L 11 B 732/08 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 751/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 732/08 AS ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 01.08.2008 wird aufgehoben. Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig ist, ob den Antragstellern (ASt) vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu bewilligen sind.

Den von den ASt zu 1 und zu 2 gestellten Antrag auf Alg II lehnte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 18.06.2008 ab. Über den Widerspruch hiergegen hat die Ag noch nicht entschieden.

Auf Antrag hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den ASt Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe vorläufig zu bewilligen. Die ASt zu 2 und der ASt zu 1 bildeten eine Bedarfsgemeinschaft. Sie hätten trotz § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II vorläufig Anspruch auf Alg II.

Dagegen hat die Ag Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und mitgeteilt, die ASt seien am 11.08.2008 nach B-Stadt verzogen. Ein Zuständigkeitswechsel sei eingetreten. Vorläufige Leistungen seien bislang noch nicht ausgezahlt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist abzulehnen.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 -1 BvR 2971/06 -).

In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO).

Dies zugrunde gelegt fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Die Ag ist nämlich seit dem Umzug nach B-Stadt am 11.08.2008 nicht mehr für die Leistungserbringung zuständig (§ 36 Satz 1 SGB II). Sie ist daher auch nicht zur vorläufigen Erbringung von Leistungen zu verpflichten.

Nachdem auch für August bisher noch keine Leistungen durch die Ag ausgezahlt worden sind - die ASt haben hierzu notwendige Informationen nicht an die Ag weitergegeben - und nachdem das SG die Ag nicht zur Zahlung eines konkreten Betrages verpflichtet hat, ist der Beschluss des SG auch für die Zeit vom 01.08. bis 10.08.2008 aufzuheben, denn es handelt sich um einen bereits abgelaufenen Zeitraum, für den vorläufige Leistungen nicht zu erbringen sind.

Nach alledem ist der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg auf die Beschwerde hin aufzuheben und der Antrag auf Bewilligung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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