L 19 R 587/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 785/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 587/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 145/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.06.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um den Umfang der Anrechnung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 25.02.1960, speziell um die Berücksichtung der Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1967.

Die 1939 geborene Klägerin ist am 03.07.1990 aus Rumänien nach Deutschland übergesiedelt; sie ist Inhaberin des Vertriebenenausweises "A".

Nach ihren Angaben (Fragebogen für FRG-Zeiten vom 29.05.1996) war sie von 1962 bis 1990 als landwirtschaftliche Arbeiterin beschäftigt, in Vollzeit, zunächst bei der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft D. bis Dezember 1967, dann beim landwirtschaftlichen Staatsunternehmen W. bis Dezember 1981, danach wieder bis Dezember 1989 bei der LPG in D. und schließlich bis Mai 1990 wiederum beim Staatsunternehmen für Landwirtschaft in W ...

Die Zeiten werden bescheinigt durch die Adeverinta Nr. 120 vom 27.02.1990, ausgestellt von der CAP D., Gemeinde A. und durch die Adeverinta Nr. 886 vom 16.05.1990, ausgestellt vom Staatlichen Landwirtschafts-Unternehmen
A., Kreis M ... Darüber hinaus hat die Beklagte die Einvernahme von Zeugen zu den vorstehenden Zeiten veranlasst: Es liegen Einvernahmen der Frau S. G., des Herrn G. G., der Frau S. sowie des Herrn G. vor.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 25.03.1999 antragsgemäß Altersrente für Frauen ab 01.04.1999. Die Rentenhöhe betrug DM 721,18 netto monatlich; die streitigen Zeiten waren als glaubhaft gemacht im Umfang zu 5/6 anerkannt.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 13.11.2002 und vom 03.12.2002 beantragte die Klägerin u.a. eine ungekürzte Berücksichtigung der rumänischen Versicherungszeiten für die Jahre 1966 und 1967.
Mit Bescheid vom 13.01.2003 stellte die Beklagte die Rente der Klägerin neu fest. Es erfolgte eine Neuberechnung der Teilzeitbeschäftigung (zu Gunsten der Klägerin), die darüber hinaus beantragte Rücknahme der gekürzten Anrechnung rumänischer Zeiten für die Jahre 1966 und 1967 erfolgte dagegen nicht.

Dagegen erhob die Klägerin am 12.02.2003 Widerspruch. Sie verlangte u.a. eine 6/6-Anrechnung für die Jahre 1966 und 1967 allein wegen ihrer Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Zur Begründung legte sie nun eine Bescheinigung der CAP D. für den Zeitraum von 1962 bis 1990 vor (Adeverinta Nr.127 vom 27.02.1990), nach der sie in der genannten Zeit Genossenschafts(kooperator)-Mitglied gewesen sei.

Mit weiterem Bescheid vom 21.08.2003 nahm die Beklagte eine erneute Berechnung der Rente vor, beließ es jedoch für die streitige Zeit (1966, 1967) bei der vorgenommenen 5/6-Kürzung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 12.02.2003 gegen den Bescheid vom 13.01.2003 als unzulässig und den Widerspruch vom 17.10.2003 gegen den Bescheid vom 21.08.2003 als unbegründet zurück. Im Wesentlichen war ausgeführt, die Entgeltpunkte für die Beitragszeiten in den Jahren 1966 und 1967 aufgrund Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft seien um 1/6 zu kürzen, weil die geleisteten Arbeitsnormen keinen vollen Nachweis, sondern nur ein Mittel zur Glaubhaftmachung darstellten.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 15.12.2003 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie verlangte weiterhin die ungekürzte Berücksichtigung der Beitragszeiten von 1966 bis 1967 aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der LPG. Sie verwies insbesondere auf das Urteil des BayLSG vom 21.07.1999, Az: L 20 RJ 620/93.
Mit Urteil vom 17.06.2005 hat das SG die Beklagte - antragsgemäß - verurteilt, bei der Altersrente für Frauen die Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1967 als Beitragszeiten gemäß § 15 FRG zu 6/6 ab 01.04.1999 rentensteigernd zu berücksichtigen.
In der Begründung hat sich das SG auf die Rechtsprechung des BayLSG gestützt, hier Urteil vom 21.07.1999, Az: L 20 RJ 620/93 (bestätigt durch Urteil des BSG vom 08.09.2005, Az: B 13 RJ 44/04).

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 22.08.2005 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangenen Berufung der Beklagten.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts komme es für die Anerkennung von Beitragszeiten von 1966 bis 1977 entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.10.1997, Az: B 13 RJ 19/97, betreffend Zeiten der Mitgliedschaft in einer sowjetischen Kolchose) darauf an, dass neben der Mitgliedschaft auch Unterbrechungstatbestände z.B. durch Krankheit nachgewiesen seien oder eine tagegenaue Aufstellung der Arbeitsleistung vorliege. Ein Nachweis einer ununterbrochenen ganzjährigen Beitragszeit könne aus der Erfüllung oder Übererfüllung von Arbeitsnormen, wie sie für die Klägerin bestätigt seien, nicht hergeleitet werden. Das Merkmal eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sei aufgrund bloßer Mitgliedschaft in der LPG nicht erfüllt.

Im Schriftsatz vom 06.03.2006 hat die Beklagte zum Urteil des BSG vom 08.09.2005 Stellung genommen. Dieses betreffe einen etwas anderen Sachverhalt. Auch bei Nachweis von erfüllten Normen könne nicht von einer ununterbrochenen Arbeit ausgegangen werden, da auch hier etwaige Arbeitsunterbrechungen nicht auszuschließen seien. Realisierte Normen ließen keine Rückschlüsse auf die Anzahl der Arbeitstage zu.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.06.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG A-Stadt sowie die Akte des BayLSG mit dem Az: L 19 R 748/05 ER vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel der Beklagten erweist sich als nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass bei der Altersrente der Klägerin die Zeiten vom 01.01.1966 bis 31.12.1967 als Beitragszeiten gemäß § 15 FRG zu 6/6 (ungekürzt) zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung des SG über die Vollanrechnung dieser Zeit ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das SG hat sich in zulässiger Weise auf die Rechtsprechung des BayLSG gestützt, hier insbesondere Urteil vom 21.07.1999, Az: L 20 RJ 620/93. Diese Entscheidung ist im Ergebnis durch das Urteil des BSG vom 08.09.2005, Az: B 13 RJ 44/04 bestätigt worden, mit dem die abweichende Entscheidung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 08.09.2004 aufgehoben wurde. Danach ist maßgeblich für die ungekürzte Anerkennung einer Beitragszeit gemäß § 15 FRG allein die ununterbrochene Mitgliedschaft in einer rumänischen LPG.
Diese Rechtsansicht wurde inzwischen in weiteren Entscheidungen des BayLSG vom 29.02.2008, Az: L 14 R 815/07 und auch des LSG Baden-Württemberg vom 26.05.2008, Az: L 2 R 6517/06 geteilt; die beiden Urteile sind, soweit bekannt, noch nicht rechtskräftig.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung der Beklagten aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs.2 SGG ab.

Da die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war, hat diese der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten, § 193 SGG.

Übereinstimmend mit der vom LSG Baden-Württemberg im vorgenannten Urteil geäußerten Auffassung geht auch der Senat davon aus, dass in der streitigen Rechtsfrage (über die ungekürzte Anerkennung von Beitragszeiten nach dem FRG aufgrund bloßer Mitgliedschaft in einer LPG) noch keine "gefestigte Rechtsprechung" vorliegt, sodass wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zuzulassen war.
Rechtskraft
Aus
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