Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2/06**
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 446/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Verfahren L 7 AS 264/07 durch Prozessvergleich vom 6. Oktober 2008 erledigt ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.01.2005 bis 30.09.2006.
Die Klägerin bezieht von 2005 an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten. Wegen der Leistungen für den genannten Zeitraum war es zu einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg gekommen. Dieses wies die Klage mit Urteil vom 26.06.2007 ab. In dem darauf folgenden Berufungsverfahren beim Bayerischen Landessozialgericht L 7 AS 264/07 fand am 06.10.2008 ein Erörterungstermin statt.
In dessen Rahmen schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, dessen Regelungen die Klägerin im Wesentlichen als "Prozessgewinnerin" ausweisen. Ziffer 1 beinhaltet die Vereinbarungen in der Sache, Ziffer 2 eine Regelung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten. Ziffer 3 dieses Prozessvergleiches enthält folgende Bestimmung:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass damit der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist."
Der Vergleich war vom Berichterstatter als Vorsitzenden im Erörterungstermin auf Tonband gesprochen und den Parteien vorgespielt worden. Diese erteilten ihre Genehmigung.
Mit Schriftsatz vom 29.10.2008 hat die Klägerin den Widerruf des Vergleichs erklärt und die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Zur Begründung führt sie aus, der Berichterstatter hätte ihr in unzulässiger Weise ein Widerrufsrecht verwehrt. Der Vergleich sei zu unbestimmt. Der Streitgegenstand sei durch den Prozessvergleich nur teilweise behandelt worden. Sie sei in die Irre geführt worden, indem die Geschäftsstelle ihr vor dem Erörterungstermin versichert habe, es werde nicht über den Rechtsstreit entschieden, weswegen keine vorherige Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Prozesskostenhilfeantrag notwendig sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Berufungsverfahren wieder aufzunehmen und es den prozessualen Bestimmungen gemäß, insbesondere unter Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, zu betreiben.
Die Beklagte beantragt
festzustellen, dass das Verfahren L 7 AS 264/07 durch Prozessvergleich vom 06.10.2008 erledigt worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens der Klägerin mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen ihres Fernbleibens enthalten. Das rechtliche Gehör der Klägerin ist gewahrt. Dabei ist zu bedenken, dass das Verfahren einen modifizierten, sehr eingeschränkten Streitgegenstand aufweist. Es geht zunächst ausschließlich darum, ob das Verfahren L 7 AS 264/07 durch den Prozessvergleich beendet worden ist oder nicht. Insoweit hat sich die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung zweimal ausführlich schriftlich geäußert. Die Notwendigkeit, von einem Rechtsanwalt vertreten zu werden, sieht sie dagegen im Hinblick auf die Sache. So hat sie mit Schriftsatz vom 22.11.2008 vorgetragen, es sei wohl nicht möglich, dass sich ein Rechtsanwalt in der Kürze der Zeit in die umfangreiche Materie einarbeiten könne. Diese Einschätzung mag für die Hauptsache zutreffen. Für das hier vorliegende, gegenständlich modifizierte Verfahren lässt sich indes keine "umfangreiche Materie" feststellen.
Die Klägerin hat mit ihrem Bemühen, die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 7 AS 264/07 zu erreichen, keinen Erfolg. Dieses hat sich vielmehr durch den im Rahmen des Erörterungstermins am 06.10.2008 geschlossenen Prozessvergleich erledigt.
Der Prozessvergleich hat unmittelbar verfahrenserledigende Wirkung. Er ist wirksam in einem Erörterungstermin geschlossen worden (vgl. dazu, dass auch in einem Erörterungstermin Prozessvergleiche geschlossen werden können, Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 106 RdNr. 15). Insbesondere sind die formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt. Der geschlossene Prozessvergleich ist protokolliert worden, indem der Berichterstatter ihn auf Tonband gesprochen hat. Sodann ist er den Parteien - wegen der Änderungswünsche seitens der Parteien sogar mehrfach - durch Abspielen des Tonbandes vorgespielt worden. Schließlich haben die Parteien den so protokollierten Vergleich genehmigt.
Der Prozessvergleich ist nicht unbestimmt, geschweige denn liegt insoweit ein seine Unwirksamkeit bewirkender Mangel vor. In seiner Ziffer 1 ist die Regelung zwar umfangreich. Das lässt sich aber angesichts der im Erörterungstermin zu beobachtenden und aus den Akten entnehmbaren Neigung der Klägerin, auch um kleine Details verbissen zu kämpfen, nicht vermeiden. Eine in gewisser Weise pauschalierende Regelung scheint mit der Klägerin schlicht nicht möglich. Jedoch gibt Ziffer 1 der Beklagten eine detaillierte Handlungsanweisung, die nahezu nicht missverstanden werden kann. Nur der Vollständigkeit halber sei die Klägerin darauf hingewiesen, dass Unklarheiten in Prozessvergleichen - die wohlgemerkt hier nicht bestehen - in aller Regel nicht die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge haben; vielmehr muss notfalls eine gerichtliche Klärung herbeigeführt werden. Die Klägerin irrt, wenn sie diejenigen Bestimmtheitsanforderungen zum Maßstab macht, die für die Eignung von Prozessvergleichen als Vollstreckungstitel gelten; es mag in der Tat sein, dass der am 06.10.2008 geschlossene Vergleich dem nicht gerecht wird. Darauf kommt es aber auch nicht an. Vorliegend steht nämlich nur in Frage, ob der Vergleich verfahrenserledigende Wirkung hat; das jedoch ist ohne Zweifel zu bejahen.
Der Prozessvergleich hat das Berufungsverfahren auch vollständig erledigt. Das bewirkt seine Ziffer 3. Dass der Vergleich sich nicht mit allen Aspekten explizit beschäftigt, die die Klägerin für wichtig hält, ändert daran nichts.
Der von der Klägerin erklärte Widerruf geht ins Leere, weil ein Widerrufsrecht nicht besteht. Ein solches ist nicht vereinbart worden; ein Widerrufsrecht von Gesetzes wegen existiert nicht.
Richtig ist, dass die Klägerin im Erörterungstermin um ein Widerrufsrecht gebeten hat. Der Berichterstatter hat aber zu erkennen gegeben, er würde einen widerruflichen Vergleich nicht zu Protokoll nehmen. Daraufhin hat sich die Klägerin nach reiflicher Überlegung und unter intensiver Diskussion aller wesentlichen Einzelheiten entschlossen, den Vergleich ohne Widerrufsmöglichkeit zu schließen. Ihr wäre ohne weiteres der Weg offen gestanden, von einem Vergleichsschluss abzusehen. Der Berichterstatter hat zwar dazu geraten, weil die Beklagte ihrerseits dazu bereit war, ohne die schwierigen Probleme zum Vermögen der Klägerin überhaupt zu thematisieren. Von daher erschien die Bereitschaft der Beklagten zur Einigung für die Klägerin als überaus günstig. Das hat die Klägerin letzten Endes - obwohl sie zunächst zu sämtlichen Einzelheiten eine Klärung durch das Gericht in ihrem Sinn verlangt hatte - offenbar auch erkannt und den Prozessvergleich geschlossen.
Die Einflussnahme des Berichterstatters hat sich im Rahmen von zwar zahlreichen, aber sachbezogenen Ratschlägen gehalten. Zum Vergleichsschluss ohne Widerrufsrecht gedrängt worden ist die Klägerin nicht. Hinzu kommt, dass die Klägerin nach Lage der Akten und nach den Eindrücken des Gerichts im Erörterungstermin gegenüber Behörden und Gerichten bislang mit erstaunlichen Rechtskenntnissen und mit großem Selbstbewusstsein aufgetreten ist. Sie vermittelt einen zwar höflichen, beherrschten und sachlichen, nichtsdestotrotz aber außerordentlich kämpferischen Eindruck. Unterwürfige Leichtgläubigkeit gegenüber Behörden und Gerichten ist ihr allem Anschein nach fremd. So hat sich die Beklagte in rechtswidriger Weise dazu entschlossen, der Klägerin großzügige Pauschalen für "Werbungskosten" zu gewähren, nur damit diese sie nicht wegen jeder Kleinigkeit kontaktiert. Diese Persönlichkeitsstruktur lässt es nahezu als ausgeschlossen erscheinen, dass die Klägerin in die Gefahr geraten könnte, überrumpelt zu werden. Dass im hier vorliegenden Fall keine Überrumpelungssituation gegeben war, wird auch daraus deutlich, dass sich die Klägerin nicht spontan unmittelbar nach dem Erörterungstermin zum Widerruf entschlossen hat, sondern erst nach drei Wochen. So bringt der Widerruf nach Einschätzung des Senats vielmehr zum Ausdruck, dass sich die Klägerin nicht damit abfinden kann, nachgegeben zu haben - wenn auch nur in relativen Kleinigkeiten.
Der Umstand, dass am 06.10.2008 noch nicht über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden war, berührt die Wirksamkeit des Prozessvergleichs nicht. Die Klägerin hat den Prozessvergleich freiwillig und ohne jeden Druck geschlossen, auch wenn der Erörterungstermin intensiv und von kontroversen Ansichten geprägt war. Die Klägerin hat den Vergleich nach eingehender, rationaler Abwägung geschlossen. Ihre Privatautonomie war nicht beeinträchtigt. So hätte sie selbstverständlich die Möglichkeit gehabt, vom Vergleichsschluss abzusehen und den Prozess weiterzuführen; dann wäre in der Folgezeit noch über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden worden. Indem sie sich dennoch zum Vergleichsschluss entschlossen hat, hat sie selbst vollendete Tatsachen geschaffen.
Da der Prozessvergleich somit wirksam ist, hat er das Berufungsverfahren erledigt. Dies war im Tenor festzustellen.
Der Senat vermag nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen die Klägerin den Prozessvergleich vom 06.10.2008 für "unzulänglich" hält. Denn der führt zu einem weitgehenden Obsiegen der Klägerin. Sie möge bedenken, dass die Beklagte zu dem Vergleich bereit war, ohne den Umstand, dass möglicherweise einsetzbares Vermögen vorhanden ist, zu problematisieren. Die Rechtslage ist hier keineswegs so eindeutig, wie es die Klägerin meint. Insbesondere das Darlehen der Landesbodenkreditanstalt müsste eingehend im Hinblick auf seine Zweckbindung geprüft werden; denn immerhin war es der Klägerin laut ihrer Einlassung im Erörterungstermin anscheinend unproblematisch möglich, den Darlehensbetrag für den Lebensunterhalt einzusetzen; so müsste die Stringenz der Zweckbindung dringend hinterfragt werden. Es ist schlichtweg unverständlich, dass die Klägerin bei dieser Konstellation "auf das Ganze" gehen will. Wenn sie auf einer vollständigen Prüfung durch das Bayerische Landessozialgericht besteht, riskiert sie, dass dieses im ungünstigen Fall einen Leistungsanspruch von Null feststellt. Sie hatte bislang lediglich das Glück, dass die Beklagte sich offenbar gescheut hat, das Problem des Vermögens zu beleuchten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.01.2005 bis 30.09.2006.
Die Klägerin bezieht von 2005 an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten. Wegen der Leistungen für den genannten Zeitraum war es zu einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg gekommen. Dieses wies die Klage mit Urteil vom 26.06.2007 ab. In dem darauf folgenden Berufungsverfahren beim Bayerischen Landessozialgericht L 7 AS 264/07 fand am 06.10.2008 ein Erörterungstermin statt.
In dessen Rahmen schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, dessen Regelungen die Klägerin im Wesentlichen als "Prozessgewinnerin" ausweisen. Ziffer 1 beinhaltet die Vereinbarungen in der Sache, Ziffer 2 eine Regelung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten. Ziffer 3 dieses Prozessvergleiches enthält folgende Bestimmung:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass damit der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt ist."
Der Vergleich war vom Berichterstatter als Vorsitzenden im Erörterungstermin auf Tonband gesprochen und den Parteien vorgespielt worden. Diese erteilten ihre Genehmigung.
Mit Schriftsatz vom 29.10.2008 hat die Klägerin den Widerruf des Vergleichs erklärt und die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Zur Begründung führt sie aus, der Berichterstatter hätte ihr in unzulässiger Weise ein Widerrufsrecht verwehrt. Der Vergleich sei zu unbestimmt. Der Streitgegenstand sei durch den Prozessvergleich nur teilweise behandelt worden. Sie sei in die Irre geführt worden, indem die Geschäftsstelle ihr vor dem Erörterungstermin versichert habe, es werde nicht über den Rechtsstreit entschieden, weswegen keine vorherige Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Prozesskostenhilfeantrag notwendig sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Berufungsverfahren wieder aufzunehmen und es den prozessualen Bestimmungen gemäß, insbesondere unter Wahrung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, zu betreiben.
Die Beklagte beantragt
festzustellen, dass das Verfahren L 7 AS 264/07 durch Prozessvergleich vom 06.10.2008 erledigt worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens der Klägerin mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen ihres Fernbleibens enthalten. Das rechtliche Gehör der Klägerin ist gewahrt. Dabei ist zu bedenken, dass das Verfahren einen modifizierten, sehr eingeschränkten Streitgegenstand aufweist. Es geht zunächst ausschließlich darum, ob das Verfahren L 7 AS 264/07 durch den Prozessvergleich beendet worden ist oder nicht. Insoweit hat sich die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung zweimal ausführlich schriftlich geäußert. Die Notwendigkeit, von einem Rechtsanwalt vertreten zu werden, sieht sie dagegen im Hinblick auf die Sache. So hat sie mit Schriftsatz vom 22.11.2008 vorgetragen, es sei wohl nicht möglich, dass sich ein Rechtsanwalt in der Kürze der Zeit in die umfangreiche Materie einarbeiten könne. Diese Einschätzung mag für die Hauptsache zutreffen. Für das hier vorliegende, gegenständlich modifizierte Verfahren lässt sich indes keine "umfangreiche Materie" feststellen.
Die Klägerin hat mit ihrem Bemühen, die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 7 AS 264/07 zu erreichen, keinen Erfolg. Dieses hat sich vielmehr durch den im Rahmen des Erörterungstermins am 06.10.2008 geschlossenen Prozessvergleich erledigt.
Der Prozessvergleich hat unmittelbar verfahrenserledigende Wirkung. Er ist wirksam in einem Erörterungstermin geschlossen worden (vgl. dazu, dass auch in einem Erörterungstermin Prozessvergleiche geschlossen werden können, Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 106 RdNr. 15). Insbesondere sind die formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt. Der geschlossene Prozessvergleich ist protokolliert worden, indem der Berichterstatter ihn auf Tonband gesprochen hat. Sodann ist er den Parteien - wegen der Änderungswünsche seitens der Parteien sogar mehrfach - durch Abspielen des Tonbandes vorgespielt worden. Schließlich haben die Parteien den so protokollierten Vergleich genehmigt.
Der Prozessvergleich ist nicht unbestimmt, geschweige denn liegt insoweit ein seine Unwirksamkeit bewirkender Mangel vor. In seiner Ziffer 1 ist die Regelung zwar umfangreich. Das lässt sich aber angesichts der im Erörterungstermin zu beobachtenden und aus den Akten entnehmbaren Neigung der Klägerin, auch um kleine Details verbissen zu kämpfen, nicht vermeiden. Eine in gewisser Weise pauschalierende Regelung scheint mit der Klägerin schlicht nicht möglich. Jedoch gibt Ziffer 1 der Beklagten eine detaillierte Handlungsanweisung, die nahezu nicht missverstanden werden kann. Nur der Vollständigkeit halber sei die Klägerin darauf hingewiesen, dass Unklarheiten in Prozessvergleichen - die wohlgemerkt hier nicht bestehen - in aller Regel nicht die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge haben; vielmehr muss notfalls eine gerichtliche Klärung herbeigeführt werden. Die Klägerin irrt, wenn sie diejenigen Bestimmtheitsanforderungen zum Maßstab macht, die für die Eignung von Prozessvergleichen als Vollstreckungstitel gelten; es mag in der Tat sein, dass der am 06.10.2008 geschlossene Vergleich dem nicht gerecht wird. Darauf kommt es aber auch nicht an. Vorliegend steht nämlich nur in Frage, ob der Vergleich verfahrenserledigende Wirkung hat; das jedoch ist ohne Zweifel zu bejahen.
Der Prozessvergleich hat das Berufungsverfahren auch vollständig erledigt. Das bewirkt seine Ziffer 3. Dass der Vergleich sich nicht mit allen Aspekten explizit beschäftigt, die die Klägerin für wichtig hält, ändert daran nichts.
Der von der Klägerin erklärte Widerruf geht ins Leere, weil ein Widerrufsrecht nicht besteht. Ein solches ist nicht vereinbart worden; ein Widerrufsrecht von Gesetzes wegen existiert nicht.
Richtig ist, dass die Klägerin im Erörterungstermin um ein Widerrufsrecht gebeten hat. Der Berichterstatter hat aber zu erkennen gegeben, er würde einen widerruflichen Vergleich nicht zu Protokoll nehmen. Daraufhin hat sich die Klägerin nach reiflicher Überlegung und unter intensiver Diskussion aller wesentlichen Einzelheiten entschlossen, den Vergleich ohne Widerrufsmöglichkeit zu schließen. Ihr wäre ohne weiteres der Weg offen gestanden, von einem Vergleichsschluss abzusehen. Der Berichterstatter hat zwar dazu geraten, weil die Beklagte ihrerseits dazu bereit war, ohne die schwierigen Probleme zum Vermögen der Klägerin überhaupt zu thematisieren. Von daher erschien die Bereitschaft der Beklagten zur Einigung für die Klägerin als überaus günstig. Das hat die Klägerin letzten Endes - obwohl sie zunächst zu sämtlichen Einzelheiten eine Klärung durch das Gericht in ihrem Sinn verlangt hatte - offenbar auch erkannt und den Prozessvergleich geschlossen.
Die Einflussnahme des Berichterstatters hat sich im Rahmen von zwar zahlreichen, aber sachbezogenen Ratschlägen gehalten. Zum Vergleichsschluss ohne Widerrufsrecht gedrängt worden ist die Klägerin nicht. Hinzu kommt, dass die Klägerin nach Lage der Akten und nach den Eindrücken des Gerichts im Erörterungstermin gegenüber Behörden und Gerichten bislang mit erstaunlichen Rechtskenntnissen und mit großem Selbstbewusstsein aufgetreten ist. Sie vermittelt einen zwar höflichen, beherrschten und sachlichen, nichtsdestotrotz aber außerordentlich kämpferischen Eindruck. Unterwürfige Leichtgläubigkeit gegenüber Behörden und Gerichten ist ihr allem Anschein nach fremd. So hat sich die Beklagte in rechtswidriger Weise dazu entschlossen, der Klägerin großzügige Pauschalen für "Werbungskosten" zu gewähren, nur damit diese sie nicht wegen jeder Kleinigkeit kontaktiert. Diese Persönlichkeitsstruktur lässt es nahezu als ausgeschlossen erscheinen, dass die Klägerin in die Gefahr geraten könnte, überrumpelt zu werden. Dass im hier vorliegenden Fall keine Überrumpelungssituation gegeben war, wird auch daraus deutlich, dass sich die Klägerin nicht spontan unmittelbar nach dem Erörterungstermin zum Widerruf entschlossen hat, sondern erst nach drei Wochen. So bringt der Widerruf nach Einschätzung des Senats vielmehr zum Ausdruck, dass sich die Klägerin nicht damit abfinden kann, nachgegeben zu haben - wenn auch nur in relativen Kleinigkeiten.
Der Umstand, dass am 06.10.2008 noch nicht über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden war, berührt die Wirksamkeit des Prozessvergleichs nicht. Die Klägerin hat den Prozessvergleich freiwillig und ohne jeden Druck geschlossen, auch wenn der Erörterungstermin intensiv und von kontroversen Ansichten geprägt war. Die Klägerin hat den Vergleich nach eingehender, rationaler Abwägung geschlossen. Ihre Privatautonomie war nicht beeinträchtigt. So hätte sie selbstverständlich die Möglichkeit gehabt, vom Vergleichsschluss abzusehen und den Prozess weiterzuführen; dann wäre in der Folgezeit noch über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden worden. Indem sie sich dennoch zum Vergleichsschluss entschlossen hat, hat sie selbst vollendete Tatsachen geschaffen.
Da der Prozessvergleich somit wirksam ist, hat er das Berufungsverfahren erledigt. Dies war im Tenor festzustellen.
Der Senat vermag nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen die Klägerin den Prozessvergleich vom 06.10.2008 für "unzulänglich" hält. Denn der führt zu einem weitgehenden Obsiegen der Klägerin. Sie möge bedenken, dass die Beklagte zu dem Vergleich bereit war, ohne den Umstand, dass möglicherweise einsetzbares Vermögen vorhanden ist, zu problematisieren. Die Rechtslage ist hier keineswegs so eindeutig, wie es die Klägerin meint. Insbesondere das Darlehen der Landesbodenkreditanstalt müsste eingehend im Hinblick auf seine Zweckbindung geprüft werden; denn immerhin war es der Klägerin laut ihrer Einlassung im Erörterungstermin anscheinend unproblematisch möglich, den Darlehensbetrag für den Lebensunterhalt einzusetzen; so müsste die Stringenz der Zweckbindung dringend hinterfragt werden. Es ist schlichtweg unverständlich, dass die Klägerin bei dieser Konstellation "auf das Ganze" gehen will. Wenn sie auf einer vollständigen Prüfung durch das Bayerische Landessozialgericht besteht, riskiert sie, dass dieses im ungünstigen Fall einen Leistungsanspruch von Null feststellt. Sie hatte bislang lediglich das Glück, dass die Beklagte sich offenbar gescheut hat, das Problem des Vermögens zu beleuchten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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