L 9 B 687/07 AL

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 747/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 B 687/07 AL
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. Juni 2007 abgeändert. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge. Die Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.



Gründe:

I.

Streitig sind die außergerichtlichen Kosten für die Erhebung einer Untätigkeitsklage im Rahmen der Geltendmachung eines Antrags auf Zugunstenentscheidung wegen der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes (Alg).

Der 1942 geborene Kläger war seit 15.10.1979 als Service-Berater bei S. in A-Stadt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde am 28.07.1999 zum 31.08.1999 auf Veranlassung des Arbeitgebers und unter Zusage einer Abfindung durch Aufhebungsvertrag beendet. Die maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers wäre sechs Monate zum Monatsende gewesen. Der Kläger meldete sich am 01.09.1999 beim Arbeitsamt A-Stadt arbeitslos und beantragte Alg.

Das Arbeitsamt versagte mit Bescheid vom 25.10.1999 die Gewährung von Alg bis 27.02.2002. Wegen der von S. erhaltenen Abfindung (insgesamt 299.177,00 DM) und einer dem Kläger noch zustehenden Urlaubsabgeltung sei ein Ruhen des Anspruchs auf Alg bis zum 27.02.2000 eingetreten. Mit weiterem Bescheid vom 25.10.2000 stellte das Arbeitsamt ein weiteres Ruhen des Anspruchs auf Alg von 12 Wochen vom 01.09.1999 bis 23.11.1999 auf Grund des Eintritts einer Sperrzeit wegen des einverständlichen Auflösens des Arbeitsverhältnisses bei der Firma S. ohne erkennbaren wichtigen Grund fest. Die Sperrzeit, so der letztere Bescheid vom 25.10.1999, mindere den Anspruch des Antragstellers auf Alg um 195 Tage.

Mit Bescheid vom 17.03.2000 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger Alg ab 28.02.2000 für 417 Kalendertage. Die bewilligten Kalenderleistungstage waren ab 20.04.2001 erschöpft.

Am 13.11.2002 beantragte er Altersrente bei der BfA Berlin, frühestmöglich ab 01.12.2002. Im Rahmen der hierbei notwendigen Festestellung von Anrechnungszeiten/Beitragszeiten wurde das Arbeitsamt von der BfA um nähere Angaben zur Zeit vom 01.09.1999 bis 27.02.2000 und ab 20.04.2001 ersucht. Nach mehreren Erinnerungsschreiben sah sich das Arbeitsamt mit 23.06.2003 nur in der Lage, für die Zeit vom 01.09.1999 bis 27.02.2000 Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug zu bestätigen. Im Übrigen lägen keine Daten mehr vor. Der Kläger wies daraufhin in einem Schreiben vom 22.10.2003 drauf hin, dass ihm so ein erheblicher finanzieller Verlust entstehe, wenn er erst zu einem späteren Zeitpunkt Rente erhalte. Die Verwaltungspraxis, die dazu geführt habe, dass seine Daten ab 20.04.2001 gelöscht seien, dürfe nicht zu seinen Lasten gehen. Er habe sich ab 20.04.2001 weiter arbeitslos gemeldet, jedoch auf Anraten des Sachbearbeiters wegen seines zu hohen verbliebenen Einkommens von vorneherein keinen Antrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt. Er bitte, wenn dies noch möglich sei, um eine Bestätigung seiner fortdauernden Arbeitslosigkeit vom 20.04.2001 mit 29.11.2002. Nach interner Klärung bestätigte die Beklagte der BfA im Schreiben vom 11.02.2004 und vom 17.03.2004 Arbeitslosigkeit des Klägers ohne Leistungsbezug vom 20.04.2001 bis 28.11.2002.

Als nächster Vorgang findet sich in der Akte ein am 20.09.2005 eingegangenes Schreiben des Rechtsanwalts H. aus A-Stadt, laufend. "Im Anschluss an unser Schreiben vom 13.09.2005 überreichen wir anliegend eine auf uns laufende außergerichtliche Vollmacht". Diese vom Kläger auf die Rechtsanwälte H. und Kollegen ausgestellte außergerichtliche Vollmacht vom 19.09.2005 ist erteilt "in der Angelegenheit A. gegen Agentur für Arbeit wegen Arbeitslosengeld - Antrag nach § 44 SGB X". Ein Schreiben vom 13.09.2005, worauf Bezug genommen wird, findet sich nicht in der Akte.

Am 03.07.2006 (Schreiben vom 29.06.2006) erhob der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, Untätigkeitsklage beim Sozialgericht (SG) A-Stadt. Er beantragte, die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag des Klägers vom 13.09.2005 zu entscheiden. Der Kläger habe darin die Überprüfung des Alg-Bewilligungsbescheides vom 17.03.2000 beantragt. Ungeachtet zweier Erinnerungsschreiben vom 03.02.2006 und 08.05.2006 sei bis heute keinerlei Reaktion der Beklagtenseite erfolgt. Dem Klageschriftsatz ist eine Kopie des Zugunstenantrags vom 13.09.2005 beigelegt. Darin heißt es: Die im seinerzeitigen Alg-Bewilligungsbescheid vom 17.03.2000 festgesetzte Anspruchsdauer von 417 Tagen sei im Hinblick auf das zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung des Versicherten am 01.09.1999 erreichte Lebensalter und die Dauer der vorangegangenen Versicherungspflichtverhältnisse nicht nachvollziehbar. Es ergebe sich vielmehr eine Anspruchsdauer von 26 Monaten. Das Ruhen des Anspruchs bis zum 27.02.2000 wegen der erhaltenen Abfindung mindere nicht nach § 128 SGB III die Dauer des Anspruchs. Beigelegt waren noch Kopien eines Erinnerungsschreibens vom 03.02.2006 und vom 08.05.2006, in welchem unter Fristsetzung von drei Wochen Untätigkeitsklage angekündigt wurde.

An die Beklagte wurde seitens des SG zunächst nur der Klageschriftsatz weitergeleitet. Sie erwiderte mit Schriftsatz vom 08.09.2006, dass sich in der Leistungsakte "lediglich eine Vollmacht der Kanzlei, jedoch kein Antrag auf Zugunstenentscheidung vom 13.09.2005 und auch keine Erinnerungsschreiben" befänden, so dass über den Antrag bisher auch nicht habe entschieden werden können. Sobald der Überprüfungsantrag vorliege, könne hierzu entschieden werden. Im Gegenschriftsatz vom 10.10.2006 wies der Klägervertreter darauf hin, dass die Beklagte jedenfalls selbst einräume, die mit Begleitschreiben eingereichte schriftliche Vollmacht vom 19.09.2005 erhalten zu haben. Daraus gehe jedoch unmissverständlich hervor, dass ein Antrag nach § 44 SGB X gestellt werde, der das Arbeitslosengeld zum Gegenstand habe, und werde unmissverständlich auf ein vorangegangenes Schreiben vom 13.09.2005 Bezug genommen. Daraufhin hätte die Behörde nicht untätig bleiben dürfen. Dem legte der Klägervertreter nochmals eine Kopie des Zugunstenantrags vom 13.09.2005 bei, die nunmehr seitens des SG mit dem Schriftsatz vom 10.10.2006 an die Beklagte zur Stellungnahme weitergeleitet wurde.

Das Arbeitsamt A-Stadt lehnte den Zugunstenantrag zunächst mit Bescheid vom 20.11.2006 ab. Der Alg-Bewilligungsbescheid vom 17.03.2000 sei nicht zu beanstanden. Zwar habe die seitens des Arbeitgebers gewährte Abfindung, die zu einem Ruhen des Anspruchs geführt habe, nicht die Alg-Anspruchsdauer gemindert. Dies sei jedoch durch die eingetretene Sperrzeit von 12 Wochen bewirkt worden. Dem Widerspruch des Klägers vom 04.12.2006, worin dessen Bevollmächtigter darauf hinwies, dass hierdurch die dem Widerspruchsführer zustehende Anspruchsdauer von 26 Monaten nur um ein Viertel auf 19,5 Monate habe reduziert sein können, wurde auf Anweisung der Widerspruchsstelle mit Bescheid vom 29.01.2007 unter Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens Abhilfe in vollem Umfang erteilt. Der Kläger erhielt eine Nachzahlung von Alg für weitere 168 Tage über den 19.04. hinaus vom 20.04.2001 bis 04.10.2001 (insgesamt damit für 585 Tage), was eine Nachzahlung von 9.255,41 EUR unter Abführung der entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge ergab.

Der Kläger hatte die Untätigkeitsklage bereits nach der Verbescheidung des Zugunsten-
antrags durch den Bescheid vom 20.11.2006 durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 04.12.2006 in der Hauptsache für erledigt erklären und beantragen lassen, der Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen. Wenn die Beklagte vorbringe, dass der Kläger den - in seiner Sphäre liegenden - Nachweis des Zugangs des Zugunstenantrags vom 13.09.2005 wie auch der Erinnerungsschreiben vom 03.02.2006 und 08.05.2006 nicht erbringen könne, so müsse dies hingenommen werden. Wie jedoch bereits im Klageschriftsatz vorgetragen, habe die Beklagte selbst eingeräumt, jedenfalls das nachfolgende Schreiben mit der Vollmacht vom 19.09.2005 mit der Bezugnahme auf das vorangegangene Schreiben vom 13.09.2005 und damit auch den auf der Vollmacht befindlichen Hinweis des Erteiltseins wegen "Arbeitslosengeld - Antrag nach § 44 SGB X" erhalten zu haben, was sie als Hinweis auf einen Zugunstenantrag des Klägers wegen des bewilligten Arbeitslosengeldes und als Veranlassung zum Tätigwerden hätte nehmen müssen. Der Kläger habe damit die Sechsmonatsfrist für die Untätigkeitsklage mit der Klage vom 29.06.2006 (eingegangen am 03.07.2006) eingehalten und es sei auch kein zureichender Grund von der Beklagten dafür genannt worden, dass der Antrag nicht bis zur Klageerhebung wegen Untätigkeit verbeschieden worden sei.

Die Beklagte beantragte zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. In der Leistungsakte des Klägers befinde sich weder ein Zugunstenantrag vom 13.09.2005 noch darauf verweisende Erinnerungsschreiben. Der Nachweis des Zugangs dieser Schriftstücke liege in der Sphäre des Klägers. Auch die Bezugnahme auf ein vorangegangenes Schreiben vom 13.09.2005 in dem der Vollmacht vom 19.09.2005 beigefügten Schreiben ergebe aus ihrer Sicht nichts anderes.

Mit Beschluss vom 11.06.2007 entschied das Sozialgericht, dass die Beklagte dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu einem Fünftel zu erstatten habe. Zwar sei ein Zugang des Antrags vom 13.09.2005 auf Berichtigung des Alg-Bewilligungsbescheides vom 17.03.2000, wegen dessen Nichtverbescheidung durch die Beklagte der Kläger Untätigkeitsklage erhoben habe, nicht nachzuweisen. Da der Klägerbevollmächtigte in der Anzeige seiner Bevollmächtigung Bezug auf ein Schreiben vom 13.09.2005 genommen habe, wäre es der Beklagten zuzumuten gewesen, wegen dieses Schreibens nachzufragen, ggf. auch telefonisch. Weil allerdings auch die Erinnerungsschreiben nicht nachweislich bei der Beklagten eingegangen seien und sich aus der Bevollmächtigungsanzeige nicht ergebe, dass ein Antrag gestellt worden sei, habe die Beklagte nach billigem Ermessen ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Hiergegen richtet sich die am 25.07.2007 eingelegte Beschwerde des Klägerbevollmächtigten, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Das unstreitig bei der Beklagten eingegangene Schreiben vom 19.09.2005 habe jedenfalls in Verbindung mit der beiliegenden Vollmacht als Antrag, und zwar nach dem Text der Vollmacht als Antrag auf Zugunstenentscheidung verstanden werden müssen. Wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss ausführe, hätte die Beklagte unter diesen Umständen den Hinweis auf ein Schreiben vom 13.09.2005 im beigefügten Schreiben zum Anlass nehmen müssen, nachzufragen, was es damit genau auf sich habe. Sie sei ohne zureichenden Grund untätig geblieben. Wenn - wie hier - keine Umstände erkennbar seien, die eine Verzögerung der begehrten Verwaltungsentscheidung erwarten ließen, müsse die Verwaltung ggf. auch ohne Erinnerungsschreiben mit einer Untätigkeitsklage rechnen, so dass der nicht mögliche Nachweis des Zugangs der Erinnerungsschreiben vom 03.02.2006 und 08.05.2006 keine Rolle spiele.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11.06.2007 aufzuheben und der Beklagten seine außergerichtlichen Kosten insgesamt aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß im Wege der Anschlussbeschwerde,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 11.06.2007 zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten des Klägers nicht zu erstatten sind,
hilfsweise, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen sowie zusätzlich auf die Ausführungen des Sozialgerichts.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und auch begründet, womit sich die Anschlussbeschwerde der Beklagten als unbegründet erweist.

Gemäß § 193 Abs.1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist auf Antrag durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden, wenn der Rechtsstreit nicht durch Urteil beendet wird. Gegen den Beschluss ist nach § 172 SGG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Inkrafttreten des SGGArbGG-Änderungsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl.I S.444) am 01.04.2008, da noch vor diesem Zeitpunkt ergangen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Rz.1 zu § 172, insbesondere in Rz.10e vor § 143 und Rz.2a zu § 144) die Beschwerde statthaft, der das SG nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde des Klägers ist auch begründet. Der Senat vermag zwar der Argumentation des SG weitgehend zu folgen, nicht jedoch dem daraus geschlussfolgerten Ergebnis.

Über die beantragte Kostenerstattung war bei Erledigung der Hauptsache ohne Urteil unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Ist bei einer Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs.1 SGG ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Danach war die Untätigkeitsklage von Beginn an - nämlich bereits zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 03.07.2006 - zulässig. Der Kläger hatte einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt, welcher auf den Zeitpunkt des Eingangs der in seinen Leistungsakten befindlichen Vollmacht vom 19.09.2005 mit beigefügtem Begleitschreiben, also den 20.09.2005 zu datieren ist. Dass er sich damit nicht mit irgendeinem beliebigen Anliegen, sondern mit einem Antrag an das Arbeitsamt wandte, nämlich mit einem Begehren im Zusammenhang mit dem dem Kläger vormals bewilligten und geleisteten Arbeitslosengeld, war schon daraus zu entnehmen, wie die Vollmacht spezifiziert war, nämlich "wegen Arbeitslosengeld - Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch X (SGB X)", dies gleich mit der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts in der Angelegenheit und dessen Bezugnahme auf ein vorangegangenes Schreiben vom 13.09.2005 im Begleitschreiben. Die Tatsache eines gestellten Antrags wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass aus den in der Akte erhaltenen Texten nicht hervorgeht, was genau inhaltlich der Kläger an der vormaligen Alg-Bewilligung und Gewährung beanstandete. Wäre es anders, wäre § 16 Abs.3 Sozialgesetzbuch I (SGB I) unverständlich, wonach die Leistungsträger verpflichtet sind, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden, wobei nach der Rechtsprechung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Antragsteller alle ihm zustehenden Rechte geltend machen will (Mrozynski Rz.3 und 5 zu § 16 SGB I, ebenso Lilge Rz.13, 14 zu § 16). Gerade im Bereich des § 44 SGB X gilt im Hinblick auf die Vierjahresfrist des § 44 Abs.4 Satz 3 SGB X eine sehr weitgehende Auslegung von Erklärungen als Antrag (von Wulffen Rz.5 zu
§ 18/Schütze in von Wulffen Rz.38 zu § 44
SGB X).

Da von einem Antrag auf Überprüfung des Alg-Bewilligungsbescheides vom 17.03.2000 gemäß § 44 SGB X spätestens am 20.09.2005 auszugehen ist, hat der Kläger mit der Klagerhebung am 03.07.2006 die Klage "nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts" erhoben. Damit ist die Wartefrist des
§ 88 Abs.1 Satz 1 SGG eingehalten, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs.1 Satz 1 SGG gegeben. Der Gesetzgeber wollte dem Antragsteller in § 88 Abs.1 SGG (bei evtl. wenigen Ausnahmen in den Fällen des § 88 Abs.2 SGG, s. BSGE 75, 262, 267) jedenfalls die Möglichkeit einer "echten Bescheidungsklage" geben (Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer Rz.2, 3 und 9 zu § 88 SGG mit Rechtsprechungshinweisen).

Demzufolge kann von der Lokalisierung her auch keine Zulässigkeitsvoraussetzung sein, ob der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts seitens der Behörde "ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden" worden ist (§ 88 Abs.1
Satz 1 SGG). Die Klärung der Gründe, die den Leistungsträger daran gehindert haben könnten und u.U. noch weiter daran hindern, bestimmt vielmehr das weitere prozessuale Vorgehen des Gerichts, letztlich eben auch die Kostenentscheidung, (Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer Rz.6 zu § 88 SGG). Dies zeigt gerade der Verweis des BSG im Urteil vom 26.08.1994 (BSGE 75, 56) auf die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 66 SGB I, wenn der Leistungsträger geltend macht, er sei infolge unzureichender Angaben des Antragstellers an einer Sachentscheidung gehindert gewesen (BSGE 75, 56, 58 ff ... Mit diesem Vorbringen könne einer Untätigkeitsklage des Antragstellers nicht die Grundlage entzogen werden).

Nachdem der Kläger, wie schon im Voraus angekündigt, die Untätigkeitsklage unmittelbar nach der, sei es auch zunächst negativen Verbescheidung seines Zugunstenantrags durch den Bescheid vom 20.11.2006, in der Hauptsache für erledigt erklärt hatte, war auf seinen Antrag hin (vorbehaltlich einer diesbezüglichen Einigung der Beteiligten) über die Kosten gerichtlicherseits zu entscheiden.

Auch das SG hat in der Kostenentscheidung offensichtlich im Eingang der Vollmacht vom 19.09.2005 am 20.09.2005 in Verbindung mit dem hinzugefügten anwaltlichen Begleitschreiben, so wie sie abgefasst waren, einen Antrag im Sinne von § 88 SGG gesehen, auf den hin die Beklagte nicht hätte untätig bleiben dürfen. Bei einer von der Verwaltung zeitgerecht angestellten Nachfrage, was der Kläger an der seinerzeitigen Alg-Bewilligung vom 17.03.2000 beanstande, wie sie das SG folgerichtig der Behörde (ggf. sogar telefonisch, s. § 16 Abs.3 SGB I: "unverzüglich", § 17 Abs.1 Nr.1 SGB I: "zügig") zumutet, hätte sich die Verbescheidung des Zugunstenantrages aber nicht lange hinauszögern können.

Die Überprüfung der mit der seinerzeitigen Anwartschaft erworbenen und mit Bewilligungsbescheid vom 17.03.2000 festgestellten Alg-Anspruchsdauer bedurfte keiner weiteren Ermittlungen. Das Lebensalter und die Zahl der vorhergegangenen Versicherungspflichtverhältnisse des Klägers, wie sie nach der seinerzeitigen Fassung des § 127 Sozialgesetzbuch III (SGB III) zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs (am 01.09.1999) die Anspruchsdauer bestimmten, waren, wie auch die Tatbestände nach § 128 SGB III, durch die die Anspruchsdauer gemindert würde, ohne weiteres den Akten zu entnehmen und auch unter den Beteiligten unstreitig. Es bedurfte auch keiner komplizierten Überlegungen oder Berechnungen. Das lässt sich u.a. daran erkennen, dass die Widerspruchsstelle im jetzigen der Untätigkeitsklage parallel laufenden Widerspruchsverfahren verwaltungsintern die zutreffende seinerzeit festzustellende Anspruchsdauer von 585 Kalendertagen in kürzester Zeit und in fünf Zeilen feststellte (Bl.73 Leistungsakte).

Der Gesetzgeber lässt in § 88 Abs.1 SGG erkennen, dass er jedenfalls einen Zeitraum von sechs Monaten im Normalfall als ausreichend für die Verbescheidung eines Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsakts ansieht. Das BSG hat im Urteil vom 08.12.1993 (SozR 3-1500 § 88 Nr.1, S.1, 10) als konsequent angesehen, dass es in erster Linie Sache der Verwaltung sei, Hinderungsgründe, die zur Überschreitung der Sechsmonatsfrist geführt hätten, darzulegen.

Solche Hinderungsgründe kann der Senat in dem Vorbringen der Beklagten nicht erkennen. Bei einem sichtlich nach Vervollständigung verlangenden Eingang dieser Art wie der Vollmacht mit Begleitschreiben am 20.09.2005, der aber immerhin mit anwaltlicher Vertretung eindeutig auf Berichtigung der bereits ausgeschöpften Alg-Leistungsbewilligung des Antragstellers abzielt, wörtlich durch einen "Arbeitslosengeld-Antrag nach § 44 SGB X", wird von § 18 Abs.1 Satz 2 Nr.1 hergesehen der Sozialleistungsträger sogar zu einem Tätigwerden auf Antrag und von Amts wegen aufgefordert (von Wulffen/Schütze Rz.38, 39 zu § 44 SGB X). Die Beklagte hätte gewöhnlich umgehend nachgefragt, u.U. die seinerzeitige Bewilligung in Eigeninitiative überprüft und dabei jedenfalls die Auffälligkeiten in der seinerzeit bewilligten Anspruchsdauer (schon anhand der Zahlungsnachweise) schnell selbst bemerkt. Es ist nicht Verwaltungspraxis der Beklagten, derartige Eingänge schlichtwegs auf sich beruhen zu lassen und abzuwarten, ob der Antragsteller noch - innerhalb der 6-Monatsfrist ihren postalischen Weg findende - Erinnerungen hinterherschickt. Einer Untätigkeitsklage konnte und kann sie auf diese Weise nicht die Grundlage entziehen. Dies wäre eventuell diskutabel, wenn es sich bei den beiden Schriftstücken, die am 20.09.2005 Eingang in die Leistungsakten des Klägers fanden, auf den ersten Blick um nur schwer verständliche Verrücktheiten gehandelt hätte, welcher Art sich die Beklagte wohl ab und an erwehren muss. Dies war jedoch nicht der Fall. Vielmehr sprach alles dafür, dass hier ein durchaus ernst gemeintes, - wenn auch noch genau zu klärendes-, Anliegen aus dem alltäglichen Leistungsbereich an die Beklagte herangetragen werden sollte.

Nach Betrachtung und Bedenken der vom Gesetzgeber mit § 88 SGG verfolgten Absichten muss die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten ergehen. Diese trägt damit die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in erster wie in zweiter Instanz.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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