht zur Zahlung von monatlichen Beiträgen in Höhe von ca. 30,00 EUR zur Pflegeversicherung.

Seiner Auffassung nach ist er als Schwerkriegsbeschädigter mit Anspruch auf Leistungen im Pflegefall nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - ausreichend geschützt, zumal die Ag dann ihrerseits wegen Vorrangigkeit der staatlichen Leistungen keine Zahlungen erbringen werde. Deswegen hat er am 24.08.2008 die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 21.09.2006 erneut beantragt, denn die Beitragsforderung der Ag sei nicht rechtmäßig. Zweifelhaft sei darüber hinaus, ob er überhaupt Pflichtmitglied bei der Ag geworden sei. Schließlich sei er gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit ausreichend geschützt durch die gleichwertige Versorgung aufgrund seiner Kriegsverletzung. Jedenfalls unterliege er keiner Beitragspflicht, da er gegen die Ag keinen Leistungsanspruch geltend machen könne. Es gehe ihm "letztlich um die grundsätzliche Frage", ob er als Schwerkriegsbeschädigter seit 1995 in berechtigter Weise zu Beiträgen herangezogen worden sei.

Die Ag widersetzt sich der begehrten Anordnung und hat mitgeteilt, dass bis Ende 2001 die Ehefrau des Ast beitragsfrei mitversichert gewesen war.

II.

Der zu Recht beim Gericht der Hauptsache gestellte Antrag ist zulässig. Er ist jedoch abzulehnen. Gemäß § 86b Abs.1 Nr.2 in Verbindung mit § 86a Abs.2 Nr.1, Abs.3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage bzw. des Rechtsmittels anordnen. § 86a SGG regelt in diesem Zusammenhang, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder der Klage bei der Verwaltungsentscheidung u.a. über die Anforderung von Beiträgen nicht gegeben ist, jedoch soll die Aussetzung der Vollziehung nach § 86a Abs.3 Satz 2 SGG erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ein solcher Ausnahmefall, von der Grundregel der sofortigen Vollziehbarkeit abzuweichen, liegt im Falle des Ag nicht vor. Dies gilt zunächst für die erwähnte Härteklausel. In keinem der vielen hereingereichten Schriftsätze des Ast. und Klägers findet sich eine Darstellung, dass die Zahlung der von der Ag geforderten monatlichen Beiträge derzeit eine unbillige Härte sein könnte, die ihn derart treffen würde, dass dahinter das öffentliche
Interesse am regelmäßigen Zufluss der benötigten Mittel zurückzustehen habe. Soweit die Einkünfte des Ag bekannt geworden sind bzw. sich abschätzen lassen (er hat der Beiziehung der ihn betreffenden Unterlagen der staatlichen Versorgung nicht zugestimmt) dürfte sich die monatliche Belastung auf nicht einmal 2 % seiner Einkünfte belaufen.

Auch der weitere Aussetzungsgrund, nämlich das Bestehen ernsthafter Zweifel an der Forderung der Ag lässt sich nicht begründen. Zunächst sprechen schon die Ausführungen des Ast dagegen. Er betont, dass es ihm um die Lösung einer grundsätzlichen Frage gehe. Grundsätzliche Dinge entziehen sich aber einer vorläufigen, nur vorübergehenden Regelung, sondern sind der Hauptsacheentscheidung vorbehalten. Mit seinen umfangreichen Ausführungen hat der Ast immer wieder seine Situation als Empfänger von BVG-Leistungen betont. Es stehe ihmder Schutz des § 26c BVG zur Seite. Das dortige Leistungsangebot verdränge einen eventuellen Anspruch der Ag im Versicherungsfall.

Die Fallkonstellationen, bei denen ein Pflegeversicherter beitragsfrei ist, sind in § 56 Sozialgesetzbuch (SGB) XI abschließend aufgezählt. Dazu zählen z.B. die nicht selbst versicherten Familienangehörigen, etwa wie die Ehefrau des Klägers bis ins Jahr 2001. In Abs.4 dieser Vorschrift bezieht der Gesetzgeber auch die Leistungsbezieher nach dem Bundesversorgungsgesetz ein, nämlich diejenigen, die nach § 35 Abs.6 BVG versorgt werden. Dazu zählt der Kläger im Augenblick nicht. Eine Befreiungsmöglichkeit aufgrund gesetzlicher Vorschriften ist somit derzeit ausgeschlossen. Dabei ist mit dem Sozialgericht und der Ag davon auszugehen, dass die Versicherteneigenschaft des Ast als solche nicht angezweifelt werden kann, da er die Voraussetzungen des § 20 SGB XI erfüllt.
Der Ast macht letztlich geltend, dass er das Äquivalentsprinzip in seiner Situation nicht als gewahrt ansieht. Es ist also zu fragen, ob § 56 SGB XI in seinen dort genannten Tatbeständen auszuweiten ist, also es möglich ist, im Wege der Lückenausfüllung auch dem Kläger eine Beitragsfreiheit zukommen zu lassen oder, ob gar § 20 SGB XI bzw. § 56 SGB XI gegen höherrangiges Recht verstoßen, indem sie keine Versicherungsfreiheit bzw. Beitragsbefreiung für den Kläger vorsehen, jeweils immer vorausgesetzt, dass die zu erwartenden Leistungen der Versorgungsverwaltung tatsächlich identisch mit denen aus der Pflegeversicherung sind, was der Senat in diesem Verfahren nicht nachprüfen kann, weil der Kläger die Herausgabe seiner Akten bezüglich seiner Ansprüche nach dem BVG verweigert. Jedenfalls hat sich das Bundessozialgericht in einer Entscheidung vom 27.01.2000 SozR 3-3300 § 56 Nr.1 umfassend damit auseinandergesetzt, dass eine entsprechende Anwendung des § 56 Abs.4 SGB XI auf eine ähnliche Situation wie beim Ast, nämlich der Ansprüche auf Versorgungsleistung im Pflegefall gegen andere Träger, nicht entsprechend angewandt werden kann. Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, ernstliche Zweifel an der Entscheidung der Ag entstehen zu lassen, so dass die Entscheidung über das Begehren des Ast. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt und er dort die Antwort auf seine grundsätzliche Frage erhalten wird.

Angesichts des Ausgangs des Verfahrens im vorläufigen Rechtsschutz besteht kein Anlass, dem Ast seine möglichen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss gibt es nicht (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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