L 12 KA 397/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 KA 2493/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 397/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juli 2004 hinsichtlich der Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen im Quartal 1/01 aufgehoben und die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um die Rechtmäßigkeit einer Umlage.
Der Kläger nimmt als Internist in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In seinem Honorarbescheid für das erste Quartal 2001 vom 26. Juli 2001 sind u.a. eine Umlage für Bereitschaftsdienst und eine Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen ausgewiesen, letztere in Höhe von 194,84 DM.
Der Kläger hat gegen den Honorarbescheid Widerspruch eingelegt, der sich insbesondere gegen die genannten Umlagen richtete. Zur Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen schrieb er zur Begründung, er wisse gar nicht, wofür dieser Betrag sein solle.

Die Beklagte hat die verschiedenen Widerspruchsgegenstände aufgetrennt und den Widerspruch hinsichtlich der Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2002 zurückgewiesen. In der Begründung verweist sie auf § 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wonach die Satzung einer Kassenärztlichen Vereinigung Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthalten müsse. Die Beklagte erhebe gemäß § 15 Abs. 1 bis 3 ihrer Satzung zur Durchführung ihrer Aufgaben von den Mitgliedern Verwaltungskostenanteile (Beiträge), Gebühren für besonders aufwendige Verwaltungstätigkeiten sowie Nutzungsentgelt für die von den Vertragsärzten im Rahmen des Notfalldienstes in Anspruch genommenen Einrichtungen. Ferner werde gemäß § 1 2. Spiegelstrich der Beitrags-/Umlagen-/Gebührenordnung der Beklagten (BUGO) i.V.m. § 15 Abs. 2 der Satzung eine Umlage in einem Vom-Hundert-Satz der Vergütung aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erhoben, insbesondere für die Organisation und Durchführung des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes. Hierauf gestützt sei außerdem in den Quartalen 4/00 bis 3/01 zur Finanzierung der sonstigen Sicherstellungsmaßnahmen eine Umlage erhoben worden (Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen). Hierunter fielen nur Kosten für strukturfördernde Maßnahmen, die ausschließlich auf die regionalen besonderen Versorgungsstrukturen zurückzuführen seien (Bereitschaftspraxen, Einsatzzentrale, Organisation des Bereitschaftsdienstes, Praxisnetze usw.). Diese Regelungsziele seien zulässig gewesen und die Umlage zur Erreichung der Ziele geeignet und verhältnismäßig. Da die Verwaltungskostenanteile (Beiträge) gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 der Satzung insbesondere der Bestreitung der Verwaltungsaufgaben dienten und § 1 Satz 4 Nr. 2.1 BUGO die Erhebung einer Umlage für Organisation und Durchführung des vertragsärztlichen Notfalldienstes vorsehe, sei die hier zur Finanzierung der sonstigen Sicherstellungsmaßnahmen zweckgebundene erhobene und verwendete Umlagenfinanzierung auf der Grundlage des § 1 Satz 1 2. Spiegelstrich BUGO ebenfalls zulässig gewesen. Die Höhe der Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen habe die Vertreterversammlung am 25.11.2000 für das Geschäftsjahr 2001 gemäß § 15 Abs. 2 der Satzung im Rahmen der Genehmigung des jeweiligen Haushaltsplanes festgelegt. Die Festlegung sei nach § 15 Abs. 2 der Satzung i.V.m. § 5 Nr.2 BUGO bezirksstellenspezifisch in einem Vom-Hundert-Satz der Vergütung aus der vertragsärztlichen/vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit erfolgt. Für die Bezirksstelle Oberfranken habe der Umlagensatz 0,198 % betragen. Der Finanzbedarf für diese Umlage sei von Bezirksstelle zu Bezirksstelle unterschiedlich gewesen, was auf die regional unterschiedlichen besonderen Versorgungsstrukturen (Bereitschaftspraxen, Einsatzzentrale, Organisation des Bereitschaftsdienstes, Praxisnetze usw.) in den Bezirksstellen zurückzuführen sei.

