Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 5019/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 151/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 3/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 7. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.662,23 Euro festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des stellvertretenden Landrates A. zur Arbeitslosenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 und die Beitragsforderung der Beklagten in Höhe von 2.896,59 Euro.
Bei der am 7. Juli 2004 durchgeführten Betriebsprüfung beim Landkreis B. stellte die Beklagte fest, dass für den stellvertretenden Landrat keine Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt wurden, obwohl dieser beitragspflichtig sei.
Der Beigeladene bezog eine Entschädigung ab 1. Januar 2000 von 1.576,66 DM, die bis 1. Juli 2003 auf 1.126,40 Euro erhöht wurde.
Mit Bescheid vom 15. September 2004 stellte die Beklagte gegenüber dem Landkreis B. fest, dass der stellvertretende Landrat Herr A. sozialversicherungspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung sei, da der steuerpflichtige Anteil der gewährten Aufwandsentschädigung Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV darstelle. Da der stellvertretende Landrat nicht nur Repräsentationsaufgaben wahrnehme, sondern den Landrat im Verhinderungsfall in vollem Umfang vertrete, daher ständig dienstbereit sein müsse und deshalb auch über die grundsätzlichen Angelegenheiten des Landratsamtes informiert werden müsse, bestehe ein Dauerarbeitsverhältnis. Da die Grenzen der geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV im Prüfzeitraum überschritten werden, bestehe Versicherungspflicht. Ein Gewährleistungsbescheid habe bei der Prüfung nicht vorgelegt werden können. Die geforderten Beiträge beliefen sich auf 10.789,34 Euro.
Dagegen richtet sich der vom Landrat eingelegte Widerspruch, der damit begründet wurde, dass Versicherungspflicht für den Stellvertreter des Landrats nicht eintrete. Herr A. sei berufsmäßiger erster Bürgermeister des Marktes A-Stadt und aus diesem Rechtsverhältnis Beamter auf Zeit mit einer Anwartschaft auf Versorgung im Alter, bei verminderter Erwerbsfähigkeit sowie mit einer Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Der Markt A-Stadt habe mit Wirkung vom 1. Januar 2000 die Gewährleistung der Versorgungsanwartschaft auch auf die Tätigkeit des Beigeladenen als Stellvertreter des Landrats des Landkreises B. erstreckt. Der entsprechende Gewährleistungsbescheid wurde vorgelegt.
Auch in der Arbeitslosenversicherung bestehe für den Beigeladenen in der Funktion als Stellvertreter des Landrats Versicherungsfreiheit, denn dem Sinn und Zweck entsprechend sei § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III so zu verstehen und auszulegen. Danach seien Beamte versicherungsfrei, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge, der Beihilfe oder Heilfürsorge haben. Diese Bestimmungen stellten nicht darauf ab, dass der Beamte bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen aus jedem dieser Rechtsverhältnisse die entsprechenden Ansprüche herleiten müsse. Im Übrigen müsse auch § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III beachtet werden, denn dort sei zwar der Stellvertreter des Landrats nicht explizit aufgeführt, allerdings könne diese ehrenamtliche Tätigkeit nicht anders beurteilt werden, als die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Bürgermeisters oder Beigeordneten. Dies habe die DRV Ober- und Mittelfranken in einem gleich gelagerten Fall so bestätigt. Leistungsansprüche aus dem SGB III seien für diesen Personenkreis im Übrigen nicht ersichtlich, so dass es dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Solidaritätsprinzip widerspreche, wenn ein Personenkreis zur Finanzierung von Sozialleistungen herangezogen werde, ohne selbst der Solidargemeinschaft anzugehören.
Mit Bescheid vom 11. März 2005 hat die Beklagte dem Widerspruch teilweise abgeholfen, soweit Rentenversicherungsbeiträge geltend gemacht wurden, und festgestellt, dass aufgrund des Gewährleistungsbescheides Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung besteht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2005 hat die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zurückgewiesen und Beiträge in Höhe von 2.896,59 Euro gefordert.
Mit der Klage vom 16. Juni 2005 begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Beigeladene zu 2) Herr A., in seinem Amt als stellvertretender Landrat nicht der Versicherungspflicht nach dem SGB III unterliegt. Gestützt wird das Vorbringen auf § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III, da das Amt des stellvertretenden Landrats mit dem eines ehrenamtlichen Beigeordneten identisch sei. Auch wenn die Landkreisordnung für den Freistaat Bayern den Stellvertreter des Landrats nicht explizit als Beigeordneten bezeichne, müsse die Auslegung dieses Begriffs doch ergeben, dass nach der Funktion und Aufgabe die Tätigkeit des Beigeordneten seiner Tätigkeit in der überwiegenden Zahl der anderen Bundesländern entspreche. Dort vertrete der Beigeordnete den Landrat bei dessen Verhinderung, dies sei auch die Funktion des stellvertretenden Landrats in Bayern. Hilfsweise werde vorgetragen, dass die Versicherungspflicht auch deshalb nicht gegeben sei, weil der Beigeladene als Bürgermeister Beamter auf Zeit sei und bei Krankheit Anspruch auf entsprechende Leistungen habe. Die Versicherungsfreiheit erstrecke sich entgegen der Auffassung der Beklagten eben gerade nicht auf die jeweilige Beschäftigung. Es genüge, wenn die soziale Absicherung durch eine Beschäftigung als Beamter gewährleistet ist.
Mit Urteil vom 7.Februar 2007 stellte das Sozialgericht Bayreuth unter Abänderung des Bescheides vom 15. September 2004 in der Fassung des Bescheides vom 11. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 fest, dass der Beigeladene zu 2) in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 nicht versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes und aus dem in der Bundestagsdrucksache niedergelegten Willen des Gesetzgebers ergebe sich, dass der stellvertretende Landrat ebenfalls von § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III erfasst werde. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte in anderen Fällen entsprechend.
Mit der Berufung begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Sie ist der Auffassung, dass § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB III nicht auf den Stellvertreter des Landrats angewandt werden könne, da dieser in der Bestimmung nicht expressis verbis genannt sei und die Bestimmung als Ausnahmeregelung naturgemäß eng auszulegen sei. Die Beigeladene zu 1) schloss sich dieser Auffassung ausdrücklich an.
In der mündlichen Verhandlung erklärten die Beteiligten übereinstimmend, dass die Höhe der Beiträge unstreitig sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 7. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Bayreuth und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2 in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 nicht versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war, und daher vom Kläger keine Beiträge zu entrichten sind. Daher war der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 abzuändern.
Die Beklagte ist gemäß § 28p Abs. 1 S. 1 und 3 SGB IV zuständig für die beim Arbeitgeber durchzuführende Betriebsprüfung und sie entscheidet auf Grund des Prüfergebnisses durch Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträge (§ 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV).
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Stellvertreter eines Landrates abhängig beschäftigt und damit grundsätzlich versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung ist, ebensowenig sind Ausführungen zur Höhe der von der Beklagten geforderten Beiträge erforderlich, da die Berechnung der Beiträge an sich zwischen den
Beteiligten nicht streitig ist.
Streitig ist vielmehr, ob der Stellvertreter des Landrats in Bayern nach § 27 SGB III versicherungsfrei ist. Die Stellung des stellvertretenden Landrats ist in der Bayerischen Landkreisordnung geregelt.
Nach dem bayerischen Kommunalrecht wählt der Kreistag aus seiner Mitte für die Dauer seiner Wahlzeit den Stellvertreter des Landrats. Der gewählte Stellvertreter des Landrats ist Ehrenbeamter des Landkreises (Art. 32 Abs. 1 Landkreisordnung). Da der Landrat nach Art. 33, 34 der Landkreisordnung in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten ohne grundsätzliche Bedeutung, sowie die ihm vom Kreistag übertragenen Angelegenheiten selbstständig erledigt und den Vorsitz im Kreistag, im Kreisausschuss und den weiteren Ausschüssen führt und deren Beschlüsse vollzieht, handelt es sich dabei um Verwaltungstätigkeiten und Repräsentationsaufgaben. Ist der Landrat verhindert oder persönlich beteiligt, so handelt sein Vertreter (Art. 33 S. 3 Landkreisordnung).
Das Sozialgericht hat zu Recht § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB III dahingehend ausgelegt, dass ehrenamtliche Bürgermeister und ehrenamtliche Beigeordnete in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sind und dass zu diesem Personenkreis auch der stellvertretende Landrat in Bayern gehört.
Dies ergibt sich aus der Regelung des § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB III, da dort zwar nicht die nach dem bayerischen Kommunalrecht geltende Bezeichnung des stellvertretenden Landrats verwendet wird, der stellvertretende Landrat jedoch dem in anderen Kommunalverfassungen normierten Beigeordneten gleichzusetzen ist und im übrigen nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift diese Tätigkeit und nach den Willen des Gesetzgebers aufgrund der Besonderheiten des Ehrenamtes die Beschäftigung eines ehrenamtlichen Wahlbeamten in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sein soll.
§ 27 Abs. 3 S. 1 Ziff. 4 SGB III lautet:
Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung als
... 4. ehrenamtlicher Bürgermeister oder ehrenamtlicher Beigeordneter.
Nach dem Kommunalrecht anderer Bundesländer, zum Beispiel der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen, haben die Landkreise einen oder mehrere Kreis- oder Gemeinde-Beigeordnete (zum Beispiel § 44 Landkreisordnung Rheinland-Pfalz, § 71 Gemeindeordnung NRW, § 110 Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung). Diese können hauptamtlich aber auch ehrenamtlich tätig sein (z.B. § 44 Abs. 3 Landkreisordnung Rheinland-Pfalz). Sowohl in Rheinland-Pfalz aus auch in Thüringen ist zum Beispiel bestimmt, dass der Vertreter des Landrats ein Beigeordneter des Kreises ist. Diese Beigeordneten sind in Thüringen Ehrenbeamte des Landkreises, ebenso wie bei den Ge-
meinden die Vertreter des Bürgermeisters Ehrenbeamte der Gemeinden sind (§ 110
Abs. 2, 32 Abs. 1 Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung).
Diesen Personenkreis wollte der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 3 S. 1 Ziff. 4 SGB III von der aufgrund der Änderungen bei den geringfügigen Beschäftigungen eingetretenen Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ausnehmen.
Bis zum Inkrafttreten des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) waren ehrenamtliche Bürgermeister und Beigeordnete - anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung - in aller Regel beitragsfrei zur Bundesanstalt für Arbeit, weil der zeitliche Umfang ihrer Amtsausübung regelmäßig unter 18 Stunden wöchentlich und damit unter der für die Beitragspflicht nach dem AFG maßgeblichen Kurzzeitigkeitsgrenze liegt. Da ab 1. April 1997 die Geringfügigkeitsgrenzen nach § 8 SGB IV gelten, ist in vielen Fällen wegen des Überschreitens der Bezugsgröße Versicherungspflicht bei diesem Personenkreis eingetreten. In der Bundestagsdrucksache (BT-Drs 13/8994 S. 60) wird dazu ausgeführt, damit würden - ungewollt - aufgrund ihres politischen Wahlamtes viele ehrenamtliche kommunale Beamte Ansprüche auf Entgeltsatzleistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten. Der Gesetzgeber war der Auffassung, da die Arbeitslosenversicherung dieser besonderen Art der Beschäftigung nicht gerecht werden kann, müsse die Versicherungsfreiheit dieses Personenkreises angeordnet werden (Fuchs in Gagel SGB III § 27 Anm. 39, Stand 8/08, so auch Schlegel in Eicher/Schlegel SGB III Bd. 1 § 27 III.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Anwendung von § 27 Abs. 3 S. 1 Ziff. 4 SGB III auch auf die stellvertretenden Landräte in Bayern nicht um eine analoge Anwendung, die aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift beschränkt wäre, viel mehr ist die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass der stellvertretende Landrat nach den bayerischen Kommunalgesetzen dem Beigeordneten anderer Landeskommunalgesetze entspricht.
Die Beklagte argumentiert daher zu Unrecht, die vom Sozialgericht vorgenommene Auslegung der Bestimmung stehe da im Gegensatz zu der in der Literatur (Eicher/Schlegel SGB III Bd. 1, Rn. IV. 12. 98) vertretenen Auffassung.
Die Berufung ist daher aus den Gründen des Urteils des Sozialgerichts Bayreuth vom
7. Februar 2007 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VWGO.
Die Höhe des Streitwerts entspricht der Festsetzung der ersten Instanz, § 47 Abs. 2 S. 1 GKG.
Gemäß § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG ist die Revision zuzulassen, da die Streitsache grundsätzliche Bedeutung hat.
Im Rechtsstreit ist von entscheidender Bedeutung, die Auslegung des § 27 Abs. 3 S. 1 Ziffer 4 SGB III und dabei die Frage, ob der stellvertretende Landrat nach der bayerischen Landkreisordnung dem Beigeordneten anderer Bundesländer entspricht.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.662,23 Euro festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des stellvertretenden Landrates A. zur Arbeitslosenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 und die Beitragsforderung der Beklagten in Höhe von 2.896,59 Euro.
Bei der am 7. Juli 2004 durchgeführten Betriebsprüfung beim Landkreis B. stellte die Beklagte fest, dass für den stellvertretenden Landrat keine Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt wurden, obwohl dieser beitragspflichtig sei.
Der Beigeladene bezog eine Entschädigung ab 1. Januar 2000 von 1.576,66 DM, die bis 1. Juli 2003 auf 1.126,40 Euro erhöht wurde.
Mit Bescheid vom 15. September 2004 stellte die Beklagte gegenüber dem Landkreis B. fest, dass der stellvertretende Landrat Herr A. sozialversicherungspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung sei, da der steuerpflichtige Anteil der gewährten Aufwandsentschädigung Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV darstelle. Da der stellvertretende Landrat nicht nur Repräsentationsaufgaben wahrnehme, sondern den Landrat im Verhinderungsfall in vollem Umfang vertrete, daher ständig dienstbereit sein müsse und deshalb auch über die grundsätzlichen Angelegenheiten des Landratsamtes informiert werden müsse, bestehe ein Dauerarbeitsverhältnis. Da die Grenzen der geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV im Prüfzeitraum überschritten werden, bestehe Versicherungspflicht. Ein Gewährleistungsbescheid habe bei der Prüfung nicht vorgelegt werden können. Die geforderten Beiträge beliefen sich auf 10.789,34 Euro.
Dagegen richtet sich der vom Landrat eingelegte Widerspruch, der damit begründet wurde, dass Versicherungspflicht für den Stellvertreter des Landrats nicht eintrete. Herr A. sei berufsmäßiger erster Bürgermeister des Marktes A-Stadt und aus diesem Rechtsverhältnis Beamter auf Zeit mit einer Anwartschaft auf Versorgung im Alter, bei verminderter Erwerbsfähigkeit sowie mit einer Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Der Markt A-Stadt habe mit Wirkung vom 1. Januar 2000 die Gewährleistung der Versorgungsanwartschaft auch auf die Tätigkeit des Beigeladenen als Stellvertreter des Landrats des Landkreises B. erstreckt. Der entsprechende Gewährleistungsbescheid wurde vorgelegt.
Auch in der Arbeitslosenversicherung bestehe für den Beigeladenen in der Funktion als Stellvertreter des Landrats Versicherungsfreiheit, denn dem Sinn und Zweck entsprechend sei § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III so zu verstehen und auszulegen. Danach seien Beamte versicherungsfrei, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge, der Beihilfe oder Heilfürsorge haben. Diese Bestimmungen stellten nicht darauf ab, dass der Beamte bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen aus jedem dieser Rechtsverhältnisse die entsprechenden Ansprüche herleiten müsse. Im Übrigen müsse auch § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III beachtet werden, denn dort sei zwar der Stellvertreter des Landrats nicht explizit aufgeführt, allerdings könne diese ehrenamtliche Tätigkeit nicht anders beurteilt werden, als die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Bürgermeisters oder Beigeordneten. Dies habe die DRV Ober- und Mittelfranken in einem gleich gelagerten Fall so bestätigt. Leistungsansprüche aus dem SGB III seien für diesen Personenkreis im Übrigen nicht ersichtlich, so dass es dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Solidaritätsprinzip widerspreche, wenn ein Personenkreis zur Finanzierung von Sozialleistungen herangezogen werde, ohne selbst der Solidargemeinschaft anzugehören.
Mit Bescheid vom 11. März 2005 hat die Beklagte dem Widerspruch teilweise abgeholfen, soweit Rentenversicherungsbeiträge geltend gemacht wurden, und festgestellt, dass aufgrund des Gewährleistungsbescheides Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung besteht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2005 hat die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zurückgewiesen und Beiträge in Höhe von 2.896,59 Euro gefordert.
Mit der Klage vom 16. Juni 2005 begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Beigeladene zu 2) Herr A., in seinem Amt als stellvertretender Landrat nicht der Versicherungspflicht nach dem SGB III unterliegt. Gestützt wird das Vorbringen auf § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III, da das Amt des stellvertretenden Landrats mit dem eines ehrenamtlichen Beigeordneten identisch sei. Auch wenn die Landkreisordnung für den Freistaat Bayern den Stellvertreter des Landrats nicht explizit als Beigeordneten bezeichne, müsse die Auslegung dieses Begriffs doch ergeben, dass nach der Funktion und Aufgabe die Tätigkeit des Beigeordneten seiner Tätigkeit in der überwiegenden Zahl der anderen Bundesländern entspreche. Dort vertrete der Beigeordnete den Landrat bei dessen Verhinderung, dies sei auch die Funktion des stellvertretenden Landrats in Bayern. Hilfsweise werde vorgetragen, dass die Versicherungspflicht auch deshalb nicht gegeben sei, weil der Beigeladene als Bürgermeister Beamter auf Zeit sei und bei Krankheit Anspruch auf entsprechende Leistungen habe. Die Versicherungsfreiheit erstrecke sich entgegen der Auffassung der Beklagten eben gerade nicht auf die jeweilige Beschäftigung. Es genüge, wenn die soziale Absicherung durch eine Beschäftigung als Beamter gewährleistet ist.
Mit Urteil vom 7.Februar 2007 stellte das Sozialgericht Bayreuth unter Abänderung des Bescheides vom 15. September 2004 in der Fassung des Bescheides vom 11. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 fest, dass der Beigeladene zu 2) in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 nicht versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes und aus dem in der Bundestagsdrucksache niedergelegten Willen des Gesetzgebers ergebe sich, dass der stellvertretende Landrat ebenfalls von § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III erfasst werde. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte in anderen Fällen entsprechend.
Mit der Berufung begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Sie ist der Auffassung, dass § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB III nicht auf den Stellvertreter des Landrats angewandt werden könne, da dieser in der Bestimmung nicht expressis verbis genannt sei und die Bestimmung als Ausnahmeregelung naturgemäß eng auszulegen sei. Die Beigeladene zu 1) schloss sich dieser Auffassung ausdrücklich an.
In der mündlichen Verhandlung erklärten die Beteiligten übereinstimmend, dass die Höhe der Beiträge unstreitig sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 7. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Bayreuth und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz
- SGG -) ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2 in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2003 nicht versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war, und daher vom Kläger keine Beiträge zu entrichten sind. Daher war der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 abzuändern.
Die Beklagte ist gemäß § 28p Abs. 1 S. 1 und 3 SGB IV zuständig für die beim Arbeitgeber durchzuführende Betriebsprüfung und sie entscheidet auf Grund des Prüfergebnisses durch Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträge (§ 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV).
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Stellvertreter eines Landrates abhängig beschäftigt und damit grundsätzlich versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung ist, ebensowenig sind Ausführungen zur Höhe der von der Beklagten geforderten Beiträge erforderlich, da die Berechnung der Beiträge an sich zwischen den
Beteiligten nicht streitig ist.
Streitig ist vielmehr, ob der Stellvertreter des Landrats in Bayern nach § 27 SGB III versicherungsfrei ist. Die Stellung des stellvertretenden Landrats ist in der Bayerischen Landkreisordnung geregelt.
Nach dem bayerischen Kommunalrecht wählt der Kreistag aus seiner Mitte für die Dauer seiner Wahlzeit den Stellvertreter des Landrats. Der gewählte Stellvertreter des Landrats ist Ehrenbeamter des Landkreises (Art. 32 Abs. 1 Landkreisordnung). Da der Landrat nach Art. 33, 34 der Landkreisordnung in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten ohne grundsätzliche Bedeutung, sowie die ihm vom Kreistag übertragenen Angelegenheiten selbstständig erledigt und den Vorsitz im Kreistag, im Kreisausschuss und den weiteren Ausschüssen führt und deren Beschlüsse vollzieht, handelt es sich dabei um Verwaltungstätigkeiten und Repräsentationsaufgaben. Ist der Landrat verhindert oder persönlich beteiligt, so handelt sein Vertreter (Art. 33 S. 3 Landkreisordnung).
Das Sozialgericht hat zu Recht § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB III dahingehend ausgelegt, dass ehrenamtliche Bürgermeister und ehrenamtliche Beigeordnete in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sind und dass zu diesem Personenkreis auch der stellvertretende Landrat in Bayern gehört.
Dies ergibt sich aus der Regelung des § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB III, da dort zwar nicht die nach dem bayerischen Kommunalrecht geltende Bezeichnung des stellvertretenden Landrats verwendet wird, der stellvertretende Landrat jedoch dem in anderen Kommunalverfassungen normierten Beigeordneten gleichzusetzen ist und im übrigen nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift diese Tätigkeit und nach den Willen des Gesetzgebers aufgrund der Besonderheiten des Ehrenamtes die Beschäftigung eines ehrenamtlichen Wahlbeamten in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei sein soll.
§ 27 Abs. 3 S. 1 Ziff. 4 SGB III lautet:
Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung als
... 4. ehrenamtlicher Bürgermeister oder ehrenamtlicher Beigeordneter.
Nach dem Kommunalrecht anderer Bundesländer, zum Beispiel der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen, haben die Landkreise einen oder mehrere Kreis- oder Gemeinde-Beigeordnete (zum Beispiel § 44 Landkreisordnung Rheinland-Pfalz, § 71 Gemeindeordnung NRW, § 110 Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung). Diese können hauptamtlich aber auch ehrenamtlich tätig sein (z.B. § 44 Abs. 3 Landkreisordnung Rheinland-Pfalz). Sowohl in Rheinland-Pfalz aus auch in Thüringen ist zum Beispiel bestimmt, dass der Vertreter des Landrats ein Beigeordneter des Kreises ist. Diese Beigeordneten sind in Thüringen Ehrenbeamte des Landkreises, ebenso wie bei den Ge-
meinden die Vertreter des Bürgermeisters Ehrenbeamte der Gemeinden sind (§ 110
Abs. 2, 32 Abs. 1 Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung).
Diesen Personenkreis wollte der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 3 S. 1 Ziff. 4 SGB III von der aufgrund der Änderungen bei den geringfügigen Beschäftigungen eingetretenen Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ausnehmen.
Bis zum Inkrafttreten des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) waren ehrenamtliche Bürgermeister und Beigeordnete - anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung - in aller Regel beitragsfrei zur Bundesanstalt für Arbeit, weil der zeitliche Umfang ihrer Amtsausübung regelmäßig unter 18 Stunden wöchentlich und damit unter der für die Beitragspflicht nach dem AFG maßgeblichen Kurzzeitigkeitsgrenze liegt. Da ab 1. April 1997 die Geringfügigkeitsgrenzen nach § 8 SGB IV gelten, ist in vielen Fällen wegen des Überschreitens der Bezugsgröße Versicherungspflicht bei diesem Personenkreis eingetreten. In der Bundestagsdrucksache (BT-Drs 13/8994 S. 60) wird dazu ausgeführt, damit würden - ungewollt - aufgrund ihres politischen Wahlamtes viele ehrenamtliche kommunale Beamte Ansprüche auf Entgeltsatzleistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten. Der Gesetzgeber war der Auffassung, da die Arbeitslosenversicherung dieser besonderen Art der Beschäftigung nicht gerecht werden kann, müsse die Versicherungsfreiheit dieses Personenkreises angeordnet werden (Fuchs in Gagel SGB III § 27 Anm. 39, Stand 8/08, so auch Schlegel in Eicher/Schlegel SGB III Bd. 1 § 27 III.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Anwendung von § 27 Abs. 3 S. 1 Ziff. 4 SGB III auch auf die stellvertretenden Landräte in Bayern nicht um eine analoge Anwendung, die aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift beschränkt wäre, viel mehr ist die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass der stellvertretende Landrat nach den bayerischen Kommunalgesetzen dem Beigeordneten anderer Landeskommunalgesetze entspricht.
Die Beklagte argumentiert daher zu Unrecht, die vom Sozialgericht vorgenommene Auslegung der Bestimmung stehe da im Gegensatz zu der in der Literatur (Eicher/Schlegel SGB III Bd. 1, Rn. IV. 12. 98) vertretenen Auffassung.
Die Berufung ist daher aus den Gründen des Urteils des Sozialgerichts Bayreuth vom
7. Februar 2007 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VWGO.
Die Höhe des Streitwerts entspricht der Festsetzung der ersten Instanz, § 47 Abs. 2 S. 1 GKG.
Gemäß § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG ist die Revision zuzulassen, da die Streitsache grundsätzliche Bedeutung hat.
Im Rechtsstreit ist von entscheidender Bedeutung, die Auslegung des § 27 Abs. 3 S. 1 Ziffer 4 SGB III und dabei die Frage, ob der stellvertretende Landrat nach der bayerischen Landkreisordnung dem Beigeordneten anderer Bundesländer entspricht.
Rechtskraft
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