L 19 R 603/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4278/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 603/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.07.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zuordnung von in Polen im Zeitraum vom 01.07.1974 bis 31.07.1987 zurückgelegten Beschäftigungszeiten in die Qualifikationsgruppe 3 der Anlage 13 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Der 1943 geborene Kläger ist Inhaber des Vertriebenenausweises A. In Polen erlernte er den Beruf eines Uhrmachers und erhielt im Gesellenzeugnis vom 29.10.1963 das Recht, den Titel eines Gesellen im Uhrmachergewerbe zu führen. Mit Bescheid der Handwerkskammer W. vom 11.4.1998 wurde der in Polen erworbene Befähigungsnachweis als gleichwertig mit der deutschen Gesellenprüfung anerkannt. Von 1964 bis Juni 1967 war der Kläger als angestellter Uhrmacher, vom 01.07.1967 an war er selbständig tätig und eröffnete als Uhrmacher einen eigenen Betrieb, den er bis zu seiner Ausreise nach Deutschland am 2.9.1987 führte.

Am 21.5.2003 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Kontenklärung. Mit Bescheid vom 14.1.2004 stellte die Beklagte die Zeiten bis 31.12.1997 nach § 149 Abs. 5 SGB VI fest. Die anerkannten Beitragszeiten vom 30.04.1964 bis 31.07.1987 wurden der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet. Dagegen erhob der Kläger am 18.2.2004 Widerspruch. Er habe aufgrund langjähriger Berufserfahrung die Fähigkeiten eines Meisters erworben. In Polen sei - anders als in Deutschland - der Meistertitel nicht notwendig gewesen, um ein Gewerbe in dem jeweiligen Bereich zu betreiben. Erforderlich sei lediglich eine nach abgeschlossener Ausbildung absolvierte 3-jährige Berufspraxis in dem Bereich gewesen, in dem man das Gewerbe habe betreiben wollen. Er habe diese Berufspraxis in den Jahren 1964 bis 1967 absolviert, in denen er als angestellter Uhrmacher tätig gewesen sei. Ab dem Jahr 1973 habe er regelmäßig zwei Uhrmacher als Vollzeitkräfte beschäftigt. Er habe ab dem Jahr 1967 dieselbe Tätigkeit ausgeübt, die üblicherweise einem Meister vorbehalten sei. Durch seine berufliche Tätigkeit habe er nicht nur die fachlichen Kenntnisse, sondern auch die für die Führung eines eigenen Gewerbebetriebes notwendigen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse erworben. Für seine sehr hohe Qualifizierung spreche auch die Tatsache, dass er bei seiner ersten Anstellung in Deutschland bereits in der Probezeit eine Entlohnung in Höhe von 3500,00 DM erhalten habe, die bereits nach einem Jahr auf den Betrag von 4300,00 DM erhöht worden sei. Seine sehr hohe Qualifikation sei somit von Anfang an mit einem Gehalt honoriert worden, das über der tariflichen Bezahlung eines Uhrmachermeisters liege. Bis zum heutigen Tag erhalte er ein höheres Gehalt als die in demselben Betrieb angestellten Uhrmacher, die einen Meistertitel hätten. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keine Ausbildung zum Meister durchlaufen und könne somit auch keinen Meisterbrief bzw. Diplom als Beleg für die geltend gemachte Meisterqualifikation vorlegen. Der Kläger habe einen sonstigen Nachweis, dass er ohne Qualifikation als Meister tätig gewesen sei, ebenfalls nicht beigebracht.

Hiergegen hat der Kläger am 21.6.2004 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Nach Satz 2 der Anlage 13 zum SGB VI sei bei der Hochstufung nicht die Tätigkeit maßgeblich, für deren Ausübung man die Qualifikationen der höheren Qualifikationsgruppe vorweisen müsse. Die Regelung stelle ausdrücklich nur auf den Erwerb von Fähigkeiten, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprächen, ab. Eine andere Bewertung würde dazu führen, dass eine Hochstufung nie möglich sein werde und die Regelung des S.2 der Anl.13 zum SGB VI vollkommen überflüssig machen. Dies könne jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, da ansonsten eine solche Regelung gar nicht eingefügt worden wäre.

Aufgrund der Komplexität der mit dem Führen eines Gewerbebetriebs zusammenhängenden Probleme (insbesondere betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Problemstellungen) werde das Gewerbe üblicherweise von Personen betrieben, die die Qualifikationen eines Meisters hätten. Über diese Qualifikationen habe er auch verfügen müssen, um erfolgreich einen Gewerbebetrieb führen zu können.

Mit Urteil vom 11.7.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Hinsichtlich der Entscheidungsgründe könne im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 14.5.2004 Bezug genommen werden. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspreche. So habe der 4. Senat in seinem Urteil vom 24.07.2003 (B 4 RA 61/02 R) u.a. ausgeführt: "In welchen Fachrichtungen in Polen eine Meisterqualifikation oder eine nach polnischem Recht dieser gleichgestellte Qualifikation erworben werden konnte, hat das LSG nicht festgestellt. Hierzu bestand bei Prüfung des S.1 der Anl.13 kein Anlass, falls die Klägerin keinen in Polen ausgestellten urkundlichen Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder über eine dem Meister gleichgestellte Qualifikation besitzt. Sie erfüllt dann nicht die Voraussetzungen des S.1 der Anl.13 in Verbindung mit der Regelung 1 in Abs.1 der Qualifikationsgruppe 3. Auch die Voraussetzungen der Regelung 2 des Abs.1 der Gruppe 3 sind nicht gegeben. Danach sind dieser Gruppe auch diejenigen Personen zuzuordnen, denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen in der DDR (hier: in Polen) die Qualifikation als Meister zuerkannt worden ist. Dies konnte in der DDR für Facharbeiter über 45 Jahre und Facharbeiter über 50 Jahre erfolgen, wenn sie 10 Jahre als Leiter eines Meisterbetriebs tätig gewesen sind und regelmäßig an Weiterbildungsveranstaltungen teilgenommen hatten. Unter welchen Voraussetzungen in Polen die Zuerkennung der Qualifikation als Meister oder einer dieser rechtlich gleichgestellten Qualifikation erfolgen konnte, braucht das LSG nur dann festzustellen, wenn die Klägerin behauptet, der insoweit notwendige formale Staatsakt der Zuerkennung liege vor".

Nach o.g. Rechtsprechung, die auf dieses Streitverfahren anzuwenden sei, könne der Kläger nur dann in die Qualifikationsgruppe 3 eingestuft werden, wenn er entweder in Polen die Meisterprüfung abgelegt habe und dies auch urkundlich bestätigt sei, oder wenn er nach zehnjähriger Tätigkeit in leitender Position auch das 50. Lebensjahr vollendet habe. Beide Voraussetzungen lägen nicht vor. Der 1943 geborene Kläger besitze nicht den Meisterbrief und habe erst 1993 (lange nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1987 ) das 50. Lebensjahr vollendet. Die langjährige Berufserfahrung (10 Jahre) könne der Kläger zwar ab 1974 vorweisen. Entsprechend der Rspr. des BSG genüge diese langjährige Berufserfahrung für sich allein jedoch noch nicht, um ihn in die Qualifikationsgruppe 3 (Meister) einzustufen. Zusätzlich und gleichzeitig müsse er auch das 50. Lebensjahr vollendet haben. Dies sei im streitigen Zeitraum nicht der Fall.

Hiergegen richtet sich die beim Bayer.Landessozialgericht am 30.8.2006 eingegangene Berufung des Klägers. Das Urteil stelle lediglich auf die Regelung des S.1 der Anl.13 i.V.m. der Qualifikationsgruppe 3 S.1 ab. Nach den Vorschriften der DDR habe ein Facharbeiter dafür das 50. Lebensjahr vollendet haben müssen. Die Möglichkeit der Einstufung in die höhere Qualifikationsgruppe nach S.2 der Anl.13 sei vom SG nicht geprüft worden. Wie das BSG in der oben zitierten Entscheidung in der Rdnr. 43 ausführe, ersetze das Tatbestandsmerkmal der "langjährigen Berufserfahrung" die formalen Qualifizierungsmerkmale des S.1 i.V.m. den ersten vier Qualifikationsgruppen. Damit werde aus dem Gesetzestext deutlich, dass die Berufserfahrung und somit der berufliche Werdegang für die Einstufung bedeutsam sei. Im Unterschied zur Regelung des S.1 der Anl.13 i.V.m. S.1 2. HS der Qualifikationsgruppe 3, bei der es um die tatsächliche Zuerkennung der Qualifikation als Meister gehe, sei hier auf die formelle Voraussetzung der Beendigung des 50. Lebensjahres nicht abzustellen. Das BSG unterscheide in seinem Urteil weiter, ob der Erwerb der Meister-Qualifikation in Polen möglich gewesen sei oder nicht. Im ersten Fall sei dann weiter zu prüfen, ob die genannten Voraussetzungen vorlägen. Die langjährige Berufserfahrung werde dann bejaht, wenn die Tätigkeit über einen Zeitraum von 10 Jahren ausgeübt worden sei.


Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.7.2006 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheids vom 14.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.5.2004 die polnischen Beitragszeiten im Zeitraum vom 1.7.74 bis 31.7.87 der Qualifikationsgruppe 3 der Anlage 13 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch zuzuordnen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Einstufung in die höhere Qualifikationsgruppe könne auch nach S.2 der Anl.13
zum SGB VI nicht erfolgen. Der Kläger verfüge nicht über eine langjährige Berufserfahrung in einer dem höheren Qualifikationsniveau entsprechenden Tätigkeit.
Unbestritten verfüge der Kläger über eine langjährige Berufserfahrung als selbstständiger Uhrmacher. Es sei jedoch nicht ausreichend dargelegt worden, dass der Kläger in der Zeit seiner Selbstständigkeit tatsächlich Tätigkeiten einer höher qualifizierten Funktion ausgeübt habe. Der Kläger selbst räume ein, dass ein Meistertitel in Polen keine Voraussetzung für das Betreiben eines selbständigen Gewerbes gewesen sei. Hierzu habe die Ausbildung (hier zum Gesellen) und die Berufserfahrung als angestellter Uhrmacher genügt. Es sei nicht ersichtlich, welche Tätigkeiten der Kläger als Selbständiger ausgeübt haben wolle, die auf eine höherwertige Qualifikation schließen ließen. Insbesondere fehle es an der dem Handwerksmeister vorbehaltenen Ausbildung von Lehrlingen. Der Kläger habe bisher lediglich vorgetragen, zwei Uhrmacher beschäftigt zu haben.

Mit Rentenbescheid vom 12.02.2008 hat die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente beginnend ab 01.02.2008 gewährt.

Das Gericht hat die Akte der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 11.07.2006 ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das SG mit Urteil vom 11.07.2006 die Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2004 abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs.2 Satz 1 SGG.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf höhere Bewertung der in Polen im Zeitraum vom 01.07.1974 bis 31.07.1987 zurückgelegten und von der Beklagten nach § 15 Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten Beitragszeiten durch Zuordnung in die Qualifikationsgruppe 3 der Anlage 13 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht zu. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass seine Tätigkeit als selbstständiger Uhrmacher im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen der Qualifikationsgruppe 3 erfüllt.

Die Bewertung der Beitragszeiten nach § 15 FRG wird nach Maßgabe des § 256b Abs.1 SGB VI ermittelt (§ 22 Abs.1 Satz 1 FRG). Danach sind für glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem 31.12.1949 zur Ermittlung von Entgeltpunkten als Beitragsbemessungsgrundlage für ein Kalenderjahr einer Vollbeschäftigung die Durchschnittswerte zu berücksichtigen, die sich nach Einstufung in eine der in der Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen (Nr.1) und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in der Anlage 14 genannten Wirtschaftsbereiche (Nr.2) ergeben. Hiernach ergibt sich ein der jeweiligen Qualifikationsgruppe zugeordneter Durchschnittsverdienst für glaubhaft gemachte Zeiten, der für (nachgewiesene) Zeiten i.S. des FRG gemäß § 22 Abs.1 Satz 2 i.V.m. § 22 Abs.3 FRG um 1/5 zu erhöhen ist. Bezogen auf die Zuordnung zu einer Qualifikationsgruppe ergibt sich aus § 256b SGB VI die Konkretisierung durch Verweisung auf die Anlage 13. Die Anlage 13 besteht aus einem Grund- (Satz 1) und einem Erweiterungstatbestand (Satz 2), in die als weitere "gemeinsame und deshalb ausgeklammerte" Tatbestandsmerkmale die nachgestellten Qualifikationsgruppen einzufügen sind (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 23.09.2003 - B 4 RA 48/02 R mwN).

Nach dem Grundtatbestand sind Versicherte in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren (formelle) Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (Satz 1). Haben Versicherte aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, sind sie nach dem Erweiterungstatbestand in diese Qualifikationsgruppe einzustufen (Satz 2). Wird die festgelegte Qualifikation nach Satz 2 der Definition der Qualifikationsgruppen durch gleichwertige, aufgrund langjähriger Berufserfahrungen erworbene Tätigkeiten ersetzt, kann sich der Erwerb der Qualifikation immer nur von dem Zeitpunkt an auswirken, zu dem eine langjährige Berufserfahrung vorliegt, nicht rückwirkend.

Die (nachgestellten) fünf Qualifikationsgruppen unterscheiden nach der Qualifikation, die der Versicherte erworben hat. Die Qualifikationsgruppe 1 bilden die Hochschulabsolventen, die Qualifikationsgruppe 2 die Fachschulabsolventen, die Qualifikationsgruppe 3 die Meister und die Qualifikationsgruppe 4 die Facharbeiter. Der Qualifikationsgruppe 5 werden angelernte und ungelernte Tätigkeiten zugeordnet.

Unter die Qualifikationsgruppe 4 fallen Facharbeiter und Personen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist (Satz 1). Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind (Satz 2).

Unter die Qualifikationsgruppe 3 fallen Meister und Personen, die einen urkundlichen Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister bzw. als Meister des Handwerks besitzen bzw. denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Qualifikation als Meister zuerkannt ist (Satz 1). Hierzu zählen nicht in Meisterfunktion eingesetzte oder den Begriff "Meister" als Tätigkeitsbezeichnung führende Personen, die einen Meisterabschluss nicht haben, z.B. Platzmeister, Wagenmeister (Satz 2).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die polnischen Beitragszeiten des Klägers im streitigen Zeitraum vom 01.07.1974 bis 31.07.1987 nicht der Qualifikationsgruppe 3 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen sind.

Die Voraussetzungen des 1.Halbsatzes des Satzes 1 der Qualifikationsgruppe 3 sind nicht erfüllt, denn die formale Zuerkennung des Meistertitels liegt - was zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig ist - nicht vor, obwohl die Zulassung zur Meisterprüfung nach dem klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2008 bereits nach 3-jähriger praktischer Tätigkeit und Absolvierung eines Praktikums möglich gewesen sein soll. Insoweit kann dahinstehen, ob der Erwerb der Meisterqualifikation in Polen zusätzlich den Besuch eines Meistervorbereitungskurses mit anschließender periodischer Weiterbildung erforderte (s. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.12.2006
- L 8 RA 71/03 -). Denn der Kläger hat lediglich die Gesellenprüfung als Uhrmacher abgelegt und nach seinen eigenen Angaben keinen Meister-Vorbereitungs-kurs besucht.

Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des 2.Halbsatzes des Satzes 1 der Qualifikationsgruppe 3 vor. Dem Kläger ist - was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist - nicht aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen in Polen die Qualifikation als Meister ohne Meisterprüfung zuerkannt worden, was in Polen möglich gewesen ist (s. M.Müller in: "Die Qual mit den Qualifikationsgruppen", DAngVers 10/95, Anm. 3.1). Es ist hier auf die Berufswelt in Polen, nicht im Beitrittsgebiet abzustellen (BSG, Urteil vom 24.07.2003 - B 4 RA 61/02 R -). Aufgrund der in § 22 Abs.1 Satz 1 FRG angeordneten Anwendung des § 256b Abs.1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI auch auf alle Beschäftigungen in den verschiedenen Vertreibungsgebieten, die nur eine sinngemäße sein kann, sind die Tatbestandsmerkmale der Qualifikationsgruppen in dem Sinne zu lesen, dass an die Stelle der DDR das jeweilige Vertreibungsgebiet eingesetzt wird.

Dass der Kläger im streitigen Zeitraum tatsächlich Tätigkeiten, die einem höheren Qualifikationsniveau entsprochen haben, d.h. hier Tätigkeiten eines Uhrmachermeisters ausgeübt hat, hat der Kläger schon nach seinem eigenen Vortrag nicht glaubhaft gemacht.

Entgegen der vom Kläger in der Klagebegründung vertretenen Auffassung kommt es auch beim Satz 2 der Definition der Qualifikationsgruppen - neben dem Erwerb von Fähigkeiten, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen - darauf an, ob eine entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde. Andernfalls werden die Versicherten, die ohne abgeschlossene Qualifikation entsprechende Fähigkeiten aufgrund langjähriger Berufserfahrung erworben haben, gegenüber den Versicherten, die über eine abgeschlossene Qualifikation verfügen, privilegiert, was der Systematik und dem Sinn und Zweck der Sätze 1 und 2 der Definition der Qualifikationsgruppen zuwiderläuft.

Aus dem Umstand, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit - wie er wiederholt vorträgt - betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Problemstellungen lösen konnte und musste, ergibt sich nicht zwangsläufig, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit im eigenen Betrieb der einer Tätigkeit eines Uhrmachermeisters entsprach. Hiergegen spricht schon sein eigener Vortrag in der Widerspruchsbegründung vom 22.03.2004, dass für die von ihm ab 1967 ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Uhrmacher gerade keine Meisterqualifikation erforderlich war. Letztlich kann daher dahinstehen, ob - wie der Kläger vorträgt - ein Gewerbe aufgrund der Komplexität der damit zusammenhängenden Probleme (insbesondere betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Problemstellungen) üblicherweise von Personen betrieben wird, die die Qualifikation eines Meisters haben. Es schließt nämlich nicht aus, dass auch Uhrmachergesellen ein selbstständiges Gewerbe betrieben und die damit zusammenhängenden Probleme betriebswirtschaftlicher, kaufmännischer und rechtlicher Art gelöst haben, ohne dass die Tätigkeit eine Meistertätigkeit gewesen wäre. Vielmehr spricht gegen die Ausübung einer Meistertätigkeit durch den Kläger, dass er lediglich ab 1973 zwei Vollzeitkräfte als Uhrmacher beschäftigt hat, aber nicht Lehrlinge ausgebildet hat und die Lehrlingsausbildung - wie der Kläger selbst einräumt - auch im Uhrmacherhandwerk in Polen Meistern vorbehalten war.

Soweit der Kläger vorträgt, für seine sehr hohe Qualifizierung spreche, dass er bei seiner ersten Anstellung in der Bundesrepublik Deutschland als Uhrmacher bereits in der Probezeit eine Entlohnung von 3.500,00 EUR erhalten habe, die bereits nach einem Jahr auf den Betrag in Höhe von 4.300,00 EUR erhöht worden sei, wobei dieses Gehalt über der tariflichen Bezahlung eines Uhrmacher-Meisters gelegen habe, verkennt er, dass nur die im streitigen Zeitraum ausgeübte Tätigkeit Streitgegenstand ist. Ein Rückschluss von der für die in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit erhaltene Entlohnung auf die Qualität der in der streitigen Zeit ausgeübten Tätigkeit ist nicht zulässig.

Somit hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass er in der streitigen Zeit tatsächlich Tätigkeiten ausgeübt hat, die dem Qualifikationsniveau der Qualifikationsgruppe 3 entsprochen haben. Nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast, wonach jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen, geht dies zu seinen Lasten (BSG 6, 70, 72; 35, 216, 217; SozR 1500 § 141 Nr.9; BayLSG Breith 00, 478, 480).

Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 11.07.2006 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 Abs.2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved