Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 912/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 410/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines versicherten Unfalles des Klägers als Schüler.
Der 1985 geborene Kläger erlitt am 2. Mai 2001 laut Unfallanzeige des Schulleiters in der Staatlichen Realschule A-Stadt Verletzungen am linken Bein und Ellenbogen beim Aufkommen nach einem Sprung beim Basketballunterricht. Der Durchgangsarzt, der Chirurg Prof. Dr. B., erklärte im Bericht vom 2. Mai 2001, der Kläger habe beim Absprung Schmerzen im linken Knie verspürt und beim Aufkommen nicht mehr laufen können. Zuvor sei er nicht gestürzt und habe keinen Tritt erhalten. Er stellte die Diagnose: knöcherner Ausriss des Muskelansatzes am Schienbein (Tuberositas tibiae). Laut Operationsbericht vom gleichen Tag wurde die Tuberositas refixiert; das mediale Retinaculum (mittleres Halteband) war zerrissen. Am 10. Mai 2001 wurde der Kläger aus dem Krankenhaus mit der Diagnose: knöcherner Patellasehnenausriss entlassen. Am 25. Juni 2001 war die Oberschenkelmuskulatur noch hypotroph, die Fraktur zunehmend konsolidiert.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. Juli 2001 eine Entschädigung ab, da die Erkrankung nicht Folge eines Schulunfalles sei. Es habe sich um einen bewusst ausgeübten, sportüblichen Bewegungsablauf gehandelt, einen rechtsunerheblichen Gelegenheitsanlass für das Erkennbarwerden einer Krankheitsanlage.
Der Kläger wandte mit Widerspruch ein, der Knochenabriss am Knie könne nicht beim Abspringen eingetreten sein, sondern nur aufgrund eines unglücklichen Auftreffens auf den Boden. Eine Vorschädigung habe nicht vorgelegen.
Der Orthopäde Dr. B. berichtete am 11. Januar 2002, er habe den Kläger am 9. August 1994 wegen Schmerzen im linken Kniegelenk behandelt und einen Q-Winkel von weniger als 15° festgestellt. Die Röntgenaufnahmen beider Fersen hätten zur Diagnose: Apophysitis calcanei (schmerzhafte Schwellung des Achillessehnenansatzes) rechts geführt.
Im Gutachten vom 18. März 2002 führten die Chirurgen Prof. Dr. B. und Prof. Dr. H. aus, der Kläger gebe an, er wisse nicht, ob der Schmerz beim Absprung oder beim Aufkommen entstanden sei; er könne sich nur erinnern, dass er gefallen sei. Die Chirurgen erklärten, wenn die Epiphysenfugen (Wachstumsfugen) gesund gewesen wären, hätte eine erhebliche Krafteinwirkung stattfinden müssen, um sie zu schädigen. Nach einem derartigen Aufprall hätte eine Hautläsion festzustellen sein müssen. Eine Prellmarke oder ein Bluterguss seien aber im Durchgangsarztbericht nicht erwähnt. Unter Berücksichtigung der ersten Schilderung nach dem Unfallereignis und der Beschwerdesymptomatik von 1994 sei wahrscheinlich, dass die Verletzung beim Absprung im Sinne eines Missverhältnisses zwischen Belastung und Belastbarkeit infolge einer Wachstumsstörung zu Stande gekommen sei. Durch die Kraftanstrengung beim Absprung sei es zur Mehrbelastung im Bereich einer vorgeschädigten Epiphyse gekommen und somit zur Ausrissverletzung. Ein Unfallereignis im Sinne der Unfallversicherung habe nicht vorgelegen.
Der Kläger wandte ein, möglicherweise seien Prellmarken im Durchgangsarztbericht nicht erwähnt worden, weil das Hauptaugenmerk auf die gravierende Knieverletzung gerichtet gewesen sei. Eine Wachstumsstörung sei nicht nachgewiesen. Der konkrete Anlass für die Beschwerden von 1994 sei nie festgestellt worden. Der Kläger übersandte ein Schreiben des Orthopäden Prof. Dr. W. vom 23. August 2002: ein knöcherner Ausriss der
Tuberositas tibiae sei sowohl beim Absprung als auch beim Aufkommen möglich.
Prof. Dr. H. und Prof. Dr. B. erklärten in der ergänzenden Stellungnahme vom 6. November 2002, entscheidend sei die Krafteinwirkung, denn auch ein Sturz führe bei einer gesunden Epiphyse nicht zu einer derartig schweren Schädigung; diese sei nur durch Wachstumsstörungen oder Vorschädigungen erklärbar.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2002 zurück.
Die Klage zum Sozialgericht München begründete der Kläger damit, es sprächen mehr Anhaltspunkte dafür, dass bei gesunder Epiphyse eine Krafteinwirkung von außen zu dem Verletzungsbild geführt habe, als dass eine Wachstumsstörung vorgelegen habe. Auch sei bisher der schlechte Zustand des Basketballplatzes nicht berücksichtigt worden.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. Dr. K. führte im Gutachten vom 11. Juli 2003 aus, der Kläger gebe an, nach mehreren problemlosen Übungen sei er mit dem Ball auf den Korb zugelaufen und habe dann plötzlich am Boden gelegen mit heftigem Knieschmerz und deutlich sichtbarer Haut- und Knochenverformung vor dem Schienbeinkopf. Dr. K. erklärte, es sei nicht ersichtlich, worin ein unkontrollierter Bewegungsablauf bestanden haben solle. Bei fehlendem adäquaten Unfallmechanismus sei von einem anlagebedingten Abgleiten der Wachstumsfuge auszugehen. Ursächlich seien die noch offenen Wachstumsfugen, die X-Beine, die ungewöhnliche Körperlänge und die dokumentierten Kniewachstumsbeschwerden schon sieben Jahre zuvor. Auf Einwendungen des Klägers erklärte Dr. K. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 17. November 2003, 28. Dezember 2004 und 9. Mai 2005, entscheidend sei, dass kein verletzungsadäquater Unfall vorgelegen habe. Die Epiphyse sei schicksalhaft an der Knievorderseite abgerutscht, so dass der Kläger beim Aufkommen abgeknickt sei. Unfallursache sei die Instabilität infolge der unfallfremden Epiphysenlösung.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2004 bestätigte der Sportlehrer F., der Sportplatz sei schon älter und nicht tadellos. Der Kläger sei nach dem Absprung bei der Landung weggeknickt. Als er auf dem Boden gelegen habe, sei die Kniescheibe nach außen verrutscht gewesen.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. G. führte im Gutachten vom 2. Mai 2006 aus, die außergewöhnliche Größe des Klägers könne nicht mit einem überschießenden Wachstum und einer entsprechend instabilen Wachstumsfuge gleichgesetzt werden. Die Landung auf dem linken Bein habe zu einer erheblichen Kontraktion des Muskels mit entsprechenden Belastungsspitzen auf die Sehne und die Tuberositas tibiae geführt. Anlagebedingte Faktoren seien nicht ausschlaggebend gewesen. Eine MdE messbaren Grades bestehe jedoch bei folgenloser Ausheilung, funktionstüchtigem Streckapparat und korrekter Stellung der Patella nicht.
Dr. G. wies darauf hin, am 9. November 2005 habe der Kläger beim Fußballspiel ohne Gegnerkontakt eine Kniescheibenluxation links erlitten. Es habe sich um eine anlagebedingte, nicht traumatische Patellaluxation links gehandelt.
Die Beklagte übersandte ein Gutachten der Chirurgin Z. vom 19. Oktober 2006, in dem sie erklärt, das Ereignis vom 9. November 2005 sei nicht geeignet gewesen, eine echte traumatische Patellaluxation hervorzurufen
Der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. B., führte in der Stellungnahme vom 27. Dezember 2006 aus, er stimme Dr. G. lediglich insofern zu, als eine Erkrankung der Apophyse nicht vorgelegen habe. Die Wachstumsfugenlösung resultiere jedoch aus einer Minderung der Reißfestigkeit der Wachstumsfugen. Bei einem hormonellen Ungleichgewicht könne es zu einem verstärkten Längenwachstum kommen und dadurch zu einer Resistenzminderung der Wachstumsfuge. Auch wenn, wie von Dr. G. ausgeführt, die Belastung bei der Landung größer sei als beim Absprung, sei es unrealistisch, alleine hiermit eine unfallbedingte Traumatisierung behaupten zu wollen.
Mit Urteil vom 27. Juni 2007 hob das Sozialgericht München den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 auf und stellte fest, dass das Ereignis vom 2. Mai 2001 ein Arbeitsunfall und eine Apophysenverletzung im Sinne eines Tuberositas tibiae-Ausrisses Typ III Folge des Arbeitsunfalls sei. Dr. G. habe überzeugend ausgeführt, dass es sich bei der Landung um ein geeignetes Unfallgeschehen handle. Aufgrund der Zeugenaussage des Lehrers stehe fest, dass der außergewöhnliche Verlauf erst nach dem Aufsprung aufgetreten sei. Die maximale muskuläre Belastung habe die Unfallfolgen verursacht. Dr. G. habe zutreffend erkannt, dass eine wesentliche anlagebedingte Schwäche des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt sei. Somit scheide die Berücksichtigung der nicht bewiesenen fehlwachstumsbedingten Minderung der Reißfestigkeit im Bereich der Apophyse im Rahmen der Kausalitätsprüfung aus.
Zur Begründung der Berufung erklärte der Beklagte, eine planmäßige und willentliche Bewegung sei kein Unfallereignis. Der Kläger habe planmäßig einen Korbleger ausgeführt. Eine Störung im Bewegungsablauf sei nicht eingetreten. Ohne eine entsprechende Disposition wäre bei diesem Bewegungsablauf eine Fraktur nicht eingetreten.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten nach Aktenlage vom 10. März 2008 aus, wesentlich für die Beurteilung sei die im Operationsprotokoll beschriebene Zerreißung des Reservestreckapparates.
Der Lehrer habe als Zeuge angegeben, dass die Kniescheibe verrenkt gewesen sei. Ohne eine solche Ausrenkung sei der isolierte Riss des inneren Anteiles des Reservestreckapparates nicht vorstellbar. Entweder beim Absprung oder kurz vor dem Aufkommen müsse es also zu einer spontanen Ausrenkung der Kniescheibe nach außen gekommen sein. Mit dieser Ausrenkung verbunden sei zumindest kurzzeitig eine stark vermehrte Anspannung des körperfernen Ansatzpunktes des Kniescheibenbandes, da die Kniescheibe den äußeren Oberschenkelknochen überwinden müsse, um in die Verrenkungsstellung zu geraten und um die Zerreißung des Reservestreckapparates produzieren zu können. Die infolgedessen unphysiologische und stark erhöhte Zugbelastung auf den Ansatz des Kniescheibenbandes sei die eigentliche Ursache für dessen Ablösung bei noch nicht geschlossener Wachstumsfuge. Ein Unfallmechanismus, der geeignet sei, die Verrenkung der Kniescheibe wesentlich mit zu verursachen, sei nicht zu erkennen. Es habe sich um einen kontrollierten, willentlich gesteuerten Vorgang sowohl beim Absprung als auch beim Aufkommen gehandelt. Entscheidend sei, dass bei fehlendem geeigneten Unfallmechanismus durch die Spontanverrenkung der Kniescheibe eine Zerreißung des Reservestreckapparates und unmittelbar vor dieser Zerreißung zum Zeitpunkt der maximalen Anspannung des Kniescheibenbandes aufgrund einer nicht geschlossenen Wachstumsfuge bei pathologischem Längenwachstum ein knöcherner Ausriss zu Stande gekommen sei.
Der Kläger erklärte im Schreiben vom 6. Mai 2008, gerade bei Ballsportarten, wie dem Basketball, wirkten erhebliche Kräfte auf den Körper ein. Es habe sich nicht um einen willentlich gesteuerten Bewegungsablauf gehandelt, da er sich die Verletzung nicht freiwillig beigebracht habe. Absprung und Korbwurf seien regelrecht erfolgt, insofern könne es zu diesem Zeitpunkt nicht zu einer Verrenkung der Kniescheibe mit den Folgeverletzungen gekommen sein. Eine Schadensanlage sei nicht bewiesen.
Der Beklagte stellt den Antrag
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 2007 aufzuheben und die Klage
gegen den Bescheid vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids von
22. November 2002 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein zeitlich begrenztes von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (Krasney, VSSR 1993, 81, 114).
Ein von außen einwirkendes Ereignis verlangt einen von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang gleich welcher Stärke. Körpereigene Bewegungen wie Laufen und Springen sind äußere Vorgänge in diesem Sinn, selbst wenn sie gewohnt und üblich sind.
Entscheidend ist aber, ob das äußere Ereignis - hier der Sprung - die rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls ist. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob Absprung und/oder Wiederaufkommen beim Basketballtraining als Unfall in diesem Sinne anzusehen sind; jedenfalls hat der Sprung als äußeres Ereignis den Körperschaden zur Überzeugung des Senats nicht rechtlich wesentlich verursacht. Denn neben dem äußeren Ereignis - dem Sprung - haben bereits bestehende Schadensanlagen als allein wesentliche Ursachen die Gesundheitsschäden verursacht.
Denn, wie Dr. F. im Gutachten vom 10. März 2008 überzeugend dargelegt hat, weist die während der Operation vom 2. Mai 2001 festgestellte Zerreißung des inneren Reservestreckapparates zwingend darauf hin, dass die Kniescheibe verrenkt gewesen sein muss. Sie muss nach außen aus dem Gleitlager herausverschoben gewesen sein. Diese medizinische Beurteilung deckt sich mit der Bekundung des Zeugen F., dass nach dem Sprung die Kniescheibe verschoben war. Ohne eine Ausrenkung der Kniescheibe ist ein isolierter Riss des inneren Anteiles des Reservestreckapparates nicht vorstellbar. Die Zerreißung des Reservestreckapparates muss vor der Wachstumsfugenlösung eingetreten sein, da nur bei intakten Fixpunkten der Kniescheibe, nämlich der Oberschenkelmuskulatur und des Kniescheibenbandes am Schienbeinkopf, eine Zerreißung zu Stande kommen kann. Wäre die Lösung der Wachstumsfuge primär zu Stande gekommen, hätte keine Luxation und auch keine Läsion des Reservestreckapparates entstehen können, da dann eine entsprechende Belastung der Kniescheibe nicht mehr vorstellbar wäre, so Dr. F ... Beim Absprung oder vor dem Aufkommen nach dem Sprung muss es zu einer spontanen Ausrenkung der Kniescheibe nach außen gekommen sein, die zumindest kurzzeitig mit einer stark vermehrten Anspannung des körperfernen Ansatzpunktes des Kniescheibenbandes verbunden war, da bei relativ gut ausgeprägtem Gleitlager die Kniescheibe den äußeren Oberschenkelknochen überwinden musste, um in die Verrenkungsstellung zu geraten und die Zerreißung des Reservestreckapparates verursachen zu können. Diese unphysiologische und stark erhöhte Zugbelastung auf den Ansatz des Kniescheibenbandes am Schienbeinkopf war die eigentliche Ursache für dessen Ablösung bei noch nicht geschlossener Wachstumsfuge. Die Neigung zur Ausrenkung der Kniescheibe ist beim Kläger durch die Luxation vom 9. November 2005 bewiesen. Auch hier entstand die Luxation spontan ohne adäquates Unfallereignis. Die Luxation ist auch nicht verursacht oder mitverursacht durch den Sprung zum Korbwurf.
Wesentlich ist, dass ein Unfallmechanismus, der geeignet gewesen wäre, die Verrenkung der Kniescheibe wenigstens mit zu verursachen, nicht vorliegt. Es handelte sich um einen kontrollierten, willentlich gesteuerten Vorgang nach einer ausreichenden Aufwärmphase. Willentlich gesteuerte Bewegungsabläufe führen nur zu physiologischen Belastungen, die Selbstbeschädigungen ausschließen. Traumatische Verrenkungen der Kniescheibe sind seltene Verletzungen (Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 7. Aufl., S. 677). Nur starke, meist indirekte Krafteinwirkungen sind geeignet, eine Verrenkung zu verursachen. Das seitliche Abrutschen der Kniescheibe entsteht durch Außenrotation des Unterschenkels bei Innenrotation des Oberschenkels unter voller Belastung des Beines, wenn gleichzeitig der Zug der Quadriceps-Muskulatur noch durch eine Vergrößerung des sogenannten Q-Winkels (Valguswinkel des Streckapparates), wie bei der Neigung des Körpers zur Gegenseite erhöht wird und die Streckmuskulatur überraschend angespannt wird. Ein solcher Mechanismus lag beim Sprung des Klägers zumindest bis zum Auftreffen am Boden nicht vor; vor diesem Moment war es aber zur Luxation gekommen, wie Dr. F. überzeugend darlegt.
Der Senat vermag der Auffassung von Dr. G. nicht zu folgen, weil dieser von einer Verletzung mit Abriss der Tuberositas tibiae ausgeht, die beim Landen nach dem Absprung entstanden sei. Wenn er zudem das Verletzungsbild als sogenannte Jumpers injury bezeichnet, das typischerweise im Rahmen des pubertären Wachstumsschubes aufzutreten pflegt, so befindet er sich damit in Übereinstimmung mit den übrigen Sachverständigen. Auf die Frage, die Dr. G. für entscheidend hält, nämlich ob die Landung nach dem Sprung als Bagatelltrauma zu qualifizieren ist, kommt es demnach nicht an. Ebensowenig ist entscheidend, dass eine krankhafte Veränderung der Apophyse auszuschließen ist. Die kurzfristige starke Zugerhöhung auf den Ansatz des Kniescheibenbandes durch die Luxation verursachte bereits den knöchernen Ausriss.
Für den Senat steht fest, dass es bei fehlendem geeigneten Unfallmechanismus, nach einer Spontanverrenkung der linken Kniescheibe nach außen zu einer Zerreißung des Reservestreckapparates und infolge der maximalen Anspannung vor dieser Zerreißung aufgrund der nicht geschlossenen Wachstumsfuge bei pathologischem Längenwachstum zu dem knöchernen Ausriss kam.
Mit dieser Beurteilung befindet sich Dr. F. im Ergebnis in Übereinstimmung mit Prof. Dr. H., Prof. Dr. B., Dr. K. und Dr. B ... Die Auffassung Dr. G. konnte dagegen den Senat nicht überzeugen. Auf die Berufung des Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines versicherten Unfalles des Klägers als Schüler.
Der 1985 geborene Kläger erlitt am 2. Mai 2001 laut Unfallanzeige des Schulleiters in der Staatlichen Realschule A-Stadt Verletzungen am linken Bein und Ellenbogen beim Aufkommen nach einem Sprung beim Basketballunterricht. Der Durchgangsarzt, der Chirurg Prof. Dr. B., erklärte im Bericht vom 2. Mai 2001, der Kläger habe beim Absprung Schmerzen im linken Knie verspürt und beim Aufkommen nicht mehr laufen können. Zuvor sei er nicht gestürzt und habe keinen Tritt erhalten. Er stellte die Diagnose: knöcherner Ausriss des Muskelansatzes am Schienbein (Tuberositas tibiae). Laut Operationsbericht vom gleichen Tag wurde die Tuberositas refixiert; das mediale Retinaculum (mittleres Halteband) war zerrissen. Am 10. Mai 2001 wurde der Kläger aus dem Krankenhaus mit der Diagnose: knöcherner Patellasehnenausriss entlassen. Am 25. Juni 2001 war die Oberschenkelmuskulatur noch hypotroph, die Fraktur zunehmend konsolidiert.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. Juli 2001 eine Entschädigung ab, da die Erkrankung nicht Folge eines Schulunfalles sei. Es habe sich um einen bewusst ausgeübten, sportüblichen Bewegungsablauf gehandelt, einen rechtsunerheblichen Gelegenheitsanlass für das Erkennbarwerden einer Krankheitsanlage.
Der Kläger wandte mit Widerspruch ein, der Knochenabriss am Knie könne nicht beim Abspringen eingetreten sein, sondern nur aufgrund eines unglücklichen Auftreffens auf den Boden. Eine Vorschädigung habe nicht vorgelegen.
Der Orthopäde Dr. B. berichtete am 11. Januar 2002, er habe den Kläger am 9. August 1994 wegen Schmerzen im linken Kniegelenk behandelt und einen Q-Winkel von weniger als 15° festgestellt. Die Röntgenaufnahmen beider Fersen hätten zur Diagnose: Apophysitis calcanei (schmerzhafte Schwellung des Achillessehnenansatzes) rechts geführt.
Im Gutachten vom 18. März 2002 führten die Chirurgen Prof. Dr. B. und Prof. Dr. H. aus, der Kläger gebe an, er wisse nicht, ob der Schmerz beim Absprung oder beim Aufkommen entstanden sei; er könne sich nur erinnern, dass er gefallen sei. Die Chirurgen erklärten, wenn die Epiphysenfugen (Wachstumsfugen) gesund gewesen wären, hätte eine erhebliche Krafteinwirkung stattfinden müssen, um sie zu schädigen. Nach einem derartigen Aufprall hätte eine Hautläsion festzustellen sein müssen. Eine Prellmarke oder ein Bluterguss seien aber im Durchgangsarztbericht nicht erwähnt. Unter Berücksichtigung der ersten Schilderung nach dem Unfallereignis und der Beschwerdesymptomatik von 1994 sei wahrscheinlich, dass die Verletzung beim Absprung im Sinne eines Missverhältnisses zwischen Belastung und Belastbarkeit infolge einer Wachstumsstörung zu Stande gekommen sei. Durch die Kraftanstrengung beim Absprung sei es zur Mehrbelastung im Bereich einer vorgeschädigten Epiphyse gekommen und somit zur Ausrissverletzung. Ein Unfallereignis im Sinne der Unfallversicherung habe nicht vorgelegen.
Der Kläger wandte ein, möglicherweise seien Prellmarken im Durchgangsarztbericht nicht erwähnt worden, weil das Hauptaugenmerk auf die gravierende Knieverletzung gerichtet gewesen sei. Eine Wachstumsstörung sei nicht nachgewiesen. Der konkrete Anlass für die Beschwerden von 1994 sei nie festgestellt worden. Der Kläger übersandte ein Schreiben des Orthopäden Prof. Dr. W. vom 23. August 2002: ein knöcherner Ausriss der
Tuberositas tibiae sei sowohl beim Absprung als auch beim Aufkommen möglich.
Prof. Dr. H. und Prof. Dr. B. erklärten in der ergänzenden Stellungnahme vom 6. November 2002, entscheidend sei die Krafteinwirkung, denn auch ein Sturz führe bei einer gesunden Epiphyse nicht zu einer derartig schweren Schädigung; diese sei nur durch Wachstumsstörungen oder Vorschädigungen erklärbar.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2002 zurück.
Die Klage zum Sozialgericht München begründete der Kläger damit, es sprächen mehr Anhaltspunkte dafür, dass bei gesunder Epiphyse eine Krafteinwirkung von außen zu dem Verletzungsbild geführt habe, als dass eine Wachstumsstörung vorgelegen habe. Auch sei bisher der schlechte Zustand des Basketballplatzes nicht berücksichtigt worden.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. Dr. K. führte im Gutachten vom 11. Juli 2003 aus, der Kläger gebe an, nach mehreren problemlosen Übungen sei er mit dem Ball auf den Korb zugelaufen und habe dann plötzlich am Boden gelegen mit heftigem Knieschmerz und deutlich sichtbarer Haut- und Knochenverformung vor dem Schienbeinkopf. Dr. K. erklärte, es sei nicht ersichtlich, worin ein unkontrollierter Bewegungsablauf bestanden haben solle. Bei fehlendem adäquaten Unfallmechanismus sei von einem anlagebedingten Abgleiten der Wachstumsfuge auszugehen. Ursächlich seien die noch offenen Wachstumsfugen, die X-Beine, die ungewöhnliche Körperlänge und die dokumentierten Kniewachstumsbeschwerden schon sieben Jahre zuvor. Auf Einwendungen des Klägers erklärte Dr. K. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 17. November 2003, 28. Dezember 2004 und 9. Mai 2005, entscheidend sei, dass kein verletzungsadäquater Unfall vorgelegen habe. Die Epiphyse sei schicksalhaft an der Knievorderseite abgerutscht, so dass der Kläger beim Aufkommen abgeknickt sei. Unfallursache sei die Instabilität infolge der unfallfremden Epiphysenlösung.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2004 bestätigte der Sportlehrer F., der Sportplatz sei schon älter und nicht tadellos. Der Kläger sei nach dem Absprung bei der Landung weggeknickt. Als er auf dem Boden gelegen habe, sei die Kniescheibe nach außen verrutscht gewesen.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. G. führte im Gutachten vom 2. Mai 2006 aus, die außergewöhnliche Größe des Klägers könne nicht mit einem überschießenden Wachstum und einer entsprechend instabilen Wachstumsfuge gleichgesetzt werden. Die Landung auf dem linken Bein habe zu einer erheblichen Kontraktion des Muskels mit entsprechenden Belastungsspitzen auf die Sehne und die Tuberositas tibiae geführt. Anlagebedingte Faktoren seien nicht ausschlaggebend gewesen. Eine MdE messbaren Grades bestehe jedoch bei folgenloser Ausheilung, funktionstüchtigem Streckapparat und korrekter Stellung der Patella nicht.
Dr. G. wies darauf hin, am 9. November 2005 habe der Kläger beim Fußballspiel ohne Gegnerkontakt eine Kniescheibenluxation links erlitten. Es habe sich um eine anlagebedingte, nicht traumatische Patellaluxation links gehandelt.
Die Beklagte übersandte ein Gutachten der Chirurgin Z. vom 19. Oktober 2006, in dem sie erklärt, das Ereignis vom 9. November 2005 sei nicht geeignet gewesen, eine echte traumatische Patellaluxation hervorzurufen
Der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. B., führte in der Stellungnahme vom 27. Dezember 2006 aus, er stimme Dr. G. lediglich insofern zu, als eine Erkrankung der Apophyse nicht vorgelegen habe. Die Wachstumsfugenlösung resultiere jedoch aus einer Minderung der Reißfestigkeit der Wachstumsfugen. Bei einem hormonellen Ungleichgewicht könne es zu einem verstärkten Längenwachstum kommen und dadurch zu einer Resistenzminderung der Wachstumsfuge. Auch wenn, wie von Dr. G. ausgeführt, die Belastung bei der Landung größer sei als beim Absprung, sei es unrealistisch, alleine hiermit eine unfallbedingte Traumatisierung behaupten zu wollen.
Mit Urteil vom 27. Juni 2007 hob das Sozialgericht München den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 auf und stellte fest, dass das Ereignis vom 2. Mai 2001 ein Arbeitsunfall und eine Apophysenverletzung im Sinne eines Tuberositas tibiae-Ausrisses Typ III Folge des Arbeitsunfalls sei. Dr. G. habe überzeugend ausgeführt, dass es sich bei der Landung um ein geeignetes Unfallgeschehen handle. Aufgrund der Zeugenaussage des Lehrers stehe fest, dass der außergewöhnliche Verlauf erst nach dem Aufsprung aufgetreten sei. Die maximale muskuläre Belastung habe die Unfallfolgen verursacht. Dr. G. habe zutreffend erkannt, dass eine wesentliche anlagebedingte Schwäche des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt sei. Somit scheide die Berücksichtigung der nicht bewiesenen fehlwachstumsbedingten Minderung der Reißfestigkeit im Bereich der Apophyse im Rahmen der Kausalitätsprüfung aus.
Zur Begründung der Berufung erklärte der Beklagte, eine planmäßige und willentliche Bewegung sei kein Unfallereignis. Der Kläger habe planmäßig einen Korbleger ausgeführt. Eine Störung im Bewegungsablauf sei nicht eingetreten. Ohne eine entsprechende Disposition wäre bei diesem Bewegungsablauf eine Fraktur nicht eingetreten.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten nach Aktenlage vom 10. März 2008 aus, wesentlich für die Beurteilung sei die im Operationsprotokoll beschriebene Zerreißung des Reservestreckapparates.
Der Lehrer habe als Zeuge angegeben, dass die Kniescheibe verrenkt gewesen sei. Ohne eine solche Ausrenkung sei der isolierte Riss des inneren Anteiles des Reservestreckapparates nicht vorstellbar. Entweder beim Absprung oder kurz vor dem Aufkommen müsse es also zu einer spontanen Ausrenkung der Kniescheibe nach außen gekommen sein. Mit dieser Ausrenkung verbunden sei zumindest kurzzeitig eine stark vermehrte Anspannung des körperfernen Ansatzpunktes des Kniescheibenbandes, da die Kniescheibe den äußeren Oberschenkelknochen überwinden müsse, um in die Verrenkungsstellung zu geraten und um die Zerreißung des Reservestreckapparates produzieren zu können. Die infolgedessen unphysiologische und stark erhöhte Zugbelastung auf den Ansatz des Kniescheibenbandes sei die eigentliche Ursache für dessen Ablösung bei noch nicht geschlossener Wachstumsfuge. Ein Unfallmechanismus, der geeignet sei, die Verrenkung der Kniescheibe wesentlich mit zu verursachen, sei nicht zu erkennen. Es habe sich um einen kontrollierten, willentlich gesteuerten Vorgang sowohl beim Absprung als auch beim Aufkommen gehandelt. Entscheidend sei, dass bei fehlendem geeigneten Unfallmechanismus durch die Spontanverrenkung der Kniescheibe eine Zerreißung des Reservestreckapparates und unmittelbar vor dieser Zerreißung zum Zeitpunkt der maximalen Anspannung des Kniescheibenbandes aufgrund einer nicht geschlossenen Wachstumsfuge bei pathologischem Längenwachstum ein knöcherner Ausriss zu Stande gekommen sei.
Der Kläger erklärte im Schreiben vom 6. Mai 2008, gerade bei Ballsportarten, wie dem Basketball, wirkten erhebliche Kräfte auf den Körper ein. Es habe sich nicht um einen willentlich gesteuerten Bewegungsablauf gehandelt, da er sich die Verletzung nicht freiwillig beigebracht habe. Absprung und Korbwurf seien regelrecht erfolgt, insofern könne es zu diesem Zeitpunkt nicht zu einer Verrenkung der Kniescheibe mit den Folgeverletzungen gekommen sein. Eine Schadensanlage sei nicht bewiesen.
Der Beklagte stellt den Antrag
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 2007 aufzuheben und die Klage
gegen den Bescheid vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids von
22. November 2002 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein zeitlich begrenztes von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (Krasney, VSSR 1993, 81, 114).
Ein von außen einwirkendes Ereignis verlangt einen von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang gleich welcher Stärke. Körpereigene Bewegungen wie Laufen und Springen sind äußere Vorgänge in diesem Sinn, selbst wenn sie gewohnt und üblich sind.
Entscheidend ist aber, ob das äußere Ereignis - hier der Sprung - die rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls ist. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob Absprung und/oder Wiederaufkommen beim Basketballtraining als Unfall in diesem Sinne anzusehen sind; jedenfalls hat der Sprung als äußeres Ereignis den Körperschaden zur Überzeugung des Senats nicht rechtlich wesentlich verursacht. Denn neben dem äußeren Ereignis - dem Sprung - haben bereits bestehende Schadensanlagen als allein wesentliche Ursachen die Gesundheitsschäden verursacht.
Denn, wie Dr. F. im Gutachten vom 10. März 2008 überzeugend dargelegt hat, weist die während der Operation vom 2. Mai 2001 festgestellte Zerreißung des inneren Reservestreckapparates zwingend darauf hin, dass die Kniescheibe verrenkt gewesen sein muss. Sie muss nach außen aus dem Gleitlager herausverschoben gewesen sein. Diese medizinische Beurteilung deckt sich mit der Bekundung des Zeugen F., dass nach dem Sprung die Kniescheibe verschoben war. Ohne eine Ausrenkung der Kniescheibe ist ein isolierter Riss des inneren Anteiles des Reservestreckapparates nicht vorstellbar. Die Zerreißung des Reservestreckapparates muss vor der Wachstumsfugenlösung eingetreten sein, da nur bei intakten Fixpunkten der Kniescheibe, nämlich der Oberschenkelmuskulatur und des Kniescheibenbandes am Schienbeinkopf, eine Zerreißung zu Stande kommen kann. Wäre die Lösung der Wachstumsfuge primär zu Stande gekommen, hätte keine Luxation und auch keine Läsion des Reservestreckapparates entstehen können, da dann eine entsprechende Belastung der Kniescheibe nicht mehr vorstellbar wäre, so Dr. F ... Beim Absprung oder vor dem Aufkommen nach dem Sprung muss es zu einer spontanen Ausrenkung der Kniescheibe nach außen gekommen sein, die zumindest kurzzeitig mit einer stark vermehrten Anspannung des körperfernen Ansatzpunktes des Kniescheibenbandes verbunden war, da bei relativ gut ausgeprägtem Gleitlager die Kniescheibe den äußeren Oberschenkelknochen überwinden musste, um in die Verrenkungsstellung zu geraten und die Zerreißung des Reservestreckapparates verursachen zu können. Diese unphysiologische und stark erhöhte Zugbelastung auf den Ansatz des Kniescheibenbandes am Schienbeinkopf war die eigentliche Ursache für dessen Ablösung bei noch nicht geschlossener Wachstumsfuge. Die Neigung zur Ausrenkung der Kniescheibe ist beim Kläger durch die Luxation vom 9. November 2005 bewiesen. Auch hier entstand die Luxation spontan ohne adäquates Unfallereignis. Die Luxation ist auch nicht verursacht oder mitverursacht durch den Sprung zum Korbwurf.
Wesentlich ist, dass ein Unfallmechanismus, der geeignet gewesen wäre, die Verrenkung der Kniescheibe wenigstens mit zu verursachen, nicht vorliegt. Es handelte sich um einen kontrollierten, willentlich gesteuerten Vorgang nach einer ausreichenden Aufwärmphase. Willentlich gesteuerte Bewegungsabläufe führen nur zu physiologischen Belastungen, die Selbstbeschädigungen ausschließen. Traumatische Verrenkungen der Kniescheibe sind seltene Verletzungen (Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 7. Aufl., S. 677). Nur starke, meist indirekte Krafteinwirkungen sind geeignet, eine Verrenkung zu verursachen. Das seitliche Abrutschen der Kniescheibe entsteht durch Außenrotation des Unterschenkels bei Innenrotation des Oberschenkels unter voller Belastung des Beines, wenn gleichzeitig der Zug der Quadriceps-Muskulatur noch durch eine Vergrößerung des sogenannten Q-Winkels (Valguswinkel des Streckapparates), wie bei der Neigung des Körpers zur Gegenseite erhöht wird und die Streckmuskulatur überraschend angespannt wird. Ein solcher Mechanismus lag beim Sprung des Klägers zumindest bis zum Auftreffen am Boden nicht vor; vor diesem Moment war es aber zur Luxation gekommen, wie Dr. F. überzeugend darlegt.
Der Senat vermag der Auffassung von Dr. G. nicht zu folgen, weil dieser von einer Verletzung mit Abriss der Tuberositas tibiae ausgeht, die beim Landen nach dem Absprung entstanden sei. Wenn er zudem das Verletzungsbild als sogenannte Jumpers injury bezeichnet, das typischerweise im Rahmen des pubertären Wachstumsschubes aufzutreten pflegt, so befindet er sich damit in Übereinstimmung mit den übrigen Sachverständigen. Auf die Frage, die Dr. G. für entscheidend hält, nämlich ob die Landung nach dem Sprung als Bagatelltrauma zu qualifizieren ist, kommt es demnach nicht an. Ebensowenig ist entscheidend, dass eine krankhafte Veränderung der Apophyse auszuschließen ist. Die kurzfristige starke Zugerhöhung auf den Ansatz des Kniescheibenbandes durch die Luxation verursachte bereits den knöchernen Ausriss.
Für den Senat steht fest, dass es bei fehlendem geeigneten Unfallmechanismus, nach einer Spontanverrenkung der linken Kniescheibe nach außen zu einer Zerreißung des Reservestreckapparates und infolge der maximalen Anspannung vor dieser Zerreißung aufgrund der nicht geschlossenen Wachstumsfuge bei pathologischem Längenwachstum zu dem knöchernen Ausriss kam.
Mit dieser Beurteilung befindet sich Dr. F. im Ergebnis in Übereinstimmung mit Prof. Dr. H., Prof. Dr. B., Dr. K. und Dr. B ... Die Auffassung Dr. G. konnte dagegen den Senat nicht überzeugen. Auf die Berufung des Beklagten war das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1und 2 SGG liegen nicht vor.
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