L 9 AL 389/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 512/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 389/03
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16.10.2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Rückforderung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vom 1. April 1999 bis 19. Februar 2001 (64.525,71 DM) und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung (16.990,21 DM) in Höhe von insgesamt 81.515,92 DM in Euro.

Der 1954 geborene Kläger, der u.a. den Beruf eines Fernsehtechnikers und eines Diplomingenieurs erlernt hatte, arbeitete von März 1984 bis September 1992 in diesem Beruf und war danach bis Anfang Februar 1997 arbeitslos; er bezog Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Anschließend war er wieder als Diplom-Ingenieur bis Ende März 1999 berufstätig.

Am 20. September 1995 schloss er einen notariellen Vertrag über den Kauf eines Hausgrundstücks in A-Stadt zu einem Preis von 217.391,30 DM. Er meldete am 1. November 1995 in A-Stadt als Gewerbe die Tätigkeit Einzelhandel mit Elektrogeräten und -material, Radio- und Fernsehgeräten, Unterhaltungselektronik und Computer sowie Reparaturannahme von Elektro- und Fernsehgeräten an (Radio-TV H. A., Reparaturen, Verkauf und Service, Technischer Kundendienst).

Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 15. März 1999 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er arbeite wöchentlich bis zu 14 Stunden als Selbständiger (Handel und Reparatur von Unterhaltungselektronik). Er erhielt vom 1. April 1999 bis zum 20. März 2000 Arbeitslosengeld. Im Mai und Juni 1999 erzielte er durch Verkauf von Wertpapieren Veräußerungsgewinne von 5.207,00 DM und 13.715,00 DM. Er bestätigte wie in den folgenden Anträgen mit Unterschrift den Erhalt der Merkblatt Hs1 für Arbeitslose.

Am 9. März 2000 beantragte er bei der Beklagten Arbeitslosenhilfe, wobei er auf eine Lebensversicherung hinwies. Er erhielt von der Beklagten ab 26. März 2000 Anschlussarbeitslosenhilfe. Am 30. März 2000 erwarb er eine Eigentumswohnung in A-Stadt zu einem Kaufpreis von 140.000,00 DM. Vom 7. Juni bis 28. Juni 2000 unterzog er sich einer Kur zu Lasten der LVA Schwaben. Am 28. Juni 2000 meldete er sich erneut arbeitslos, beantragte Arbeitslosengeld und am 5. Februar 2001 beantragte er wieder die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte setzte gegen den Kläger zwei Sperrzeiten von jeweils 12 Wochen fest vom 20. Februar bis 14. Mai 2001 und 15. Mai bis 6. August 2001.

Das Finanzamt A-Stadt führte beim Kläger im Mai 2001 eine Außenprüfung durch, bei der sich (Prüfbericht vom 22. Mai 2001) in den Jahren 1997 bis 1999 negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb ergaben. Die steuerpflichtigen Umsätze wurden mit 114.307,00 DM (1997), 200.037,00 DM (1998) und 199.361,00 DM (1999) festgestellt. Anlässlich der Prüfung der Beklagten beim Kläger am 26. Juni 2001 wurde bekannt, dass das Geschäft des Klägers Öffnungszeiten täglich von 9:00 Uhr bis 12:30 Uhr und von 13:00 Uhr bis
19:00 Uhr sowie am Samstag von 9:30 Uhr bis 14:00 Uhr hatte. Außer dem Kläger war seit Januar 2001 dessen Ehefrau tätig für sämtliche Büroarbeiten, Telefondienst, Finanzbuchhaltung, Einstellen von Personal zu einer monatlichen Bruttovergütung von
1.500,00 DM. Die wöchentliche Arbeitszeit sollte 20 Stunden betragen, Arbeitsbeginn war 9:00 Uhr, Arbeitsende 13:00 Uhr.

Nach Anhörung des Klägers am 3. Juli 2001 - der Kläger teilte hier mit, er sei während der Öffnungszeiten des Geschäfts überwiegend privaten Tätigkeiten nachgegangen - erließ die Beklagte am 30. Juli 2001 den Rücknahme- und Erstattungsbescheid, mit dem sie die Bewilligung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe ab 1. April 1999 ganz zurücknahm. Der Kläger übe eine selbstständige Tätigkeit mit Handel und Reparatur von Unterhaltungselektronik aus, die wöchentlich mindestens 15 bzw. 18 Stunden umfasst, so dass er nicht arbeitslos sei. Er habe in der von der Rücknahme betroffenen Zeit 64.525,71 DM ohne Rechtsanspruch erhalten. Dieser Betrag sei zu erstatten, ebenso wie die gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 16.990,21 DM, insgesamt 81.515,92 DM.

Der Kläger legte hiergegen am 3. August 2001 Widerspruch ein und beantragte am
8. August 2001 unter erneuter Arbeitslosmeldung zum 8. August 2001 die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 31. Oktober 2001 ab. Am 23. April 2002 teilte sie dem Kläger mit, er habe auch von 1993 bis 1997 Arbeitslosenhilfe zu Unrecht erhalten; wegen des Erwerbs von Grundbesitz im Jahr 1995 in Höhe von 217.000,00 DM sei davon auszugehen, dass damals Bedürftigkeit nicht vorgelegen habe.

Das Arbeitsamt M. führte beim Kläger weitere Ermittlungen durch und zog die Jahresbilanzen von 1997 und 1999 sowie Rechnungen und Ausgabebelege bei; es ermittelte ferner die Umsatzsteuer-Voranmeldungen für 1999 (196.250,00 DM), 2000 (236.705,00 DM) und 2001 (1. bis 3. Quartal 196.899,00 DM). Von April 1998 bis Ende Oktober 1999 hätten die Angestellte G., von Januar bis Juli 2000 die Angestellte O., von Juni bis September 2000 ein Fernsehtechniker und von Januar 2001 bis Juni 2001 die Ehefrau des Klägers mitgearbeitet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Juli 2001 zurück; nach den Ermittlungen (Verteilung der Arbeitszeit, Öffnungszeiten des Geschäfts und Zeiten der Abholung und Lieferung von Elektrogeräten) sowie den Betriebseinnahmen, der Beschäftigung von ein bis zwei Arbeitnehmern und den Privatentnahmen müsse von einer selbstständigen Tätigkeit in mehr als nur geringfügigem bzw. kurzzeitigem Umfang ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für das Arbeitslosengeld ab 1. April 1999 bzw. der Arbeitslosenhilfe ab 26. März 2002 hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Der Kläger sei nicht arbeitslos gewesen, der Gewährung von Arbeitslosenhilfe habe darüber hinaus auch noch die fehlende Bedürftigkeit entgegen gestanden. Der Kläger habe in mehreren Anträgen sein Vermögen verschwiegen, mit dem er Immobilien in Höhe von 250.000,00 DM im Jahr 1995 und in Höhe von 140.000,00 DM im Jahr 2000 erworben hatte. Darüber hinaus habe er Aktien und andere Wertpapiere besessen. Er habe Angaben in wesentlicher Beziehung zumindest grobfahrlässig unrichtig gemacht. Die Rückforderung in Höhe von 81.515,92 DM (einschließlich der zu Unrecht entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) bestehe zu Recht.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Oktober 2002 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben. Die Beklagte verkenne, dass das Geschäft öfters geschlossen gewesen sei. Er habe zwar Umsätze von über 200.000,00 DM jährlich erzielt, aber keine Gewinne. Die Angabe der Immobilien habe er bei der Antragstellung vergessen. Er trage für die rechtswidrige Auszahlung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe keine Schuld.

Die Beklagte hat am 11. November 2002 außerdem einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid erlassen bezüglich der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. September 1993 bis 3. September 1994 und vom 1. Mai 1995 bis 31. Januar 1997, mit dem sie
36.517,45 Euro zurückgefordert hat. Sie hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2003 zurückgewiesen.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 16. Oktober 2003 die Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 4. August 2005, mit der er wie zuvor geltend macht, er habe im streitigen Zeitraum weniger als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet und seine Geschäftszeiten nicht eingehalten. Er habe sich wieder um eine Anstellung als Ingenieur bemüht. Die Betriebseinnahmen von 1999 bis 2001 hätten jährlich nicht über 200.000,00 DM gelegen, er sei verschuldet gewesen. Aus seinem Gewerbe habe er negative Einkünfte erzielt. Die Eigentumswohnung habe er im Antrag vom 5. Februar 2001 angegeben, Privatentnahmen habe er nicht getätigt und die Wertpapiere seien Geschäftsvermögen gewesen. Ein Teil seiner Umsätze beruhe auf Geschäften mit einem früheren Vorgesetzten.

Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Oktober 2003 und den Bescheid vom 30. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143,144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG -) ist zulässig.

Die Berufung ist unbegründet.

Streitig ist im vorliegenden Fall allein die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe mit Bescheid vom 30. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2002 für die Zeit vom 1. April 1999 bis 19. Februar 2001 sowie die Rückforderung der Leistungen (64.525,71 DM) und der Beiträge der Beklagten zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers (16.990,21 DM) in Höhe von insgesamt 81.515,92 DM in Euro. Die weiteren Rücknahmebescheide gegen den Kläger sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Anspruchsgrundlage für die streitige Erstattung ist § 50 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die Beklagte hat die Bewilligung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe zu Recht gemäß § 45 Abs. 1, 2 S. 1 bis 3 Nr. 2, Abs. 4 S. 1 und 2 SGB X zurückgenommen. Danach darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, unter Beachtung der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Der Begünstigte kann sich auf Vertrauen unter anderem nicht mehr berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X). Im Falle des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4
S. 2 SGB X).

Die Beklagte hat diese Jahresfrist eingehalten, weil sie erst durch den Prüfbericht des Finanzamtes A-Stadt von 22. Mai 2001 und ihre Außendienstprüfung vom 26. Juni 2001 Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die die Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit rechtfertigen und am 30. Juli 2001 den Rücknahme- und Erstattungsbescheid erlassen hat.

Die Rücknahme der Leistungsbewilligung ist zu Recht erfolgt, weil der Kläger im streitigen Zeitraum nicht arbeitslos gewesen ist und ihm Vertrauensschutz nicht zusteht. Denn er hat zumindest grobfahrlässig in den Anträgen auf Arbeitslosengeld vom 15. März 1999,
9. März 2000 und 5. Februar 2001 unrichtige und unvollständige Angaben gemacht, die jeweils zur Leistungsbewilligung geführt haben.

Der Kläger hat die Leistungsvoraussetzung Arbeitslosigkeit für das Arbeitslosengeld
(§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 Sozialgesetzbuch III - SGB III -) nicht erfüllt. Dies gilt auch für die Arbeitslosenhilfe, weil die Anspruchsgrundlage § 190 Abs. 1
Nr. 1 SGB III i.V.m. § 198 S. 2 Nr. 1 SGB III hierauf Bezug nimmt. Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Gemäß § 118 Abs. 2 SGB III schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. § 118 Abs. 3 SGB III regelt, dass eine selbstständige Tätigkeit einer Beschäftigung gleichsteht. Die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassenden selbstständigen Tätigkeit, die unmittelbar vor dem Tag der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld innerhalb der letzten 12 Monate mindestens 10 Monate neben der Beschäftigung, die den Anspruch begründet, ausgeübt worden ist, schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus.

Es steht jedoch im vorliegenden Verfahren fest, dass der Kläger die oben genannten Zeitgrenzen aufgrund seiner gewerblichen Tätigkeit für seine Firma Radio-TV H. A. (Reparaturen, Verkauf und Service, Technischer Kundendienst) überschritten hat. Dies ergibt sich aus den Ermittlungen der Beklagten in der Außendienstprüfung sowie den Ermittlungen des Finanzamtes A-Stadt.

Es kommt bei § 118 Abs. 2 SGB III nicht auf die tatsächlich zurückgelegte Arbeitszeit, sondern hier auf die nach der Natur der Sache intendierte Arbeitszeit bei einer vorausschauenden Betrachtungsweise an. Ist der Umfang einer selbständigen Tätigkeit zu beurteilen, kann mangels vertraglichen Abmachungen über die Arbeitszeit allein nach der Natur der Sache beurteilt werden, ob die Tätigkeit weniger als 15 Stunden umfasst (LSG Baden-Württemberg vom 24. Mai 2007, Breith 2008, 145 m.w.N. der Rechtsprechung; Bundessozialgericht (BSG) vom 17. Oktober 2007, SGb 2007, 733). Es kommt hier darauf an, welche Arbeitszeit aufgrund durchschnittlicher Kenntnisse und Fähigkeiten zur sachgerechten Erledigung der Tätigkeiten benötigt würde (BSG vom 30. Mai 1978, USK 78251; BSG vom 28. Oktober 1987 SozR 4100 § 102 Nr. 7), wobei auch solche der Arbeitszeit gewidmeten Stunden zu berücksichtigen sind, in denen kein Umsatz erzielt wird.

Der Kläger hat als gelernter Fernsehtechniker an seinem Geschäft für Unterhaltungselektronik die Öffnungszeiten von Montag bis Freitag angegeben von 9:00 Uhr bis 12:30 Uhr und 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr und am Samstag von 9:30 Uhr bis 14:00 Uhr. Dies ergibt eine wöchentliche Öffnungszeit von 53 Stunden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass er Geräte zur Reparatur abgeholt bzw. nach der Reparatur ausgeliefert hat. Es muss davon ausgegangen werden, dass er angesichts der kurzzeitigen Beschäftigung weiterer Mitarbeiter (z.B. Ehefrau) überwiegend während der Öffnungszeiten in seinem Geschäft anwesend gewesen ist, also mehr als 15 bzw. 18 Stunden, bzw. außerhalb der Geschäftsräume für sein Geschäft tätig geworden ist, wobei es irrelevant ist, welche Verkäufe und Reparaturen usw. für welche Kunden er abgewickelt hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass er möglicherweise nebenher während er Öffnungszeiten Privatangelegenheiten erledigt hat. Denn die von der Beklagten eingesehenen Buchführungsunterlagen, die auch vom Finanzamt A-Stadt im Prüfbericht vom 22. Mai 2001 nicht zu erheblichen Beanstandungen geführt haben, weisen für das Jahr 1999 einen Umsatz von 199.361,00 DM auf. Die Umsatzsteuervoranmeldungen betrugen für das Jahr 2000 236.705,00 DM und für 2001 im 1. bis 3. Quartal 196.899,00 DM. Daraus ergibt sich ein stets steigender durchschnittlicher monatlicher Umsatz von 16.354,00 DM für das Jahr 1999, über 19.000,00 DM für das Jahr 2000 und über 21.000,00 DM für das Jahr 2001. Genaueren Aufschluss über die täglich angefallenen Geschäftsvorfälle (auch bei Umsätzen von geringerem Wert) ergeben die von der Beklagten beigezogenen Kassenabrechnungen über die zahlreichen täglichen bzw. wöchentlichen Umsätze. Daraus ist ersichtlich, dass täglich bzw. wöchentlich eine größere Zahl von Verkäufen und Reparaturen von Geräten der Unterhaltungselektronik abgerechnet worden ist. Unerheblich ist hier, dass der Kläger aus seinem Gewerbebetrieb Verluste erzielt hat. Denn der Umsatz in einem bestimmten Zeitraum ist ein Indiz für den Umfang der Geschäftstätigkeit, wobei es von nachrangiger Bedeutung ist, in welcher Höhe Betriebsausgaben den Betriebseinnahmen gegenübergestanden haben. Ferner widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Arbeitsloser in seinem Kleinbetrieb ein bis zwei Arbeitnehmer zu einem Monatslohn zwischen 1.000,00 und 1.200,00 DM beschäftigt, ohne selbst mitzuarbeiten.

Der Kläger kann sich auch mit Recht nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil er zumindest grobfahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben in den oben genannten Anträgen gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Grob fahrlässig ist somit derjenige, der schon einfachste ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rechtsprechung, vgl. BSG vom 31. August 1976 BSGE 42, 184; BSG vom 11. Juni 1987 BSGE 62, 32). Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten und zur Kenntnis genommenen Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründet im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45 Rn. 57 m.w.N. der Rechtsprechung des BSG). Dem Kläger waren nach seinem individuellen Verständnishorizont auf Grund seiner Ausbildung (Fernsehtechniker, Diplomingenieur) und seiner Tätigkeit als Geschäftsmann die Zeitgrenzen für die Arbeitslosigkeit und die Folgen deren Überschreitung für den Leistungsanspruch nach der Überzeugung des Senats begreiflich. Er hat seine Arbeitszeit mit wöchentlich bis zu 14 Stunden für Handel und Reparatur von Unterhaltungselektronik unrichtig angegeben, obwohl ihm aufgrund der Merkblätter für Arbeitslose und seiner Tätigkeit für diesen Betrieb hätte bekannt sein müssen, dass es sich hier nicht mehr um eine zeitlich geringfügige Tätigkeit handelt.

Der Beklagten steht gemäß § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen bezüglich der Rücknahme für die Vergangenheit zu, da nach dieser Vorschrift der Verwaltungsakt zurückzunehmen ist.

Rechtsfolge ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die Erstattung der von der Beklagten gewährten Leistungen Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Außerdem hat der Kläger auch die von ihr gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten (§ 335 Abs. 1 SGB III). Über die Höhe der Erstattungssumme besteht kein Streit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved