L 1 R 102/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 5581/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 102/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, ob die Klägerin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist.

Die 1943 geborene Klägerin stellte am 29. Mai 1999 einen Antrag auf Pflichtversicherung als selbstständig tätige Dozentin. In den Zeiten vom 2. bis 28. März 1999 und vom 13. April bis 18. Mai 1999 habe sie Honorartätigkeiten als Dozentin an den Volkshochschulen (VHS) A-Stadt und L. und am Zentrum der Familie E. ausgeübt. Vom 29. März bis 12. April 1999 und nach dem 19. Mai 1999 sei sie arbeitslos gemeldet gewesen. Sie übersandte den Lehrauftrag mit der M. Volkshochschule GmbH (im Folgenden: VHS A-Stadt) vom 25. Januar 1999 sowie eine Vereinbarung mit der VHS L. e.V. (im Folgenden: VHS L.) vom 11. Januar 1999. Dort übernahm sie als Kursleiterin die Lehrtätigkeit in den Veranstaltungen "Die Wolfsfrau wecken" und "Familienstellen nach B. Hellinger". Die VHS A-Stadt bestätigte ferner, dass die Klägerin einen Kurs vom 2. März bis 18. Mai 1999 als freie Mitarbeiterin geführt habe (10 Tage mit 15 Doppelstunden, Gesamthonorar: 1.170,00 DM). Die VHS L. bestätigte eine Tätigkeit als freiberufliche Mitarbeiterin für zwei Wochenendseminare (Gesamthonorar: 1.600,00 DM). Das Zentrum der Familie E. bescheinigte ein Honorar von 1.700,00 DM für die Zeit vom 2. bis 28. März 1999 und vom 13. April bis 18. Mai 1999.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 1999 bestätigte die Beklagte eine Versicherungspflicht für die Zeit vom 2. bis 28. März 1999 und vom 13. April bis 18. Mai 1999 nach § 2 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI). Den Gesamtbeitrag setzte sie auf
918,84 DM (entspricht 469,80 EUR) fest.

Am 17. April 2000 übersandte die Klägerin weitere Nachweise der VHS A-Stadt und des Zentrums der Familie E. für die Zeit vom 24. November bis 21. Dezember 1999 und vom 12. Januar bis 2. Februar 2000 sowie der VHS L., der VHS K. e.V. (im Folgenden: VHS K.) und des Zentrums der Familie E. für die Zeit vom 18. Januar bis 28. März 2000. Mit Bescheid vom 30. Mai 2000 bestätigte die Beklagte auch diese Zeiten als versicherungspflichtig und setzte die Beiträge auf 1.366,82 DM (entspricht 698,84 EUR) fest.

Für das zweite Quartal 2000 gab die Klägerin am 11. Oktober 2000 an, weitere Einkünfte als Dozentin im Mai 2000 bei der VHS A-Stadt (3. bis 31. Mai 2000), der VHS K. (2. und 22. Mai 2000) und der VHS L. (27. und 28. Mai 2000) gehabt zu haben. Nur in diesem Monat sei sie regelmäßig mehr als 15 Wochenstunden selbstständig tätig gewesen. In den übrigen Monaten sowie im dritten Quartal 2000 sei sie mit entweder nur 14 oder drei Wochenstunden unregelmäßig selbstständig tätig gewesen (VHS A-Stadt: 7. Juni 2000; VHS L.: 15./16. April 2000, 15./16. Juli 2000). Insoweit bestehe nach §§ 8 Abs. 3, 5 Abs. 2 Nr. 2 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) Versicherungsfreiheit. Die Beklagte setzte dennoch die Versicherungspflicht mit Bescheid vom 18. Juni 2001 für die Zeit vom 15. und 16. April 2000, 2. bis 31. Mai 2000 und vom 15. und 16. Juli 2000 fest. Der Gesamtbeitrag belaufe sich auf 475,08 DM (entspricht 242,90 EUR). Nur im Juni 2000 sei die selbstständige Tätigkeit geringfügig und somit versicherungsfrei gewesen.

Mit Widerspruch vom 12. Juli 2001 machte die Klägerin geltend, sie sei nicht Lehrerin, sondern Diplom-Psychologin. Als solche übe sie eine selbstständige Tätigkeit aus. Sie halte sich deshalb nicht für versicherungspflichtig. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2002 zurück. Die Klägerin sei als selbstständig tätige Lehrerin versicherungspflichtig gemäß § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Sie sei in den festgestellten Zeiten als Honorarkraft und Dozentin an verschiedenen Volkshochschulen tätig gewesen.

Am 1. August 2002 beantragte die Klägerin eine Prüfung der Versicherungsunterlagen gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie gehöre nicht zu dem Personenkreis des § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Es handele sich nicht um eine lehrende, sondern um eine therapeutische Tätigkeit. Sie führe Familienaufstellungen bzw. Selbsterfahrungsgruppen durch. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. November 2002 ab. Bei den Tätigkeiten handele es sich um eine Lehrtätigkeit. Die Kursteilnehmer sollten befähigt werden, bestimmte Situationen im eigenen Leben besser zu erkennen und zu bewältigen. Die Tätigkeit diene insoweit der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten. Abzustellen sei nicht auf die Ausbildung des Lehrenden, sondern auf die Merkmale der Tätigkeit.

Zur Begründung des Widerspruchs brachte die Klägerin vor, bei der an den Volkshochschulen durchgeführten systemischen Aufstellungen nach Bert Hellinger handele es sich nach einer Stellungnahme des Bayer. Volkshochschulenverbandes e.V. (bvv) um eine Therapie und nicht um eine übliche Gesundheitsbildung im Rahmen des Volkshochschulprogramms. Aus diesem Grund sei den Volkshochschulen nahe gelegt worden, derartige Veranstaltungen aus dem Programm der Volkshochschulen zu streichen. Der bvv hatte am 18. Februar 2003 zu den Familienaufstellungen im Rahmen der VHS-Programme Stellung genommen und ausgeführt, die Gesundheitsbildung an Volkshochschulen müsse sich ihrem Verständnis und ihrem Auftrag nach grundsätzlich von der Therapie abgrenzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Lehrauftrag habe darin bestanden, über die psychotherapeutische Methode im Rahmen der Gesundheitsbildung zu informieren. Dies gehe aus der Stellungnahme des bvv eindeutig hervor. Die Tätigkeit habe der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten gedient und sei somit als Lehrtätigkeit anzusehen.

Am 31. März 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Altersrente. Mit Bescheid vom
13. November 2003 gewährte die Beklagte vorläufig eine Altersrente für Frauen ab 1. Oktober 2003. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die bereits gezahlten Pflichtbeiträge aufgrund der Annahme der selbstständigen Tätigkeit als Lehrerin seien nicht berücksichtigt. Sie erklärte sich damit einverstanden, das Widerspruchsverfahren bis zur Entscheidung über die Versicherungspflicht ruhen zu lassen.

Mit der Klage zum Sozialgericht München beantragte die Klägerin, die früheren Bescheide seit 8. Dezember 1999 aufzuheben und die bereits geleisteten Beiträge zurück zu zahlen. Bei der von ihr ausgeübten Tätigkeit handele es sich nicht um eine lehrende Tätigkeit, sondern um eine therapeutische. Die durchgeführten Familienaufstellungen bzw. Selbsterfahrungsgruppen seien anerkannte Therapieformen der Psychotherapie. Als ausgebildete Diplompsychologin sei sie auch befähigt, entsprechende Therapien durchzuführen. In den Seminaren sei es nicht darum gegangen, Wissen hinsichtlich der Hintergründe oder der Durchführung zu vermitteln. Vielmehr seien Familienaufstellung durchgeführt worden, um den Teilnehmern dadurch eine Bearbeitung ihrer Probleme zu ermöglichen. Da an einigen Volkshochschulen praktisch Aufstellungen durchgeführt worden seien, sei dieses Angebot aufgrund der Stellungnahme des bvv aus dem Programm genommen worden, nicht jedoch bei allen Volkshochschulen. Nur eine der Volkshochschulen, an denen sie tätig gewesen sei, habe diese Veranstaltungen aus dem Programm genommen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 31. Juli 2007 ab. Zwar könnten die Grenzen zwischen therapeutischen und lehrenden Tätigkeiten fließend sein. Je mehr der heilende Effekt im Rahmen der Kommunikation zwischen Therapeuten und Patienten stattfinde, desto mehr spreche für eine therapeutische Tätigkeit. Je größer der Eigenanteil des Patienten am Herbeiführen des Heilungsergebnisse sei, desto mehr spreche für eine Lehrtätigkeit. Im psychischen Bereich dürfte darauf abzustellen sein, dass, je mehr die helfende Person individuell auf den Patienten eingehe und konkrete Ratschläge gebe, desto mehr für eine Therapietätigkeit spreche. Je allgemeiner und unindividueller die Wissensvermittlung zur Bewältigung von Problemen sei, desto mehr spreche für eine Lehrtätigkeit. In der mündlichen Verhandlung habe die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, es würden keine konkreten Ratschläge für Verhaltensweisen erteilt. Die Teilnehmer sollten lediglich in die Lage versetzt werden, nach Bewusstmachung ihrer Situation selbst neue Verhaltensweisen herauszufinden und diese anzuwenden. Der überwiegende aktive Teil zur Herbeiführung einer Problembewältigung und größeren Zufriedenheit liege deshalb bei den Teilnehmern selbst. Die Tätigkeit der Klägerin beschränke sich im Wesentlichen auf die Vermittlung von Wissen, das die Teilnehmer dann in der Lage versetze, den überwiegenden Teil der Heilung selbst durchzuführen. Es sei daher von einer Lehrtätigkeit auszugehen.

Die Klägerin hat zur Begründung der Berufung vorgebracht, das Sozialgericht nehme eine unzutreffende Rechtsauslegung vor. Führte man die Argumentation konsequent fort, wäre jegliche therapeutische Tätigkeit auch eine lehrende Tätigkeit, weil jeder Therapeut (oder auch ein Arzt) in jeder Therapiestunde dem Klienten Kenntnisse und Fähigkeiten vermittele, die der Betroffene dann außerhalb des "Unterrichts" anwenden könne. Ferner hat sie auf die Stellungnahme des bvv verwiesen. Der Anteil der von ihr als "Therapiestunden" bezeichneten Stunden an den gesamten Zeitstunden sei bei allen von ihr durchgeführten Kursen deutlich höher als der lehrende Theorieteil.

Der Senat hat eine Auskunft der VHS L. vom 26. Mai 2008 eingeholt, die auf die Kursbeschreibungen verwiesen hat. Die VHS K. hat mit Schreiben vom Mai 2008 auf die Seminarbeschreibung "Familienstellen nach Bert Hellinger" verwiesen und mitgeteilt, dass aufgrund der Information durch den bvv dieses Seminar eingestellt worden sei, da die Klägerin in ihren Seminaren praktisch mit den Teilnehmern gearbeitet habe. Die VHS A-Stadt hat auf die Kursbeschreibung "Die "Wolfsfrau wecken" hingewiesen. Das Zentrum der Familie E. hat ebenfalls die Kursbeschreibungen übersandt.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Beschreibungen der Seminare ließen nicht erkennen, dass diese als Einladungen an therapiebedürftige Menschen zu verstehen seien. Ihnen sei nicht zu entnehmen, dass die Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer individuelle therapeutische Maßnahmen zu erwarten hätten. Dies ergebe sich im Übrigen auch aus dem Begriff der Volkshochschule. Es werde nicht in Frage gestellt, dass die in den Veranstaltungen vorgestellten und praktizierten Methoden zu Therapiezwecken eingesetzt werden können. Es könne nicht beurteilt werden, inwieweit die Klägerin ihren Auftrag von sich aus anders interpretiert habe. Erkennbar und nachgewiesen sei jedoch nur die Tatsache, dass die Veranstaltungen im Wesentlichen der Vermittlung von Wissen dienten und nicht der Heilung. Aus den Empfehlungen des bvv gehe nicht hervor, dass die therapeutische Arbeit die überwiegenden Tätigkeitsinhalten gewesen seien.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 31. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 8. Dezember 1999, 30. Mai 2000 und 18. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2002 aufzuheben und die bereits geleisteten Beiträge an die Klägerin zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand der Berufung ist nur der Bescheid vom 20. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2004, mit dem die Beklagte im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X eine Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide vom 8. Dezember 1999, 30. Mai 2000 und 18. Juni 2001, letzteren in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2002, ablehnte. Inhaltlich ist die grundsätzliche Frage des Vorliegens einer Versicherungspflicht streitig.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 1
SGB X. Die genannten Bescheide der Beklagten, mit denen die Beklagte eine Versicherungspflicht feststellte und die Beiträge festsetzte, sind jedoch nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Die Behörde ist von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, wenn sie ihre Entscheidung auf tatsächliche Umstände gestützt hat, die sich nachträglich als falsch herausstellten (vgl. Pickel/Marschner, SGB X, § 44 Rdnr. 26). Dies kann sich insbesondere aufgrund neuer Tatsachenkenntnis oder aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ergeben. Jedenfalls dann, wenn sich die Beklagte nicht auf die Bindungswirkung des Ausgangsbescheides berief, sondern die Richtigkeit dieses Bescheides vollständig überprüfte, ist die Entscheidung der Beklagten auch im gerichtlichen Verfahren voll zu überprüfen (.a. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 9. Mai 2003, Az.: L 16/12 U 19/02).

Vorliegend ist die Versicherungspflicht der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Dozentin in dem Zeitraum von 2. März 1999 bis 16. Juli 2000 umstritten.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin jeweils um eine selbstständige Tätigkeit handelte und somit keine Beschäftigung nach § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen hat. Dies ist auch im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG nicht zu beanstanden, da entsprechend der vertraglichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Durchführung der Dozententätigkeit an den Volkshochschulen eine abhängige Beschäftigung auszuschließen ist. Die Klägerin war als "Kursleiterin" bzw. "freie Mitarbeiterin" tätig. Dem lag ausdrücklich kein Arbeitsvertrag, sondern z.B. ein Lehrauftrag (Rahmenvertrag) mit der VHS A-Stadt bzw. eine Vereinbarung über eine selbstständige Tätigkeit mit der VHS L. zugrunde. Sie enthält ein Honorar für geleistete Stunden bzw. Wochenendseminare. Beitragsleistungen zur Sozialversicherung wurden nicht übernommen. Ein Urlaubsanspruch wurde nicht geregelt. Die Tätigkeit der Kursleiterin wurde in wirtschaftlicher und persönlicher Selbstständigkeit und Unabhängigkeit ausgeübt (z.B. § 2 Nr. der Vereinbarung mit der VHS L.). Die Arbeitszeit war mit Wochenendseminaren oder einzelnen Seminaren gering, d.h. die Arbeitskraft wurde nicht überwiegend beansprucht (vgl. § 2 Nr. 1 der Vereinbarung mit der VHS L.). Wesentliche für eine abhängige Tätigkeit sprechende Indizien wie die Weisungsgebundenheit, die Eingliederung in den Betrieb und die Verpflichtung, die gesamte Arbeitskraft einzubringen, sind damit nicht erfüllt (zur VHS-Dozententätigkeit.a.: Bundessozialgericht (BSG) vom 12. Februar 2004, Az.: B 12 KR 26/02, veröffentlicht z.B. in: Die Beiträge, Beilage 2004, 154-160).

Die Versicherungspflicht ergibt sich aus § 2 Nr. 1 SGB VI in der jeweiligen Fassung, d.h. in der Fassung nach Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1999 und vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2001 (a.F.; jetzt: § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI: neugefasst durch Bek. v. 19. Februar 2002, BGBl. I S. 754). § 2 SGB VI a.F. erfasst selbstständig tätige Personen, die kraft Gesetzes pflichtversichert sind. In den dort abschließend genannten Berufsgruppen sieht der Gesetzgeber ein besonderes Schutzbedürfnis für gegeben an. Versicherungspflichtig sind danach selbstständig tätige Lehrer, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (§ 2 Nr. 1 SGB VI a.F.). Dabei ist der Begriff des Lehrers in weiterem Sinne zu verstehen, d.h. Lehrer sind Personen, die durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2000 (Az.: B 12 RA 2/99 R) dargelegt, dass die Vorschrift alle Selbstständigen erfasst, soweit ihre Tätigkeit der Art nach darin besteht, anderen Unterricht zu erteilen. Sie erfasse auch Personen, die über keine besondere pädagogische Ausbildung verfügen (.a. BSGE 20, 6; BSG, Die Beiträge 1977, 144). Lehrtätigkeit ist damit das Vermitteln von Wissen, Können und Fertigkeiten. Dies ist im Einzel- oder im Gruppenunterricht möglich.

Die Tätigkeiten der Klägerin sind nach Überzeugung des Senats als derartige Lehrtätigkeiten und nicht als therapeutische Tätigkeit einzustufen. Entscheidend ist auch hier eine Gesamtbetrachtung, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse. Wie das Sozialgericht zutreffend ausführte, können die Grenzen zwischen einer lehrenden und einer therapeutischen Tätigkeit fließend sein. Entscheidend ist dann, wo der Schwerpunkt zu sehen ist, d.h. ob überwiegend eine lehrende oder eine therapeutische Tätigkeit stattgefunden hat.

Zunächst spricht bereits der Ort der Veranstaltung für eine Lehrtätigkeit. Dies gilt vor allem für die Volkshochschulen. Zwar kann nicht allein aus dem Wortteil "Schule" auf eine Lehrtätigkeit geschlossen werden, doch entspricht es auch der Selbsterkenntnis dieser Einrichtungen, vor allem bildend tätig zu sein. Dies gilt auch in Bezug auf die Familien- bzw. Gruppen- oder Organisationsaufstellungen, die von der Klägerin geleitet wurden. Der bvv machte in seiner Stellungnahme deutlich, dass lediglich eine Information über diese psychotherapeutische Methode bezweckt sein soll, nicht die praktische Durchführung. Der bvv wies ausdrücklich darauf hin, dass sich die Gesundheitsbildung an Volkshochschulen ihrem Verständnis und ihrem Auftrag nach grundsätzlich von der Therapie abgrenzt. Das Programm der Volkshochschulen ist damit auf die Wissensvermittlung und Gesundheitsbildung, aber nicht auf eine Therapie in Konkurrenz zu Ärzten, Psychologen oder Psychotherapeuten ausgerichtet.

Dem entspricht grundsätzlich der objektive Empfängerhorizont der Kunden. Aus den Kurs- bzw. Seminarbeschreibungen der von der Klägerin abgehaltenen Seminare an den Volkshochschulen und dem Zentrum der Familie E. lässt sich erkennen, dass es sehr stark um Information über die Methode der Familien- bzw. Organisationsaufstellung geht. Gerade auch bei dem Familienstellen geht es in dem Seminar darum, die Methode vorzustellen und praktisch zu erarbeiten. Es geht um "Einsicht in die `Ordnungen der Liebe´". Auch bei der Organisationsaufstellung geht es um "Einsichten" und darum, Zusammenhänge und Probleme "sichtbar zu machen". Dabei wird vom Senat nicht angezweifelt, dass die Klägerin tatsächlich auch in den Seminaren derartige Aufstellungen durchführte und begleitete. Dies ergibt sich aus den Seminarbeschreibungen sowie aus der Einstellung des Seminars durch die VHK K ... Allerdings sieht der Senat auch hierin keine therapeutische Tätigkeit, sondern ein - offensichtlich anschauliches und fallbezogenes - Vermitteln von Wissen über die therapeutische Methode. Diese Vorgehensweise stellt eine exemplarische und praktische Arbeit dar, die dem Wesen der Lehrtätigkeit jedoch nicht fremd, sondern meist wesentlicher Bestandteil der pädagogischen Vermittlung ist. Im Vordergrund steht dabei jedoch nicht die Bearbeitung der einzelnen zwischenmenschlichen Probleme aller maximal 8 bzw. 12 Teilnehmer in einem (Wochenend-)Seminar, sondern die Gesamtthematik. Anhand von einigen wenigen Problembeispielen aus der Teilnehmergruppe wird exemplarisch eine Aufstellung durchgeführt oder auch nur durchgespielt. Weder erfolgt dadurch eine Therapierung aller oder einzelner Teilnehmer mit den unterschiedlichen Problemgelagen, noch wird dies von den Teilnehmern erwartet. Zielgruppe der Seminarbeschreibung sind nicht ausdrücklich nur Personen, die in dieser Richtung therapiebedürftig sind, sondern alle an der Methode Interessierte. Diesen sollte die Methode theoretisch vorgestellt und durch praktische Durchführung näher gebracht werden; regelmäßig sollen die Teilnehmer nach der Veranstaltung die Methode für sich beurteilen können.

Der Senat kann im Hinblick auf die kontroversen Diskussionen in Fachkreisen offen lassen, ob es sich bei der Familienaufstellung um eine anerkannte therapeutische Methode handelt (siehe hierzu die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie - DGSF zum Thema Familienaufstellungen vom Februar 2003: www. dgsf.org); die Kürze der Veranstaltung, die relativ hohe Zahl der Teilnehmer und die fehlende Begleitung in einem längeren Prozess sowie einer Beratung sprechen vorliegend neben den genannten Gesichtspunkten gegen eine Therapie und für den Schwerpunkt einer Informationsveranstaltung, zumal die Diskussion über die Methodik und der Informationsbedarf in dem hier umstrittenen Zeitraum 1999 und 2000 sehr aktuell war.

Ähnliches gilt für das Seminar "Die Wolfsfrau wecken". Das Seminar beinhaltet die Einübung und Vollziehung weiblicher Identitätsfindung. Es geht auch hier neben dem theoretischen Hintergrund um die Durchführung praktischer Übungen. Hier ist in der Seminarbeschreibung ausgedrückt, was bei der Aufstellungsmethode vom Senat beschrieben ist: Es geht nicht um Therapie von Frauen mit Problemen der Identitätsfindung oder Selbstzerrissenheit, sondern um die Darstellung einer Methode zur weiblichen Identitätsfindung anhand praktischer Übungen. Es wird in dem Seminar lediglich begonnen, "einzelne Schritte einzuüben". Es geht um die Bildung einer "selbsterfahrungsorientierten Frauengruppen".

Nach Ansicht des Senats handelt es sich somit bei den von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten in den beschriebenen Seminaren um eine Lehrtätigkeit mit auch zeitmäßig starken praktischen Unterrichtselementen zur Vermittlung spezieller Kenntnisse und eventuell Fähigkeiten. Die Ablehnung des Überprüfungsantrags gemäß § 44 SGB X war demnach rechtmäßig. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved