L 16 AS 327/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 349/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 327/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.09.2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 und der Bescheid vom 28.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 werden aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23.03.2006 verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 08.09.2005 bis zum 31.07.2006 1.295,11 EUR als weitere Stromkosten zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme einer Heizkostennachzahlung in Höhe von 370,00 EUR streitig sowie die Übernahme der angemessenen Heizkosten im Zeitraum vom 15.03.2006 bis 31.07.2006.

Der Kläger bezog von der Beklagten vom 15.06.2005 bis zum 31.01.2007 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), ergänzend zu dem von ihm bezogenen Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III).

Der Kläger, der seit dem 15.11.2005 unter Betreuung steht, wohnte vom 01.09.2005 bis zum 31.01.2007 in einer 53 qm großen Wohnung in B-Stadt, A.-Straße 33. Die Kaltmiete für diese Wohnung und die kalten Nebenkosten beliefen sich auf monatlich insgesamt 217,48 EUR. Laut Mietvertrag war die Wohnung weder mit einer Heizungsanlage noch mit Einzelöfen ausgestattet. Die Wohnung wurde vom Kläger mittels elektrischer Heizstrahler bzw. -lüfter geheizt. Die Warmwasserzubereitung erfolgte durch einen Elektroboiler, der Küchenherd wurde mit Erdgas betrieben. Aus der Mietbestätigung des Vermieters sowie aus dem Mietvertrag vom 12.07.2005 ergab sich, dass die Mietsache nicht mit Wärme für die Raumbeheizung und Warmwasser versorgt wurde.

Am 02.12.2005 stellte der Kläger einen Weitergewährungsantrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14.12.2005 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.02.2006 bis 31.07.2006 in Höhe von 168,48 EUR. Auf diesen Bescheid hin beantragte der Betreuer des Klägers eine Neuberechnung der Leistungen nach dem SGB II, da der Kläger eine monatliche Miete in Höhe von 217,48 EUR zu zahlen habe, der Warmwasserboiler in der Wohnung mit Strom betrieben werde und die Wohnung mit vier Heizstrahlern beheizt werde. Das Energieunternehmen verlange alle zwei Monate eine Abschlagszahlung in Höhe von 201,00 EUR. Darin enthalten sei auch die Abschlagszahlung für Erdgas zum Betrieb des Gasherdes.

Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 24.01.2006 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006.

Am 25.01.2006 teilte die Beklagte dem Betreuer des Klägers mit, dass die Heizart des Klägers (vier Heizstrahler) unwirtschaftlich und unrentabel erscheine. Er möge sich mit dem Vermieter des Klägers in Verbindung setzen, ob es möglich sei Einzelöfen in der Wohnung zu installieren. Laut Betriebskostenspiegel würde die Beklagte lediglich die angemessenen Heizkosten, pro Quadratmeter Wohnfläche einen Betrag von 0,82 EUR, übernehmen. Es errechne sich somit ein angemessener Betrag von monatlich 43,46 EUR (0,82 EUR x 53 qm). Diese Heizkosten würden rückwirkend ab dem 01.09.2005 gewährt. Die Abschlagszahlungen an den Energieversorger seien vom Kläger selbst zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 23.03.2006 gewährte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006 in Höhe von monatlich 226,12 EUR. Sie berücksichtigte hierbei die anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 275,12 EUR, da sie nunmehr die Kosten für den Kabelanschluss des Klägers in Höhe von monatlich 14,18 EUR mit übernahm. Die Höhe der Kosten der Unterkunft errechnete die Beklagte aus der Grundmiete von 149,48 EUR zuzüglich der aufgrund des angewandten Betriebskostenspiegels pauschaliert berechneten Kosten für die Heizung in Höhe von 43,46 EUR, der Betriebskosten in Höhe von 68,00 EUR und der Kabelgebühren in Höhe von 14,18 EUR; insgesamt 275,12 EUR.

Am 30.03.2006 beantragte der Betreuer des Klägers die Übernahme der Strom- und Gasnachzahlungsforderung des Energieversorgungsunternehmens vom 14.03.2006 in Höhe von 778,16 EUR für den Abrechnungszeitraum vom 08.09.2005 bis zum 09.03.2006 unter Berücksichtigung der bereits vom Kläger geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von 510,30 EUR. Der Kläger verbrauchte in diesem Zeitraum Energie für insgesamt 1.288,46 EUR. In diesem Betrag waren 35,74 EUR für Erdgas enthalten. Die reinen Stromkosten beliefen sich auf 1.252,72 EUR. Mit dieser Nachforderung wurde die Abschlagsforderung des Energieversorgungsunternehmens ab April 2006 auf monatlich 261,00 EUR (einschließlich des Betrages von 5.00 EUR monatlich für Erdgas) festgesetzt. Im Schreiben vom 30.03.2006 beantragte der Betreuer des Klägers gleichzeitig die neue Abschlagszahlung bei der Gewährung der Leistungen zu berücksichtigen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12.04.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme von höheren Heizkosten als 43,46 EUR ab, da sie mit Schreiben vom 25.01.2006 mitgeteilt habe, dass die Beheizung der Wohnung mit Heizstrahlern unwirtschaftlich sei. Im Widerspruchsschreiben wies der Betreuer des Klägers darauf hin, dass grundsätzlich die tatsächlichen Heizkosten zu übernehmen seien, dass der Kläger sparsam heize und die Wohnung nur mit elektrischen Beheizungsmöglichkeiten versehen sei und daher auch besonders günstig wäre. Im Übrigen müsse der Kläger die Wohnung beheizen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Wohnung schlecht ausgestattet sei (alte Fenster, schlechte Isolation, uraltes Mauerwerk).

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Nachforderung in Höhe von 778,16 EUR ab, da zum einen die Kosten der Warmwasseraufbereitung bereits im Regelsatz enthalten seien und zum anderen die Heizkosten nur insoweit zu berücksichtigen seien, wie sie dem aktuellen Betriebskostenspiegel entsprächen. Auf dieser Basis sei bereits ein Betrag von 0,82 EUR pro Quadratmeter als angemessen berücksichtigt worden. Eine Erhöhung dieses Satzes komme nicht in Betracht, da es sich bei der Wohnung des Klägers nicht um "besonders ungünstige Wohnverhältnisse" handle. Unabhängig davon sei das Beheizen mit Heizstrahlern die unwirtschaftlichste Heizart überhaupt, darauf habe man den Kläger hingewiesen. Dem Kläger sei es zumutbar gewesen, unmittelbar nach Bezug der Wohnung eine wirtschaftlichere Heizmöglichkeit zu finden. Spätestens nach dem schriftlichen Hinweis hätten ernsthafte Bemühungen um eine wirtschaftliche Beheizung erfolgen müssen. Daher sei die Nachzahlung der Heizkosten nicht zu übernehmen.

Am 20.04.2006 beantragte der Betreuer des Klägers erneut, die Abschlagszahlung für Strom und Gas in Höhe von 261,00 EUR zu übernehmen.

Mit ebenfalls streitgegenständlichem Bescheid vom 28.04.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Abschlagsforderung ab, da sie die Heizkosten bereits in angemessener Höhe (43,62 EUR) bewilligt habe und bezahle. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2006 zurückgewiesen. Die Beklagte führte in ihrem Widerspruchsbescheid aus, dass gemäß § 22 Abs.1 SGB II die Kosten der Unterkunft und Heizung in der tatsächlichen Höhe zu übernehmen seien, allerdings nur, soweit diese angemessen seien. Die angemessenen Heizkosten würden monatlich 42,46 EUR betragen, ausgehend von dem Betriebskostenspiegel von 0,82 EUR pro Quadratmeter. Im Übrigen würde die geltend gemachte Abschlagsforderung auch den Energiebedarf für Kochen, Waschen und sonstigen Haushaltsstrom und die Aufbereitung des Warmwassers enthalten. Diese Kosten könnten nicht übernommen werden, da sie bereits in der Regelleistung nach § 20 SGB II enthalten seien.

Am 15.05.2006 erhob der Betreuer des Klägers Klage gegen den Bescheid vom 12.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 hinsichtlich der Übernahme der Heizkostennachzahlung. Zur Begründung trug er vor, dass das Problem die unwirtschaftliche Art der Beheizung sei. Da allerdings die Wohnung des Klägers keine herkömmliche Heizung habe, sei dies das eigentliche Problem. Die Anschaffung eines Einzelofens sei dem Kläger aus mietrechtlichen und auch aus sonstigen Gründen nicht möglich gewesen. Da aber im Winter das Beheizen der Wohnung unerlässlich gewesen sei, habe der Kläger mit Heizstrahlern heizen müssen. Aus diesem Grunde sei die Übernahme der Kosten der Heizung in diesem Einzelfall angezeigt, da andernfalls eine Notsituation wegen der gesundheitsschädlichen Temperaturen eingetreten sei. Die Beklagte erwiderte, dass es dem Kläger zumutbar gewesen sei, sich um eine angemessene Beheizung der Wohnung zu kümmern, da er von einem Berufsbetreuer vertreten worden sei. Sie habe ausdrücklich finanzielle Hilfe bei der Anschaffung von Einzelöfen in Aussicht gestellt und ausdrücklich auf die Höhe der angemessenen Heizkosten hingewiesen.

Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Schriftsatz vom 13.06.2006 eine weitere Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, die monatlichen Abschlagsforderungen des Energieversorgers in Höhe von 261,00 EUR zu übernehmen. Zur Begründung trug er im Wesentlichen die gleichen Argumente vor, wie zuvor. Zusätzlich führte er aus, dass der Kläger versucht habe, Energie sparsam einzusetzen. Außerdem sei bei dem Kriterium der Angemessenheit zu berücksichtigen, dass objektivierbare Kriterien wie z.B. die Bausubstanz und der Zustand der Heizanlage zu berücksichtigen seien. Es könnten erhöhte Kosten für Haushaltsenergie dann anerkannt werden, wenn es Besonderheiten gäbe, die einen besonders hohen Verbrauch zwingend notwendig machen würden. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben, da der Kläger sich durch mehrmalige Anfrage an seinen Vermieter bemüht habe, den Einbau einer günstigeren Heizung zu erreichen. Außerdem habe der Kläger nicht die Mittel, die monatliche Abschlagszahlung zu bezahlen. Die Beklagte wies darauf hin, dass sich der Betreuer des Klägers ungenügend um eine angemessene Art der Beheizung der Wohnung gekümmert habe.

Mit Beschluss vom 05.09.2007 verband das Sozialgericht Regensburg die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und wies die Klagen im Urteil vom 06.07.2007 mit der Begründung ab, dass nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II Leistungen für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden müssten, soweit diese angemessen seien. Wie die Klägerseite selbst eingeräumt habe, sei es äußerst unwirtschaftlich, eine Wohnung mittels elektrischer Heizstrahler zu heizen. Daher liege unwirtschaftliches Heizverhalten vor und die Heizkosten wären nicht angemessen im Sinne des Gesetzes. Dem Kläger sei es aufgrund des abgeschlossenen Mietvertrages klar gewesen, dass die Wohnung über keine Heizung verfüge. Der Kläger habe sich Heizstrahler besorgt, er hätte sich allerdings ebenso um die Installation von Einzelöfen kümmern können. Daher habe der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der Heizkosten. Auch aus § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II ließe sich kein Anspruch für den Kläger herleiten, es sei bereits fraglich, ob diese Vorschrift überhaupt auf Heizkosten anwendbar sei.

Am 12.10.2007 hat der Betreuer des Klägers Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, dass der Kläger aufgrund seiner intellektuellen, kognitiven, sozialen und anderer Defizite nicht dazu in der Lage gewesen wäre zu erkennen, dass er eine Wohnung ohne Heizung angemietet habe. Er sei auch nicht dazu in der Lage gewesen, sich um den Einbau einer Heizanlage zu kümmern.

Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass eine formale Aufforderung zur Kostensenkung der Heizkosten über das Schreiben vom 25.01.2006 hinaus nicht erfolgt sei, diese sei allerdings auch nicht erforderlich. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach dem Kommentar zum SGB II, Hauck/ Noftz RZ 39 zu § 22 seien Kosten für Heizung stets nur in angemessener Höhe berücksichtigungsfähig.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.09.2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 23.03.2006 und 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 aufzuheben und die Bescheide vom 23.03.2006 sowie vom 28.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger weitere 370,00 EUR Heizkostennachzahlung zu gewähren und für den Zeitraum vom 15.03. bis zum 31.07.2006 Heizkosten von 249,78 EUR monatlich unter Anrechnung der bereits bewilligten Heizkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.09.2007 sowie die Bescheide der Beklagten vom 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2006 und der Bescheid vom 28.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 sind aufzuheben. Die Beklagte ist verpflichtet, die tatsächlichen Heizkosten des Klägers zu übernehmen.

Der Kläger verfolgt im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 56 SGG zwei verschiedene Klagebegehren. Hinsichtlich des Antrags auf Übernahme der Heizkostennachzahlung handelt es sich um einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X (10. Buch, Sozialgesetzbuch) auf Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 23.03.2006. Die Beklagte hat mit diesem Bescheid bestandskräftig über die Leistungsbewilligung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 31.12.2006 entschieden. Der Antrag auf Überprüfung vom 30.03.2006 enthielt ausdrücklich keine Widerspruchseinlegung, sondern den Wunsch hinsichtlich der neu entstandenen Kosten, aufgrund eines neuen Sachverhalts den bereits erlassenen Leistungsbewilligungsbescheid zu überprüfen. Dieses Ziel wird mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt. Die Anfechtungsklage richtet sich gegen den ablehnenden Bescheid vom 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 25.04.2006, aber auch gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 23.03.2006, der im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens ebenfalls Gegen-stand des Gerichtsverfahrens ist (vgl. hierzu Udschig, in: Krasney/Udschig, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4.Aufl. 2004, VI Kapitel Rdnr. 76).

Ebenso verhält es sich bei der Klage auf Übernahme der Heizkostenvorauszahlung in Höhe von monatlich 261,00 EUR für den Zeitraum vom 15.03.2006 bis zum 31.07.2006. Der Bewilligungsbescheid vom 23.03.2006, mit dem die Kosten der Unterkunft in Höhe von 275,12 EUR für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis zum 31.07.2006 anerkannt wurden und Heizkosten in Höhe von 43,46 EUR monatlich übernommen wurden, war bereits bestandskräftig und sollte durch den Antrag des Betreuers des Klägers vom 20.04.2006 nochmals hinsichtlich der neu festgesetzten Heizkostenvorauszahlung nach § 44 SGB X überprüft werden.

Der Streitgegenstand ist vom Kläger ausdrücklich auf die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft- und insbesondere Heizkosten beschränkt worden. Diese Beschränkung ist, wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden hat, zulässig (vgl. z.B. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr.1, Rdnr 18), da es sich bei der Feststellung der Kosten für Unterkunft und Heizung um eine abtrennbare Verfügung des Gesamtbescheides handelt.

Der Kläger hat unstreitig nach § 7 Abs.1 SGB II Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da er erwerbsfähig und hilfebedürftig ist sowie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Daher hat er auch dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und der Heizkosten.

1. Nebenkostennachforderung
Nach § 22 Abs.1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II in der ab 01.08.2005 geltenden Fassung sind Aufwendungen für die Unterkunft, die den angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Der Kläger hat nach § 22 Abs.1 SGB II Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Nebenkostennachforderung. Nach § 22 Abs.1 SGB II handelt es sich bei den geltend gemachten Kosten um Kosten der Unterkunft und Heizung. Nebenkostennachforderungen fallen begrifflich grundsätzlich unter die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs.1 SGB II (vgl. Berlit in Münder, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Auflage 2006, § 22 Rdnr.30). Der Bedarf nach der Deckung dieser Kosten entsteht hierbei nicht in dem Zeitraum, auf den sich die Nebenkostennachforderung bezieht, sondern der Bedarf entsteht erstmals in dem Zeitpunkt, in dem die Nebenkostennachforderung fällig wurde, hier also im März 2006. Eine Aufteilung der Nachforderung auf den gesamten Zeitraum, den diese betrifft, ist nicht sachgemäß. Der Kläger hat im Monat der Fälligkeit der Nebenkostennachforderung einen zusätzlichen, einmaligen Bedarf, wenn er in diesem Monat noch im Bezug von Leistungen nach dem SGB II steht.

Der Kläger stand im März 2006 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II (vgl. Bescheid vom 23.03.2006). Er erhielt monatlich 226,12 EUR von der Beklagten. Grundsätzlich muss die Beklagte die tatsächlichen angemessenen Heizkosten übernehmen. Dies gilt auch bei einer Nachforderung der Nebenkosten. Eine Pauschalierung der Heizkosten, wie sie die Beklagte vornahm, ist vom Gesetz nicht gedeckt (vgl. hierzu BSG vom 16.05.2007, SozR 4-4200 § 22 Nr.4 Rdnr.8 ff. zur Beschaffung von Heizmaterial). Bei der Bestimmung der Angemessenheit der Heizkosten sind die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Die Höhe der Heizkosten hängt regelmäßig von vielen Faktoren ab, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Zu beachten sind die Bausubstanz, Geschosshöhe, Wohnfläche, Alter, Wärmedämmung des bewohnten Gebäudes etc., aber auch der Zustand und die Art der Heizanlage. Auch klimatische Bedingungen spielen eine Rolle, z.B. ein besonders langer und kalter Winter. Aus diesem Grund kann die Angemessenheit der Heizkosten nicht aufgrund von pauschalierten Durchschnittswerten bestimmt werden (vgl. hierzu auch Lang/Link in Eicher-Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rdnr.46 sowie Berlit in Lehr- und Praxiskommentar, SGB II, 2. Auflage 2006, § 22 Rdnr.67), wie es die Beklagte annimmt. Vielmehr müssen nach Berücksichtigung dieser o.g. objektiven Faktoren auch stets die subjektiven Faktoren der Bewohner berücksichtigt werden (etwa alte und kranke Menschen, Kleinkinder etc.). Ebenso muss beachtet werden, dass erwerbslose Hilfebedürftige aufgrund der Erwerbslosigkeit gezwungen sind, eine deutlich längere Zeitspanne in ihrer Wohnung zu verbringen, was in der kälteren Jahreszeit regelmäßig zu erhöhten Heizkosten führen kann.

Stellt der Grundsicherungsträger die Unangemessenheit der Heizkosten fest, muss er im Rahmen einer abschließenden Prüfung feststellen, ob die objektiv unangemessenen Heizkosten in einer Zusammenschau mit den Unterkunftskosten als Ganzes unangemessen sind. Übersteigen die Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung insgesamt nicht die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, so sind diese im Sinne einer erweiterten Produkttheorie zu übernehmen (vgl. Lang/Link, a.a.O., § 22 Rdnr.46d). Dies bedeutet, dass bei einer preisgünstigen Unterkunft die überhöhten Heizkosten zu übernehmen sind, wenn in einer Zusammenschau von Unterkunftskosten und Heizkosten die Leistungen für Unterkunft und Heizung insgesamt angemessen sind.

Liegen nach Überprüfung all dieser Kriterien objektiv unangemessene Heizkosten vor, so sind diese zumindest für einen Übergangszeitraum in tatsächlicher Höhe nach § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II in analoger Anwendung zu übernehmen. In § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II sind die Heizkosten nicht ausdrücklich erwähnt, der Gesetzestext spricht lediglich von Unterkunftskosten. Eine planmäßige Gesetzeslücke, aus der geschlossen werden könnte, dass der Gesetzgeber die Heizkosten bewusst von der Regelung des § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II ausnehmen wollte, ist nicht erkennbar. Die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/1516, S.57) führt aus, dass Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher, angemessener Höhe so lange berücksichtigt werden, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Schon diese Begründung zeigt, dass der Gesetzgeber von einer Kostensenkung für Unterkunft und Heizung ausgeht. Daher müssen die Hilfebedürftigen ebenso wie bei den Unterkunftskosten die Möglichkeit haben, ihr Heizverhalten zu ändern und ihre Heizkosten zu senken. Folglich ist § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II analog auch auf die Heizkosten anzuwenden (vgl. hierzu auch Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr.68, Lang/Link, a.a.O., § 22 Rdnr.46d). Dies ergibt sich schon aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Eine Versagung der vollen Kostenübernahme der Heizkosten ohne vorherigen Hinweis auf die Unangemessenheit der Höhe der Heizkosten und ohne Aufforderung zur Senkung der Heizkosten ist vom Sinn und Zweck der Vorschrift des § 22 SGB II nicht gedeckt.
Daraus folgt, dass ein geringerer Betrag für die tatsächlichen Heizkosten immer erst dann erstattet werden kann, wenn der Leistungsberechtigte darüber informiert wurde, dass seine Heizkosten unangemessen hoch sind und er zur Kostensenkung aufgefordert wurde. Diese Auffassung des Senats entspricht auch der überwiegenden Kommentarliteratur (vgl. oben a.a.O.). Soweit die Beklagte auf die Kommentierung von Kalhorn in Hauck/Noftz § 22 RZ 39 hinweist, ist anzumerken, dass dort ohne weitere Begründung und ohne Auseinandersetzung mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes davon ausgegangen wird, dass die Kosten der Heizung stets nur in angemessener Höhe berücksichtigungsfähig sind.

Nur dann, wenn die Heizkosten unangemessen hoch sind, ist im Wege einer analogen Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II dem Leistungsempfänger eine Übergangs- und Reaktionsfrist zur Senkung unangemessen hoher Heizkosten zuzubilligen, hier ist eine am Sinn und Zweck der Sechs-Monats-Regelung orientierte Auslegung vorzunehmen und bis zum Ablauf dieser Frist sind die tatsächlichen Aufwendungen für eine Übergangszeit zu übernehmen.

In dem vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Nebenkostenabrechnung und die damit verbundene Nachforderung von der Beklagten nach § 22 Abs.1 SGB II zu übernehmen sind.

Die Beklagte hat dem Kläger lediglich mit Schreiben vom 25.01.2006 mitgeteilt, dass seine Heizart unwirtschaftlich sei und sie Heizkosten lediglich pauschal in Höhe von 0,82 EUR pro Quadratmeter übernehme. Ob dies eine ordnungsgemäße Aufforderung zur Kostensenkung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II darstellte, musste hier nicht entschieden werden, da die geltend gemachten Heizkosten jedenfalls innerhalb der sechsmonatigen Frist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II liegen. Daher war unbeachtlich, dass die Beklagte weder eine Gesamtschau der angemessenen Kosten der Unterkunft vorgenommen hat, ob bei Betrachtung der Unterkunftskosten und der Heizkosten insgesamt noch angemessene Wohnkosten vorliegen, noch dass sie alle subjektiven Faktoren außer Acht gelassen hat, die bei der Feststellung der objektiven Unangemessenheit der Heizkosten zu berücksichtigen sind. Sie ging lediglich davon aus, dass aufgrund der Heizart mittels elektrischen Heizlüftern die Heizkosten unangemessen seien, ohne dabei zu prüfen, welche weiteren Faktoren eine Rolle spielen. Weder hat sie die Bausubstanz der Wohnung in ihre Abwägung einbezogen, noch hat sie berücksichtigt, dass der Kläger keine Heizungsanlage in der Wohnung hatte und daher keine andere Möglichkeit hatte als die Wohnung mit Heizstrahlern zu beheizen, und dies, nach eigenen Angaben, auch sparsam gemacht hat. Diese Umstände könnten ausnahmsweise dazu führen, dass die Beheizung der Wohnung mit teurem Haushaltsstrom und nicht effektiven Heizstrahlern wegen dem Fehlen einer Heizungsalternative angemessene Heizkosten verursachen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass der Kläger kognitiv eingeschränkt ist. Diese individuellen subjektiven Faktoren hätte die Beklagte bei der Ablehnung der Übernahme der Heizkosten berücksichtigen müssen. Eine weitere Ermittlung dieser Faktoren konnte allerdings unterbleiben, da die vom Kläger geltend gemachten Heizkosten innerhalb der Frist nach § 22 Abs.1 Satz 3 SGB II liegen, die auf die Heizkosten analog anzuwenden ist. Ob das Schreiben der Beklagten vom 25.01.2006, in dem sie dem Betreuer des Klägers mitteilte, dass das Heizen mit vier Heizstrahlern unwirtschaftlich sei und er sich um den Einbau von Einzelöfen bemühen solle, ein ordnungsgemäßes Kostensenkungsschreiben darstellt, kann daher ebenso dahingestellt bleiben. Die Beklagte muss die Nachzahlung in vollem Umfang übernehmen. Da der Klägerbevollmächtigte lediglich einen Teilbetrag der Nachzahlungsforderung geltend gemacht hat, ist dieser in voller Höhe von 370,00 EUR zu erstatten und insoweit der Bescheid vom 23.03.2006 nach § 44 SGB X abzuändern sowie der Bescheid vom 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 25.04.2006 aufzuheben.

2. Übernahme der Abschlagszahlung in Höhe von 201,00 EUR für den Zeitraum vom 15.03.2006 bis zum 31.07.2006

Auch hier kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 25.01.2006 ordnungsgemäß zur Senkung seiner Heizkosten aufgefordert wurde. Jedenfalls muss die Beklagte die tatsächlichen Kosten nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in analoger Anwendung für längstens sechs Monate nach der Kostensenkungsaufforderung übernehmen. Die geltend gemachten Heizkosten liegen in Bezug auf das Schreiben vom 25.01.2006 innerhalb des sechsmonatigen Zeitraums, in dem die Kosten der Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit voll zu übernehmen sind. Aus diesem Grund muss die Beklagte auch für den Zeitraum vom 15.03.2006 bis zum 31.07.2006 grundsätzlich die Kosten der Heizung in voller Höhe übernehmen. Der Bescheid vom 23.03.2006 ist daher bezüglich der Heizkostenvorauszahlung abzuändern. Der Bescheid vom 28.04.2006 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 30.05.2006 ist auch aus diesem Grund aufzuheben. Die Beklagte muss zusätzliche Heizkosten in Höhe von 205,00 EUR monatlich, nach Rundung des Zahlbetrages gemäß § 41 Abs. 2 SGB II, gewähren (261 EUR abzüglich der bereits geleisteten Kosten in Höhe von 43,46 EUR sowie abzüglich eines Betrages von 6,22 EUR monatlich für Warmwasserzubereitung und abzüglich der Kosten für Erdgas von 5,00 EUR, da dieses der Kochbefeuerung dient und die Kosten hierfür nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Regelsatz enthalten sind).

Daher waren das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06.09.2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2006 sowie der Bescheid vom 28.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 aufzuheben und der Bewilligungsbescheid vom 23.03.2006 abzuändern. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Übernahme der Stromkostennachzahlung und der tatsächlichen Heizkosten abzüglich der in der Regelleistung enthaltenen Pauschale für Warmwasser und Haushaltsenergie.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG, da der Kläger mit seiner Forderung obsiegt hat.

Gründe, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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