L 7 AS 91/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 427/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 91/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. Januar 2008 aufgehoben sowie die Bescheide vom 27. April, 08. Mai, 16. Mai, 12. Juni 2006 und 20. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2007 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 17. bis 28. Februar 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 279,00 EUR zu zahlen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom 17. bis 28.02.2006 in Höhe von 279,00 EUR streitig.

Die 1954 geborene Klägerin bezog im Jahre 2005 bis zur Aufnahme einer Beschäftigung im September Alg II. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 15.02.2006, bei der Beklagten eingegangen am 17.02.2006, teilte sie mit, sie sei wieder beschäftigungslos, da sie die Kündigung erhalten habe, weshalb erneut Antrag auf Alg II gestellt werde.

Mit Bescheid vom 17.04.2006 bewilligte die Beklagte Alg II für die Zeit vom 21.03. bis 30.09.2006. Auf den Widerspruch hin änderte sie die Bescheide wegen Änderung der Einkommensanrechnung mit Bescheiden vom 08.05., 16.05., 12.06.2006 ab. Gegen sämtliche Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein und machte u.a. geltend, ihr sei bereits für die Zeit ab 17.02.2006 Alg II zu bewilligen. Mit Bescheid vom 20.02.2007 bewilligte die Beklagte Alg II zusätzlich für die Zeit vom 01. bis 20.03.2006 und lehnte eine Leistungsbewilligung für die Zeit vorher mit der Begründung ab, die Klägerin habe am 14.02.2006 das für Januar 2006 gezahlte Arbeitsentgelt von 1.273,31 EUR erhalten und sei deshalb in diesem Monat nicht hilfebedürftig gewesen. Den auch hier eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2007 als unbegründet zurück. Bei der Berechnung der Leistung werde das Einkommen, das im jeweiligen Bedarfszeitraum zufließe, dem in dieser Zeit bestehenden Bedarf gegenübergestellt. Der Bedarfszeitraum umfasse unabhängig vom Tag der Antragstellung grundsätzlich den jeweiligen Kalendermonat. Deshalb sei zu Recht das vor der rechtswirksamen Antragstellung am 17.02.2006 eingegangene Arbeitsentgelt als Einkommen berücksichtigt worden.

Hiergegen hat die Klägerin zum Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 23.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Hilfebedürftigkeit habe in der Zeit zwischen dem 17. und 28.02.2006 nicht bestanden, weil die Klägerin noch am 14.02.2006 ihr Gehalt für Januar in Höhe von 1273,31 EUR auf ihrem Konto gutgeschrieben erhalten habe und deshalb ihren Bedarf für diesen Monat habe decken können. Bei diesem Arbeitslohn handle es sich um zu berücksichtigendes Einkommen i.S. des § 11 Abs.1 Satz 1 SGB II. Als Bedarfszeit sei der Monat Februar 2006 anzusehen und nicht erst die Zeit ab 17.02.2006, sodass das zuvor bezogene Einkommen auf den Bedarf dieses Monats anzurechnen gewesen sei. Der Bedarfszeitraum umfasse unabhängig vom Tag der Antragstellung grundsätzlich den jeweiligen Kalendermonat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die geltend macht, der Bedarfszeitraum beginne hier erst am 17.02.2006. Die Lohnnachzahlung für Januar 2006 sei jedoch schon vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugeflossen und stelle deshalb Vermögen dar. Ungeachtet dessen sei der Zufluss des Lohnes für Januar 2006 auch deshalb als Vermögen zu bewerten, weil dieser Zufluss eine Nachzahlung darstelle und Nachzahlungen von Lohn als Vermögen zu behandeln seien entsprechend den Durchführungshinweisen der Bundesagentur für Arbeit.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 23.01.2008 und unter Abänderung der Bescheide vom 27.04., 08.05., 16.05, 12.06.2006 und 20.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2007 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 17. bis 28.02.2006 Alg II in Höhe von 279,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist aufgrund der Zulassung durch das SG gemäß §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig.

Sie erweist sich auch in der Sache als begründet.

Die Klägerin hat für die Zeit ab Antragstellung, nämlich ab 17.02.2006, Anspruch auf Alg II, da sie i.S. des § 7 Abs.1 Satz 1 Nrn.2 und 3 SGB II erwerbsfähig und hilfebedürftig war. Das am 14.02.2006 zugeflossene Arbeitsentgelt ist kein anzurechnendes Einkommen i.S. des § 11 SGB II. Vielmehr wäre dieser Geldzufluss allenfalls als Vermögen i.S. des § 12 SGB II zu berücksichtigen. Dies führt nicht zur Verneinung der Hilfebedürftigkeit, da dieser Geldzufluss unter dem Grundfreibetrag von 10.200,00 EUR i.S. des § 12 Abs.2 Nr.1 SGB II liegt. Die Klägerin hatte, bezogen auf den Zeitpunkt 17.02.2006, kein weiteres Vermögen; dem von ihr angegebenen Guthaben auf einem Sparbuch in Höhe von 726,73 EUR stand ein Minussaldo auf dem Girokonto in Höhe von 902,09 EUR gegenüber.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG zum Bundessozialhilfegesetz ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat (BVerwGE 108, 296 - 301). Die Bedarfszeit beginnt mit der Entstehung des Anspruchs auf Alg II, hier mit dem 17.02.2006, da gemäß § 37 Abs.2 Satz 1 SGB II Leistungen nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden. Da das Arbeitsentgelt vor der Antragstellung am 17.02.2006 zugeflossen ist, und der Bedarfszeitraum mit diesem Zeitpunkt beginnt, stellt es kein anzurechnendes Einkommen dar. Dem SG ist darin zu folgen, dass grundsätzlich Bedarfszeitraum der Kalendermonat ist, und damit ebenfalls grundsätzlich der Beginn dieses Monats der Zeitpunkt ist, auf den ein Geldzufluss als Einkommen anzurechnen ist. Dies kann jedoch nicht gelten für Monate, in denen der Anspruch erst während des Monats beginnt, weil, wie hier, der Antrag erst während des Monats gestellt ist. Denn in einem solchen Fall ist Hilfebedürftigkeit grundsätzlich nicht für die Zeit vor der Antragstellung zu prüfen, sondern erst mit Beginn der Antragstellung in der Weise, dass das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen daraufhin zu prüfen ist, ob es die Hilfebedürftigkeit gemäß § 12 SGB II ausschließt. Das Abstellen auf den Antragszeitpunkt erscheint erforderlich, um eine klare Abgrenzung von Einkommen und Vermögen zu ermöglichen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs.2 Satz 1 Alg II-V in der ab 01.10.2005 geltenden Fassung, wonach laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen. Denn der Anwendung dieser Vorschrift hat die Prüfung vorauszugehen, ob ein bestimmter Geldzufluss Einkommen und Vermögen darstellt; erst wenn er als Einkommen zu qualifizieren ist, ist § 2 Abs.2 Satz 1 Alg II-V einschlägig.

Diese Auffassung hat der Senat bereits im Urteil vom 19.12.2006, L 7 AS 225/06 vertreten. Sie ist vom BSG im Urteil vom 30.07.2008, B 14/7 b AS 12/07 R bestätigt worden (Pressemitteilung des BSG, Termin-Bericht Nr.38/08).

Der Klägerin steht für die Zeit vom 17. bis 28.02.2006 Alg II in Höhe von 279,00 EUR, wie es beantragt wurde, zu. Die Klägerin hatte unstreitig für einen gesamten Monat Anspruch auf die Regelleistung von 345,00 EUR und auf Erstattung der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 274,00 EUR sowie auf einen Zuschuss zu den Beiträgen zur Rentenversicherung bei Befreiung von der Versicherungspflicht in Höhe von 78,00 EUR, insgesamt somit 697,00 EUR. Bezogen auf die zwölf Tage mit Anspruch auf Alg II im Monat Februar ergibt sich eine anteilige Leistung von 279,00 EUR, da nach § 41 Abs.1 Satz 2 SGB II der Monat mit 30 Tagen berechnet wird.

Somit war die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG vom 23.01.2008 und unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, der Klägerin zusätzlich 279,00 EUR zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde zugelassen, da zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch keine Entscheidung des BSG zu der Frage, ob ein vor der Antragstellung erfolgter Geldzufluss Einkommen oder Vermögen darstellt, ergangen war.
Rechtskraft
Aus
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