L 2 U 374/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 40/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 374/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12. September 2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger durch den Unfall vom 15.03.2005 Gesundheitsstörungen zurückbehalten hat, die seine Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. (Stützrente) mindern.

Der 1950 geborene Kläger war seit 1989 als Stadtarbeiter bei der Stadt A-Stadt beschäftigt. Nach der Unfallanzeige des Arbeitgebers habe der Kläger beim Schneeräumen mit einer Schaufel so heftig gegen einen Eisklumpen geschlagen, dass er einen Riss in der rechten Schulter verspürte. Er habe weitergearbeitet. Im Durchgangsarztbericht des Dr. E., den der Kläger am nächsten Tag aufsuchte, wurden keine äußeren Verletzungen beschrieben. Es wurde die Diagnose einer Distorsion der rechten Schulter gestellt und der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur geäußert.

Dem Beklagten lagen Befunde zu einem Unfall vom 28.08.1991 vor, bei dem sich der Kläger am rechten Knie Meniskusschäden und einen Riss des vorderen Kreuzbandes zugezogen hatte. Wegen der Folgen dieses Unfalls wurde -Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. gewährt. Ferner zog der Beklagte Unterlagen aus einem Schadensereignis vom 03.09.2001 bei. Hierbei hatte sich der Kläger an der linken Schulter verletzt. Ein Gutachten des Dr. H. vom 08.10.2003 beschrieb die daraus resultierenden Unfallfolgen. Eine Rente erhielt der Kläger deswegen nicht.

Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 18.03.2005 bestätigte ein vorbestehendes Impingement, eine subtotale Komplettruptur der Subscapularissehne sowie der Bizepssehne rechts bei ausgeprägter Achromialarthrose. Dr. E. beantwortete am 26.04.2005 die Frage des Beklagten dahin, dass zwar das MRT gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem jetzigen Schaden an der rechten Schulter und dem Ereignis vom 15.03.2005 spreche. Jedoch sei eine richtungweisende Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens anzunehmen. Das Klinikum N. berichtete am 21.04.2005 über die stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 11.04. bis 20.04.2005. Dabei wurde eine offene Revision des rechten Schultergelenks mit Naht der Subscapularissehne vorgenommen. Die lange Bizepssehne ließ sich nicht mehr im Ansatz nachweisen. Der Versuch, sie zu reponieren, misslang. Der Beklagte zog den Operationsbericht und den pathologischen Befund vom 15.04.2005 sowie ein MRT vom 15.07.2005 der rechten Schulter bei. Er beauftragte den Orthopäden Dr. H. mit der Begutachtung. In seinem Gutachten vom 10.09.2005 kam Dr. H. zu dem Ergebnis, bei dem Unfall vom 15.03.2005 sei es zwar zu einem heftigen Anschlag, aber nur zu einer stauchenden Einwirkung und nicht zu einer torquierenden und/oder dehnenden Schädigung gekommen. Das Unfallereignis sei ungeeignet, eine Sehnenruptur hervorzurufen. Vielmehr hätten degenerative Veränderungen an der Rotatorenmanschette schon zum Unfallzeitpunkt bestanden, die den späteren erheblichen Schulterschaden wesentlich verursacht hätten. Eine Behandlungsdauer und Arbeitsunfähigkeit von vier Wochen könnten nach dem Unfall angenommen werden. Eine MdE sei nicht zurückgeblieben.

Mit Bescheid vom 10.10.2005 erkannte der Beklagte eine schmerzhafte Stauchung der rechten Schulter an, nicht jedoch ein Enpaßsyndrom der rechten Schulter und einen Riss der Rotatorenmanschette sowie der langen Bizepssehne. Den Widerspruch wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.02.2006). Der Kläger hatte geltend gemacht, eine erhebliche Schulterprellung, wie er sie durch den Unfall erlitten habe, sei nicht bloß eine Gelegenheitsursache. Nach Ansicht von Dr. E. sei das Ereignis hinreichend geeignet gewesen, den Schaden an der rechten Schulter zumindest richtungweisend zu verschlechtern.

Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Regensburg Klage (S 4 U 40/06). Er beziehe bereits wegen der Folgen des Unfalls vom 28.08.1991 (rechtes Knie) Rente nach einer MdE um 20 v.H., so dass eine Stützrentengewährung zu prüfen sei.

