Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 127/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 B 809/08 U ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts N. vom 24.07.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast) war bei der Antragsgegnerin (Ag) als Unternehmer freiwillig versichert. Er erlitt am 21.02.2006 einen Verkehrsunfall. Nach seinen Angaben sei der Unfall während einer Dienstreise und bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Künstlerpromoter eingetreten (u.a. Unfallanzeige vom 02.03.2006).
Die Ag zahlte an den Ast Verletztengeld (Bescheid vom 22.03.2006 und Folgebescheide). Mit Bescheid vom 26.01.2007 lehnte die Ag die Anerkennung des Verkehrsunfalls vom 21.02.2006 als Versicherungsfall und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie verwies darauf, dass gegen den Ast und dessen Unfallgegnerin ein polizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdacht des Versicherungsbetruges hinsichtlich des Verkehrsunfalls vom 21.02.2006 geführt werde.
Dagegen erhob der Ast Widerspruch und beantragte am 15.02.2007 beim Sozialgericht (SG) N. die Feststellung, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe (Az. S 2 U 29/07 ER). Unter dem 02.03.2007 erklärte der Ast diesen Antrag für erledigt. Mit Beschluss vom 14.05.2007 lehnte das SG es ab, der Ag die außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens aufzuerlegen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) mit Beschluss vom 06.12.2007 zurück (Az. L 17 B 465/07 U). Das BayLSG führte aus, dass im Falle einer Entscheidung der Antrag vom 15.02.2007 als unzulässig hätte verworfen werden müssen.
Nach Anhörung nahm die Ag mit Bescheid vom 22.03.2007 den Bescheid vom 22.03.2006 und die Folgebescheide über die Bewilligung von Verletztengeld mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Die überzahlten Leistungen und die Kosten der Heilbehandlung seien zu erstatten. Nach Auswertung der vorliegenden Ermittlungen sei davon auszugehen, dass das Ereignis vom 21.02.2006 geplant und bewusst herbeigeführt worden sei. Der Ast habe falsche Angaben gemacht und einen Unfall fingiert, um sich Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erschleichen. Das Vorliegen eines Versicherungsfalls könne nicht mit der erforderlichen Gewissheit bewiesen werden. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.01.2007 und 22.03.2007 blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.05.2007). Die Ag zahlte Verletztengeld noch bis zum 07.05.2007 (Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007).
Am 09.05.2007 erhob der Ast Klage beim SG gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 (Az. S 15 U 116/07). Mit Eingang beim SG am 01.06.2007 beantragte er die Feststellung, dass der Widerspruch und die Klage aufschiebende Wirkung habe (Az. S 15 U 141/07 ER).
Mit Beschluss vom 19.07.2007 lehnte das SG den Antrag vom 01.06.2007 ab. Der Antrag sei zulässig, soweit der Ast die Weiterzahlung des Verletztengeldes über den 07.05.2007 hinaus begehre. Insoweit entfalle gemäß § 86a Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die aufschiebende Wirkung der Klage. Allerdings komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht Betracht, da der Klage nach summarischer Prüfung geringe Erfolgsaussichten einzuräumen seien. Nach den durchgeführten polizeilichen Ermittlungen sei der Schluss gerechtfertigt, dass der Verkehrsunfall vom 21.02.2006 vorsätzlich und in gegenseitiger Absprache der Beteiligten herbeigeführt worden sei. Vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls, der eine Leistungspflicht der Ag zur Folge hätte, könne nicht ausgegangen werden.
Mit Verfügung vom 29.02.2008 stellte die Staatsanwaltschaft R. das gegen den Ast und die Unfallgegnerin geführte Ermittlungsverfahren ein. Trotz vorhandener Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Herbeiführen des Verkehrsunfalls vom 21.02.2006 könne ein Betrug zum Nachteil der Versicherungen nicht mit der im Strafrecht erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Dass der Ast sich plangemäß von der Unfallgegnerin so anfahren und verletzen ließ, dass die (als Unfallfolge geltend gemachte) Hörminderung hierdurch absichtlich herbeigeführt wurde, sei nicht vorstellbar. Die Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens blieb ohne Erfolg (Bescheid des Generalstaatsanwaltes N. vom 18.08.2008).
Der Ast hat am 08.05.2008 erneut beim SG beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 anzuordnen (Az. S 15 U 127/08 ER).
Den Antrag hat das SG mit Beschluss vom 24.07.2008 abgelehnt. Es ist davon ausgegangen, dass der Klage gem. § 86a Abs 2 Nr 3 SGG keine aufschiebende Wirkung zukomme. Der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage stehe aber entgegen, dass die Klage auch nach Erlass der Einstellungsverfügung vom 29.02.2008 nur geringe Erfolgsaussichten habe. Unabhängig von der Überzeugungskraft der in der Einstellungsverfügung genannten Einstellungsgründe sei zu berücksichtigen, dass nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung das Unfallereignis, und dabei insbesondere die einem Unfall immanente Voraussetzung der Unfreiwilligkeit, zur Gewissheit des Gerichts bewiesen sein müsse. Es sei zweifelhaft, ob dieser Beweis gelingen werde.
Dagegen hat der Ast Beschwerde zum BayLSG erhoben. Es sei von der Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses auszugehen. Das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden; auch habe das Oberlandesgericht N. einen diesbezüglichen Klageerzwingungsantrag als unzulässig angesehen (Beschluss vom 30.10.2008). Zur Glaubhaftmachung beziehe er sich auf eine eidesstattliche Versicherung der Unfallgegnerin vom 01.08.2008. Diese habe erklärt, der Unfall sei weder geplant noch abgesprochen oder sonst wie manipuliert worden.
Die Ag hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Unfallakte der Ag und die Akte des SG (Az. S 15 U 127/08 ER) sowie auf die Akten des BayLSG (Az. L 17 B 465/07 U, L 17 B 809/08 U ER) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Indes ist entgegen der Auffassung des SG davon auszugehen, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 09.05.2007 gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 unzulässig ist.
Nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Insoweit führt das SG unter Hinweis auf § 86a Abs 2 Nr 3 SGG aus, es gehe um die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.05.2007, weil es sich in der Hauptsache um eine Anfechtungsklage gegen die Entziehung einer laufenden Leistung in Angelegenheiten der Sozialversicherung handle. Allerdings wird nicht berücksichtigt, dass die aufschiebende Wirkung grundsätzlich nur bei Anfechtungssachen eintritt, also bei Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte oder gegen Verwaltungsakte, die eine bereits eingeräumte Rechtsposition entziehen (§ 86a Abs 1 SGG). Begehrt ein Kläger dagegen eine Leistung und zugleich die Aufhebung des versagenden Bescheides, kommt eine aufschiebende Wirkung der Klage bzw. die Aussetzung des Vollzuges des versagenden Bescheides mit der Folge der Bewilligung der Leistung nicht in Betracht. Die in § 86a Abs 1 SGG angeführte Anfechtungsklage bezieht sich daher nur auf die isolierte, nicht mit einem Leistungsbegehren verbundene Anfechtungsklage.
Der Senat hat bereits in den Gründen des Beschlusses vom 06.12.2007 (Az. L 17 B 465/07 U) herausgestellt, dass der Bescheid vom 22.03.2007 nicht die Rücknahme einer rechtswidrigen und begünstigenden Entscheidung - etwa dass ein Versicherungsfall vorgelegen habe - regelt. Auf die Ausführungen im Beschluss vom 06.12.2007 wird Bezug genommen. Die Ag hatte vor der Ablehnung des Anspruches mit Bescheid vom 26.01.2007 zu keinem Zeitpunkt eine Entscheidung über die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall getroffen. Die Regelungswirkung der vorhergehenden Bescheide über die Zahlung des Verletztengeldes bezog sich nur auf das für den jeweiligen Abrechnungszeitraum gewährte Verletztengeld.
Dies zugrunde gelegt ist der vom Ast gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 unzulässig. Es kann dahinstehen, ob bei - wie hier - eindeutig formulierten Anträgen eine Umdeutung in Betracht kommt. Hierzu hatte das SG jedoch keine Veranlassung, weil es ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass der Klage gem. § 86a Abs 2 Nr 3 SGG keine aufschiebende Wirkung zukommt und der Antrag zulässig ist.
Selbst wenn der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung umzudeuten wäre, wird zu Bedenken gegeben, dass dieser Antrag - gerichtet auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs 2 S 2 SGG - keinen Erfolg gehabt hätte. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Eine solche Regelungsanordnung ist geboten, wenn der Anordnungsanspruch (dh die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren begehrt wird) und der Anordnungsgrund (dh die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung) mit Wahrscheinlichkeit vorliegen. Jedenfalls hat der Ast nicht mit der die faktische Vorwegnahme der Hauptsache allein rechtfertigenden hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung iVm § 86b Abs 2 Satz 4 SGG glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Anspruch auf Verletztengeld zusteht. Hierfür ist das Vorliegen eine Arbeitsunfalls erforderlich. Nach § 8 Abs 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist ein Unfall ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Das Ereignis, das von außen auf den Körper einwirkt, darf nicht auf Freiwilligkeit beruhen (Bereither-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, A § 8 Rdnr. 11.4). Zwar hat der Ast nunmehr im Beschwerdeverfahren die eidesstattliche Versicherung der Unfallgegnerin zur Glaubhaftmachung beigebracht. Dennoch hat der Ast nicht die Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses in dem erforderlichen Maß glaubhaft gemacht. Die abschließende Klärung dieser Frage - auch im Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft R. mit der Einstellungsverfügung vom 29.02.2008 genannten Anhaltspunkte für eine planmäßige Herbeiführung des Unfalls und der Ausführungen der Ag - muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung folgt aus § 177 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast) war bei der Antragsgegnerin (Ag) als Unternehmer freiwillig versichert. Er erlitt am 21.02.2006 einen Verkehrsunfall. Nach seinen Angaben sei der Unfall während einer Dienstreise und bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Künstlerpromoter eingetreten (u.a. Unfallanzeige vom 02.03.2006).
Die Ag zahlte an den Ast Verletztengeld (Bescheid vom 22.03.2006 und Folgebescheide). Mit Bescheid vom 26.01.2007 lehnte die Ag die Anerkennung des Verkehrsunfalls vom 21.02.2006 als Versicherungsfall und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie verwies darauf, dass gegen den Ast und dessen Unfallgegnerin ein polizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdacht des Versicherungsbetruges hinsichtlich des Verkehrsunfalls vom 21.02.2006 geführt werde.
Dagegen erhob der Ast Widerspruch und beantragte am 15.02.2007 beim Sozialgericht (SG) N. die Feststellung, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe (Az. S 2 U 29/07 ER). Unter dem 02.03.2007 erklärte der Ast diesen Antrag für erledigt. Mit Beschluss vom 14.05.2007 lehnte das SG es ab, der Ag die außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens aufzuerlegen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) mit Beschluss vom 06.12.2007 zurück (Az. L 17 B 465/07 U). Das BayLSG führte aus, dass im Falle einer Entscheidung der Antrag vom 15.02.2007 als unzulässig hätte verworfen werden müssen.
Nach Anhörung nahm die Ag mit Bescheid vom 22.03.2007 den Bescheid vom 22.03.2006 und die Folgebescheide über die Bewilligung von Verletztengeld mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Die überzahlten Leistungen und die Kosten der Heilbehandlung seien zu erstatten. Nach Auswertung der vorliegenden Ermittlungen sei davon auszugehen, dass das Ereignis vom 21.02.2006 geplant und bewusst herbeigeführt worden sei. Der Ast habe falsche Angaben gemacht und einen Unfall fingiert, um sich Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erschleichen. Das Vorliegen eines Versicherungsfalls könne nicht mit der erforderlichen Gewissheit bewiesen werden. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.01.2007 und 22.03.2007 blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.05.2007). Die Ag zahlte Verletztengeld noch bis zum 07.05.2007 (Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007).
Am 09.05.2007 erhob der Ast Klage beim SG gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 (Az. S 15 U 116/07). Mit Eingang beim SG am 01.06.2007 beantragte er die Feststellung, dass der Widerspruch und die Klage aufschiebende Wirkung habe (Az. S 15 U 141/07 ER).
Mit Beschluss vom 19.07.2007 lehnte das SG den Antrag vom 01.06.2007 ab. Der Antrag sei zulässig, soweit der Ast die Weiterzahlung des Verletztengeldes über den 07.05.2007 hinaus begehre. Insoweit entfalle gemäß § 86a Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die aufschiebende Wirkung der Klage. Allerdings komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht Betracht, da der Klage nach summarischer Prüfung geringe Erfolgsaussichten einzuräumen seien. Nach den durchgeführten polizeilichen Ermittlungen sei der Schluss gerechtfertigt, dass der Verkehrsunfall vom 21.02.2006 vorsätzlich und in gegenseitiger Absprache der Beteiligten herbeigeführt worden sei. Vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls, der eine Leistungspflicht der Ag zur Folge hätte, könne nicht ausgegangen werden.
Mit Verfügung vom 29.02.2008 stellte die Staatsanwaltschaft R. das gegen den Ast und die Unfallgegnerin geführte Ermittlungsverfahren ein. Trotz vorhandener Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Herbeiführen des Verkehrsunfalls vom 21.02.2006 könne ein Betrug zum Nachteil der Versicherungen nicht mit der im Strafrecht erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden. Dass der Ast sich plangemäß von der Unfallgegnerin so anfahren und verletzen ließ, dass die (als Unfallfolge geltend gemachte) Hörminderung hierdurch absichtlich herbeigeführt wurde, sei nicht vorstellbar. Die Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens blieb ohne Erfolg (Bescheid des Generalstaatsanwaltes N. vom 18.08.2008).
Der Ast hat am 08.05.2008 erneut beim SG beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 anzuordnen (Az. S 15 U 127/08 ER).
Den Antrag hat das SG mit Beschluss vom 24.07.2008 abgelehnt. Es ist davon ausgegangen, dass der Klage gem. § 86a Abs 2 Nr 3 SGG keine aufschiebende Wirkung zukomme. Der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage stehe aber entgegen, dass die Klage auch nach Erlass der Einstellungsverfügung vom 29.02.2008 nur geringe Erfolgsaussichten habe. Unabhängig von der Überzeugungskraft der in der Einstellungsverfügung genannten Einstellungsgründe sei zu berücksichtigen, dass nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung das Unfallereignis, und dabei insbesondere die einem Unfall immanente Voraussetzung der Unfreiwilligkeit, zur Gewissheit des Gerichts bewiesen sein müsse. Es sei zweifelhaft, ob dieser Beweis gelingen werde.
Dagegen hat der Ast Beschwerde zum BayLSG erhoben. Es sei von der Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses auszugehen. Das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden; auch habe das Oberlandesgericht N. einen diesbezüglichen Klageerzwingungsantrag als unzulässig angesehen (Beschluss vom 30.10.2008). Zur Glaubhaftmachung beziehe er sich auf eine eidesstattliche Versicherung der Unfallgegnerin vom 01.08.2008. Diese habe erklärt, der Unfall sei weder geplant noch abgesprochen oder sonst wie manipuliert worden.
Die Ag hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Unfallakte der Ag und die Akte des SG (Az. S 15 U 127/08 ER) sowie auf die Akten des BayLSG (Az. L 17 B 465/07 U, L 17 B 809/08 U ER) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Indes ist entgegen der Auffassung des SG davon auszugehen, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 09.05.2007 gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 unzulässig ist.
Nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Insoweit führt das SG unter Hinweis auf § 86a Abs 2 Nr 3 SGG aus, es gehe um die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.05.2007, weil es sich in der Hauptsache um eine Anfechtungsklage gegen die Entziehung einer laufenden Leistung in Angelegenheiten der Sozialversicherung handle. Allerdings wird nicht berücksichtigt, dass die aufschiebende Wirkung grundsätzlich nur bei Anfechtungssachen eintritt, also bei Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte oder gegen Verwaltungsakte, die eine bereits eingeräumte Rechtsposition entziehen (§ 86a Abs 1 SGG). Begehrt ein Kläger dagegen eine Leistung und zugleich die Aufhebung des versagenden Bescheides, kommt eine aufschiebende Wirkung der Klage bzw. die Aussetzung des Vollzuges des versagenden Bescheides mit der Folge der Bewilligung der Leistung nicht in Betracht. Die in § 86a Abs 1 SGG angeführte Anfechtungsklage bezieht sich daher nur auf die isolierte, nicht mit einem Leistungsbegehren verbundene Anfechtungsklage.
Der Senat hat bereits in den Gründen des Beschlusses vom 06.12.2007 (Az. L 17 B 465/07 U) herausgestellt, dass der Bescheid vom 22.03.2007 nicht die Rücknahme einer rechtswidrigen und begünstigenden Entscheidung - etwa dass ein Versicherungsfall vorgelegen habe - regelt. Auf die Ausführungen im Beschluss vom 06.12.2007 wird Bezug genommen. Die Ag hatte vor der Ablehnung des Anspruches mit Bescheid vom 26.01.2007 zu keinem Zeitpunkt eine Entscheidung über die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall getroffen. Die Regelungswirkung der vorhergehenden Bescheide über die Zahlung des Verletztengeldes bezog sich nur auf das für den jeweiligen Abrechnungszeitraum gewährte Verletztengeld.
Dies zugrunde gelegt ist der vom Ast gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 unzulässig. Es kann dahinstehen, ob bei - wie hier - eindeutig formulierten Anträgen eine Umdeutung in Betracht kommt. Hierzu hatte das SG jedoch keine Veranlassung, weil es ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass der Klage gem. § 86a Abs 2 Nr 3 SGG keine aufschiebende Wirkung zukommt und der Antrag zulässig ist.
Selbst wenn der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung umzudeuten wäre, wird zu Bedenken gegeben, dass dieser Antrag - gerichtet auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs 2 S 2 SGG - keinen Erfolg gehabt hätte. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Eine solche Regelungsanordnung ist geboten, wenn der Anordnungsanspruch (dh die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren begehrt wird) und der Anordnungsgrund (dh die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung) mit Wahrscheinlichkeit vorliegen. Jedenfalls hat der Ast nicht mit der die faktische Vorwegnahme der Hauptsache allein rechtfertigenden hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung iVm § 86b Abs 2 Satz 4 SGG glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Anspruch auf Verletztengeld zusteht. Hierfür ist das Vorliegen eine Arbeitsunfalls erforderlich. Nach § 8 Abs 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist ein Unfall ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Das Ereignis, das von außen auf den Körper einwirkt, darf nicht auf Freiwilligkeit beruhen (Bereither-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, A § 8 Rdnr. 11.4). Zwar hat der Ast nunmehr im Beschwerdeverfahren die eidesstattliche Versicherung der Unfallgegnerin zur Glaubhaftmachung beigebracht. Dennoch hat der Ast nicht die Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses in dem erforderlichen Maß glaubhaft gemacht. Die abschließende Klärung dieser Frage - auch im Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft R. mit der Einstellungsverfügung vom 29.02.2008 genannten Anhaltspunkte für eine planmäßige Herbeiführung des Unfalls und der Ausführungen der Ag - muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung folgt aus § 177 SGG.
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