L 10 AL 40/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 480/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 40/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 6/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.11.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1968 geborene Kläger, der eine Ausbildung zum Steueranwärter abgebrochen hat, bezog nach Ausschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) von der Beklagten u.a. vom 28.06.1994 bis 02.07.1994, vom 22.12.1994 bis 09.12.1995 und vom 03.02.2000 bis 02.04.2000 sowie vom 06.04.2000 bis 07.01.2001 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Vom 18.06.2001 bis 29.04.2002 erhielt er Unterhaltsgeld.

Bei seinen Anträgen hatte der Kläger lediglich Bescheinigungen über ein Bauspar-guthaben von 3.482,00 DM sowie einen Gewinnsparbrief im Wert von 370,00 DM (Antragstellung 1994) vorgelegt bzw. angegeben, über ein Bankguthaben von 300,00 DM bzw. 800,00 DM sowie ein Bausparguthaben in Höhe von 4.381,38 DM bzw. 5.685,51 DM (Antragstellung 1999 und 2000) zu verfügen.

Nachdem die Beklagte durch das Bundesamt für Finanzen von Freistellungsaufträgen des Klägers erfahren hatte und diesbezüglich beim Kläger mit Schreiben vom 28.11.2000 nachgefragt hatte, legte dieser verschiedene Bescheinigungen darüber vor, dass ihm das Geld nicht gehöre. Die Schwester M. S. (M.S.) bestätigte am 19.12.2000, dass der gesamte Betrag, welcher die Zinszahlung von 2.256,00 DM erbracht habe, ihr gehöre und nur aus steuerlichen Gründen vorübergehend auf den Namen des Klägers angelegt gewesen sei. Sie baue ein Einfamilienhaus, wozu der Gesamtbetrag benötigt werde. Der Vater des Klägers erklärte im Auftrag aller Familienmitglieder einschließlich der Mutter am 12.02.2001, das Vermögen von 75.500,00 DM habe dem Kläger nicht zugestanden, vielmehr habe er damit Mietrückstände an seine Schwester H. (H.) zu begleichen. Diese beliefen sich bis 01.05.2000 auf 32.000,00 DM. Außerdem müsse der Kläger noch Forderungen seiner Mutter wegen angefallener Kosten für seine Versorgung begleichen, die sich vom 01.01.1999 bis 01.12.2000 auf 15.000,00 DM summiert hätten. Am 01.06.2000 habe er einen Teil seiner Schuld gegenüber seiner Schwester H. und seiner Mutter (Miete und Verpflegungsentgelt) getilgt, indem er 40.000,00 DM der Hausbauerin M.S. zur Verfügung gestellt habe. 1987 seien 30.000,00 DM von der Mutter auf den Namen des Klägers angelegt worden, die dieser auf Weisung der Mutter jetzt an seine Nichte habe übertragen müssen.

Die Sparkasse O. bestätigte am 19.02.2001, dass am 02.06.2000 vom Konto des Klägers 30.000,00 DM zu Gunsten der Nichte T. S. (T.S.) umgebucht wurden und am selben Tag weitere 40.000,00 DM zu Gunsten eines auf den Namen des Klägers lautenden Sparkontos, das eine Laufzeit von 10 Jahren hatte. Dieses wurde am 05.12.2000 vom Kläger auf M.S. umgeschrieben.

Mit Bescheid vom 13.06.2001 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alhi mit Wirkung ab 08.01.2001 zurück. Mit weiterem Bescheid vom 21.06.2001 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 03.02.2000 bis 02.04.2000 und 06.04.2000 bis 07.01.2001 zurück. Unter Berücksichtigung des Freibetrags sei der Kläger für 82 Wochen nicht bedürftig. Die für die Zeit vom 03.02.2000 bis 07.01.2001 zu Unrecht überzahlten Leistungen in Höhe von 13.197,95 DM habe der Kläger zu erstatten. Auch habe er die überzahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 4.557,44 DM zu erstatten. Die Widersprüche hiergegen wurden am 19.07.2001 zurückgewiesen.

Nach der Klageerhebung (L 10 AL 383/01) nahm die Beklagte mit Bescheid vom 30.08.2001 auch die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 28.06.1994 bis 08.05.1995 zurück und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen und Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auch für diesen Zeitraum.

Das Sozialgericht (SG) wies die Klage mit Urteil vom 14.09.2004 ab, die Berufung hiergegen wurde mit Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 31.05.2005 zurückgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Bewilligung von Alhi gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen, denn die Bewilligungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Der Kläger trage die Beweislast dafür, dass er trotz der Inhaberschaft verschiedener Konten bedürftig war. Der Beweis dafür, dass die Gelder von Anfang an mit einer Rückzahlungspflicht verbunden gewesen seien, sei nicht geführt worden. Mangels vertraglicher Abreden und schriftlicher Vereinbarungen sei nicht davon auszugehen, dass eventuell bestehende Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Schwester (Miete) und Mutter (Verpflegung) unmittelbar auf dem Vermögen lasteten. Der Kläger habe grob fahrlässig falsche Angaben gemacht, da er bei seinen Anträgen die eigenen Konten nicht vollständig angegeben habe.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 11.08.2005 als unzulässig verworfen worden.

Während des laufenden Klageverfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger auf seine Anträge vom 09.04.2002, 11.04.2003 und 01.04.2004 hin mit Bescheid vom 16.05.2002 vorläufig Alhi für die Zeit ab 30.04.2002 und ohne Vorbehalt vom 26.04.2003 bis 29.04.2004 (Bescheide vom 16.04.2003 und 17.04.2003) sowie vom 30.04.2004 bis 31.12.2004 (Bescheid vom 05.04.2004). Der Vorbehalt betraf die für den Fall des Klageerfolgs erforderliche Anpassung der Leistung gemäß § 201 SGB III ab 08.01.2001.

Laut Antrag vom 09.04.2002 verfügte der Kläger über ein Girokonto mit einem Gesamtbetrag vom 977,09 EUR und ein Sparbuch über 255,07 EUR, lt. Antrag vom 11.04.2003 über ein Girokonto mit einem Gesamtbetrag von 490,67 EUR und ein Sparbuch über 130,42 EUR und lt. Antrag vom 01.04.2004 lediglich über ein Girokonto in Höhe von 762,00 EUR. In allen Fragebögen verneinte er die Frage nach der Übertragung von Vermögen an eine andere Person.

Nach der mündlichen Verhandlung am 25.05.2004 im Streitverfahren
S 10 AL 383/01, in der der Vater des Klägers als Zeuge einvernommen worden war, vermerkte der Sitzungsvertreter am 26.05.2004, das Vermögen sei nach wie vor vorhanden. Der Vater des Klägers habe erklärt, die im Jahr 2000 an T.S. und M.S. umgeschriebenen Vermögensbeträge seien weiterhin auf den Konten der Tochter und der Enkelin gebucht. Daraufhin erließ die Beklagte am 02.06.2004 einen Bescheid, worin sie die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 05.06.2004 zurücknahm. Entgegen seinen Angaben im Antrag auf Alhi vom 09.04.2002 habe er am 02.06.2000 Geldbeträge in Höhe von insgesamt 70.000,00 DM auf seine Schwester und Nichte übertragen. Diese Geldbeträge seien bei ihm als Vermögen zu berücksichtigen, weil er zivilrechtliche Rückforderungs- bzw. Rückübertragungsansprüche nach § 528 BGB habe. Unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 18.200,00 EUR (Stand: 30.04.2002) verbliebe somit ein Vermögen in Höhe von 17.590,43 EUR, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil er in seinem Antrag vom 09.04.2002 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe.

Den Widerspruch hiergegen verwarf die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2004 als unzulässig. Der neue Bescheid vom 02.06.2004 sei Gegenstand des Verfahrens S 10 AL 383/01.

Dagegen hat der Kläger am 09.07.2004 Klage erhoben (S 10 AL 480/04). Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 26.08.2004 die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 30.04.2002 bis 04.06.2004 zurückgenommen. Die zu Unrecht gezahlte Alhi in Höhe von 14.572,43 EUR sei zu erstatten. Die in der Zeit vom 30.04.2002 bis 04.06.2004 entrichteten Kranken-versicherungsbeiträge in Höhe von 2.164,19 EUR und die Pflegeversicherungsbei-träge in Höhe von 247,73 EUR seien ebenfalls zu erstatten. Ein Anspruch auf Alhi habe nicht bestanden, weil zivilrechtliche Rückforderungs- bzw. Rückübertragungsansprüche nach § 527 BGB bestünden. Dieser Bescheid sei Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.

Der Kläger hat seine Klage vom 06.07.2004 damit begründet, er habe niemals an jemand eine Schenkung begangen bzw. vollzogen. In der mündlichen Verhandlung am 14.09.2004, in der der Vater des Klägers erneut als Zeuge gehört worden ist, hat dieser angegeben, dass das Vermögen von knapp 30.000,00 DM zwar auf den Namen des Klägers angelegt worden sei, dies aber nur, um Einkommenssteuer der Mutter zu vermeiden. Der Vermögenszuwachs 1997 und 1998 sei auf den Arbeitsverdienst des Klägers zurückgegangen, habe diesem aber eigentlich nicht zugestanden, weil die Eltern eine Mietzinsforderung in Höhe von 4.000,00 DM jährlich erhoben hätten. Zudem habe wegen der Verpflegung des Klägers ein Anspruch in Höhe von 125,00 DM monatlich bestanden.

In der mündlichen Verhandlung am 27.11.2006 hat M.S. erklärt, sie werde trotz der Belehrung über ihre Zeugnispflicht nicht aussagen. Daraufhin hat das Gericht auf die Einvernahme verzichtet. Mit Urteil vom 27.11.2006 hat das SG Würzburg die Klage abgewiesen. Aus prozessökonomischen Gründen prüfe es den Bescheid vom 26.08.2004 mit. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide seien gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs.2 SGB III erfüllt. Das Gleiche gelte für die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der angefallenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gemäß § 335 Abs.1 SGB III. Wie bereits mit Urteil des SG vom 14.09.2004 und Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 31.05.2005 entschieden, sei das auf den Konten des Klägers angelegte Kapitalvermögen nach Abzug der Freibeträge als durch den Kläger verwertbares Vermögen zu berücksichtigen. Die am 02.06.2000 bzw. am 05.12.2000 erfolgten Umbuchungen verhinderten die Berücksichtigung als Kapitalvermögen nicht. Wenn der Arbeitslose einen vorzeitigen Vermögensverbrauch bewirke, sodass zum Zeitpunkt der Antragstellung kein zu berücksichtigendes Vermögen mehr vorhanden sei, sei es angemessen, den Bezugszeitpunkt für die Vermögensprüfung auf den Zeitpunkt vorzuverlegen, zu dem die entsprechende Vermögensdisposition stattgefunden habe. Insbesondere die Vermögensübertragung des Klägers im Dezember 2000 an seine Schwester in Höhe von 40.000,00 DM sei bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Beklagte Ermittlungen zur Höhe der auf den Namen des Klägers angelegten Vermögensbeträge aufgenommen hatte. Die vielfältigen Vermögensverschiebungen innerhalb der Familie seien offenkundig deshalb erfolgt, um dem Kläger seinen Anspruch auf Alhi trotz vorhandenen Kapitalvermögens zu sichern. Der Kläger habe die Beweislast dafür zu tragen, dass die Vermögensübertragungen auf die Nichte und Schwester zur Tilgung bestehender Verbindlichkeiten erfolgt seien und nicht aus dem Rechtsgrund einer Schenkung. An vertragliche Abreden im engen Familienkreis seien strenge Anforderungen zu stellen, die im vorliegenden Fall offenkundig nicht erfüllt seien. Insbesondere lägen schriftliche Darlehensabreden nicht vor.

Gegen das am 02.02.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.02.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, er habe seit dem Jahr 2000 weder Vermögen noch einen Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB. Tatsächlicher Eigentümer der zu Gunsten von T.S. umgebuchten 30.000,00 DM seien sein Vater und die zwischenzeitlich verstorbene Mutter gewesen. Aus steuerlichen Gründen sei das aus dem Verkauf eines Kiesabbaurechts stammende Geld auf dem Konto des Klägers "deponiert" worden, der zur damaligen Zeit 18 Jahre alt gewesen sei. Auch die Überragung der 40.000,00 DM an M.S. sei nicht als Schenkung erfolgt, sondern als familieninterner Ausgleich. Zudem habe er auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungen vertraut, die die Beklagte in Kenntnis des Sachverhalts bewilligt habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.11.2006 ebenso aufzuheben
wie den Bescheid der Beklagten vom 02.06.2004 in der Gestalt des Wider-
spruchsbescheides vom 29.06.2004 sowie den Bescheid vom 26.08.2004.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Bei beiden Vermögensübertragungen habe es sich um Schenkungen gehandelt, wie dies auch der 10.Senat des BayLSG in seinem Urteil vom 31.05.2005 festgestellt habe. Wegen der Vorläufigkeit der Bewilligung sei der Kläger gemäß § 328 Abs.3 S.2 SGB III verpflichtet, die erbrachten Leistungen zu erstatten. Er genieße keinen Vertrauensschutz gemäß § 45 SGB X. Er habe außerdem grob fahrlässig die Frage nach verschenktem oder übertragenem Vermögen mit "nein" beantwortet, sodass die Bewilligung gemäß § 330 SGB III aufzuheben gewesen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der erledigten Prozessakten L 10 AL 383/01 und L 10 AL 442/04, der Akten des SG Würzburg sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist nicht nur der Bescheid vom 02.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004, gegen den zulässig Klage erhoben worden ist. Gegenstand des Verfahrens ist auch der nach Klageerhebung erlassene Bescheid vom 26.08.2004, der den Bewilligungszeitraum vom 30.04.2002 bis 04.06.2004 erfasst. Das SG hat diesen Bescheid bewusst in das Klageverfahren mit einbezogen und die Beteiligten haben hiergegen keine Einwände erhoben. Zwar wird der Bescheid vom 02.06.2004 durch den Bescheid vom 26.08.2004 weder abgeändert noch ersetzt i.S. des § 96 SGG, jedoch ist diese Vorschrift aus prozesswirtschaftlichen Gründen entsprechend anzuwenden, wenn der spätere Bescheid im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergangen ist und ein streitiges Rechtsverhältnis regelt, das sich an den von dem angefochtenen Verwaltungsakt erfassten Zeitraum anschließt (BSGE 77, 175 mwN). Ausreichend ist ein innerer Zusammenhang zwischen den Verwaltungsakten, der es rechtfertigt, den späteren Verwaltungsakt kraft Gesetzes in das Verfahren einzubeziehen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, die Alhi für aufeinanderfolgende Zeiträume betreffen, deren Rechtmäßigkeit durch dieselbe falsche Angabe bei der Antragstellung beeinflusst sein kann.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Das Urteil des SG Würzburg vom 27.11.2006 ist im Ergebnis ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004 und der Bescheid vom 26.08.2004. Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 05.06.2004 sowie die Bewilligung vom 30.04.2002 bis 04.06.2004 zurückgenommen und den entsprechenden Betrag einschließlich der gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückgefordert. Dem Kläger stand ab 30.04.2002 kein Anspruch auf Alhi zu. Er hat insgesamt 16.984,35 EUR zu erstatten.

Die Beklagte kann sich hierbei nicht auf die Vorläufigkeit ihrer Bewilligungsbescheide berufen. Bei Abstellen auf den Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten bestanden für den Kläger keine Unklarheiten, dass lediglich die Anspruchshöhe der Leistung, nicht hingegen der Anspruch dem Grunde nach unter Vorbehalt festgestellt wurde.

Gemäß § 50 Abs.1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die Beklagte hat die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 30.04.2002 bis 04.06.2004 zurückgenommen. Diese Rücknahme war rechtmäßig.

Gemäß § 330 Abs.2 SGB III iVm § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X ist ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit zurückzunehmen. Die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Alhi mit Bescheiden vom 16.05.2002, 16.04.2003, 17.04.2003 und 05.04.2004 ergibt sich daraus, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt, in dem er Antrag auf Alhi gestellt hatte, über ein Vermögen in Höhe von zumindest 20.451,70 EUR verfügt hat. Die Anträge hatte er am 09.04.2002, 11.04.2003 und 01.04.2004 gestellt.

Anspruch auf Alhi haben Arbeitnehmer, die bedürftig sind (§ 190 Abs.1 Nr.5 SGB III in der bis 31.12.2004 maßgeblichen Fassung). Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs.2 SGB III a.F.). Entsprechend der in § 206 Nr.1 SGB III a.F. enthaltenen Ermächtigung bestimmt § 1 Abs.1 der Arbeitslosenhilfeverordnung vom 13.12.2001 (AlhiV 2002), dass das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen ist, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Dabei enthielt die AlhiV 2002 im Gegensatz zu § 9 AlhiVO 1974 keine Regelung zur Dauer der Berücksichtigung des Vermögens. Für den Anspruch auf Alhi war das tatsächlich vorhandene Vermögen maßgeblich. Ein fiktiver Verbrauch wie unter der Geltung des § 9 AlhiVO 1974 war nicht zu berücksichtigen. Die Übergansvorschrift des § 4 AlhiVO 2002 findet ebenfalls keine Anwendung.

Freibetrag ist ein Betrag von 520,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeits-losen (§ 1 Abs.2 Satz 1 AlhiV 2002). Zutreffend hat die Beklagte den dem Kläger zustehenden Freibetrag für die Zeit ab 30.04.2002 entsprechend seinem Lebensalter auf 18.200,00 EUR festgelegt. Gemäß § 4 der AlhiV belief sich dieser Freibetrag ab 11.03.2003 auf 18.720,00 EUR und für die Zeit ab 11.03.2004 auf 19.240,00 EUR. Während dieser gesamten Zeit verfügte der Kläger über ein Vermögen in Höhe von zumindest 20.451,70 EUR.

Zwar hat der Kläger bei seiner Antragstellung am 09.04.2002 lediglich angegeben, über ein Girokonto-Guthaben in Höhe von 977,09 EUR und ein Sparbuch über 255,07 DM zu verfügen. Bei der Antragstellung am 11.04.2003 belief sich sein Girokonto-Guthaben auf 490,67 EUR und der Wert des Sparbuchs auf 130,42 EUR. Am 05.04.2004 gab er an, lediglich über ein Girokontoguthaben in Höhe von
762,00 EUR zu verfügen. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass ihm auch das Verfügungsrecht über die 40.000,00 DM zustand, die er am 05.12.2000 auf den Namen seiner Schwester M.S. umgeschrieben hatte.

Der Kläger wehrt sich zu Recht dagegen, wenn ihm die Beklagte vorhält, dieses Geld habe er verschenkt. Die gesamten Umstände sprechen dafür, dass er dieses Geld seiner Schwester treuhänderisch übertragen hat, um es der Anrechenbarkeit von Seiten der Beklagten beim Bezug von Alhi zu entziehen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Umbuchung und der Aufforderung der Beklagten vom 28.11.2000, zur Klärung eines Freistellungsauftrags beizutragen. Wenige Tage später, nämlich am 05.12.2000 wurde der bei der Sparkasse E. ab 30.06.2000 für den Kläger langfristig angelegte Betrag von 40.000,00 DM auf den Namen der Schwester M.S. umgeschrieben.

Die vom Kläger und seiner Familie gegebenen Begründungen für die Übertragung des Vermögens sind nicht nachvollziehbar. Wie der 10.Senat bereits in seinem Urteil vom 31.05.2005 festgestellt hat, liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass dieses Geld von Anfang an der Schwester gehört haben soll. M.S. selbst hat sich geweigert, zur Aufklärung der Herkunft ihres angeblichen Rechts auf die 40.000,00 DM beizutragen. Zudem hat der Vater des Klägers ebenso wie der Kläger eingeräumt, das den von der Mutter erhaltenen Betrag in Höhe von 30.000,00 DM übersteigende Geld habe der Kläger aus Arbeitstätigkeit beziehungsweise Bezug von Alg und Alhi erzielt. Ausweislich der von der Sparkasse O. vorgelegten Kontenaufstellung sind die deutlichsten Vermögenszuwächse zwischen 31.12.1996 und 31.12.1998 erfolgt. Vom 01.09.1996 bis 30.04.1998 war der Kläger als kaufmännischer Angestellter, vom 16.06.1998 bis 27.07.1998 als Bürokaufmann tätig. Im Übrigen ist der Vermögenszuwachs zwischen 28.06.1994 und 03.02.2000 nicht linear erfolgt. Damit fehlt der Behauptung des Klägers, er habe regelmäßig Miete und Kostgeld gespart, der Beweis. Weiter ist bereits im Urteil L 10 AL 442/04 ausgeführt worden, es sei nicht zu erkennen, dass der Kläger bei der Schwester M.S. gewohnt habe. Tatsächlich hat er bei seiner Schwester H. gewohnt. Mietrückstände bestanden daher allenfalls gegenüber der Schwester H., nicht aber gegenüber M.S., der er das Geld am 05.12.2000 übertragen hat.

Wenn der Vater vorträgt, es habe sich um Mietrückstände gegenüber den Eltern gehandelt, weil dem Kläger lt. Pachtvertrag von 1992 kein unentgeltliches Wohnrecht zugestanden habe, hätte es nahe gelegen, das Geld den Eltern zu überweisen. Dies ist aber nicht geschehen.

Vor allem aber bestehen Zweifel am Bestehen von Mietschulden und Schulden gegenüber der Mutter wegen Verköstigung deshalb, weil der Kläger trotz Bezugs laufender Leistungen die angeblichen Verbindlichkeiten nicht monatlich beglichen hat. Er verfügte in der Vergangenheit entweder über Arbeitseinkommen oder Leistungen der Beklagten, sodass es ihm ohne Weiteres möglich gewesen wäre, angebliche Mietforderungen bzw. Forderungen seiner Mutter wegen Beköstigung zu begleichen. Wenn die Forderungen wegen seiner Arbeitslosigkeit gestundet waren, wie dies vom Kläger behauptet wird, bedarf der Zeitpunkt der angeblichen Forderungsbegleichung während des Arbeitslosenhilfebezugs einer nachvollziehbaren Begründung. Eine solche ist nicht erfolgt.

Der Kläger trägt vor, er habe am 01.06.2000 einen Teil der Schuld im Zusammen-hang mit dem Hausbau seiner Schwester M.S. getilgt und dieser 40.000,00 DM zur Verfügung gestellt. Diese hat am 19.12.2000 bestätigt, den Gesamtbetrag für den Ausbau des bereits im Rohbau befindlichen Einfamilienhauses zu benötigen. Tatsächlich wurden aber die 40.000,00 DM, die ab 30.06.2000 auf den Namen des Klägers für 10 Jahre festgelegt worden waren, nicht gekündigt, sondern am 05.12.2000 lediglich auf den Namen der Schwester umgeschrieben. Sie wurden auch in der Folge nicht für den Hausbau ausgegeben, denn wie der Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2004 erklärte, befand sich das Geld nach wie vor auf dem umgeschriebenen Konto. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der Kläger im Hinblick auf den gewünschten Alhi-Bezug sein Vermögen an die Schwester mit der Maßgabe übertragen hat, die ihr überlassenen 40.000,00 DM in ihrem Bestand zu sichern und zu erhalten. Dabei handelt es sich um ein Treuhandverhältnis, wie er es behauptet selbst gegenüber seiner Mutter begründet zu haben. Diese Art der Vermögensverwaltung ist innerhalb der Familie nicht unbekannt.

Es mag sein, dass der Kläger sich verpflichtet fühlt, im Fall der Pflegebedürftigkeit seiner Eltern finanziell zu deren Versorgung beizutragen und er sich dadurch gehindert sieht, über das Vermögen zu verfügen. Als Vermögen iS der Alhi-Vor- schriften ist jedoch grundsätzlich nur die Summe der aktiven Vermögenswerte anzusehen. Etwas anderes gilt nur, wenn Verbindlichkeiten unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lasten (BSG vom 25.03.1999 - B 7 AL 28/98 R = BSGE 84, 48). Dies setzt jedoch einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen dem Vermögenserwerb - hier des Kapitalvermögens - und der Verbindlichkeiten - hier der Alterssicherungsbetrag für die Eltern - voraus. Ein solcher Zusammenhang liegt jedoch nicht vor. Der eigenen Altersvorsorge des Klägers wird mit dem bereits genannten Freibetrag von zuletzt 19.240,00 EUR Rechnung getragen.

Ob das behauptete Treuhandverhältnis mit der Mutter wegen der bereits 1987 auf den Namen des Klägers angelegten 30.000,00 DM tatsächlich bestanden hat, ist zwar nicht erwiesen, ist dem Kläger hingegen auch nicht zu widerlegen. Jedenfalls ist kein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme von Alhi und der Vermögensübertragung am 02.06.2000 vorhanden. Die Familie hat wiederholt beteuert, die 30.000,00 DM hätten eigentlich der Mutter zugestanden und wären nur aus steuerlichen Gründen auf den Namen des Klägers angelegt worden. Die Herkunft aus dem Verkauf eines den Eltern zustehenden Kiesausbeuterechts ist gesichert. Wenn dieses Geld auf Weisung der Mutter schließlich auf deren Enkelin übertragen wurde, erscheint dies nachvollziehbar. Ungeachtet dessen war der Kläger aber wegen der Forderungsinhaberschaft über 40.000,00 DM (= 20.451,70 EUR) nicht bedürftig. Alhi stand ihm nicht zu.

Mit Wirkung für die Vergangenheit kann der rechtswidrige, begünstigende Verwal-tungsakt nur im Fall der Bösgläubigkeit zurückgenommen werden (§ 45 Abs.2 Satz 3 SGB X). Der Kläger genießt keinen Vertrauensschutz.

Hat der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht, ist sein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes in der Regel schutzwürdig (§ 45 Abs.2 Satz 1 und 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat,
oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs.2 Satz 3 SGB X).

Der Kläger hat bei seiner Antragstellung in den Jahren 2002 bis 2004 lediglich die auf seinen Namen lautenden Konten angegeben. Die Frage, ob er Vermögen verschenkt oder gespendet oder einer anderen Person übertragen habe, hat er jeweils verneint. Damit hat er vorsätzlich gegen seine Pflicht verstoßen, wahrheits-gemäß Angaben über seine Vermögensverhältnisse zu geben. Die unterlassene Mitteilung war auch kausal dafür, dass dem Kläger Leistungen bewilligt wurden. Zwar wusste die Beklagte bereits seit Anfang 2001, dass der Kläger 40.000,00 DM an seine Schwester übertragen hatte. Erst in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2004 wurde jedoch deutlich, dass das Geld nach wie vor vorhanden war. Bis dahin musste die Beklagte aufgrund der Einlassung der M.S. davon ausgehen, dass das Geld zum Hausbau benötigt und entsprechend verbraucht wurde. Die Angaben des Klägers waren also von Anfang an unvollständig, bis heute behauptet der Kläger nach wie vor, keinen Zugriff auf die 40.000,00 DM zu haben. Hingegen ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger die 40.000,00 DM seiner Schwester lediglich treuhänderisch übertragen hat und dies bewusst verschweigt.

Die Beklagte hat auch die Einjahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X eingehalten. Die Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Von der relevanten Tatsache, dass das Geld nicht für den Hausbau verwendet wurde, sondern sich nach wie vor auf dem Konto der Schwester M.S. befand, hat die Beklagte erst anlässlich der Zeugniseinvernahme des Vaters des Klägers im Mai 2004 erfahren. Bereits am 09.08.2004 erfolgte die Anhörung und am 26.08.2004 wurde der Rücknahme- und Erstattungsbescheid erlassen.

Weil die Voraussetzungen des § 45 Abs.3 Satz 3 SGB X vorliegen, ist die Zwei-jahresfrist des § 45 Abs.3 Satz 1 SGB X ohne Relevanz. Schließlich begegnet auch die Rücknahme für die Zukunft, nämlich ab 05.06.2004 (Bescheid vom 02.06.2004 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004) keinen Bedenken.

Im Hinblick auf die berechtigte Rückforderung der Alhi als Hauptleistung sind auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Nebenleistung zu erstatten (§ 335 SGB III).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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