Das Sozialgericht zog Röntgenaufnahmen und MRT s bei und beauftragte Prof. Dr. B., ein Gutachten zu erstatten. Der Sachverständige führte am 27.09.2006 aus, in der Regel führten Altersvorgänge ab dem 30. bzw. 40. Lebensjahr zur Degeneration der Rotatorenmanschette und Bizepssehne. Daneben bestünden sehr häufig anlagebedingte Knochen- und Gelenksvarianten, wie beim Kläger ein Engpasssyndrom, die eine vorzeitige Durchtrennung der Rotatorenmanschette begünstigten. Nach der wissenschaftlichen Lehrmeinung seien 70-80 % der Rotatorenmanschettenrupturen alters- bzw. anlagebedingt. Im Falle des Klägers müsse jedoch von einer unfallbedingten, richtungweisenden und dauernden Läsion ausgegangen werden. Die unfallbedingte Verschlimmerung im rechten Schulterbereich bedinge ab 01.10.2006 eine MdE um 5 % (für beide Schultern 20 %).

Der Beklagte widersprach dieser Auffassung. Er bezog sich auf Stellungnahmen seines Beratungsarztes Dr. B. vom 22.02.2007 und 04.05.2007. Dr. B. hielt einen Zusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Schaden an der rechten Schulter aufgrund des Operationsberichtes für ausgeschlossen. Es seien keine frischen Verletzungszeichen festgestellt worden. Hingegen seien degenerative Schäden größeren Ausmaßes bereits am Tag nach dem Unfall zu erkennen gewesen.

Mit Urteil vom 12.09.2007 wies das Sozialgericht die auf Rentenzahlung nach einer MdE um 30 v.H. gerichtete Klage ab. Es stützte sich auf das Gutachten des Dr. H ... Die Ausführungen des Prof. Dr. B. hielt es nicht für überzeugend. Das Ereignis vom 15.03.2005 sei allenfalls ein Auslöser der schweren Schäden an der rechten Schulter gewesen, jedoch nicht eine wesentliche Ursache.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Er habe seine schwere Arbeit bis zum Unfall ohne Einschränkungen verrichten können. Es sei daher unverständlich, dass sich das Sozialgericht auf - parteigebundene - Gutachten und Stellungnahmen gestützt habe.

Der Senat hat nach Beiziehung der einschlägigen Röntgenaufnahmen den Orthopäden Dr. F. beauftragt, ein Zusammenhangsgutachten zu erstatten. Der Sachverständige hat am 05.02.2008 dargelegt, bereits der Unfallhergang sei nicht geeignet, da ein willentlich gesteuerter Vorgang abgelaufen sei und nicht eine unerwartete Überbeanspruchung der Rotatorenmanschette. Der Kläger habe auch nicht sofort die Arbeit niederlegen müssen, sondern habe zunächst weitergearbeitet. Es habe sich weder im MRT noch unter Sicht anlässlich der Operation ein Hinweis auf einen frischen Einriss gezeigt. Hingegen seien eindeutige, erhebliche degenerative Veränderungen und ein Engpasssyndrom nachgewiesen, und zwar bereits auf den Röntgenaufnahmen wenige Tage nach dem Ereignis. Damit habe das angeschuldigte Ereignis lediglich zu einer Schulterprellung geführt, die keine MdE auf Dauer zurückgelassen habe. Eine richtunggebende Verschlimmerung, wie sie Prof. Dr. B. angenommen habe, sei nicht zu begründen.

Der Beklagte hat sich durch das Gutachten des Dr. F. in seiner Auffassung bestätigt gesehen. Der Kläger hat die Ausführungen von Dr. F. für völlig unverständlich gehalten. Unmittelbar nach dem Unfall sei in der rechten Schulter alles kaputt gewesen. Er habe seine bis dahin ohne Probleme ausgeübte Tätigkeit bei der Stadt A-Stadt danach nicht mehr verrichten können.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 12.09.2007 sowie Abänderung des Bescheides vom 10.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2006 zu verurteilen, eine subtotale Komplettruptur der Subscapularissehne sowie der langen Bizepssehne rechts als Folge des Unfalls vom 15.03.2005 festzustellen und ihm deshalb Rente nach einer MdE um mindestens 10 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12.09.2007 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akte des Beklagten sowie der Gerichtsakten des Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakte Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG), ist unbegründet.

Zutreffend entschied das Sozialgericht, dass dem Kläger wegen etwaiger Folgen seines Unfalls vom 15.03.2005 Rente nicht zusteht und weitere Gesundheitsstörungen nicht anzuerkennen sind, soweit sie nicht im Bescheid vom 10.10.2005 als Unfallfolgen aufgeführt wurden. Das Begehren des Klägers stellt sich als Anfechtungs- und Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung weiterer Unfallfolgen, dar und im Übrigen als mit der Anfechtung kombinierte Leistungsklage.

Der Senat stützt sich vor allem auf das in seinem Auftrag erstattete Gutachten des Dr. F. vom 05.02.2008. Der Sachverständige legt darin überzeugend und gut nachvollziehbar dar, dass bereits der Unfallhergang nicht geeignet war, eine Ruptur der Supraspinatussehne sowie der langen Bizepssehne rechts hervorzurufen. Der Kläger hatte einen willentlich gesteuerten Vorgang ausgeführt, als er mit einer Schaufel Eis wegschlagen wollte. Ein überraschend von außen einwirkendes Ereignis ist daraus nicht herzuleiten. Nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis ist nur eine unerwartete, überfallartige Überbeanspruchung geeignet, zum Sehnenriss zu führen. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Verletzung der Rotatorenmanschette sprechen auch die Erstbefunde sowie die kernspintomografisch gesicherten Befunde vom 18.03.2005. Der Durchgangsarzt konnte lediglich eine Abschwächung der Abspreizung der rechten Schulter feststellen. Tatsache ist darüber hinaus, dass der Kläger die Arbeit zunächst nicht niederlegte, sondern weiterarbeitete. Das MRT vom 18.03.2005 deckte eine Variante der Schulterhöhe auf, die für einen Engpass zwischen Oberarmkopf und Schulterhöhe verantwortlich ist. Durch diese anlagebedingte Einengung kommt es zu einer Abnützung und zu einem Verschleiß der durchlaufenden Sehnen. Hinzukommt eine Knochenzacke, die vom Unterrand des körperfernen Schlüsselbeines ausgeht und zudem eine mechanische Irritation der Rotatorenmanschette bewirkt. Veränderungen im Schulterhauptgelenk, wie eine Entrundung am Oberarmkopf, machen deutlich, dass bereits vor längerer Zeit eine Läsion der langen Bizepssehne abgelaufen war. Hinzu kommen degenerative Veränderungen der übrigen Teile der Rotatorenmanschette. Zeichen einer frisch abgelaufenen Verletzung werden im MRT nicht beschrieben. Die intraoperativ gesehenen Einblutungen dürfen nicht mit einer akuten Verletzung verwechselt werden, so Dr. F ... Denn frische Einblutung bedeutet lediglich, dass diese relativ neu entstanden ist. Über die Ursächlichkeit des Einrisses von Gefäßen wird jedoch insoweit nichts ausgesagt. Vielmehr war derart stark degenerativ verändertes, bereits nekrotisch durchsetztes Gewebe vorhanden, das jederzeit reißen konnte. Die wesentliche Teilursache liegt deshalb in der vorbestehenden Degeneration und den Normvarianten des Schultergelenks, jedoch nicht im Hergang als solchen.

Gegen die Auffassung von Prof. Dr. B. spricht, dass ein ungeeigneter, nämlich ein willentlich gesteuerter Vorgang abgelaufen war und eindeutig degenerative und anlagebedingte Veränderungen vorgelegen hatten, die für sich allein bereits geeignet waren, Sehnenrisse der vorliegenden Art hervorzurufen. Ein Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen besteht nicht.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch Prof. Dr. B. lediglich zu einer MdE um 5 v.H. gekommen war. Dies rechtfertigt noch keine Stützrentengewährung. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Unfall vom 15.03.2005 mindestens eine MdE um 10 v.H. zurückgelassen hätte (§§ 8, 56 Abs.1 Satz 2 und 3 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches). Der Anspruch des Klägers auf Rentengewährung ist in keinem Fall begründet. Er hat auch keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen.

Daher war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12.09.2007 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG), liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved