Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 SO 132/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 SO 82/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.04.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Schönheitsreparaturen des Wohn- und Schlafzimmers in der Wohnung der Kläger gemäß § 29 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1933 geborene Kläger und die 1939 geborene Klägerin beziehen seit vielen Jahren von der Beklagten Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und seit 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB XII.
Letztmalig wurden Renovierungs- und Malerarbeiten in der Wohnung der Kläger am 15.06.1998 abgeschlossen. Nach einem Antrag vom 30.12.2004 auf Renovierung stellte die Beklagte nach einem unangemeldeten Besuch am 17.01.2005 lediglich kleinere Mängel fest. Mit Bescheid vom 19.01.2005 gewährte die Beklagte eine Renovierungsbeihilfe in Höhe von 228,00 EUR.
Mit Kostenübernahmeerklärung vom 13.04.2006 bewilligte die Beklagte der Firma L. Malerfachbetrieb GmbH die Kostenübernahme für Arbeiten im Badezimmer, Küche, Kinderzimmer und Flur.
Am 27.04.2006 beantragten die Kläger die Übernahme der Renovierungskosten für das Wohn- und Schlafzimmer. Die letzte Renovierung läge über neun Jahre zurück, beide Zimmer seien renovierungsbedürftig.
Im Mietvertrag der Kläger findet sich u.a. folgender Passus:
Nr. 5
Erhaltung der Mietsache
(2) Die vom Mieter gemäß § 3 Abs 8 des Vertrages übernommenen Schönheitsreparaturen sind während der Mietzeit ohne besondere Aufforderung fachgerecht auszuführen. Die Schönheitsreparaturen umfassen
das Anstreichen, Kalken oder Tapezieren der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden und den Innenanstrich der Fenster, das Streichen der Türen und der Außentüren von innen sowie der Heizkörper einschl. der Heizrohre.
Die Schönheitsreparaturen sind spätestens nach Ablauf folgender Zeiträume auszuführen:
In Küchen, Bädern und Duschen alle 3 Jahre,
dabei sind die Innenanstriche der Fenster sowie die Anstriche der Türen, Heizkörper und Heizrohre spätestens alle 4 Jahre durchzuführen,
In Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle 5 Jahre,
In anderen Nebenräumen alle 5 Jahre.
Der Mieter ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Wohnungsunternehmens von der bisherigen Ausführungsart abzuweichen. Er ist für den Umfang der im Laufe der Mietzeit ausgeführten Schönheitsreparaturen beweispflichtig.
(3) Lässt in besonderen Ausnahmefällen der Zustand der Wohnung eine Verlängerung der nach Abs 2 vereinbarten Fristen zu oder erfordert der Grad der Abnutzung eine Verkürzung, so ist das Wohnungsunternehmen auf Antrag des Mieters verpflichtet, im anderen Fall aber berechtigt, nach billigem Ermessen die Fristen des Planes bezüglich der Durchführung einzelner Schönheitsreparaturen zu verlängern oder zu verkürzen.
Nach einem Hausbesuch lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2006 den Antrag auf Renovierung des Wohn- und Schlafzimmers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit dem Regelsatz sämtliche Kosten für Renovierung und Instandhaltung der Wohnung abgegolten seien, die Wohnungsrenovierung stelle keinen überraschend auftretenden Bedarf dar, die Kläger hätten somit seit längerer Zeit die Möglichkeit gehabt, Ansparungen für diesen Zweck zu treffen. Darüber hinaus sei beim Hausbesuch am 29.05.2006 kein Renovierungsbedarf festgestellt worden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2006 zurück. Bei den Außenprüfungen am 17.01.2005 und 29.05.2006 sei festgestellt worden, dass ein Renovierungsbedarf nicht bestehe. Die mietvertragliche Regelung, wonach Renovierungen in vorgeschriebenen zeitlichen Abständen durchzuführen seien, sei aufgrund der neueren zivilrechtlichen Rechtsprechung in Mietverträgen unwirksam.
Hiergegen haben die Kläger am 25.10.2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat der Klage mit Urteil vom 16.04.2007 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Klägern die Kosten für die Renovierung des Wohn- und Schlafzimmers gemäß dem Kostenvoranschlag der Firma L. Malerfachbetrieb vom 28.03.2006 in Höhe von 980,00 EUR zuzügl. MWSt zu erstatten. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die Kosten der Schönheitsreparaturen als Kosten der Unterkunft und daher im Regelfall im vollen Umfang zu übernehmen seien. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Hilfeempfänger dazu mietvertraglich verpflichtet sei, auch wenn der Vermieter nicht ausdrücklich auf der Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen bestehe. Im konkreten Fall sei der mietvertraglich geschuldete Fünfjahreszeitraum bereits weit überschritten, so dass zur Auffassung des SG keine Zweifel an der allgemeinen mietvertraglichen Nebenverpflichtung der Kläger zur Ausführung von Schönheitsreparaturen bestehen würden. Der Kostenvoranschlag der Firma L. sei angemessen, wonach die Beklagte zu einer entsprechenden Kostenübernahme zu verpflichten sei.
Hiergegen hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.07.2007 Berufung eingelegt. Der Berufungsschriftsatz ist anfänglich weder mit einem Eingangsstempel des Landessozialgerichts versehen, noch ist für das Verfahren ein Aktenzeichen vergeben worden. Mit Einlegung der Berufung im Verfahren S 9 SO 20/06 (Aktenzeichen des LSG L 11 SO 54/07, Eingang 24.07.2007) in einem Parallelverfahren der Kläger hatte die Beklagte ihre Verwaltungsakten vorgelegt, in denen sich auch der nunmehr streitgegenständliche Schriftsatz vom 19.07.2007 befunden hat. Dies ist erst durch ein Schreiben der Beklagten vom 15.10.2007 bemerkt worden.
Zur Berufungsbegründung ist ausgeführt worden, dass bei einer Inaugenscheinnahme der Wohnung am 29.05.2006 ein Renovierungsbedarf nicht festzustellen gewesen sei. Der Anspruch auf Leistungen nach § 29 SGB XII beschränke sich auf die Übernahme derjenigen Aufwendungen, die notwendig und angemessen seien, um die Wohnung vertragsgemäß zu erhalten, ein solcher Aufwand bestehe hinsichtlich der Schönheitsreparaturen nicht. Das SG habe nicht beachtet, dass die in Nr 5 des Mietvertrages enthaltene Regelung den Mieter nicht zur Vornahme allein am Fristenplan ausgerichteter Schönheitsreparaturen ohne Rücksicht auf einen tatsächlich bestehenden Renovierungsbedarf verpflichte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.04.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das erstinstanzliche Urteil für richtig.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Beklagtenakten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG). Hierfür ist notwendig, dass die Berufungsschrift innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingelegt wird, also willentlich in den Machtbereich oder die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer § 151 SGG Rdnr 10). Der Berufungsschriftsatz der Beklagten ist mit den Beklagtenakten am 24.07.2007 bei Gericht eingegangen. Für die Einlegung der Berufung durch einen Frist wahrenden Schriftsatz bei Gericht ist dessen "Annahme" durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht notwendig. Schon eine am Wortlaut orientierte Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesem Vorgang um eine einseitige Prozesshandlung des Betroffenen handelt, die der Mitwirkung eines Bediensteten des Gerichts nicht bedarf (vgl BVerfG 1.Senat vom 03.10.1979, Az 1 BvR 726/78). Das Anfertigen einer Eingangsverfügung oder das Anbringen eines Eingangsstempels auf dem Schriftsatz hat somit lediglich beweisbringende, nicht aber rechtliche Funktion. Der Berufungsschriftsatz ist auch von der Beklagten willentlich in den Machtbereich des LSG gelangt, was der Schriftsatz der Beklagten vom 15.10.2007 zeigt. Unter Berücksichtigung der Zustellung des Urteils bei der Beklagten am 27.06.2007 ist die Berufungsfrist gewahrt.
Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2006 ist rechtmäßig, damit liegt eine Rechtsverletzung der Kläger nicht vor.
Nach § 29 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Diese umfassen nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch einmalige Aufwendungen, die mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Wohnung zusammenhängen (vgl für den Anwendungsbereich des § 22 SGB II, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.09.2006 Az L 9 AS 409/06 ER; Berlit in LPK - SGB II, § 22 Rdnr 18). Grundsätzlich gehören zu den nach dem Mietvertrag vom Mieter geschuldeten Kosten auch die notwendigen Aufwendungen für turnusmäßig anfallende sogenannte Schönheitsreparaturen (vgl Berlit in LPK SGB XII § 29 Rdnr 18 mwN, BSG 11b Senat vom 19.03.2008, Az B 11b AS 31/06 R, wonach die mietvertraglich vereinbarten Zuschläge für Schönheitsreparaturen zu den Kosten des § 22 Abs 1 SGB II gehören und somit kein in der Regelleistung enthaltener Anteil für "Instandhaltung und Reparatur der Wohnung" in Abzug zu bringen ist).
Vorliegend besteht bei den Klägern allerdings kein sozialhilferechtlich anzuerkennender Renovierungsbedarf. Zum sozialhilferechtlichen Renovierungsbedarf gehören nur solche Aufwendungen, zu denen der Mieter nach dem Mietvertrag rechtlich verpflichtet ist (vgl BVerwGE 90, 160; LSG Niedersachsen-Bremen, 8.Senat, Beschluss vom 21.11.2005, Az L 8 SO 118/05 ER).
Unter Berücksichtigung des § 535 Abs 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Erhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache - somit auch die Durchführung von Schönheitsreparaturen - grundsätzlich Sache des Vermieters. Zwar können die Schönheitsreparaturen grundsätzlich vertraglich auf den Mieter abgewälzt werden (vgl Weidenkaff in Palandt, BGB, 67. Aufl §535 Rdnr 42). Vorliegend handelt es sich bei dem von den Klägern unterschriebenem Mietvertrag allerdings um einen Formularvertrag, so dass die Regelungen der Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), somit die §§ 305 ff BGB Anwendung finden (vgl BGH 8.Zivilsenat vom 28.03.2007, Az XIII ZR 199/06). Unter Berücksichtigung hierzu ergangener Rechtsprechung sind die Kläger mietvertraglich nicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet, die Abwälzung der Schönheitsreparaturen in Wohn- und Schlafräumen alle fünf Jahre auf die Kläger ist unwirksam.
Zwar sind den Klägern zur Durchführung der in Nr 5 Abs. 2 auferlegten Schönheitsreparaturen keine starren Fristen auferlegt, da nach Nr 5 Abs. 3 in besonderen Ausnahmefällen unter Berücksichtigung des Zustands der Wohnung eine Verlängerung der nach Abs. 2 vereinbarten Fristen möglich ist.
Trotzdem schulden die Kläger der Vermieterin keine Schönheitsreparaturen. Nach Nr 5 Abs. 2 Satz 4 sind die Kläger als Mieter nämlich nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Wohnungsunternehmens von der bisherigen Ausführungsart abzuweichen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 8.Zivilsenats des BGH (vom 28.03.2007 aaO) ist diese Klausel unklar, weil nicht eindeutig ist, was unter "Ausführungsart" zu verstehen ist. Dieser Begriff kann sich entweder auf die Grundausstattung beziehen, auf die Ausgestaltung im Einzelnen oder auf beides. Es ist mithin nicht zu erkennen, ob jegliche Veränderung zustimmungspflichtig sein soll oder wo sonst die Grenzen zwischen zustimmungspflichtigen und zustimmungsfreien Veränderungen liegen. Ein Zustimmungsvorbehalt für jegliche Abweichung von der "bisherigen Ausführungsart" beschränkt den Mieter unangemessen in der Möglichkeit, sich in der Mietwohnung nach seinem Geschmack einzurichten, ohne dass für eine so weit gehende Beschränkung ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters zu erkennen ist.
Folge der unangemessenen Einengung des Mieters in der Art der Ausführung von Schönheitsreparaturen ist die Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf die Mieter schlechthin (vgl. BGH 8. Zivilsenat aaO).
Damit bleibt es bei der Grundregel des § 535 Abs 1 Satz 2 BGB, wonach nicht die Kläger als Mieter, sondern der Vermieter zur Erbringung der Schönheitsreparaturen verpflichtet ist. Nachdem eine mietvertragliche Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen für die Kläger nicht besteht, können sie die Aufwendungen hierfür von der Beklagten sozialhilferechtlich als einmalige Leistungen auch nicht verlangen (vgl LSG Baden-Württemberg, 7.Senat vom 21.02.2008, Az L 7 SO 827/07).
Die Berufung war somit erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Schönheitsreparaturen des Wohn- und Schlafzimmers in der Wohnung der Kläger gemäß § 29 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der 1933 geborene Kläger und die 1939 geborene Klägerin beziehen seit vielen Jahren von der Beklagten Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und seit 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB XII.
Letztmalig wurden Renovierungs- und Malerarbeiten in der Wohnung der Kläger am 15.06.1998 abgeschlossen. Nach einem Antrag vom 30.12.2004 auf Renovierung stellte die Beklagte nach einem unangemeldeten Besuch am 17.01.2005 lediglich kleinere Mängel fest. Mit Bescheid vom 19.01.2005 gewährte die Beklagte eine Renovierungsbeihilfe in Höhe von 228,00 EUR.
Mit Kostenübernahmeerklärung vom 13.04.2006 bewilligte die Beklagte der Firma L. Malerfachbetrieb GmbH die Kostenübernahme für Arbeiten im Badezimmer, Küche, Kinderzimmer und Flur.
Am 27.04.2006 beantragten die Kläger die Übernahme der Renovierungskosten für das Wohn- und Schlafzimmer. Die letzte Renovierung läge über neun Jahre zurück, beide Zimmer seien renovierungsbedürftig.
Im Mietvertrag der Kläger findet sich u.a. folgender Passus:
Nr. 5
Erhaltung der Mietsache
(2) Die vom Mieter gemäß § 3 Abs 8 des Vertrages übernommenen Schönheitsreparaturen sind während der Mietzeit ohne besondere Aufforderung fachgerecht auszuführen. Die Schönheitsreparaturen umfassen
das Anstreichen, Kalken oder Tapezieren der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden und den Innenanstrich der Fenster, das Streichen der Türen und der Außentüren von innen sowie der Heizkörper einschl. der Heizrohre.
Die Schönheitsreparaturen sind spätestens nach Ablauf folgender Zeiträume auszuführen:
In Küchen, Bädern und Duschen alle 3 Jahre,
dabei sind die Innenanstriche der Fenster sowie die Anstriche der Türen, Heizkörper und Heizrohre spätestens alle 4 Jahre durchzuführen,
In Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten alle 5 Jahre,
In anderen Nebenräumen alle 5 Jahre.
Der Mieter ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Wohnungsunternehmens von der bisherigen Ausführungsart abzuweichen. Er ist für den Umfang der im Laufe der Mietzeit ausgeführten Schönheitsreparaturen beweispflichtig.
(3) Lässt in besonderen Ausnahmefällen der Zustand der Wohnung eine Verlängerung der nach Abs 2 vereinbarten Fristen zu oder erfordert der Grad der Abnutzung eine Verkürzung, so ist das Wohnungsunternehmen auf Antrag des Mieters verpflichtet, im anderen Fall aber berechtigt, nach billigem Ermessen die Fristen des Planes bezüglich der Durchführung einzelner Schönheitsreparaturen zu verlängern oder zu verkürzen.
Nach einem Hausbesuch lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2006 den Antrag auf Renovierung des Wohn- und Schlafzimmers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit dem Regelsatz sämtliche Kosten für Renovierung und Instandhaltung der Wohnung abgegolten seien, die Wohnungsrenovierung stelle keinen überraschend auftretenden Bedarf dar, die Kläger hätten somit seit längerer Zeit die Möglichkeit gehabt, Ansparungen für diesen Zweck zu treffen. Darüber hinaus sei beim Hausbesuch am 29.05.2006 kein Renovierungsbedarf festgestellt worden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2006 zurück. Bei den Außenprüfungen am 17.01.2005 und 29.05.2006 sei festgestellt worden, dass ein Renovierungsbedarf nicht bestehe. Die mietvertragliche Regelung, wonach Renovierungen in vorgeschriebenen zeitlichen Abständen durchzuführen seien, sei aufgrund der neueren zivilrechtlichen Rechtsprechung in Mietverträgen unwirksam.
Hiergegen haben die Kläger am 25.10.2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat der Klage mit Urteil vom 16.04.2007 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Klägern die Kosten für die Renovierung des Wohn- und Schlafzimmers gemäß dem Kostenvoranschlag der Firma L. Malerfachbetrieb vom 28.03.2006 in Höhe von 980,00 EUR zuzügl. MWSt zu erstatten. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die Kosten der Schönheitsreparaturen als Kosten der Unterkunft und daher im Regelfall im vollen Umfang zu übernehmen seien. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Hilfeempfänger dazu mietvertraglich verpflichtet sei, auch wenn der Vermieter nicht ausdrücklich auf der Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen bestehe. Im konkreten Fall sei der mietvertraglich geschuldete Fünfjahreszeitraum bereits weit überschritten, so dass zur Auffassung des SG keine Zweifel an der allgemeinen mietvertraglichen Nebenverpflichtung der Kläger zur Ausführung von Schönheitsreparaturen bestehen würden. Der Kostenvoranschlag der Firma L. sei angemessen, wonach die Beklagte zu einer entsprechenden Kostenübernahme zu verpflichten sei.
Hiergegen hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.07.2007 Berufung eingelegt. Der Berufungsschriftsatz ist anfänglich weder mit einem Eingangsstempel des Landessozialgerichts versehen, noch ist für das Verfahren ein Aktenzeichen vergeben worden. Mit Einlegung der Berufung im Verfahren S 9 SO 20/06 (Aktenzeichen des LSG L 11 SO 54/07, Eingang 24.07.2007) in einem Parallelverfahren der Kläger hatte die Beklagte ihre Verwaltungsakten vorgelegt, in denen sich auch der nunmehr streitgegenständliche Schriftsatz vom 19.07.2007 befunden hat. Dies ist erst durch ein Schreiben der Beklagten vom 15.10.2007 bemerkt worden.
Zur Berufungsbegründung ist ausgeführt worden, dass bei einer Inaugenscheinnahme der Wohnung am 29.05.2006 ein Renovierungsbedarf nicht festzustellen gewesen sei. Der Anspruch auf Leistungen nach § 29 SGB XII beschränke sich auf die Übernahme derjenigen Aufwendungen, die notwendig und angemessen seien, um die Wohnung vertragsgemäß zu erhalten, ein solcher Aufwand bestehe hinsichtlich der Schönheitsreparaturen nicht. Das SG habe nicht beachtet, dass die in Nr 5 des Mietvertrages enthaltene Regelung den Mieter nicht zur Vornahme allein am Fristenplan ausgerichteter Schönheitsreparaturen ohne Rücksicht auf einen tatsächlich bestehenden Renovierungsbedarf verpflichte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.04.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das erstinstanzliche Urteil für richtig.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Beklagtenakten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG). Hierfür ist notwendig, dass die Berufungsschrift innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingelegt wird, also willentlich in den Machtbereich oder die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer § 151 SGG Rdnr 10). Der Berufungsschriftsatz der Beklagten ist mit den Beklagtenakten am 24.07.2007 bei Gericht eingegangen. Für die Einlegung der Berufung durch einen Frist wahrenden Schriftsatz bei Gericht ist dessen "Annahme" durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht notwendig. Schon eine am Wortlaut orientierte Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesem Vorgang um eine einseitige Prozesshandlung des Betroffenen handelt, die der Mitwirkung eines Bediensteten des Gerichts nicht bedarf (vgl BVerfG 1.Senat vom 03.10.1979, Az 1 BvR 726/78). Das Anfertigen einer Eingangsverfügung oder das Anbringen eines Eingangsstempels auf dem Schriftsatz hat somit lediglich beweisbringende, nicht aber rechtliche Funktion. Der Berufungsschriftsatz ist auch von der Beklagten willentlich in den Machtbereich des LSG gelangt, was der Schriftsatz der Beklagten vom 15.10.2007 zeigt. Unter Berücksichtigung der Zustellung des Urteils bei der Beklagten am 27.06.2007 ist die Berufungsfrist gewahrt.
Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2006 ist rechtmäßig, damit liegt eine Rechtsverletzung der Kläger nicht vor.
Nach § 29 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Diese umfassen nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch einmalige Aufwendungen, die mit Bezug, Unterhaltung und Wechsel der Wohnung zusammenhängen (vgl für den Anwendungsbereich des § 22 SGB II, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.09.2006 Az L 9 AS 409/06 ER; Berlit in LPK - SGB II, § 22 Rdnr 18). Grundsätzlich gehören zu den nach dem Mietvertrag vom Mieter geschuldeten Kosten auch die notwendigen Aufwendungen für turnusmäßig anfallende sogenannte Schönheitsreparaturen (vgl Berlit in LPK SGB XII § 29 Rdnr 18 mwN, BSG 11b Senat vom 19.03.2008, Az B 11b AS 31/06 R, wonach die mietvertraglich vereinbarten Zuschläge für Schönheitsreparaturen zu den Kosten des § 22 Abs 1 SGB II gehören und somit kein in der Regelleistung enthaltener Anteil für "Instandhaltung und Reparatur der Wohnung" in Abzug zu bringen ist).
Vorliegend besteht bei den Klägern allerdings kein sozialhilferechtlich anzuerkennender Renovierungsbedarf. Zum sozialhilferechtlichen Renovierungsbedarf gehören nur solche Aufwendungen, zu denen der Mieter nach dem Mietvertrag rechtlich verpflichtet ist (vgl BVerwGE 90, 160; LSG Niedersachsen-Bremen, 8.Senat, Beschluss vom 21.11.2005, Az L 8 SO 118/05 ER).
Unter Berücksichtigung des § 535 Abs 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Erhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache - somit auch die Durchführung von Schönheitsreparaturen - grundsätzlich Sache des Vermieters. Zwar können die Schönheitsreparaturen grundsätzlich vertraglich auf den Mieter abgewälzt werden (vgl Weidenkaff in Palandt, BGB, 67. Aufl §535 Rdnr 42). Vorliegend handelt es sich bei dem von den Klägern unterschriebenem Mietvertrag allerdings um einen Formularvertrag, so dass die Regelungen der Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), somit die §§ 305 ff BGB Anwendung finden (vgl BGH 8.Zivilsenat vom 28.03.2007, Az XIII ZR 199/06). Unter Berücksichtigung hierzu ergangener Rechtsprechung sind die Kläger mietvertraglich nicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet, die Abwälzung der Schönheitsreparaturen in Wohn- und Schlafräumen alle fünf Jahre auf die Kläger ist unwirksam.
Zwar sind den Klägern zur Durchführung der in Nr 5 Abs. 2 auferlegten Schönheitsreparaturen keine starren Fristen auferlegt, da nach Nr 5 Abs. 3 in besonderen Ausnahmefällen unter Berücksichtigung des Zustands der Wohnung eine Verlängerung der nach Abs. 2 vereinbarten Fristen möglich ist.
Trotzdem schulden die Kläger der Vermieterin keine Schönheitsreparaturen. Nach Nr 5 Abs. 2 Satz 4 sind die Kläger als Mieter nämlich nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Wohnungsunternehmens von der bisherigen Ausführungsart abzuweichen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 8.Zivilsenats des BGH (vom 28.03.2007 aaO) ist diese Klausel unklar, weil nicht eindeutig ist, was unter "Ausführungsart" zu verstehen ist. Dieser Begriff kann sich entweder auf die Grundausstattung beziehen, auf die Ausgestaltung im Einzelnen oder auf beides. Es ist mithin nicht zu erkennen, ob jegliche Veränderung zustimmungspflichtig sein soll oder wo sonst die Grenzen zwischen zustimmungspflichtigen und zustimmungsfreien Veränderungen liegen. Ein Zustimmungsvorbehalt für jegliche Abweichung von der "bisherigen Ausführungsart" beschränkt den Mieter unangemessen in der Möglichkeit, sich in der Mietwohnung nach seinem Geschmack einzurichten, ohne dass für eine so weit gehende Beschränkung ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters zu erkennen ist.
Folge der unangemessenen Einengung des Mieters in der Art der Ausführung von Schönheitsreparaturen ist die Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf die Mieter schlechthin (vgl. BGH 8. Zivilsenat aaO).
Damit bleibt es bei der Grundregel des § 535 Abs 1 Satz 2 BGB, wonach nicht die Kläger als Mieter, sondern der Vermieter zur Erbringung der Schönheitsreparaturen verpflichtet ist. Nachdem eine mietvertragliche Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen für die Kläger nicht besteht, können sie die Aufwendungen hierfür von der Beklagten sozialhilferechtlich als einmalige Leistungen auch nicht verlangen (vgl LSG Baden-Württemberg, 7.Senat vom 21.02.2008, Az L 7 SO 827/07).
Die Berufung war somit erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.
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