Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 113/05 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 94/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 12.01.2007 und Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2008 verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2007 auf Dauer zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43, 240 SGB VI (Sozialgesetzbuch, 6. Buch) streitig.
Der 1950 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seiner Heimat. Nach eigenen Angaben erlernte er keinen Beruf und war in der Bundesrepublik Deutschland ausweislich des Versicherungsverlaufes vom 11.02.2005 in der Zeit vom 21.12.1970 bis zum 21.02.1974 mit verschiedenen Lücken, versicherungspflichtig beschäftigt. Für ihn wurden insgesamt für 35 Monate Pflichtbeiträge entrichtet. In seiner Heimat entrichtete er für die Zeit vom 10.09.1975 bis zum 01.11.1991 und vom 07.08.1992 bis zum 12.05.1995 insgesamt 18 Jahre, 10 Monate und 28 Tage Beiträge zur dortigen Rentenversicherung. Ab dem 12.05.1995 erhält der Kläger eine kroatische Invalidenrente.
Nach erfolglosem ersten Rentenverfahren, das mit Zurückweisung der Berufung durch das Bayer.Landessozialgericht am 14.03.2002 endete, stellte der Kläger am 24.04.2002 erneut einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 09.07.2002 im Wesentlichen mit der Begründung ablehnte, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nicht vor.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hin hob die Beklagte den Bescheid vom 09.07.2002 auf, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen entgegen der Feststellung im Bescheid unter Berücksichtigung des kroatischen Rentenbezugs als Dehnungstatbestand erfüllt seien. Gleichzeitig leitete sie ein Rentenverfahren zur Überprüfung der medizinischen Voraussetzungen für einen Rentenbezug ein. Nachdem der Kläger den Einladungen der Gutachtenskommission in Z. nicht nachgekommen war, erhielt die Beklagte von der kroatischen Rentenversicherungsanstalt die Nachricht, dass der Versicherte den Antrag auf die deutsche Rente zurückgezogen habe. Mit Schreiben vom 08.07.2003 teilte der Kläger mit, dass dies ein Missverständnis gewesen sei und er dies nur getan habe, da man ihm gesagt habe, er müsse die Untersuchung privat bezahlen. Daraufhin wurde erneut eine Untersuchung des Klägers über den kroatischen Versicherungsträger veranlasst. Der kroatische Versicherungsträger teilte mit Schreiben vom 19.12.2003 mit, dass der Versicherte den Ladungen der zuständigen Ärztekommission nicht nachgekommen sei. Nachdem der Kläger erklärte, sich in Z. untersuchen zu lassen, wurde er erneut zu einer Untersuchung geladen. Er teilte im Folgendem mit Schreiben vom 23.04.2004 mit, dass er bei Dr.M. in Z. gewesen sei, dass er sich eine teure Untersuchung nicht leisten könne und er nicht bereit sei, die teuren Untersuchungen, die Dr.M. vornehmen wolle, zu bezahlen. Daraufhin ging erneut ein Schreiben des kroatischen Rentenversicherungsträgers bei der Beklagten ein, dass der Kläger seinen Antrag auf Gewährung der deutschen Rente zurückgezogen habe.
Mit Schreiben vom 24.08.2004 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung, und bat die Beklagte die Rente ohne ärztliche Untersuchung zu bewilligen.
Daraufhin wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 13.09.2004 auf seine Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I (Sozialgesetzbuch, 1. Buch) hin und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.10.2004 mangels Mitwirkung gemäß § 66 SGB I ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 04.11.2004 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2005 zurückgewiesen, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nach § 66 SGB I nicht nachgekommen sei.
Am 01.02.2005 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut und erklärte, dass man von ihm etwas erwarte, zu dem er nicht mehr in der Lage sei es zu leisten. Das Problem liege darin, dass man ihm keinen Glauben schenke. Das Sozialgericht Landshut ließ, nachdem der Kläger eine Untersuchung in Deutschland ablehnte, ein Gutachten nach Aktenlage erstellen. Dieses Gutachten erstellte der Internist und Radiologe Dr.R. am 11.07.2006 aufgrund der Gutachten, die im vorhergehenden Gerichtsverfahren vom Bayer. Landessozialgericht auf chirurgischem, internistischem und neurologischem Fachgebiet für den Zeitraum zwischen September 2000 und Mai 2001 nach Aktenlage erstellt wurden. Andere Befunde lagen dem Gutachter nicht vor. Dr.R. kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom mit Nervenwurzelreizerscheinungen, mittelgradigen Bluthochdruck mit Herzleistungsminderung und depressiven Verstimmungen leiden würde. Mit diesen Gesundheitsstörungen sei er noch in der Lage, leichte und ruhige Arbeitstätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen und temperierten Räumen acht Stunden täglich zu verrichten. Als Küchenhilfe könne er nicht mehr arbeiten, allerdings sei er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsatzfähig. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei vorhanden.
Das Sozialgericht Landshut wies die Klage mit Urteil vom 12.01.2007 ab. Die zulässige Klage sei unbegründet, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, da er aufgrund der Feststellungen im Gutachten von Dr.R. nicht erwerbsgemindert sei.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 05.02.2007 Berufung zum Bayer. Landesso-zialgericht eingelegt. Zur Begründung der Berufung trägt er vor, dass er mit einer kleinen kroatischen Rente auskommen müsse und Niemanden auf der Welt habe. Er sei in Kroatien als Invalide anerkannt und in Deutschland nicht. Er könne nicht mehr arbeiten, wo er doch seit mehr als zehn Jahren eine Invalidenrente erhalte.
Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Untersuchung in Deutschland in seinem eigenen Interesse sei und er mitteilen möge, aus welchen medizinischen Gründen ihm eine Anreise nicht möglich sei. Nachdem der Kläger erklärt hat, dass er Angst habe, in den Bus zu steigen, und einer solchen Reise nicht gewachsen sei, hat der Senat den Arzt für Psychiatrie Dr.S. beauftragt den Kläger in Kroatien persönlich zu untersuchen. Dr. S. hat den Kläger am 23.10.2007 untersucht und ein Gutachten am 28.12.2007 erstattet. Er stellt fest, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers nicht rückwirkend bis November 2004 zu beurteilen seien, da für die Vergangenheit keine Arztbefunde, weder aus Deutschland noch aus der Heimat des Klägers, vorliegen würden. Daher könne er lediglich den Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt seiner Untersuchung beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt würde der Kläger unter einer ängstlich-depressiv gefärbten wahnhaften Störung leiden (differentialdiagnostisch sei auch eine schizo-affektive Störung möglich), an einer rezidivierenden depressiven Störung, an einer somatoformen Schmerzstörung, einer arterieller Hypertension mit rezidivierenden hypertensiven Krisen sowie weiteren multiplen medizinische Erkrankungen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung könne der Kläger nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten. Dabei müsse es sich um leichte Arbeiten, die im Sitzen in geschlossenen Räumen zu verrichten sind, handeln. Schweres Heben und Tragen, Arbeiten im Bücken und unter Akkord, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Beschäftigungen an gefährdenden Maschinen könne der Kläger nicht mehr ausüben, ebenso wenig Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Nässe oder Staub. Im Übrigen sei auch der Anmarschweg des Klägers beschränkt.
Die Beklagte hat durch ihren medizinischen Dienst zum Gutachten von Dr.S. Stellung genommen. Der medizinische Dienst der Beklagten rügt, dass Dr.S. den Kläger in Kroatien aufgesucht habe und ihn dort, unklar ob im Hotel oder "sonst wo", exploriert und untersucht habe. Darüber hinaus würde Dr.S. einen autistischen Rückzug des Klägers darstellen. Dies sei eine sehr fragliche diagnostische Zuordnung, die mit dem vom Kläger beschriebenen Tagesablauf nicht zu vereinbaren sei. Auch die von Dr.S. beschriebenen taktilen Halluzinationen des Klägers seien nicht nachvollziehbar. Die zeitliche Beschränkung des Leistungsvermögens des Klägers auf weniger als drei Stunden sei mit dem Gutachten nicht begründbar, da dieses einen psychopathologischen Befund referiere, der mit dem Tagesablauf des Klägers und seinen sonstigen Aktivitäten nicht korrelieren würde. Daher sei das Gutachten in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar. Es werde angeregt, eine weitere neuropsychiatrische Begutachtung in der Bundesrepublik Deutschland vornehmen zu lassen. Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger nach ihren Erkenntnissen im fortwährenden Rentenbezug in Kroatien stehen würde.
Der Kläger hat auf das Schreiben des medizinischen Dienstes der Beklagen sich dahingehend geäußert, dass er sich sehr wundere, dass man Dr.S., der doch ein Arzt sei, der für Deutschland arbeite, keinen Glauben schenke.
Aufgrund der nunmehr nachgeholten Mitwirkungshandlung des Klägers hat die Beklagte den Rentenantrag des Klägers vom 24.08.2004 mit Bescheid vom 01.08.2008 abgelehnt, da der Kläger nicht erwerbsgemindert sei. Er könne noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.
Der Kläger beantragt ,
den Ausführungen im Gutachten von Dr.S. zu folgen. Er beantragt somit, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.01.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Untersuchung durch Dr.S. eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die erledigten Verfahren L 14 RJ 592/98 und S 5 RJ 1529/96 A Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (die §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.01.2007 und der mangels Mitwirkung durch Bescheid vom 28.11.2004 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 12.01.2005 abgelehnte Rentenantrag des Klägers vom 24.08.2004 sowie der nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 01.08.2008, mit dem die Beklagte, nach Nachholung der Mitwirkungshandlung des Klägers, den Rentenantrag aus materiell-rechtlichen Gründen abgelehnt hat.
Nach den Feststellungen im Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht ist der Kläger aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ab der Untersuchung durch Dr.S. am 23.10.2007 auf Dauer voll erwerbsgemindert. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vor dem 01.11.2007 nicht zu, da für den Zeitraum von August 2004 bis September 2007 die Leistungsminderung des Klägers nicht mit der nötigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Senats festgestellt werden konnte.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 43 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung. Hiernach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll oder teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI).
Der Kläger hat in Deutschland lediglich 36 Monate an Pflichtbeiträgen zurückgelegt. Die vom Kläger in Kroatien zurückgelegten Zeiten zur dortigen Rentenversicherung sind nach dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen vom 24.11.1997 für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeiten nach § 50 SGB VI und bei der Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs.1 und Abs.2 Nr.2 SGB VI zu berücksichtigen. Zeiten des Bezugs einer Invalidenrente sind nach Art.26 des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens zu berücksichtigende Verlängerungstatbestände.
Unter Berücksichtigung der vom Kläger in Kroatien zur dortigen Rentenversicherung entrichteten Beiträge und dem Invalidenrentenbezug seit dem 12.05.1995 hat der Kläger daher zum Zeitpunkt der Antragstellung und durchgehend bis heute die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.
Der Senat kommt unter Würdigung der vorliegenden Gutachten von Dr.R. und Dr.S. zu dem Ergebnis, dass der Kläger ab dem Untersuchungszeitpunkt von Dr.S. am 23.10.2007 nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. Hierbei muss es sich um leichte Arbeiten handeln, die der Kläger im Sitzen, in geschlossenen Räumen ohne schweres Heben und Tragen und ohne Bücken und ohne Akkordarbeiten verrichtet. Der Kläger ist nicht mehr dazu in der Lage, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten auszuüben, und eine Beschäftigung an gefährdenden Maschinen zu verrichten. Die Arbeiten dürfen nicht unter Einfluss von Kälte, Nässe oder Staub ausgeübt werden.
Im vorliegenden Fall hat zwar Dr.R. noch eine ganz andere Leistungseinschätzung des Klägers abgegeben, diese beruht aber auf einem Gutachten nach Aktenlage, bei der Dr.R. die wenigen vorhanden gesundheitlichen Befunde des Klägers bewertet hat. Dr.R. konnte mit den vorhandenen Unterlagen zu keiner anderen Aussage als zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers kommen. Erst Dr.S. war es möglich, den Kläger persönlich in seiner Heimat zu untersuchen. Dies hat er im Auftrag des Senats getan. Dr.S. schildert in seinem Gutachten ausführlich die Beschwerden des Klägers. Eine Fremdanamnese durch Nachbarn oder Familienangehörige war Herrn Dr.S. nicht möglich, da der Kläger sämtliche Kontakte zu Nachbarn und Angehörige abgebrochen hat. Er beschreibt im Gutachten den Tagesablauf des Klägers und hat mit der behandelnden Ärztin des Klägers gesprochen. Von dieser hat er Fotokopien von laufenden Ambulanznotizen erhalten. Im Gespräch mit der Ärztin hat Dr.S. herausgefunden, dass der Kläger seit 2001 bei ihr in Behandlung sei. Der Kläger habe sich zuletzt immer mehr abgekapselt und auch keine Medikamente mehr eingenommen. Alle Untersuchungen seien vom Kläger abgelehnt worden. Die Ärztin habe angegeben, dass der Kläger angefangen habe, paranoide Ideen zu entwickeln in dem Sinne, dass er glaubte, von den Medikamenten vergiftet zu werden. Er habe begonnene Therapien unterbrochen und sei durch diese Unterbrechungen zuletzt auch vital hochgradig gefährdet gewesen. Der Kläger sei im Prinzip nicht reisefähig, da er Befürchtungen habe, zu kollabieren oder zu sterben, wenn er auf Reisen gehe. Deswegen würde ihn schon der Vorschlag, eine Fahrkarte zu kaufen und zu verreisen, in Aufregung versetzen.
Während der Untersuchung konnte Dr.S. feststellen, dass der Kläger nicht mehr dazu in der Lage war, den gestellten Fragen zu folgen, und Mühe hatte sich zu konzentrieren.
Dr.S. führt in seinem Gutachten auch aus, dass bei der Untersuchung die Neigung des Klägers zur Dissimulation bzw. zum Verbergen oder Verheimlichen von Krankheiten auffällig sei. Der Kläger sei hochgradig misstrauisch und habe eine ausgeprägte soziale Ängstlichkeit, fast ein autistisches Versunkensein. Seine affektive Stimmungsfähigkeit sei weitgehend aufgehoben. Er habe massive Antriebsstörungen mit Verlust jeglicher Spontanietät und Initiative und außerdem ungewöhnliche Wahrnehmungen im Sinne von Illusionen. Insgesamt kommt Dr.S. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine erhebliche Persönlichkeitsveränderung vorliegen würde, verbunden mit autistischem Rückzug von zwischenmenschlichen Kontakten. Aufgrund seiner Untersuchung des Klägers und aufgrund des Gesprächs mit der behandelnden Ärztin und der dargestellten Behandlungsgeschichte, die sie dem Gutachter überlassen hat, konnte er feststellen, dass eine Unterbrechung in der Kontinuität der ambulanten Behandlungen etwa am Anfang des Jahres 2001 stattgefunden hat. Bis dahin war der Kläger mehr oder weniger regelmäßig in Behandlung wegen orthopädischer Erkrankungen und wegen seiner Dysthymie. Ab etwa 2001 habe er angefangen, hartnäckig die verordneten Medikamente abzulehnen und sei immer weniger zur Ärztin gegangen. Von daher geht der Gutachter davon aus, dass etwa Anfang des Jahres 2001 die aus den früheren Befunden beschriebene Dysthymie sich hinverlagert hat zu wahnhaften Symptomen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei das Vollbild einer wahnhaften Störung ausgeprägt. Allerdings könne der exakte Zeitpunkt des Übergangs vom bisherigen klinischen Bild ins das derzeitig vorliegende Bild nicht mehr festgestellt werden, da hierfür die Krankenunterlagen des Klägers zu wenig aussagefähig seien. Daher kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass er lediglich das derzeitige Krankheitsbild am der Tag Begutachtung beurteilen könne. Über den Beginn des Krankheitsbildes und den Krankheitsverlauf könne er keine Aussagen treffen, da keine medizinischen Unterlagen vorhanden seien. Der Kläger könne wegen seiner ängstlich depressiv gefärbten wahnhaften Störung und der rezidivierenden Depression sowie der somatoformen Schmerzstörung aufgrund der degenerativen LWS-Veränderungen und der multiplen orthopädischen Erkrankungen und der arteriellen Hypertension nur noch weniger als drei Stunden täglich unter den oben angegebenen Bedingungen arbeiten.
Der Kritik des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten kann sich der Senat nicht anschließen, zum einen wurde Dr.S. vom Senat beauftragt, den Kläger im Rahmen eines Hausbesuches zu begutachten, dies ist also kein Mangel des Gutachtens, zum anderen beschreibt Dr.S. den Tagesablauf des Klägers und seine soziale Einbindung in seinem Gutachten genau und zieht daraus entsprechende Rückschlüsse, die in sich schlüssig und nachvollziehbar sind. Eine Begutachtung des Klägers in Deutschland war aufgrund der Erkrankungen des Klägers nicht möglich. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem bisherigen Verlauf des Verwaltungsverfahrens und den Versuchen der Beklagten den Kläger in seiner Heimat durch die Gutachterkommission des dortigen Rentenversicherungsträgers untersuchen zu lassen.
Insgesamt kommt der Senat nach der Würdigung des Gutachtens von Dr.S. und auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur noch für Tätigkeiten von unter drei Stunden täglich einsatzfähig ist. Dieses Leistungsvermögen ist zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr.S. am 23.10.2007 eingetreten. Ob diese Leistungseinschränkung bereits vorher vorlag, kann aufgrund der wenigen vorliegenden medizinischen Unterlagen über den Gesundheitszustand des Klägers vor diesem Zeitpunkt nicht mit der nötigen Sicherheit gesagt werden. Insoweit trägt der Kläger die Beweislast der Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes, der Senat konnte trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten einen früheren Eintritt der Erwerbsminderung nicht feststellen (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 103 Rdnr.19a).
Daher ist auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.01.2007 sowie der nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 01.08.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2007 auf Dauer zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolgreich war.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43, 240 SGB VI (Sozialgesetzbuch, 6. Buch) streitig.
Der 1950 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seiner Heimat. Nach eigenen Angaben erlernte er keinen Beruf und war in der Bundesrepublik Deutschland ausweislich des Versicherungsverlaufes vom 11.02.2005 in der Zeit vom 21.12.1970 bis zum 21.02.1974 mit verschiedenen Lücken, versicherungspflichtig beschäftigt. Für ihn wurden insgesamt für 35 Monate Pflichtbeiträge entrichtet. In seiner Heimat entrichtete er für die Zeit vom 10.09.1975 bis zum 01.11.1991 und vom 07.08.1992 bis zum 12.05.1995 insgesamt 18 Jahre, 10 Monate und 28 Tage Beiträge zur dortigen Rentenversicherung. Ab dem 12.05.1995 erhält der Kläger eine kroatische Invalidenrente.
Nach erfolglosem ersten Rentenverfahren, das mit Zurückweisung der Berufung durch das Bayer.Landessozialgericht am 14.03.2002 endete, stellte der Kläger am 24.04.2002 erneut einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 09.07.2002 im Wesentlichen mit der Begründung ablehnte, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nicht vor.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hin hob die Beklagte den Bescheid vom 09.07.2002 auf, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen entgegen der Feststellung im Bescheid unter Berücksichtigung des kroatischen Rentenbezugs als Dehnungstatbestand erfüllt seien. Gleichzeitig leitete sie ein Rentenverfahren zur Überprüfung der medizinischen Voraussetzungen für einen Rentenbezug ein. Nachdem der Kläger den Einladungen der Gutachtenskommission in Z. nicht nachgekommen war, erhielt die Beklagte von der kroatischen Rentenversicherungsanstalt die Nachricht, dass der Versicherte den Antrag auf die deutsche Rente zurückgezogen habe. Mit Schreiben vom 08.07.2003 teilte der Kläger mit, dass dies ein Missverständnis gewesen sei und er dies nur getan habe, da man ihm gesagt habe, er müsse die Untersuchung privat bezahlen. Daraufhin wurde erneut eine Untersuchung des Klägers über den kroatischen Versicherungsträger veranlasst. Der kroatische Versicherungsträger teilte mit Schreiben vom 19.12.2003 mit, dass der Versicherte den Ladungen der zuständigen Ärztekommission nicht nachgekommen sei. Nachdem der Kläger erklärte, sich in Z. untersuchen zu lassen, wurde er erneut zu einer Untersuchung geladen. Er teilte im Folgendem mit Schreiben vom 23.04.2004 mit, dass er bei Dr.M. in Z. gewesen sei, dass er sich eine teure Untersuchung nicht leisten könne und er nicht bereit sei, die teuren Untersuchungen, die Dr.M. vornehmen wolle, zu bezahlen. Daraufhin ging erneut ein Schreiben des kroatischen Rentenversicherungsträgers bei der Beklagten ein, dass der Kläger seinen Antrag auf Gewährung der deutschen Rente zurückgezogen habe.
Mit Schreiben vom 24.08.2004 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung, und bat die Beklagte die Rente ohne ärztliche Untersuchung zu bewilligen.
Daraufhin wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 13.09.2004 auf seine Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I (Sozialgesetzbuch, 1. Buch) hin und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.10.2004 mangels Mitwirkung gemäß § 66 SGB I ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 04.11.2004 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2005 zurückgewiesen, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nach § 66 SGB I nicht nachgekommen sei.
Am 01.02.2005 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut und erklärte, dass man von ihm etwas erwarte, zu dem er nicht mehr in der Lage sei es zu leisten. Das Problem liege darin, dass man ihm keinen Glauben schenke. Das Sozialgericht Landshut ließ, nachdem der Kläger eine Untersuchung in Deutschland ablehnte, ein Gutachten nach Aktenlage erstellen. Dieses Gutachten erstellte der Internist und Radiologe Dr.R. am 11.07.2006 aufgrund der Gutachten, die im vorhergehenden Gerichtsverfahren vom Bayer. Landessozialgericht auf chirurgischem, internistischem und neurologischem Fachgebiet für den Zeitraum zwischen September 2000 und Mai 2001 nach Aktenlage erstellt wurden. Andere Befunde lagen dem Gutachter nicht vor. Dr.R. kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom mit Nervenwurzelreizerscheinungen, mittelgradigen Bluthochdruck mit Herzleistungsminderung und depressiven Verstimmungen leiden würde. Mit diesen Gesundheitsstörungen sei er noch in der Lage, leichte und ruhige Arbeitstätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen und temperierten Räumen acht Stunden täglich zu verrichten. Als Küchenhilfe könne er nicht mehr arbeiten, allerdings sei er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsatzfähig. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei vorhanden.
Das Sozialgericht Landshut wies die Klage mit Urteil vom 12.01.2007 ab. Die zulässige Klage sei unbegründet, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, da er aufgrund der Feststellungen im Gutachten von Dr.R. nicht erwerbsgemindert sei.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 05.02.2007 Berufung zum Bayer. Landesso-zialgericht eingelegt. Zur Begründung der Berufung trägt er vor, dass er mit einer kleinen kroatischen Rente auskommen müsse und Niemanden auf der Welt habe. Er sei in Kroatien als Invalide anerkannt und in Deutschland nicht. Er könne nicht mehr arbeiten, wo er doch seit mehr als zehn Jahren eine Invalidenrente erhalte.
Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Untersuchung in Deutschland in seinem eigenen Interesse sei und er mitteilen möge, aus welchen medizinischen Gründen ihm eine Anreise nicht möglich sei. Nachdem der Kläger erklärt hat, dass er Angst habe, in den Bus zu steigen, und einer solchen Reise nicht gewachsen sei, hat der Senat den Arzt für Psychiatrie Dr.S. beauftragt den Kläger in Kroatien persönlich zu untersuchen. Dr. S. hat den Kläger am 23.10.2007 untersucht und ein Gutachten am 28.12.2007 erstattet. Er stellt fest, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers nicht rückwirkend bis November 2004 zu beurteilen seien, da für die Vergangenheit keine Arztbefunde, weder aus Deutschland noch aus der Heimat des Klägers, vorliegen würden. Daher könne er lediglich den Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt seiner Untersuchung beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt würde der Kläger unter einer ängstlich-depressiv gefärbten wahnhaften Störung leiden (differentialdiagnostisch sei auch eine schizo-affektive Störung möglich), an einer rezidivierenden depressiven Störung, an einer somatoformen Schmerzstörung, einer arterieller Hypertension mit rezidivierenden hypertensiven Krisen sowie weiteren multiplen medizinische Erkrankungen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung könne der Kläger nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten. Dabei müsse es sich um leichte Arbeiten, die im Sitzen in geschlossenen Räumen zu verrichten sind, handeln. Schweres Heben und Tragen, Arbeiten im Bücken und unter Akkord, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Beschäftigungen an gefährdenden Maschinen könne der Kläger nicht mehr ausüben, ebenso wenig Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Nässe oder Staub. Im Übrigen sei auch der Anmarschweg des Klägers beschränkt.
Die Beklagte hat durch ihren medizinischen Dienst zum Gutachten von Dr.S. Stellung genommen. Der medizinische Dienst der Beklagten rügt, dass Dr.S. den Kläger in Kroatien aufgesucht habe und ihn dort, unklar ob im Hotel oder "sonst wo", exploriert und untersucht habe. Darüber hinaus würde Dr.S. einen autistischen Rückzug des Klägers darstellen. Dies sei eine sehr fragliche diagnostische Zuordnung, die mit dem vom Kläger beschriebenen Tagesablauf nicht zu vereinbaren sei. Auch die von Dr.S. beschriebenen taktilen Halluzinationen des Klägers seien nicht nachvollziehbar. Die zeitliche Beschränkung des Leistungsvermögens des Klägers auf weniger als drei Stunden sei mit dem Gutachten nicht begründbar, da dieses einen psychopathologischen Befund referiere, der mit dem Tagesablauf des Klägers und seinen sonstigen Aktivitäten nicht korrelieren würde. Daher sei das Gutachten in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar. Es werde angeregt, eine weitere neuropsychiatrische Begutachtung in der Bundesrepublik Deutschland vornehmen zu lassen. Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger nach ihren Erkenntnissen im fortwährenden Rentenbezug in Kroatien stehen würde.
Der Kläger hat auf das Schreiben des medizinischen Dienstes der Beklagen sich dahingehend geäußert, dass er sich sehr wundere, dass man Dr.S., der doch ein Arzt sei, der für Deutschland arbeite, keinen Glauben schenke.
Aufgrund der nunmehr nachgeholten Mitwirkungshandlung des Klägers hat die Beklagte den Rentenantrag des Klägers vom 24.08.2004 mit Bescheid vom 01.08.2008 abgelehnt, da der Kläger nicht erwerbsgemindert sei. Er könne noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.
Der Kläger beantragt ,
den Ausführungen im Gutachten von Dr.S. zu folgen. Er beantragt somit, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.01.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Untersuchung durch Dr.S. eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und die erledigten Verfahren L 14 RJ 592/98 und S 5 RJ 1529/96 A Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (die §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.01.2007 und der mangels Mitwirkung durch Bescheid vom 28.11.2004 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 12.01.2005 abgelehnte Rentenantrag des Klägers vom 24.08.2004 sowie der nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 01.08.2008, mit dem die Beklagte, nach Nachholung der Mitwirkungshandlung des Klägers, den Rentenantrag aus materiell-rechtlichen Gründen abgelehnt hat.
Nach den Feststellungen im Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht ist der Kläger aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ab der Untersuchung durch Dr.S. am 23.10.2007 auf Dauer voll erwerbsgemindert. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vor dem 01.11.2007 nicht zu, da für den Zeitraum von August 2004 bis September 2007 die Leistungsminderung des Klägers nicht mit der nötigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Senats festgestellt werden konnte.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 43 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung. Hiernach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll oder teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI).
Der Kläger hat in Deutschland lediglich 36 Monate an Pflichtbeiträgen zurückgelegt. Die vom Kläger in Kroatien zurückgelegten Zeiten zur dortigen Rentenversicherung sind nach dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen vom 24.11.1997 für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeiten nach § 50 SGB VI und bei der Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs.1 und Abs.2 Nr.2 SGB VI zu berücksichtigen. Zeiten des Bezugs einer Invalidenrente sind nach Art.26 des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens zu berücksichtigende Verlängerungstatbestände.
Unter Berücksichtigung der vom Kläger in Kroatien zur dortigen Rentenversicherung entrichteten Beiträge und dem Invalidenrentenbezug seit dem 12.05.1995 hat der Kläger daher zum Zeitpunkt der Antragstellung und durchgehend bis heute die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.
Der Senat kommt unter Würdigung der vorliegenden Gutachten von Dr.R. und Dr.S. zu dem Ergebnis, dass der Kläger ab dem Untersuchungszeitpunkt von Dr.S. am 23.10.2007 nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. Hierbei muss es sich um leichte Arbeiten handeln, die der Kläger im Sitzen, in geschlossenen Räumen ohne schweres Heben und Tragen und ohne Bücken und ohne Akkordarbeiten verrichtet. Der Kläger ist nicht mehr dazu in der Lage, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten auszuüben, und eine Beschäftigung an gefährdenden Maschinen zu verrichten. Die Arbeiten dürfen nicht unter Einfluss von Kälte, Nässe oder Staub ausgeübt werden.
Im vorliegenden Fall hat zwar Dr.R. noch eine ganz andere Leistungseinschätzung des Klägers abgegeben, diese beruht aber auf einem Gutachten nach Aktenlage, bei der Dr.R. die wenigen vorhanden gesundheitlichen Befunde des Klägers bewertet hat. Dr.R. konnte mit den vorhandenen Unterlagen zu keiner anderen Aussage als zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers kommen. Erst Dr.S. war es möglich, den Kläger persönlich in seiner Heimat zu untersuchen. Dies hat er im Auftrag des Senats getan. Dr.S. schildert in seinem Gutachten ausführlich die Beschwerden des Klägers. Eine Fremdanamnese durch Nachbarn oder Familienangehörige war Herrn Dr.S. nicht möglich, da der Kläger sämtliche Kontakte zu Nachbarn und Angehörige abgebrochen hat. Er beschreibt im Gutachten den Tagesablauf des Klägers und hat mit der behandelnden Ärztin des Klägers gesprochen. Von dieser hat er Fotokopien von laufenden Ambulanznotizen erhalten. Im Gespräch mit der Ärztin hat Dr.S. herausgefunden, dass der Kläger seit 2001 bei ihr in Behandlung sei. Der Kläger habe sich zuletzt immer mehr abgekapselt und auch keine Medikamente mehr eingenommen. Alle Untersuchungen seien vom Kläger abgelehnt worden. Die Ärztin habe angegeben, dass der Kläger angefangen habe, paranoide Ideen zu entwickeln in dem Sinne, dass er glaubte, von den Medikamenten vergiftet zu werden. Er habe begonnene Therapien unterbrochen und sei durch diese Unterbrechungen zuletzt auch vital hochgradig gefährdet gewesen. Der Kläger sei im Prinzip nicht reisefähig, da er Befürchtungen habe, zu kollabieren oder zu sterben, wenn er auf Reisen gehe. Deswegen würde ihn schon der Vorschlag, eine Fahrkarte zu kaufen und zu verreisen, in Aufregung versetzen.
Während der Untersuchung konnte Dr.S. feststellen, dass der Kläger nicht mehr dazu in der Lage war, den gestellten Fragen zu folgen, und Mühe hatte sich zu konzentrieren.
Dr.S. führt in seinem Gutachten auch aus, dass bei der Untersuchung die Neigung des Klägers zur Dissimulation bzw. zum Verbergen oder Verheimlichen von Krankheiten auffällig sei. Der Kläger sei hochgradig misstrauisch und habe eine ausgeprägte soziale Ängstlichkeit, fast ein autistisches Versunkensein. Seine affektive Stimmungsfähigkeit sei weitgehend aufgehoben. Er habe massive Antriebsstörungen mit Verlust jeglicher Spontanietät und Initiative und außerdem ungewöhnliche Wahrnehmungen im Sinne von Illusionen. Insgesamt kommt Dr.S. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine erhebliche Persönlichkeitsveränderung vorliegen würde, verbunden mit autistischem Rückzug von zwischenmenschlichen Kontakten. Aufgrund seiner Untersuchung des Klägers und aufgrund des Gesprächs mit der behandelnden Ärztin und der dargestellten Behandlungsgeschichte, die sie dem Gutachter überlassen hat, konnte er feststellen, dass eine Unterbrechung in der Kontinuität der ambulanten Behandlungen etwa am Anfang des Jahres 2001 stattgefunden hat. Bis dahin war der Kläger mehr oder weniger regelmäßig in Behandlung wegen orthopädischer Erkrankungen und wegen seiner Dysthymie. Ab etwa 2001 habe er angefangen, hartnäckig die verordneten Medikamente abzulehnen und sei immer weniger zur Ärztin gegangen. Von daher geht der Gutachter davon aus, dass etwa Anfang des Jahres 2001 die aus den früheren Befunden beschriebene Dysthymie sich hinverlagert hat zu wahnhaften Symptomen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei das Vollbild einer wahnhaften Störung ausgeprägt. Allerdings könne der exakte Zeitpunkt des Übergangs vom bisherigen klinischen Bild ins das derzeitig vorliegende Bild nicht mehr festgestellt werden, da hierfür die Krankenunterlagen des Klägers zu wenig aussagefähig seien. Daher kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass er lediglich das derzeitige Krankheitsbild am der Tag Begutachtung beurteilen könne. Über den Beginn des Krankheitsbildes und den Krankheitsverlauf könne er keine Aussagen treffen, da keine medizinischen Unterlagen vorhanden seien. Der Kläger könne wegen seiner ängstlich depressiv gefärbten wahnhaften Störung und der rezidivierenden Depression sowie der somatoformen Schmerzstörung aufgrund der degenerativen LWS-Veränderungen und der multiplen orthopädischen Erkrankungen und der arteriellen Hypertension nur noch weniger als drei Stunden täglich unter den oben angegebenen Bedingungen arbeiten.
Der Kritik des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten kann sich der Senat nicht anschließen, zum einen wurde Dr.S. vom Senat beauftragt, den Kläger im Rahmen eines Hausbesuches zu begutachten, dies ist also kein Mangel des Gutachtens, zum anderen beschreibt Dr.S. den Tagesablauf des Klägers und seine soziale Einbindung in seinem Gutachten genau und zieht daraus entsprechende Rückschlüsse, die in sich schlüssig und nachvollziehbar sind. Eine Begutachtung des Klägers in Deutschland war aufgrund der Erkrankungen des Klägers nicht möglich. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem bisherigen Verlauf des Verwaltungsverfahrens und den Versuchen der Beklagten den Kläger in seiner Heimat durch die Gutachterkommission des dortigen Rentenversicherungsträgers untersuchen zu lassen.
Insgesamt kommt der Senat nach der Würdigung des Gutachtens von Dr.S. und auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur noch für Tätigkeiten von unter drei Stunden täglich einsatzfähig ist. Dieses Leistungsvermögen ist zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr.S. am 23.10.2007 eingetreten. Ob diese Leistungseinschränkung bereits vorher vorlag, kann aufgrund der wenigen vorliegenden medizinischen Unterlagen über den Gesundheitszustand des Klägers vor diesem Zeitpunkt nicht mit der nötigen Sicherheit gesagt werden. Insoweit trägt der Kläger die Beweislast der Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes, der Senat konnte trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten einen früheren Eintritt der Erwerbsminderung nicht feststellen (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 103 Rdnr.19a).
Daher ist auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12.01.2007 sowie der nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordene Bescheid vom 01.08.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2007 auf Dauer zu gewähren.
Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers erfolgreich war.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
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