L 16 AS 348/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 549/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 348/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. September 2007 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 01.01.2005 bis zum 30.11.2006 und die Erstattung der bereits erbrachten Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.07.2006 in Höhe von 11.326,36 EUR streitig.

Der 1947 geborene Kläger beantragte erstmals am 01.10.2004 mit Wirkung ab dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld II. In seinem Antrag gab er an, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 235,45 EUR zu beziehen, verneinte das Vorliegen weiterer Einkünfte und erklärte, dass ein "Wohngemeinschaftsvertrag" zwischen ihm und Frau A. bestehe. Er bezahle für sein 15 qm großes Zimmer keine Miete, sondern beteilige sich an den Jahresumlagen der Eigentumswohnung in A-Straße, A-Stadt, die Frau A. gehöre (Heiz- und Nebenkosten). Diese beliefen sich im Jahr 2004 auf 142,90 EUR monatlich. Aufgrund dieser Angaben bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 08.12.2004 für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 352,69 EUR. Nachdem der Kläger mitteilte, dass seine Kosten der Unterkunft für das Jahr 2005 auf monatlich 224,80 EUR gestiegen seien, wurde dem Kläger mit Bescheid vom 07.03.2005 für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 Leistungen nach dem SGB II bewilligt, für die Monate Januar und Februar in Höhe von 352,69 EUR und für den Zeitraum von März bis Juni 2005 in Höhe von monatlich 430,42 EUR. Die Kosten der Unterkunft wurden hierbei in Höhe von 212,30 EUR berücksichtigt. Auf Weitergewährungsanträge des Klägers hin wurden mit Bescheid vom 31.05.2005 für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 30.11.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 430,42 EUR gewährt, mit Bescheid vom 03.11.2005 monatlich 351,76 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.05.2006. Die Kosten der Unterkunft wurden jeweils in Höhe von 212,30 EUR anerkannt.

Mit Antrag vom 04.05.2006 teilte der Kläger mit, dass sich seine Kosten der Unterkunft verändert hätten. Ab Februar 2006 habe er monatlich 395,49 EUR zu zahlen. Mit Bescheid vom 04.05.2006 gewährte die Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 30.11.2006 in Höhe von 335,96 EUR monatlich. Im Bescheid führte die Beklagte aus, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Angemessen seien für einen Haushalt mit zwei Personen eine Wohnfläche bis zu höchstens 60 qm und eine Warmmiete (Gesamtkosten) von 393 EUR. Auf diesen Betrag würde die Miete ab dem 01.06.2006 abgesenkt. Da der Kläger laut seinem "Wohngemeinschaftsvertrag" lediglich 50 % der Kosten übernommen habe, stünden ihm auch die Kosten der Unterkunft nur zur Hälfte zu. Daher werde nur noch ein Betrag in Höhe von 196,50 EUR übernommen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und erklärte, dass sein Unkostenbeitrag so stark gestiegen sei, da das Haus an die gemeindliche Abwasserbeseitigung angeschlossen worden sei. Nach Vorlage von Hausgeldabrechnungen, die an "A./B." adressiert waren, richtete die Beklagte eine Anfrage an das Grundbuchamt C-Stadt und erhielt die Auskunft, dass die Wohnung in A-Straße, A-Stadt bis zum Jahre 1998 im Miteigentum des Klägers gestanden habe.

Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger gemäß § 24, 10. Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an, da Indizien für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft bestehen würden. Sie beabsichtige, die Zahlungen von Arbeitslosengeld II vorläufig nach § 40 Abs.1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 331 3. Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab dem 01.08.2006 einzustellen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens erfuhr die Beklagte, dass der Kläger gemeinsam mit Frau A. 1992 die jetzt bewohnte Eigentumswohnung für 85.000,00 DM zu je 1/2 gekauft habe. 1998 habe der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 13.05.1998 seinen Miteigentumsanteil an Frau A. gegen Zahlung von 50.000,00 DM übertragen. Gleichzeitig habe er sich ein lebenslanges Wohnrecht sichern lassen. Außerdem habe sich der Kläger das Recht vorbehalten, jederzeit die Rückübereignung seines hälftigen Miteigentumsanteiles für den Kaufpreis von 50.000,00 DM zu verlangen. Zusätzlich habe sich Frau A. verpflichtet, ihren Miteigentumsanteil an den Kläger zu übereignen, falls sie vor diesem sterbe bzw. falls sie seinen Miteigentumsanteil ohne seine Zustimmung veräußere oder über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet werde. Die weiteren Nachforschungen der Beklagten ergaben, dass der Kläger und Frau A. seit dem 08.12.1979 zusammen wohnten. Sie waren seit 1979 dreimal gemeinsam umgezogen, bis sie 1993 nach A-Stadt gezogen sind.

Daher erließ die Beklagte am 09.08.2006 einen Bescheid, mit dem sie ausdrücklich die Bescheide vom 07.03.2005, 31.05.2005, 03.11.2005 und 04.05.2006 über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab dem 01.01.2005 in Höhe von insgesamt 11.326,36 EUR aufhob. Zur Begründung des Bescheides führte sie aus, dass der Kläger entgegen seinen Angaben bei der erstmaligen Antragstellung Vermögen auf andere Personen übertragen habe und außerdem mit Frau A. eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe. Daher würden die genannten Bescheide nach § 45 SGB X für die Zukunft und die Vergangenheit zurückgenommen. "Eventuell für die Vergangenheit gezahlte Leistungen müssen sie erstatten", führte die Beklagte in ihrem Bescheid aus. Den Bewilligungsbescheid vom 08.12.2004 erwähnte die Beklagte nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2006 wies die Beklagte den am 23.05.2006 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.05.2006 in der Form des Bescheides vom 09.08.2006 zurück. Der Widerspruch sei zulässig, in der Sache jedoch unbegründet, da der Kläger in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Frau A. wohne und daher seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei. Die Beklagte wertete die lange Zeit des Zusammenlebens seit dem Jahre 1979, die gemeinsamen Umzüge, den gemeinsamen Kauf der Eigentumswohnung und die Übertragung des Eigentumsanteils des Klägers an Frau A. als Indizien für eine gemeinsame Lebensplanung und eine innere Bindung, die ein gegenseitiges Einstehen im Bedarfsfall begründen würden. Daher habe sie nicht die geringsten Zweifel daran, dass der Kläger und Frau A. eine eheähnliche Gemeinschaft i.S. einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft eingegangen seien. Außerdem habe der Kläger Vermögen übertragen und dies bei der Antragstellung nicht angegeben, so dass die Beklagte nicht dazu in der Lage gewesen sei, von Anfang an die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nach dem SGB II zu überprüfen. Aufgrund dieser falschen Angaben im Antrag bezüglich der Vermögensübertragung und über das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft seien sämtliche Bewilligungsbescheide vom 07.03.2005, 31.05.2005, 03.11.2005 und 04.05.2006 rechtswidrig i.S. des § 45 SGB X und würden gemäß § 45 Abs.2 Satz 1 und 2 SGB X zurückgenommen werden. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nach § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X nicht berufen, da er den Verwaltungsakt durch falsche Angaben verursacht habe. Soweit die Verwaltungsakte aufgehoben worden seien, seien die erbrachten Leistungen gemäß § 50 Abs.1 SGB X für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.07.2006 in Höhe von insgesamt 11.326,36 EUR zu erstatten.

Am 01.09.2006 erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage zum Sozialgericht Regensburg gegen die Bescheide vom 04.05.2006 und 09.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2006. Zur Klagebegründung führte er aus, dass eine unentgeltliche Veräußerung seines Miteigentumsanteiles nicht erfolgt sei und er nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Frau A. wohne, da sie kein gemeinsames Konto, keine gemeinsamen Kinder und keinerlei Verfügungsermächtigung über das Vermögen des jeweils anderen hätten. Er sei aus der Not heraus mit Frau A. zusammengezogen, weil dies für beide wirtschaftlich günstig gewesen sei, sie lebten in einer "Wohnungsgemeinschaft". Außerdem verlange er die vollständige Übernahme seiner anfallenden Kosten der Unterkunft, da er vertraglich verpflichtet sei diese zu übernehmen. Die Beklagte führte zur Erwiderung aus, dass aufgrund der Gesamtumstände eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehen würde, die der Kläger zumindest grob fahrlässig verschwiegen habe.

Während des sozialgerichtlichen Verfahrens machte der Außendienst der Beklagten am 27.09.2006 einen Hausbesuch beim Kläger. Der Außendienst der Beklagten stellte fest, dass sich am Haus ein Briefkasten mit dem Namen B. und A. befinde. Es gebe zwei einzelne Türglocken, jeweils mit dem Namen B. und A. für eine Haustür. Die Wohnung bestehe aus Flur, Wohnzimmer, Küche, Speisekammer, Bad mit Waschmaschine und zwei weiteren Zimmern. Im Zimmer von Herrn B. habe sich ein Doppelbett befunden, wobei nur eine Seite mit Bettwäsche ausgestattet gewesen sei. Außerdem sei das Zimmer mit einem zweitürigen Kleiderschrank, einem Aktenschrank, einer Kommode, einem Computerschreibtisch mit Computer möbliert gewesen. Im Flur habe der Kläger eine eigene Garderobe. Seine Wäsche wasche er nach eigenen Angaben in der Maschine von Frau A., aber jeder getrennt. Das Bad sei mit zwei Waschbecken und Ablagen für persönliche Utensilien sowie einer Wanne ausgestattet. Die Küche, das Wohnzimmer, die Speisekammer und das Bad würden gemeinsam benutzt werden. Das Kochgeschirr und der gesamte Hausrat gehörten Frau A ... Nur die Möbel im Zimmer des Klägers seien seine eigenen. Gemeinsame Mahlzeiten würden nicht eingenommen werden. Der Einkauf der Lebensmittel geschehe nach Angaben des Klägers getrennt.

Das Sozialgericht Regensburg hob mit Urteil vom 28.09.2007 den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2006 insoweit auf, als die Leistungsbewilligung für Januar 2005 bis Juni 2005 zurückgenommen und eine Erstattungsforderung in Höhe von 11.326,36 EUR geltend gemacht wurde. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Klage sei begründet, soweit eine Erstattungsforderung geltend gemacht werde und soweit die Klage sich auf den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2005 beziehe. Der Bescheid vom 09.08.2006 habe nicht klar und deutlich eine Erstattungsforderung enthalten. Diese sei erstmals im Widerspruchsbescheid vom 11.08.2006 bezüglich der Erstattung der überzahlten Beträge getroffen worden. Dies reiche jedoch nicht aus, da die Widerspruchsstelle nicht berechtigt sei anstelle der Ausgangsbehörde eine Sachentscheidung zu treffen. Unabhängig davon bestehe aber keine Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 in Höhe der mit Bewilligungsbescheid vom 08.12.2004 gewährten Leistungen. Dieser Bewilligungsbescheid sei durch den Aufhebungsbescheid vom 09.08.2006 nicht erfasst worden und habe darüber hinaus Geltung. Hinsichtlich der Aufhebung der übrigen Bewilligungsbescheide und der Geltendmachung höherer Kosten der Unterkunft ab dem 01.06.2006 sei die Klage jedoch unbegründet. Das Sozialgericht bejahte das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft des Klägers mit Frau A ... Daher seien die Voraussetzungen des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X i.V.m. den § 40 Abs.1 Satz 1, Satz 2 SGB II und § 330 Abs.2 SGB III erfüllt. Wegen der geltend gemachten Höhe der Kosten der Unterkunft erübrigten sich weitere Feststellungen, da der Bescheid aufgrund des Bestehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft aufzuheben sei.

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 02.11.2007 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass die Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2004 zwar unterblieben sei, aber es sei erkennbar gewesen, dass die Leistungsgewährung ab dem 01.01.2005 aufgehoben werden sollte. Daher sei der Aufhebungsbescheid vom 09.08.2006 entsprechend auszulegen gewesen, er sei auch bestimmbar genug gewesen. Im Übrigen habe der Bescheid vom 09.08.2006 auch eine Erstattungsforderung enthalten, da im Bescheid ausdrücklich erwähnt worden sei, dass eventuell gezahlte Leistungen zu erstatten seien. Aus diesem Grund sei das Urteil des Sozialgerichts Regensburg aufzuheben.

Die Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 19.11.2007 Berufung eingelegt und erklärt, dass der Kläger nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Der Kläger habe von 1969 bis 1977 bei der Familie A. als Kellner gearbeitet. Danach habe er Frau A. im Sommer 1979 anlässlich der Beerdigung ihrer Tochter wieder gesehen. Der Kläger selbst habe zu diesem Zeitpunkt noch bei seiner Großmutter, die ihn großgezogen habe, gewohnt. Die Großmutter sei im Januar 1980 verstorben. Vor dem Hintergrund dieser Situation hätten sich der Kläger und Frau A. aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen entschlossen eine Wohnung zu teilen. Deswegen sei der Kläger im Dezember 1979 zu Frau A. gezogen. Frau A. habe im Parterre gewohnt, der Kläger habe zwei Zimmer im ersten Stock bewohnt. Jeder habe allerdings seinen eigenen Haushalt beibehalten. Rein aus pragmatischen und wirtschaftlichen Gründen folgten dann die gemeinsamen Umzüge und die Unkostenteilung. Eine eheähnliche Gemeinschaft müsse eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft voraussetzen, die über eine bloße Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehe. Dies sei bei dem Kläger gerade nicht der Fall. Es läge hier lediglich eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft vor und nicht eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit gegenseitigem Verantwortungs- und Einstehenswillen. Im weiteren Berufungsverfahren hat die Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht vorlägen, da der Kläger keine grob fahrlässig falschen Angaben hinsichtlich seines Vermögens und hinsichtlich des Bestehens der nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemacht habe.

Die Beklagte hat am 10.07.2008 eine Befragung der Nachbarn des Klägers durchgeführt. Die Nachbarn haben erklärt, dass der Kläger und Frau A. gemeinsam beim Einkaufen gesehen worden seien, man davon ausgehe, dass beide verheiratet seien sowie dass der Kläger an den Wohnungseigentümerversammlungen teilgenommen habe, obwohl er seit 1998 nicht mehr Eigentümer sei. Außerdem hat die Beklagte ein Schreiben der Gemeinde A-Stadt vom 04.08.2003 vorgelegt, das an den Kläger gerichtet war und von Frau A. beantwortet wurde. Die Beklagte hat die Akte über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe des Klägers von der Agentur für Arbeit beigezogen. Aus dieser ergebe sich, dass der Kläger nach einer selbständigen Tätigkeit vom 01.09.1997 bis zum 15.09.1998 als Geschäftsführer für den Sohn von Frau A. tätig gewesen sei. Weiter sei der Akte entnommen worden, dass der Kläger Inhaber zweier, mittlerweile aufgelöster, Lebensversicherungen gewesen sei. Als Adresse habe der Kläger bei der Versicherung die Adresse des Sohnes von Frau A. angegeben, bei dem er mit Nebenwohnsitz von 1993 bis 2001 gemeldet war.

Der Senat hat Frau A. als Zeugin zur Frage des Bestehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft vernommen.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.09.2007 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2006 vollumfänglich aufzuheben, sowie die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2006 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab 01.06.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu bewilligen. Ebenso beantragt sie, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.09.2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise beantragt er, die Nachbarn des Klägers als Zeugen zu befragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge, insbesondere auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2008, Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die sowohl vom Kläger als auch von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind nach §§ 143, 151 SGG zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Auf die Berufung der Beklagten hin ist das Urteil des Sozialgerichts Regensburg abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Bescheid der Beklagten vom 09.08.2006 stellt einen rechtmäßigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nach §§ 45, 50 SGB X dar. Die Voraussetzungen des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X liegen vor. Der Kläger war verpflichtet gewesen in seinen Anträgen Frau A. als Partnerin anzugeben. Dies hat er unterlassen, was zumindest grob fahrlässig ist. Er war nach mehr als zwanzigjährigem Zusammenleben mit Frau A. ebenso verpflichtet gewesen, der Beklagten alle Umstände des Zusammenlebens mitzuteilen, insbesondere den gemeinsamen Kauf der Eigentumswohnung und den Verkauf an Frau A., um auf diese Weise Klarheit über den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft zu erhalten. Dies ist ihm auch dann zumutbar gewesen, wenn er den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft aus Laienperspektive anders ausgelegt hat. Das Verschweigen der genauen Umstände des Zusammenlebens mit Frau A. muss sich daher der Kläger zurechnen lassen (vgl. hierzu BayLSG , L 7 AS 326/06 , Urteil vom 30.03.2007). Die Rücknahme der Leistungsbewilligung steht nicht im Ermessen der Beklagten, sondern ist nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III zwingend vorgeschrieben. Die Fristen in § 45 Abs.3 und 4 SGB X sind beachtet.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Regensburg enthält der Bescheid vom 09.08.2006 auch eine Erstattungsentscheidung. Zwar wird im Bescheid § 50 SGB X nicht als Anspruchsgrundlage genannt, aber der Bescheid gibt die Rückforderungssumme in Höhe von 11.326,36 EUR genau an und mit dem Satz "eventuell für die Vergangenheit gezahlte Leistungen müssen sie erstatten" bringt die Beklagte auch ihre Rückforderungsabsicht zum Ausdruck. Es ist nicht zwingend notwendig, dass im Aufhebungsbescheid die zugrundeliegende Norm bezeichnet wird, solange sie ordnungsgemäß geprüft und angewendet wird. Da die Entscheidung nicht im Ermessen der Beklagten steht (§ 40 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB II i.V.m. § 330 Abs.2 SGB III), wird durch diesen Satz "eventuell für die Vergangenheit gezahlte Leistungen müssen sie erstatten" hinreichend deutlich, dass die Beklagte nicht nur ihre Bewilligungsbescheide aufheben wollte, sondern auch die Erstattung der Leistungen forderte.

Er ist auch ausreichend bestimmt. Nach § 33 Abs.1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil des BSG vom 06.02.2007, Az.: B 8 KN 3/06 R Rdn.38) ergibt sich, dass sich das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes auf den Inhalt des Verfügungssatzes des Verwaltungsaktes, nicht jedoch auf dessen Gründe bezieht. Aus dem Verfügungssatz muss für den Betroffenen vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann jedoch auch die Begründung des Verwaltungsaktes herangezogen werden (vgl. hierzu auch Engelmann in von Wulffen SGB X, 6. Auflage 2008 § 33 Rdn.3). Hierbei ist auf den Horizont des objektiven Erklärungsempfängers abzustellen, d.h. inwieweit für diesen der Wille der Behörde eindeutig erkennbar gewesen ist. Im Aufhebungsbescheid vom 09.08.2006 hat die Beklagte im Betreff alle Leistungsbewilligungsbescheide mit Ausnahme des Bescheides vom 08.12.2004 benannt. Im Verfügungssatz hat sie erklärt, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab dem 01.01.2005 in Höhe von 11.326,36 EUR zurückgenommen werden. In den Gründen des Bescheides hat die Beklagte die Bewilligungsbescheide nicht mehr ausdrücklich aufgeführt, sondern nur noch auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft und das Vorliegen von Vermögen abgestellt. Aus dem Gesamtzusammenhang ist es für einen objektiven Erklärungsempfänger klar ersichtlich, dass die Beklagte vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft ausgeht und daher sämtliche Leistungsbewilligungen ab dem 01.01.2005 aufhebt. Daher war die Aufhebungsentscheidung der Beklagten rechtmäßig und die gewährten Leistungen konnten zurückgefordert werden, was auch im Bescheid vom 09.08.2006 zum Ausdruck gebracht wird.

Die von der Beklagten aufgehobenen Bescheide waren rechtswidrig, weil der Kläger ab dem 01.01.2005 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hatte, da er nicht hilfebedürftig i.S. des § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB II war. Gemäß § 9 Abs.2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

In der streitgegenständlichen Zeit bis zum 31.07.2006 ist das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft i.S. des § 7 Abs.3 Nr.3 b SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung von der Beklagten nachzuweisen. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs.3 a SGB II in der ab 01.08.2006 gültigen Fassung des Gesetzes vom 20.07.2006 (BGBl.I S.1706) ist auf den vorliegenden Fall erst ab dem 01.08.2006 anzuwenden. Ab diesem Zeitpunkt muss der Kläger die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft widerlegen.

Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht nach der Definition des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, SozR 3 - 4100 § 137 Nr.3) dann, wenn es sich um eine Lebensgemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann handelt (mittlerweile wird die Definition auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften angewandt), die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.

Das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft muss zur vollen richterlichen Überzeugung vom Leistungsträger dargelegt werden bzw. nach der Gesetzesänderung zum 01.08.2006 und der eingeführten Beweislastumkehr muss vom Leistungsbezieher bzw. Antragstellter der Gegenbeweis geführt werden bzw. die Vermutung des § 7 Abs.3 a SGB II durch andere Umstände entkräftet werden. Durch die Neueinführung dieser Vorschrift wird die Darlegungslast auf den Grundsicherungsträger verschoben. Legt dieser ausreichende Umstände dar, so verbleibt es trotzdem bei der Notwendigkeit einer vollen richterlichen Überzeugungsbildung, dass eine Partnerschaft bzw. der sie tragende Wille vorliegt. Ob eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung von Indizien zu beurteilen. Diese Hinweise sind z.B. die Dauer des Zusammenlebens, die inneren Bindungen, die die Partner eingehen, die Sorge füreinander, die Erziehung und Versorgung von Kindern und Angehörigen im Haushalt, die Ausschließlichkeit der Beziehung bezüglich anderer Partner, die Art des Zusammenlebens im Haushalt (gemeinsame Nutzung verschiedener Räume und Haushaltsgegenstände, das Nichtvorhandensein einer eigenen Intimsphäre), gemeinsame Konten. Die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft setzt jedoch nicht voraus, dass zwischen den Partnern eine geschlechtliche Beziehung besteht (so BSG vom 29.04.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr. 15). Diese Aufzählung kann nicht abschließend sein und stellt daher nur beispielhaft verschiedene Abgrenzungskriterien dar.

Der Senat kommt aufgrund aller bekannten Indizien und nach Würdigung der Aussage von Frau A. zu der Überzeugung, dass der Kläger und Frau A. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bilden. Der Senat hat hieran keinerlei Zweifel.

Dies ergibt sich zum einen aus dem über zwanzigjährigen Zusammenleben, den gemeinsamen Umzügen, dem gemeinsamen Kauf und Ausbau in Eigenleistung der Eigentumswohnung in A-Stadt und des Wohnrechts des Klägers nach Übertragung der Wohnung auf Frau A ... Zum anderen folgt dies aus der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gegenüber den Beklagtenvertretern in Erregung gemachten Erwiderung, in der er in Bezug auf den Sohn von Frau A. als "mein Sohn" und in Bezug auf das Auto von Frau A. als "mein Auto" gesprochen hat. Die in der späteren Zeugenaussage von Frau A. gemachten Angaben, dass ihr Sohn zum Kläger keine enge Bindung habe und ihn nicht als "Vaterersatz" ansehe und der Kläger ihr Auto nicht- auch nicht zum Einkaufen- benutze, sind in diesem Zusammenhang nicht glaubhaft. Der Senat ist davon überzeugt, dass die vom Kläger in einem Moment der unkontrollierten Erregung gemachte Aussage der Wahrheit entspricht. Auch die Aussage der Zeugin, dass sie, trotz fast dreißigjährigem Teilens einer Wohnung, zu dem Privatleben des Klägers nichts sagen könne, da sie "viel im Wald zum Beeren sammeln sei", ist nicht glaubhaft. Der Kläger hat nach Angaben der Zeugin deren Sohn bei der Gründung einer selbständigen Tätigkeit geholfen, auch dies spricht für das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Dabei ist auch bemerkenswert, dass der Sohn der Zeugin den bis dahin selbstständigen Kläger für einen Zeitraum von einem Jahr für ein relativ hohes sozialversicherungspflichtiges Entgelt beschäftigte, so dass der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und -hilfe erwerben konnte. Dies obwohl nach den Angaben der Zeugin der Betrieb der von ihrem Sohn angemieteten Gaststätte, die der Kläger als Geschäftsführer für ein monatliches Gehalt zwischen 2.500,00 DM und 3.500,00 DM leitete, von Beginn an nicht viel Erfolg versprach. Genau wie der Umstand, dass der Kläger, ab dem Zeitpunkt der Zahlungseinstellung durch die Beklagte, seine Möbel zur Schuldenbegleichung an Frau A. verpfändet hat. Ein unbeteiligter Dritter hätte sich auf ein solches "Geschäft" kaum eingelassen und gebrauchte Möbel nicht in Zahlung genommen. Vor diesem Hintergrund ist es aus der Sicht des Senats unbeachtlich, wenn der Kläger und Frau A. angeben, sie würden nicht gemeinsam wirtschaften, einkaufen und hätten auch keine gegenseitigen Kontovollmachten. Zumal die Nachbarn der Beklagten mitgeteilt haben, dass der Kläger und Frau A. beim gemeinsamen Einkaufen gesehen wurden. Auch das Beantworten der Post des Klägers durch Frau A. mit der Angabe "für den Restmüll verwenden wir blaue Müllsäcke von der Gemeinde", zeigt, dass die von der Zeugin geschilderte Darstellung des Sachverhaltes nicht uneingeschränkt der Wirklichkeit entspricht. Die Zeugin hat versucht dem Senat zu vermitteln, dass sie und der Kläger seit fast 30 Jahren vollkommen getrennt voneinander, eigentlich nebeneinander leben. Dies kann so aber nicht stimmen, da der Kläger - nach Angaben der Zeugin - sie abends mit ihrem Auto zu den Wohnungseigentümerversammlungen gefahren hat, da sie wegen ihrer Nachtblindheit nachts nicht Auto fahren könne. Dieser Umstand lässt erkennen, dass der Kläger und Frau A. nicht nebeneinander her leben, wie die Zeugin versucht hat darzustellen, sondern sich umeinander kümmern und füreinander einsetzen. Aus allen diesen Indizien ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger und Frau A. in einer auf Dauer angelegten Partnerschaft mit innerer Bindung leben und sich um den jeweils anderen und seine Belange im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft kümmern. Es besteht daher eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin.

Der Senat geht aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände davon aus, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens von Frau A. für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.11.2006 nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II hilfebedürftig war und ihm für diesen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II nicht zustanden. Jedenfalls ist vom Kläger nie geltend gemacht worden, dass er auch unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens von Frau A. hilfebedürftig ist. Er ist verpflichtet, die bereits erhaltenen Leistungen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zeit ab dem 01.01.2005 bis zum 31.07.2006 zu erstatten.

Daher war die Berufung des Klägers zurückzuweisen und auf die Berufung der Beklagten war unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg die Klage gegen den Bescheid vom 09.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.08.2006 in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung und die Klage des Klägers ohne Erfolg blieben.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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