Bezüglich der Umlage zur Förderung der Allgemeinmedizin wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheide vom 15. Februar 2002 bzw. 29. April 2003 zurückgewiesen.

Der Kläger hat gegen die Widerspruchsbescheide jeweils Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Dieses hat die Klagen mit einer weiteren Klage betreffend eine Umlage zur Förderung der Allgemeinmedizin im Quartal 4/00 verbunden und mit Urteil vom 27. Juli 2004 den Honorarbescheid vom 26. Juli 2001 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide bezüglich der Umlagen für Bereitschaftsdienst und für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen aufgehoben und die Klagen im Übrigen abgewiesen. Zugleich hat es die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Aufhebung der Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen hat das SG ausgeführt, zwar erlaube § 15 Abs. 1 der Satzung, hier konkretisiert durch § 1 Ziffer 2 BUGO i.V.m. § 15 Abs. 3 der Satzung grundsätzlich eine Umlage für die Vorhaltekosten der von der Beklagten geschaffenen Einrichtungen bei Notfallversorgung. Allerdings verstoße eine Differenzierung der Umlagenhöhe nach regionalen Gesichtspunkten mithin nach der Kostenbelastung für die örtlich unterhaltenen Notfalleinrichtungen auf dem jeweiligen Bezirksstellengebiet gegen Art. 3 Grundgesetz. Zwar möge es zutreffen, dass nach der Siedlungsstruktur der einzelnen bayerischen Regierungsbezirke unterschiedliche Kosten für Einrichtungen der Notfallversorgung entstünden, weil diese in unterschiedlichem Ausmaß geschaffen und erforderlich seien, letztlich weil die Niedergelassenen durch vermehrte Tätigkeit außerhalb des Bereitschaftsdienstes diesen zu verringern helfen würden. Es möge auch zutreffen, dass die örtlich ansässigen Vertragsärzte in unterschiedlichem Maße von den Einrichtungen profitierten, weil sie beispielsweise außerhalb der Sprechstunden und an Wochenenden seltener in Anspruch genommen würden. Gleichwohl dürfe die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen eines Umlagemaßstabes nicht die Vertragsärzte eines Teilgebiets wegen Verschiedenartigkeit der Versorgungsnotwendigkeiten stärker belasten, weil dort höhere Kosten als anderenorts verursacht würden.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 9. Dezember 2004 zugestellte Urteil am 22. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Der Senat hat die vom SG verbundenen Verfahren wieder aufgetrennt. Vorliegend geht es um die Umlage wegen sonstiger Sicherstellungsmaßnahmen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mitgeteilt, dass, wenn die streitgegenständliche Umlage zu einem landesweit einheitlichen Prozentsatz erhoben worden wäre, dieser bei 0.264 % gelegen hätte.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juli 2004 hinsichtlich der Umlage für allgemeine Sicherstellungsmaßnahmen aufzuheben.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Dem Senat liegen die Akten der Beklagten, des SG München und die Berufungsakte vor, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist zulässig, weil sie vom SG gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zugelassen wurde.

Die Berufung erweist sich auch als begründet. Die Berechtigung der Beklagten, von der Abrechnung des Klägers neben allgemeinen Verwaltungskosten auch eine Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen abzuziehen, resultiert aus § 15 Abs.1 Satz 1 der bis zum 25. August 2002 geltenden Satzung der Beklagten vom 1. April 1956, i.d.F. des Beschlusses der Vertreterversammlung von 28. Juni 2000 i.V.m. § 1 Satz 4 Ziff.2, § 5 Ziff.2 BUGO.

Nach den vorgenannten Satzungsbestimmungen erhebt die Beklagte zur Durchführung ihrer Aufgaben von den Mitgliedern Beiträge (Verwaltungskostenanteile), die in einem vom-Hundert-Satz der Vergütung aus ärztlicher Tätigkeit bestehen und von den in den Honorarbescheiden festgesetzten Honoraren abgezogen werden (§ 15 Abs.1 Satzung). Der Senat hat bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 16. Mai 2007 (L 12 KA 236/04), entschieden, dass nach § 15 Abs.1 Satz 1 der Satzung auch die Erhebung von Umlagen grundsätzlich möglich ist, denn die dort verwendete Formulierung "Verwaltungskostenanteile (Beiträge)" knüpft nicht an den Beitragsbegriff im Sinne der Erhebung der allgemeinen Verwaltungskosten an, sondern versteht sich als Oberbegriff, der sowohl die Verwaltungskostenerhebung im engeren Sinne als auch die Erhebung von Umlagen erfasst (vgl. auch Urteil des Senats vom 28. Februar 2007, L 12 KA 620/04). Bezüglich der Umlagen hat die Beklagte darüber hinaus in § 1 Satz 4 Ziff.2.1 der noch auf der Grundlage des § 15 Abs.1 der Satzung erlassenen BUGO festgelegt, dass Umlagen in einem Hundertsatz aus der vertragsärztlichen Vergütung erhoben werden insbesondere für Maßnahmen bzw. Investitionen zur Sicherstellung der Versorgung (insbesondere Organisation und Durchführung des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes und der Errichtung von Bereitschaftspraxen).
Auf dieser Grundlage hält der Senat die Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen für rechtlich nicht zu beanstanden. Bei den im Widerspruchsbescheid im Einzelnen aufgeführten Verwendungszwecken ist ein nachvollziehbarer Bezug zur Notfallversorgung, insbesondere zum Bereitschaftsdienst und zu der Errichtung von Bereitschaftspraxen erkennbar, was ohne Zweifel in den unmittelbaren Bereich der Sicherstellung fällt und deshalb vom Regelungsbereich des § 1 Satz 4 Ziff.2.1 BUGO erfasst wird.

Zwar hat der Senat mit Urteil vom 28. März 2007 (L 12 KA 361/04) entschieden, dass die Erhebung einer Umlage für den Bereitschaftsdienst in je nach Bezirksstellenzugehörigkeit des Arztes unterschiedlicher prozentualer Höhe des zur Abrechnung gelangten Honorars unzulässig ist. Die dagegen von Seiten der Beklagten erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 28. November 2007 (B 6 KA 40/07 B) zurückgewiesen. Die dortigen Erwägungen sieht der Senat auch für die hier streitige Umlage für sonstige Sicherstellungsmaßnahmen, bei denen nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid im Wesentlichen um Belange der Notfallversorgung bzw. des Bereitschaftsdienstes geht, als grundsätzlich einschlägig an. Die Folge davon ist aber, dass die Umlage nicht bezirksstellenbezogen sondern bayerneinheitlich hätte erhoben werden können. Mit einer Entscheidung in diesem Sinne wäre dem Kläger nicht gedient, da der Erhebungssatz der Umlage im Bereich der für den Kläger zuständigen Bezirkstelle Oberfranken mit 0,198 % besonders günstig war, und insbesondere deutlich unter dem sich bei Zugrundelegung des bayerischen Gesamtbedarfes ergebenden Umlagesatz von 0,264 % lag. Wäre also die Umlage, wie vom Senat in der o.g. Entscheidung gefordert, bayernweit erhoben worden, wäre dies für den Kläger ungünstiger gewesen.
Der Kläger ist demnach durch die bezirkstellenspezifische Erhebung nicht beschwert, sodass sich die Klage als insoweit unzulässig erweist.
Das die Umlage aufhebende Urteil des SG war deshalb auf die Berufung der Beklagten hin in diesem Punkt, der allein Gegenstand dieses Verfahrens ist, aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Das BSG hat sich mit der Umlagenproblematik bereits mit Beschluss vom 28. November 2007 (B 6 KA 40/07 B) beschäftigt. Die streitgegenständliche Umlage wird bereits seit ca. fünf Jahren nicht mehr erhoben. BUGO und Satzung wurden zwischenzeitlich geändert.
Rechtskraft
Aus
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