Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 57/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 LW 22/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 4/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist auch im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anwendbar
Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 6. Juli 2005 und des Bescheides vom 29. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2004 verurteilt, dem Kläger die für den Zeitraum 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 1999 entrichteten Beiträge entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Beiträgen, die der Kläger im Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 an die Beklagte entrichtet hat.
Mit Schreiben vom 22.6.1998 wurde die Beklagte davon in Kenntnis gesetzt, dass der Pflanzen-Blumenmarkt C. zum 1.7.1998 von der bisherigen Betriebsinhaberin an den Kläger übergeben wird. Die bisherige Besitzerin teilte mit, die übernommenen Grundstücke würden wie bisher bewirtschaftet. Ein von ihr unterhaltenes Ladengeschäft sei vom Betriebsnachfolger übernommen worden. In dem daraufhin an den Kläger übersandten Fragebogen gab dieser an, dass er Blumen- und Zierpflanzenanbau betreibe. Die von ihm bewirtschafteten Pachtflächen beliefen sich auf 4.500 qm. Die Flächen würden wie folgt bewirtschaftet: Blumen- und Zierpflanzenanbau: Freiland (4.350 qm), Hochglas (150 qm).
Mit Bescheid vom 16.7.1998 stellte die Beklagte fest, dass für den Kläger für die Zeit ab 1.7.1998 als landwirtschaftlicher/gärtnerischer Unternehmer Versicherungspflicht zur Alterskasse für den Gartenbau besteht. Die monatliche Beitragshöhe wurde ab 1998 auf 335.- DM festgesetzt.
Mit Schreiben vom 29.1.2004 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit der Bitte um Überprüfung der Beitragspflicht zur Alterskasse. Sein Betrieb sei kein Gartenbaubetrieb. Es werde nichts angebaut oder ähnliches. Es handele sich um ein reines Einzelhandelsunternehmen (Einkauf/Verkauf).
Im Rahmen einer Besichtigung der Betriebsstätte durch die Beklagte am 17.4.2004 wurde festgestellt, dass es sich bei dem Betrieb um ein reines Handelsgeschäft (Blumengeschäft) mit angrenzendem Gartencenter handele. Dienstleistungen im Bereich Gartenbau würden nicht ausgeführt. Urpoduktion fände keine statt und dies bereits seit 1.7.1998. Die falschen Angaben in dem Fragebogen vom 10.7.1998 und den jährlichen Arbeitswertnachweisen seien vom Steuerberater gemacht worden. Dieser habe wohl die Angaben von der vorherigen Betriebsinhaberin übernommen.
Mit angefochtenem Bescheid vom 29.4.2004 nahm die Beklagte den Bescheid über die Veranlagung zur Versicherungspflicht als gärtnerischer Unternehmer gemäß § 1 ALG zurück. Der Kläger sei nicht Landwirt/Gärtner i.S.d. § 1 ALG. Landwirt/Gärtner sei nur derjenige, der als Unternehmer ein landwirtschaftliches/gärtnerisches Unternehmen betreibt, welches auf Bodenbewirtschaftung beruht und die von der Alterskasse festgesetzte Mindestgröße erreicht bzw. überschreitet. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung sei festgestellt worden, dass entgegen den bisherigen Angaben keine Flächen zur Urpoduktion genutzt würden. Die für die Zeit vom 1.1.2000 bis 30.4.2004 gezahlten Beiträge in Höhe von 9.510,24 Euro seien zu Unrecht entrichtet und würden erstattet. Die Erstattung der vom 1.7.1998 bis 31.12.1999 zu Unrecht entrichteten Beiträge sei nach § 27 Abs. 2 SGB IV wegen Verjährung ausgeschlossen.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger die Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge auch für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede durch die Alterskasse verstoße gegen Treu und Glauben gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. sei rechtsmissbräuchlich und ermessensfehlerhaft. Die Fehlversicherung seit dem 1.7.1998 habe aufgrund falscher Beratung durch die Beklagte bestanden. Die Beklagte habe ihre gemäß §§ 14,16 Abs. 3, 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I bestehenden Pflichten zur Beratung und Interessenförderung verletzt. Ein Hinweisblatt zum Ausfüllen sei dem Kläger nicht übermittelt worden. Erforderliche Hinweise seien nicht ergangen. Dem Kläger sei kein Verschulden vorzuwerfen, da die Angaben in dem Antragsformular, dass der Kläger Blumen- und Zierpflanzenanbau betreibe, ohne weitere Erläuterungen nicht eindeutig seien. Es sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er hierunter auch den Einkauf fertig gezüchteter Pflanzen und das Einsetzen dieser in die Erde bis zum Endverkauf eingeordnet habe, zumal der Vorpächter dieselbe Betriebsart führte und über Jahrzehnte bei der Beklagten versichert gewesen sei. Selbst der Steuerberater des Klägers, der den Fragebogen ausgefüllt habe, habe dies nicht erkannt. Auch habe die Beklagte über Jahre allein aufgrund der einmaligen Angabe, Blumen- und Zierpflanzenanbau zu betreiben, die Versicherung aufrechterhalten, ohne eine einzige Ortsbegehung durchzuführen. Eine solche sei jedoch zwingend erforderlich. Hätte die Beklagte ihre Pflichten bereits gegenüber der Vorbesitzerin ordnungsgemäß erfüllt, wäre es nicht zu einer Falschversicherung gekommen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte habe aufgrund der über Jahre hinaus gemachten Meldungen davon ausgehen müssen, dass Flächenbewirtschaftung stattgefunden habe.
Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht München (SG) begründete der Kläger im wesentlichen mit dem Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Es verstoße gegen Treu und Glauben, dass sich die Beklagte auf die Verjährung der Erstattungsansprüche für die Beiträge der Jahre 1998 und 1999 berufe, obwohl sie für die Falschversicherung des Klägers verantwortlich sei. Aufgrund der fehlenden Beratung und unzureichender Sachaufklärung habe der Kläger einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, wonach er so zu stellen sei, wie er ohne das rechtswidrige Handeln der Beklagten gestanden hätte. Auch habe die Beklagte ihr Ermessen bei der Ausübung der Verjährungseinrede nicht pflichtgemäß ausgeübt. Den Kläger treffe kein Verschulden an der Falschversicherung. Die Beklagte habe auch Kenntnis von der Unwissenheit des Klägers gehabt. Sie hätte sich daher bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht auf die Verjährungseinrede berufen dürfen.
Der Klage wurde mit Urteil vom 6.7.2005 zurückgewiesen. Der Beklagten sei die Berufung auf die Einrede der Verjährung nicht verwehrt. Einem im Bereich von Produktion und Handel auf dem Sektor Gärtnerei und Zierpflanzen tätigen Geschäftsmann müsse zuge-traut werden, zwischen gärtnerischer Urpoduktion und einer von der Bodenbewirtschaftung abgelösten Handelstätigkeit zu unterscheiden. Die Angaben des Klägers seien eindeutig gewesen und hätten bei der Beklagten keine Zweifel auslösen müssen. Die Rüge einer fehlenden Betriebsbesichtigung sei lebensfremd. Eine flächendeckende Kontrolle von Berufsausübungen vor Ort sei von den Versicherungsträgern nicht zu bewerkstelligen. Ein Herstellungsanspruch komme nicht in Betracht. Der Kläger habe kein Auskunftsersuchen an die Beklagte gerichtet. Die Beklagte habe dementsprechend auch keine Auskünfte bzw. Ratschläge erteilt, deren Richtigkeit zu überprüfen wäre.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Über den bisherigen Vortrag hinaus wurde ausgeführt, in dem Fragebogen vom 10.7.1998 sei an keiner Stelle von gärtnerischer Urpoduktion die Rede gewesen. Soweit der Kläger angegeben habe, Blumenanbau zu betreiben, sei dies insofern zutreffend gewesen, als der Kläger bereits fertige Pflanzen in die Erde einsetzt, um diese weiterzuveräußern. Es werde nicht erläutert, dass unter den Begriff des Blumen- und Zierpflanzenanbaus nur die reine Urpoduktion falle.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 6.7.2005 und des Bescheids vom 29.4.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.9.2004 zu verurteilen, dem Kläger die für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 ent- richteten Beiträge entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts München und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Beiträge für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 ist nicht verjährt, da die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV erst mit dem Ablauf des Jahres 2004 begonnen hat und damit noch nicht abgelaufen ist.
Zwischen den Beteiligten ist nur strittig, ob der Erstattungsanspruch des Klägers für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 ausgeschlossen ist. Nicht Streitgegenstand ist, ob die Beklagte berechtigt war, den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht vom 16. Juli 1998 mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. April 2004 von Anfang an zurückzunehmen. Diese Regelung des angefochtenen Bescheids wurde vom Kläger in keinem Verfahrensstadium angegriffen. Damit ist der Bescheid vom 29. April 2004 für die Beteiligten insoweit bindend, als mit ihm festgestellt worden ist, dass der Kläger ab 1.7.1998 nicht der Beitragspflicht zur Alterskasse für den Gartenbau unterlag, ab diesem Zeitpunkt also zu Unrecht Pflichtbeiträge zur Alterskasse entrichtet worden sind (vgl. § 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge zur Alterskasse für den Gartenbau bestimmt sich nach §§ 77, 76 Abs. 4 S. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in Verbindung mit § 26 ff. SGB IV (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gemäß § 26 Abs. 2 1. HS SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass für den Kläger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs keine Leistungen erbracht wurden oder zu erbringen waren.
Der damit grundsätzlich bestehende Erstattungsanspruch des Klägers auch für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 verjährt gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Beanstandet der Versicherungsträger jedoch die Rechtswirksamkeit von Beiträgen, beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Kalenderjahres der Beanstandung (§ 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV).
1. Die Sonderregelung des § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV ist auch im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anwendbar. Dies folgt zunächst aus § 1 Abs.1 S. 1 SGB IV, wonach das SGB IV und damit auch § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV im Geltungsbereich des ALG anzuwenden sind. Darüber hinaus spricht § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV generell von einer Beanstandung der Wirksamkeit von Beiträgen durch einen Versicherungsträger. Eine Beschränkung auf Träger eines bestimmten Versicherungszweigs, etwa ausschließlich auf die Rentenversicherung, findet in dieser Bestimmung nicht statt.
Das Bundessozialgericht hat jedoch aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm abgeleitet, dass § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV keine Anwendung im Bereich der Arbeitslosenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.1991, Az. 12 RK 31/90, in Juris) bzw. der Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.1991, Az. 12 RK 31/90, in Juris) findet, für den Bereich des ALG wurde die Frage vom BSG bisher offengelassen (vgl. BSG, Urteil vom
26.3.1987, Az. 11a RLw 3/86, in Juris).
Diese Regelung sei eine speziell für den Bereich der Rentenversicherung geltende Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Erstmals sei durch das Gesetz über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21.12.1937 in § 1445c RVO geregelt worden, dass die Verjährung erst mit dem Schlusse des Kalenderjahres der Beanstandung beginnt, wenn der Versicherungsträger die Rechtswirksamkeit von Beiträgen beanstandet. Diese Regelung sei bei der Rentenreform 1957 in § 1424 Abs. 1,2 RVO/§ 146 Abs. 1, 2 Angestelltenversicherungsgesetz übernommen worden. In der Folgezeit wurde die Verjährungsfrist dann auf zwei Jahre sowie schließlich durch § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV auf vier Jahre verlängert. § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV sei Nachfolger der rentenversicherungsrechtlichen Sondervorschrift des § 1424 Abs. 2 RVO/§ 146 Abs. 2 AVG. Trotz der Verwendung des allgemeinen Begriffs des Versicherungsträgers in § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV könne diese Bestimmung in der Krankenversicherung bzw. Arbeitslosenversicherung nicht angewendet werden. In der Rentenversicherung würden im Gegensatz zu den anderen Versicherungszweigen durch die Entrichtung von Beiträgen Anwartschaften erworben, die bei Eintritt von Versicherungsfällen zu Leistungsansprüchen erstarken; die Beitragsentrichtung wirke für die Zukunft. Werde der hierauf beruhende Vorsorgeplan des "Versicherten" durch die Beanstandung enttäuscht, so sollen die Beiträge erstattet werden, wenn mit ihnen künftig Leistungen nicht (mehr) erworben werden können. Das soll nicht daran scheitern, dass die nach der Beitragsentrichtung beginnende Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Beanstandung schon ganz oder teilweise abgelaufen ist. Der Umstand, dass auch zu Unrecht gezahlte Ansprüche verjährten, beruhe darauf, dass die nötigen nachträglichen Ermittlungen einen unverhältnismäßigen Aufwand an Mühe und Zeit erforderten, der umso größer sei, je weiter die Zeit zurückliege, auf die sich die Erhebungen erstreckten. Dieser Umstand habe im Bereich der Rentenversicherung jedoch nicht eine derartige Bedeutung, da die Prüfung von Erstattungsansprüchen dem Grunde und der Höhe nach durch das Vorhandensein von Versicherungsunterlagen deutlich erleichtert werde. Im Bereich der Krankenversicherung seien hingegen nicht derartige Versicherungsunterlagen vorhanden (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.1991, in Juris Rdn. 16).
Nach Auffassung des Senats sprechen diese Erwägungen dafür, § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV auch im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anzuwenden. Denn auch hier wie im Anwendungsbereich des SGB VI erwirbt der Landwirt durch die Entrichtung von Beiträgen Anwartschaften. Auch seine Vorsorgeerwartung ist schutzbedürftig, wenn sich diese durch die Beanstandung nicht realisieren lässt. Er benötigt gleichermaßen wie der unselbständig Beschäftigte die bisher entrichteten Beiträge, um sich auf andere Weise eine ausreichende Altersversorgung zu verschaffen. Einen rechtfertigenden Grund für eine Ungleichbehandlung von nur scheinbar pflichtversicherten abhängig Beschäftigten und nur scheinbar pflichtversicherten selbstständigen Landwirten ist nicht ersichtlich. Schließlich liegen auch bei den Alterskassen für Landwirte Versicherungsunterlagen in demselben Umfang wie bei den Rentenversicherungsträgern vor.
Für diese Auslegung spricht auch, dass der Gesetzgeber mittlerweile im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch § 351 Abs. 1 S. 2 SGB III ausdrücklich klargestellt hat, dass § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung findet. Eine solche Klarstellung wäre jedoch entbehrlich, wenn der Gesetzgeber der Auffassung wäre, § 27 Abs. 2 S. 2 SGB VI finde nur auf Rentenversicherungsträger Anwendung. Eine entsprechende Klarstellung ist im Bereich des ALG nicht erfolgt. Dies legt im Umkehrschluss nahe, dass § 27 Abs. 2 S. 2 SGB VI im Bereich des ALG nach dem Willen des Gesetzgebers anzuwenden ist. Denn er hat in das ALG keine der Regelung des § 351 Abs. 1 S. 2 SGB III vergleichbare Vorschrift aufgenommen und auch keine entsprechende Neufassung im Rahmen einer der zahlreichen Novellierungen des Gesetzes verfügt.
Schließlich spricht auch nicht durchgreifend gegen eine Anwendung des § 27 Abs. 2 S. 2 SGB VI im Bereich der Alterssicherung für Landwirte, dass in § 26 Abs. 1 SGB IV zeitliche Grenzen für eine Beanstandung ausdrücklich nur für Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung gesetzt werden. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass in der Alterssicherung für Landwirte Pflichtbeiträge unbegrenzt beanstandet werden können. Aufgrund der oben dargelegten identischen Verhältnisse im Bereich der Alterssicherung für Landwirte und der Rentenversicherung ist diese Bestimmung vielmehr analog im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anzuwenden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.4.2004 hat die Beklagte festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nicht erfüllt sind und der Kläger daher seit 1.7.1998 zu Unrecht Beiträge entrichtet hat. Hierin ist eine zumindest sinngemäße Beanstandung im Sinne des § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV zu sehen mit der Folge, dass die Verjährung erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2004 begonnen hat und dementsprechend Verjährung noch nicht eingetreten ist. Es kann in diesem Zusammenhang nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Begriff "Beanstandung" vom Versicherungsträger gewählt wird oder nicht. Entsprechend dem Zweck der Beanstandung hat die Beklagte mit ihrem Bescheid der Unrechtmäßigkeit der Beitragsentrichtung Rechtswirksamkeit verschafft und zugleich über die Erstattung der zu Unrecht bezahlten Beiträge mitentschieden. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu dem vom BSG mit Urteil vom 26.3.1987, Az. 11a RLw, entschiedenen Fall. Dort hat die damalige Beklagte einem Befreiungsantrag (rückwirkend) stattgegeben; ein Anlass zur Beanstandung bestand im Gegensatz zu hier damals nicht.
Da die Beanstandung der Beiträge an sich vom Kläger nicht angegriffen wird, kann dahinstehen, ob die Beklagte gem. § 26 Abs. 1 SGB IV analog die Beiträge noch beanstanden durfte.
Die Verjährungsfrist von 4 Jahren beginnt damit erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2004 (Kalenderjahr der Beanstandung). Da durch Erhebung von Widerspruch und Klage der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt wird (vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 - 3 SGB IV i.V.m.
§ 204 Abs. 1, 2 BGB), ist der Erstattungsanspruch des Klägers noch nicht verjährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da die Frage der Anwendung des
§ 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV im Rahmen des ALG grundsätzliche Bedeutung hat und bisher noch nicht vom BSG entschieden wurde.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Beiträgen, die der Kläger im Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 an die Beklagte entrichtet hat.
Mit Schreiben vom 22.6.1998 wurde die Beklagte davon in Kenntnis gesetzt, dass der Pflanzen-Blumenmarkt C. zum 1.7.1998 von der bisherigen Betriebsinhaberin an den Kläger übergeben wird. Die bisherige Besitzerin teilte mit, die übernommenen Grundstücke würden wie bisher bewirtschaftet. Ein von ihr unterhaltenes Ladengeschäft sei vom Betriebsnachfolger übernommen worden. In dem daraufhin an den Kläger übersandten Fragebogen gab dieser an, dass er Blumen- und Zierpflanzenanbau betreibe. Die von ihm bewirtschafteten Pachtflächen beliefen sich auf 4.500 qm. Die Flächen würden wie folgt bewirtschaftet: Blumen- und Zierpflanzenanbau: Freiland (4.350 qm), Hochglas (150 qm).
Mit Bescheid vom 16.7.1998 stellte die Beklagte fest, dass für den Kläger für die Zeit ab 1.7.1998 als landwirtschaftlicher/gärtnerischer Unternehmer Versicherungspflicht zur Alterskasse für den Gartenbau besteht. Die monatliche Beitragshöhe wurde ab 1998 auf 335.- DM festgesetzt.
Mit Schreiben vom 29.1.2004 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit der Bitte um Überprüfung der Beitragspflicht zur Alterskasse. Sein Betrieb sei kein Gartenbaubetrieb. Es werde nichts angebaut oder ähnliches. Es handele sich um ein reines Einzelhandelsunternehmen (Einkauf/Verkauf).
Im Rahmen einer Besichtigung der Betriebsstätte durch die Beklagte am 17.4.2004 wurde festgestellt, dass es sich bei dem Betrieb um ein reines Handelsgeschäft (Blumengeschäft) mit angrenzendem Gartencenter handele. Dienstleistungen im Bereich Gartenbau würden nicht ausgeführt. Urpoduktion fände keine statt und dies bereits seit 1.7.1998. Die falschen Angaben in dem Fragebogen vom 10.7.1998 und den jährlichen Arbeitswertnachweisen seien vom Steuerberater gemacht worden. Dieser habe wohl die Angaben von der vorherigen Betriebsinhaberin übernommen.
Mit angefochtenem Bescheid vom 29.4.2004 nahm die Beklagte den Bescheid über die Veranlagung zur Versicherungspflicht als gärtnerischer Unternehmer gemäß § 1 ALG zurück. Der Kläger sei nicht Landwirt/Gärtner i.S.d. § 1 ALG. Landwirt/Gärtner sei nur derjenige, der als Unternehmer ein landwirtschaftliches/gärtnerisches Unternehmen betreibt, welches auf Bodenbewirtschaftung beruht und die von der Alterskasse festgesetzte Mindestgröße erreicht bzw. überschreitet. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung sei festgestellt worden, dass entgegen den bisherigen Angaben keine Flächen zur Urpoduktion genutzt würden. Die für die Zeit vom 1.1.2000 bis 30.4.2004 gezahlten Beiträge in Höhe von 9.510,24 Euro seien zu Unrecht entrichtet und würden erstattet. Die Erstattung der vom 1.7.1998 bis 31.12.1999 zu Unrecht entrichteten Beiträge sei nach § 27 Abs. 2 SGB IV wegen Verjährung ausgeschlossen.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger die Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge auch für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede durch die Alterskasse verstoße gegen Treu und Glauben gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. sei rechtsmissbräuchlich und ermessensfehlerhaft. Die Fehlversicherung seit dem 1.7.1998 habe aufgrund falscher Beratung durch die Beklagte bestanden. Die Beklagte habe ihre gemäß §§ 14,16 Abs. 3, 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I bestehenden Pflichten zur Beratung und Interessenförderung verletzt. Ein Hinweisblatt zum Ausfüllen sei dem Kläger nicht übermittelt worden. Erforderliche Hinweise seien nicht ergangen. Dem Kläger sei kein Verschulden vorzuwerfen, da die Angaben in dem Antragsformular, dass der Kläger Blumen- und Zierpflanzenanbau betreibe, ohne weitere Erläuterungen nicht eindeutig seien. Es sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er hierunter auch den Einkauf fertig gezüchteter Pflanzen und das Einsetzen dieser in die Erde bis zum Endverkauf eingeordnet habe, zumal der Vorpächter dieselbe Betriebsart führte und über Jahrzehnte bei der Beklagten versichert gewesen sei. Selbst der Steuerberater des Klägers, der den Fragebogen ausgefüllt habe, habe dies nicht erkannt. Auch habe die Beklagte über Jahre allein aufgrund der einmaligen Angabe, Blumen- und Zierpflanzenanbau zu betreiben, die Versicherung aufrechterhalten, ohne eine einzige Ortsbegehung durchzuführen. Eine solche sei jedoch zwingend erforderlich. Hätte die Beklagte ihre Pflichten bereits gegenüber der Vorbesitzerin ordnungsgemäß erfüllt, wäre es nicht zu einer Falschversicherung gekommen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte habe aufgrund der über Jahre hinaus gemachten Meldungen davon ausgehen müssen, dass Flächenbewirtschaftung stattgefunden habe.
Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht München (SG) begründete der Kläger im wesentlichen mit dem Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Es verstoße gegen Treu und Glauben, dass sich die Beklagte auf die Verjährung der Erstattungsansprüche für die Beiträge der Jahre 1998 und 1999 berufe, obwohl sie für die Falschversicherung des Klägers verantwortlich sei. Aufgrund der fehlenden Beratung und unzureichender Sachaufklärung habe der Kläger einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, wonach er so zu stellen sei, wie er ohne das rechtswidrige Handeln der Beklagten gestanden hätte. Auch habe die Beklagte ihr Ermessen bei der Ausübung der Verjährungseinrede nicht pflichtgemäß ausgeübt. Den Kläger treffe kein Verschulden an der Falschversicherung. Die Beklagte habe auch Kenntnis von der Unwissenheit des Klägers gehabt. Sie hätte sich daher bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht auf die Verjährungseinrede berufen dürfen.
Der Klage wurde mit Urteil vom 6.7.2005 zurückgewiesen. Der Beklagten sei die Berufung auf die Einrede der Verjährung nicht verwehrt. Einem im Bereich von Produktion und Handel auf dem Sektor Gärtnerei und Zierpflanzen tätigen Geschäftsmann müsse zuge-traut werden, zwischen gärtnerischer Urpoduktion und einer von der Bodenbewirtschaftung abgelösten Handelstätigkeit zu unterscheiden. Die Angaben des Klägers seien eindeutig gewesen und hätten bei der Beklagten keine Zweifel auslösen müssen. Die Rüge einer fehlenden Betriebsbesichtigung sei lebensfremd. Eine flächendeckende Kontrolle von Berufsausübungen vor Ort sei von den Versicherungsträgern nicht zu bewerkstelligen. Ein Herstellungsanspruch komme nicht in Betracht. Der Kläger habe kein Auskunftsersuchen an die Beklagte gerichtet. Die Beklagte habe dementsprechend auch keine Auskünfte bzw. Ratschläge erteilt, deren Richtigkeit zu überprüfen wäre.
Mit der hiergegen erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Über den bisherigen Vortrag hinaus wurde ausgeführt, in dem Fragebogen vom 10.7.1998 sei an keiner Stelle von gärtnerischer Urpoduktion die Rede gewesen. Soweit der Kläger angegeben habe, Blumenanbau zu betreiben, sei dies insofern zutreffend gewesen, als der Kläger bereits fertige Pflanzen in die Erde einsetzt, um diese weiterzuveräußern. Es werde nicht erläutert, dass unter den Begriff des Blumen- und Zierpflanzenanbaus nur die reine Urpoduktion falle.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 6.7.2005 und des Bescheids vom 29.4.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.9.2004 zu verurteilen, dem Kläger die für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 ent- richteten Beiträge entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akte sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts München und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Beiträge für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 ist nicht verjährt, da die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV erst mit dem Ablauf des Jahres 2004 begonnen hat und damit noch nicht abgelaufen ist.
Zwischen den Beteiligten ist nur strittig, ob der Erstattungsanspruch des Klägers für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 ausgeschlossen ist. Nicht Streitgegenstand ist, ob die Beklagte berechtigt war, den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht vom 16. Juli 1998 mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. April 2004 von Anfang an zurückzunehmen. Diese Regelung des angefochtenen Bescheids wurde vom Kläger in keinem Verfahrensstadium angegriffen. Damit ist der Bescheid vom 29. April 2004 für die Beteiligten insoweit bindend, als mit ihm festgestellt worden ist, dass der Kläger ab 1.7.1998 nicht der Beitragspflicht zur Alterskasse für den Gartenbau unterlag, ab diesem Zeitpunkt also zu Unrecht Pflichtbeiträge zur Alterskasse entrichtet worden sind (vgl. § 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge zur Alterskasse für den Gartenbau bestimmt sich nach §§ 77, 76 Abs. 4 S. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in Verbindung mit § 26 ff. SGB IV (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
Gemäß § 26 Abs. 2 1. HS SGB IV sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass für den Kläger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs keine Leistungen erbracht wurden oder zu erbringen waren.
Der damit grundsätzlich bestehende Erstattungsanspruch des Klägers auch für den Zeitraum 1.7.1998 bis 31.12.1999 verjährt gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Beanstandet der Versicherungsträger jedoch die Rechtswirksamkeit von Beiträgen, beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Kalenderjahres der Beanstandung (§ 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV).
1. Die Sonderregelung des § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV ist auch im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anwendbar. Dies folgt zunächst aus § 1 Abs.1 S. 1 SGB IV, wonach das SGB IV und damit auch § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV im Geltungsbereich des ALG anzuwenden sind. Darüber hinaus spricht § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV generell von einer Beanstandung der Wirksamkeit von Beiträgen durch einen Versicherungsträger. Eine Beschränkung auf Träger eines bestimmten Versicherungszweigs, etwa ausschließlich auf die Rentenversicherung, findet in dieser Bestimmung nicht statt.
Das Bundessozialgericht hat jedoch aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm abgeleitet, dass § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV keine Anwendung im Bereich der Arbeitslosenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.1991, Az. 12 RK 31/90, in Juris) bzw. der Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.1991, Az. 12 RK 31/90, in Juris) findet, für den Bereich des ALG wurde die Frage vom BSG bisher offengelassen (vgl. BSG, Urteil vom
26.3.1987, Az. 11a RLw 3/86, in Juris).
Diese Regelung sei eine speziell für den Bereich der Rentenversicherung geltende Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Erstmals sei durch das Gesetz über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21.12.1937 in § 1445c RVO geregelt worden, dass die Verjährung erst mit dem Schlusse des Kalenderjahres der Beanstandung beginnt, wenn der Versicherungsträger die Rechtswirksamkeit von Beiträgen beanstandet. Diese Regelung sei bei der Rentenreform 1957 in § 1424 Abs. 1,2 RVO/§ 146 Abs. 1, 2 Angestelltenversicherungsgesetz übernommen worden. In der Folgezeit wurde die Verjährungsfrist dann auf zwei Jahre sowie schließlich durch § 27 Abs. 2 S. 1 SGB IV auf vier Jahre verlängert. § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV sei Nachfolger der rentenversicherungsrechtlichen Sondervorschrift des § 1424 Abs. 2 RVO/§ 146 Abs. 2 AVG. Trotz der Verwendung des allgemeinen Begriffs des Versicherungsträgers in § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV könne diese Bestimmung in der Krankenversicherung bzw. Arbeitslosenversicherung nicht angewendet werden. In der Rentenversicherung würden im Gegensatz zu den anderen Versicherungszweigen durch die Entrichtung von Beiträgen Anwartschaften erworben, die bei Eintritt von Versicherungsfällen zu Leistungsansprüchen erstarken; die Beitragsentrichtung wirke für die Zukunft. Werde der hierauf beruhende Vorsorgeplan des "Versicherten" durch die Beanstandung enttäuscht, so sollen die Beiträge erstattet werden, wenn mit ihnen künftig Leistungen nicht (mehr) erworben werden können. Das soll nicht daran scheitern, dass die nach der Beitragsentrichtung beginnende Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Beanstandung schon ganz oder teilweise abgelaufen ist. Der Umstand, dass auch zu Unrecht gezahlte Ansprüche verjährten, beruhe darauf, dass die nötigen nachträglichen Ermittlungen einen unverhältnismäßigen Aufwand an Mühe und Zeit erforderten, der umso größer sei, je weiter die Zeit zurückliege, auf die sich die Erhebungen erstreckten. Dieser Umstand habe im Bereich der Rentenversicherung jedoch nicht eine derartige Bedeutung, da die Prüfung von Erstattungsansprüchen dem Grunde und der Höhe nach durch das Vorhandensein von Versicherungsunterlagen deutlich erleichtert werde. Im Bereich der Krankenversicherung seien hingegen nicht derartige Versicherungsunterlagen vorhanden (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.1991, in Juris Rdn. 16).
Nach Auffassung des Senats sprechen diese Erwägungen dafür, § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV auch im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anzuwenden. Denn auch hier wie im Anwendungsbereich des SGB VI erwirbt der Landwirt durch die Entrichtung von Beiträgen Anwartschaften. Auch seine Vorsorgeerwartung ist schutzbedürftig, wenn sich diese durch die Beanstandung nicht realisieren lässt. Er benötigt gleichermaßen wie der unselbständig Beschäftigte die bisher entrichteten Beiträge, um sich auf andere Weise eine ausreichende Altersversorgung zu verschaffen. Einen rechtfertigenden Grund für eine Ungleichbehandlung von nur scheinbar pflichtversicherten abhängig Beschäftigten und nur scheinbar pflichtversicherten selbstständigen Landwirten ist nicht ersichtlich. Schließlich liegen auch bei den Alterskassen für Landwirte Versicherungsunterlagen in demselben Umfang wie bei den Rentenversicherungsträgern vor.
Für diese Auslegung spricht auch, dass der Gesetzgeber mittlerweile im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch § 351 Abs. 1 S. 2 SGB III ausdrücklich klargestellt hat, dass § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung findet. Eine solche Klarstellung wäre jedoch entbehrlich, wenn der Gesetzgeber der Auffassung wäre, § 27 Abs. 2 S. 2 SGB VI finde nur auf Rentenversicherungsträger Anwendung. Eine entsprechende Klarstellung ist im Bereich des ALG nicht erfolgt. Dies legt im Umkehrschluss nahe, dass § 27 Abs. 2 S. 2 SGB VI im Bereich des ALG nach dem Willen des Gesetzgebers anzuwenden ist. Denn er hat in das ALG keine der Regelung des § 351 Abs. 1 S. 2 SGB III vergleichbare Vorschrift aufgenommen und auch keine entsprechende Neufassung im Rahmen einer der zahlreichen Novellierungen des Gesetzes verfügt.
Schließlich spricht auch nicht durchgreifend gegen eine Anwendung des § 27 Abs. 2 S. 2 SGB VI im Bereich der Alterssicherung für Landwirte, dass in § 26 Abs. 1 SGB IV zeitliche Grenzen für eine Beanstandung ausdrücklich nur für Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung gesetzt werden. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass in der Alterssicherung für Landwirte Pflichtbeiträge unbegrenzt beanstandet werden können. Aufgrund der oben dargelegten identischen Verhältnisse im Bereich der Alterssicherung für Landwirte und der Rentenversicherung ist diese Bestimmung vielmehr analog im Bereich der Alterssicherung der Landwirte anzuwenden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.4.2004 hat die Beklagte festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nicht erfüllt sind und der Kläger daher seit 1.7.1998 zu Unrecht Beiträge entrichtet hat. Hierin ist eine zumindest sinngemäße Beanstandung im Sinne des § 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV zu sehen mit der Folge, dass die Verjährung erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2004 begonnen hat und dementsprechend Verjährung noch nicht eingetreten ist. Es kann in diesem Zusammenhang nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Begriff "Beanstandung" vom Versicherungsträger gewählt wird oder nicht. Entsprechend dem Zweck der Beanstandung hat die Beklagte mit ihrem Bescheid der Unrechtmäßigkeit der Beitragsentrichtung Rechtswirksamkeit verschafft und zugleich über die Erstattung der zu Unrecht bezahlten Beiträge mitentschieden. Damit besteht ein entscheidender Unterschied zu dem vom BSG mit Urteil vom 26.3.1987, Az. 11a RLw, entschiedenen Fall. Dort hat die damalige Beklagte einem Befreiungsantrag (rückwirkend) stattgegeben; ein Anlass zur Beanstandung bestand im Gegensatz zu hier damals nicht.
Da die Beanstandung der Beiträge an sich vom Kläger nicht angegriffen wird, kann dahinstehen, ob die Beklagte gem. § 26 Abs. 1 SGB IV analog die Beiträge noch beanstanden durfte.
Die Verjährungsfrist von 4 Jahren beginnt damit erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres 2004 (Kalenderjahr der Beanstandung). Da durch Erhebung von Widerspruch und Klage der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt wird (vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 - 3 SGB IV i.V.m.
§ 204 Abs. 1, 2 BGB), ist der Erstattungsanspruch des Klägers noch nicht verjährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da die Frage der Anwendung des
§ 27 Abs. 2 S. 2 SGB IV im Rahmen des ALG grundsätzliche Bedeutung hat und bisher noch nicht vom BSG entschieden wurde.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved