Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 1105/02 u.a.
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 445/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 8/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. März 2004 werden zurückgewiesen.
Die Kläger haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen Honorarkürzungen in den Quartalen 3/1999 und 4/2002, die ihre Grundlage in einer mit der Laborreform im Jahre 1999 eingeführten Abstaffelungsregelung nach der Präambel zu Kapitel O3 EBM-Ä haben.
Die Kläger sind als Laborärzte in Gemeinschaftspraxis vertragsärztlich tätig. Im Laufe des Gerichtsverfahrens gründete der Kläger zu 1. ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Nach seinen Angaben übernahm die Betreibergesellschaft die Rechte und Pflichten der bisherigen BGB-Gesellschaft. Die bisherigen Mitgesellschafter sind nicht Gründer des MVZ bzw. Gesellschafter der Betreibergesellschaft.
Zum 3. Quartal 1999 trat eine tiefgreifende Reform des Kapitel O (Labor) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs- Ärzte (EBM-Ä) in Kraft, die sowohl auf Veranlasserseite als auch auf Erbringerseite erhebliche Strukturveränderungen in der Entlohnung von Laborleistungen mit sich brachte. So wurde für die überweisenden Ärzte ein sog. Fallbudget und ein sog. Wirtschaftlichkeitsbonus vorgesehen. Die Überschreitung des Fallbudgets führte zu einer Reduzierung des Wirtschaftlichkeitsbonusses im Extremfall auf 0 DM/EUR.
Die laborärztliche Vergütung der O3-Leistungen wurde darüber hinaus aufgeteilt in eine Grundpauschale (= Fallpauschale, GOP 3454) zur Vergütung der spezifisch ärztlichen Leistungsanteile und in eine Vergütung des analytisch-technischen Leistungsteils. Die Grundpauschale unterliegt einer zweigestuften Abstaffelung. Die gesonderte Vergütung des analytisch-technischen Teils findet sich im Kostenanhang zu Kapitel 03 des EBM-Ä geregelt.
Nach der Vorbemerkung zu Kap. O3 letzter Absatz unterliegen auch die Leistungen des vertraglichen Anhangs zu diesem Abschnitt einer Abstaffelung je Arztpraxis in Abhängigkeit von der im Quartal erbrachten Anzahl an Leistungen nach den Nrn.3901 bis 4823 EBM-Ä. Rechnet danach die Arztpraxis mehr als 450.000 Leistungen nach den Nrn.3901 bis 4823 im Quartal ab, wird die Vergütung in DM der darüber hinaus abgerechneten Kosten des vertraglichen Anhangs zu Abschnitt O3 um 20 % vermindert.
In Quartalen, die zwischen den hier streitigen Zeiträumen liegen, wurde diese Abstaffelungsregelung um eine Zuschlagsregelung ergänzt, die einen 24%igen Zuschlag an eine Kappungsgrenze von 450.000 Leistungen anknüpft Diese Zuschlagsregelung kam im Quartal 4/02 nicht mehr zur Anwendung.
Die Kläger rechneten im 3. Quartal 1999 O3-Leistungen in Höhe von 1.041.850 Punkten ab (Honorarbescheid vom 1.Februar 2002). Durch die Abstaffelung gem. der Präambel des Kap. O3 EBM-Ä kam es zu einer Honorarminderung in Höhe von 1,65 Mio. DM. Im
4. Quartal 2002 rechneten die Kläger 967.365 Punkte an 03-Leistungen ab (Honorarbescheid vom 31.03.2003, Honorarminderung 0,87 Mio. EUR). Das Gesamthonorar bewegte sich um 18,3 Mio. DM (3/99) / 9,5 Mio. EUR (4/02).
Die in den Honorarbescheiden vorgenommenen Absetzungen aufgrund Abstaffelung wurden durch die Widerspruchsbescheide vom 18. April 2002 und 16. Juli 2003 bestätigt.
Die dagegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht München jeweils mit Urteil vom
4. März 2004 zurückgewiesen. Es hält die Abstaffelungsregelung in diesen Quartalen für rechtmäßig. Der Bewertungsausschuss habe seinen weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten, weil Abstaffelungsregelungen nicht im Grundsatz unrechtmäßig seien und ihre konkrete Ausgestaltung eine grobe Fehlerhaftigkeit oder Sachwidrigkeit nicht erkennen lasse.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger zum Bayer. Landessozialgericht.
Die Kläger tragen vor, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 87 Abs.2a Satz 7 SGB V hier nicht eingreife. Denn die streitgegenständliche Kürzungsregelung habe keinen dynamisierenden Charakter, sondern sehe lediglich einen einzigen Grenzwert vor. Nach dem Normtext des damaligen § 87 Abs.2a SGB V (heute § 87 Abs. 2 SGB V) solle "mit zunehmender Menge" an erbrachten Leistungen "deren Bewertung sinken". Damit werde klargestellt, dass eine Abstaffelungsregelung über mehrere Stufen bzw. Intervalle verfügen müsse oder eine Degression vorzusehen habe. Im Übrigen spreche der Normtext von "Leistungen". Die hier streitige Regelung betreffe den Ersatz von Kosten. Es würden sowohl die Grundpauschalen, als auch die Kosten der O3-Leistungen budgetiert. Zu diesem Ergebnis komme auch Prof. Dr. F. in seinem im Auftrag der Kläger erstellten Rechtsgutachten vom 3.11.2003. Im Übrigen spreche § 87 Abs. 2a SGB V a.F. vom "Vertragsarzt". Erst in späteren Fassungen der Norm sei dieser Fehler bemerkt worden und durch das Wort "Arztpraxis" ersetzt worden. Hier würde jedoch eine aus vielen Partnern bestehende Gemeinschaftspraxis der Abstaffelung unterworfen. Ferner sei gegen Art.19 Abs.1 Satz 1 Grundgesetz verstoßen worden (Verbot des Einzelfallgesetzes). Die Praxis A. sei die einzige durch die Kürzung betroffene Praxis.
Auch könne der Zweck der Lenkung und Steuerung des ärztlichen Behandlungsverhaltens mit den Kürzungsregelungen nicht erreicht werden. Laborärzte nehmen Auftragsleistungen entgegen. § 87 Abs.2a Satz 7 SGB V a.F. diene in erster Linie der Lenkung und Steuerung des ärztlichen Behandlungsverhaltens. Dieses würde bereits durch den Wirtschaftlichkeitsbonus gelenkt. Damit sei die Kürzungsregelung ungeeignet, den vorgesehenen Zweck zu erreichen. Auch könne die Abstaffelung nicht als Regelung zur Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung der Praxistätigkeit gesehen werden. Die Norm verkehre das Ziel der Partner der gemeinsamen Sicherstellung, die Wirtschaftlichkeit im Laborsektor zu verbessern in ihr Gegenteil. Denn Großlaborpraxen arbeiteten wesentlich wirtschaftlicher als Kleinpraxen. Damit scheide eine Diskriminierung von Großpraxen und eine Privilegierung von Kleinpraxen aus.
Abgesehen davon sei die Grundannahme der Abstaffelung, wonach bei größeren Serienlängen die Kosten sinken würden, so nicht zutreffend. Zwar sänke bei wenigen O3-Leistungen die Kosten mit zunehmender Menge tatsächlich. Bei vielen Leistungen träte dieser Effekt jedoch nicht ein. Die Kosten sänken aber nicht um 20 %. Eine solche schematische Grenze habe mit den wahren Verhältnissen nichts zu tun.
Die 450.000-Punkte-Grenze und der Abstaffelungssatz von 20 % seien willkürlich gezogen. Soweit die kassenärztliche Bundesvereinigung auf ein Gutachten der Fa. McKinsey verweise, die die 450.000-Punkte-Grenze angeblich betriebswirtschaftlich untermauere, habe sich diese beharrlich geweigert, Einsicht in das Gutachten zu gewähren. Man habe McKinsey in New York auf Herausgabe des Gutachtens verklagt. Daraufhin habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung eingeräumt, dass es sich nicht um ein "Gutachten", sondern nur um eine "Studie" handele. Mittlerweile sei man im Besitz der Studie. Es handele sich weitgehend um eine Sammlung von Power-Point-Präsentationsfolien. Eine wissenschaftliche Untermauerung der Abstaffelung werde nicht gegeben. Soweit überhaupt betriebswirtschaftlich - wissenschaftlich argumentiert werde, würden betriebswirtschaftliche Standards nicht eingehalten. Die Studie sei insoweit wertlos. Dies habe Prof.
Dr. Sander, Universität St. Gallen, in einem betriebswirtschaftlichen Gutachten vom 5. April 2007 nachgewiesen, das dieser im Auftrag der Kläger erstellt habe. In einem weiteren betriebswirtschaftlichen Gutachten vom 7. November 2005 habe zuvor Prof.
Dr. Staehlin, Universität St. Gallen, dargelegt, dass die auf Coenenberg gestützte Grundannahme der Kostensenkung bei Mengensteigerung von diesem so nicht beschrieben und im übrigen in dem von der KBV gesetzten Zusammenhang falsch sei. Letztlich würden Gemeinschaftspraxen gegenüber Einzelpraxen diskriminiert. Infolge des Zusammenschlusses von mehreren Ärzten zu einer gemeinschaftlichen Berufsausübung käme es zu einer Schlechterstellung beispielsweise ggü. einer Praxisgemeinschaft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. März 2004 aufzuheben,
die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale 3/99 und 4/02 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. April 2002 und 16. Juli 2003 insoweit aufzuheben, als den Widersprüchen nicht abgeholfen wurde sowie
die Beklagte zu verpflichten, das vertragsärztliche Honorar für die Quartale 3/99 und 4/02 ohne Anwendung der 20 %igen Abschlagsregelung (Präambel zum Abschnitt O3) neu festzusetzen bzw.
hilfsweise zu Ziff. 3 die Beklagte zu verpflichten, das vertragsärztliche Honorar für die Quartale 3/99 und 4/02 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die weiteren Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich im Verfahren geäußert. Bereits im Verfahren vor dem Sozialgericht hatte sie auf Fragen des Kammervorsitzenden ausgeführt, dass nach ihren Kenntnissen mindestens zwei weitere Labore von den Kürzungsregelungen betroffen seien. Die KBV verfüge aber nicht über direkte Abrechnungsdaten der Vertragsärzte.
Im Sinne der Steuerung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung durch das SGB V ziele die Abstaffelungsregelung im O3-Labor auf die Abschöpfung der erzielten Einsparungen durch Rationalisierung beim Leistungserbringer. Die Basis einer derartigen Regelung liege in der grundlegenden Aussage zur Rationalisierung der Betriebswirtschaftslehre: "Mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge sinken die auf die Wertschöpfung bezogenen, inflationsbereinigten (realen) Stückkosten potentiell um einen konstanten Prozentsatz, z.B. 20 bis 30 %" (Coenenberg, u.a.: Kostenrechnung und Kostenanalyse, Aufl.1999 S.199). Übertragen auf Laborleistungen bedeute dies, dass je höher die Menge der erbrachten Parameter desto geringer die Kosten je Parameter seien.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats hat die Beigeladene zu 1. ergänzt, dass man, auch im Zusammenhang mit Überlegungen zum Regelleistungsvolumen, von maximal 47.000 Fällen pro Jahr und Laborarzt im Sinne ordentlicher Auslastung ausgehe. Als Grenze zur übergroßen Praxis habe man die Fallzahl abrundend auf 90.000 verdoppelt. Bei durchschnittlich 2,5 Parametern und vier Ärzten - als Grenze zur Großlaborpraxis - seien 225.000 Parameter je Quartal in der Praxis Bezugsgröße einer überdurchschnittlich großen, ausgelasteten Praxis. Verdopple man nun diesen Betrag auf
450.000 Parameter, so sänken entsprechend der oben zitierten grundlegenden Aussage die Stückkosten potentiell um mindestens 20 %. Genau dies sei in der Abstaffelungsregelung umgesetzt worden. Mit der Abschöpfung der Kostenvorteile beabsichtige man auch, kleinere und mittlere Laborpraxen zu fördern, die eine ungünstigere Kostenstruktur hätten. Dies geschehe, um eine regional ausgewogene und sich auf viele Praxen stützende Versorgungsstruktur zu bewahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, den Inhalt der Streitakten des Sozialgerichts München sowie die Verfahrensakten des Bayer. Landessozialgerichts, die auch die genannten Privatgutachten enthalten, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Nach zwischenzeitlich eingetretener Beendigung der BGB-Gesellschaft wird diese durch deren (ehem.) Gesellschafter vertreten (BSG vom 7. Februar 2007, B 6 KA 6/06 SozR 4-2500 § 85 Nr. 31). Ein Klägerwechsel (Betreibergesellschaft des MVZ) ist nicht statthaft.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klagen völlig zu Recht abgewiesen. Dem Urteil vom 4. März 2004 ist im Wesentlichen auch hinsichtlich der Begründung zu folgen.
Die angefochtene Abstaffelungsregelung wird durch eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in Gestalt des § 87 Abs. 2a Satz 7 SGB V i. d. für die hier streitigen Quartale maßgebenden Fassung des Gesetzes vom v. 23. Juli 1997 (BGBl.I 1520) gedeckt (vgl. heute: § 87 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB V). Danach kann die Bewertung der von einem Vertragsarzt in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Leistungen so festgelegt werden, dass sie mit zunehmender Menge sinkt (Abstaffelung).
Nicht zuzustimmen ist den Klägern darin, dass die Norm eine mehrfache Stufung oder eine Degression erfordere. Denn durch die aufgrund der Präambel des Kapitels O3 vollzogene Abstaffelung sinkt die Bewertung aller erfassten Leistungen/Leistungsteile ab Überschreitung des Schwellenwerts "mit zunehmender Menge" deshalb ab, weil hier auch die unterhalb des Schwellenwertes liegende Leistungen zu berücksichtigen sind. Bezogen auf die Kläger wurden sämtliche Leistungen mit einer Auszahlungsquote von 0,88 bzw. 0,89 vergütet. Hätten die Kläger noch ein mehr an Leistungen erbracht, hätte sich die Auszahlungsquote "zunehmend" einem Wert von 0,8 angenähert.
Zutreffend weisen die Kläger darauf hin, dass die Abstaffelung an den Begriff der "Leistungen" geknüpft ist. Schon bisher umfassten die Bewertungen der Leistungen des
EBM-Ä kalkulatorisch deren Kosten und darüber hinaus einen zusätzlichen Arztlohn als Vergütung für die ärztliche Arbeit. Wenn der EBM-Ä eine getrennte Bewertung der beiden Komponenten vorsieht, spricht der Wortlaut "Leistungen" nicht dagegen, die Befugnis, Abstaffelungen vorzusehen, auf beide Komponenten zu erstrecken. Die Bewertung der Kosten ist verselbständigter Teil der Leistungsbewertung und steht nicht im Gegensatz dazu.
Wenngleich § 87 Abs. 2a S. 7 SGB V a.F. als Abstaffelungsadressat den "Vertragsarzt" und nicht die Gemeinschaftspraxis nennt, liegt hierin ebenfalls keine Nichtübereinstimmung mit der gesetzlichen Ermächtigung vor. Bekannterweise ist die Gemeinschaftspraxis (vgl. § 33 Abs. 2 a.F.) die gemeinschaftliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die für den Vertragsarzt geltende Normen gelten für die Gemeinschaft im Wesentlichen entsprechend. Auch an anderer Stelle wird im SGB V der Begriff des Vertragsarztes verwandt, ohne dass eine Geltung auch für eine gemeinschaftliche Berufsausübung infrage zu stellen wäre (vgl. nur § 85 Abs. 4 SGB V). Im Übrigen wird eine auf Kosten- und Rationalisierungsgewinnen beruhende Abstaffelung naturgemäß auf die Betriebseinheit und nicht auf die Arztzahl abstellen müssen.
Auch wurde nicht gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes in Art.19 Abs.1 Satz 1 GG verstoßen. Die Abstaffelungsregelung des EBM-Ä gilt allgemein für alle Vertragsärzte/Ge-
meinschaftspraxen und nicht lediglich für die Praxis der Kläger. Das Vorliegen eines getarnten Individualgesetzes ist nicht erkennbar (BVerfGE 10, 241, 241 f., 244). Im Übrigen erscheint die Schaffung von auf konkrete Sachverhalte - hier Abschöpfung von Rationalisierungsvorteilen - abstellende Normen geradezu unvermeidbar (BVerfGE 24,33). Davon abgesehen verbietet Art.19 Abs. 1 GG Einzelfallgesetze nur für die Einschränkung von Grundrechten (BVerfGE 25, 371; 25, 396; 30, 250).
Die EBM-Ä-Regelung verstößt auch nicht gegen Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Gestalt einer sachwidrig ungleichen Bewertung erbrachter Leistungen gegenüber anderen Laborpraxen, die aufgrund ihres Abrechnungsvolumens nicht unter die Abstaffelung fallen (Art. 12 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG).
Schon seit längerem ist nach gefestigter Rechtsprechung anerkannt, dass die innere Rechtfertigung von Abstaffelungs-, Höchstwert- und Budgetregelungen darin liegen kann, dass die Erbringung einer zunehmenden und großen Menge gleichartiger Leistungen pro Arztpraxis zu Kostenvorteilen führt, die in entsprechenden Budgetierungs-/Abstaffelungs-/ Höchstwertregelungen umgesetzt werden dürfen. Erst nachdem Abstaffelungsregelungen auch bezüglich solcher Leistungen geschaffen wurden, die nicht massenweise und maschinell erbracht werden, trat die weitere Rechtfertigung hinzu, dass Abstaffelungsregelungen im EBM auch das Leistungsverhalten der Ärzte steuern dürften (zum Ganzen: BSG vom 20. März 1996, 6 RKa 51/95, SozR 3-2500 § 87 Nr. 12). Die Abstaffelung des analytisch-technischen Teil der O3-Leistungen hat primär, jedoch nicht ausschließlich die Ausnutzung von Rationalisierungseffekten beim analytisch-technischen Teil infolge großer Serienlängen im Auge.
Zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelung führt nicht, dass bereits die Grundpauschale abstaffelnd gestuft ausgestaltet ist. Diese Abstaffelung rechtfertigt sich im Wesentlichen aus Verhaltenslenkungsgesichtspunkten heraus. Denn die Zeit vor der Laborreform 1999 war geprägt durch das Auftreten großer Leistungsmengen und -steigerungen im Laborbereich, die im internationalen Vergleich kaum als indiziert erklärbar waren. Die Laborärzte - auch überregional tätige Großlaborpraxen - wirkten mit verschiedensten Kundenbindungsmechanismen und Überweisungsanreizen auf die veranlassenden Ärzte mit dem Ziel ein, die Zahl überwiesener Laborparameter zu steigern. Dem war für die sog. O1- und O2-Leistungen, die der Veranlasser abrechnet, noch eher beizukommen, als für die durch den Laborarzt abzurechnenden O3-Leistungen, hinsichtlich derer faktisch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung kaum erfolgreich durchführbar ist. Daher wurden verhaltenssteuernde Maßnahmen sowohl auf Veranlasserseite (Anreiz durch Wirtschaftlichkeitsbonus) als auch auf Erbringerseite geschaffen. Dies erscheint nicht sachwidrig, weil erbringerseitige Abstaffelungen geeignet und erforderlich erscheinen, um der Neigung zum Einsatz neu entwickelter Anreizinstrumente der Laborärzte entgegenzuwirken, die die Anreizwirkung des Wirtschaftlichkeitsbonus auszuhebeln beabsichtigen.
Aufgrund der Trennung von Tätigkeitsvergütung und Analysekostenvergütung erscheint es darüber hinaus sachgerecht, auch bezüglich der Kostenvergütungen Rationalisierungsvorteile großer Praxen zu berücksichtigen, soweit solche Rationalisierungsgewinne durch große Serienlängen entstehen.
Eine Rechtswidrigkeit der Abstaffelungsregelung der Präambel zu Kap. O3 EBM-Ä könnte sich daher nur daraus ergeben, dass die Festlegungen der Abstaffelungsschwelle (450.000 Punkte) und/oder des Abstaffelungsumfangs (20 % der die Abstaffelungsschwelle überschreitenden Punktzahl) sich als rechtswidrig darstellen.
Dies ist nicht der Fall. Der Senat stützt seine Überzeugung hierzu auf eine Überprüfung aufgrund eigener begründeter Schätzung. Er stützt sich, im Gegensatz zur Ansicht der im Bewertungsausschuss vertretenen Beigeladenen zu 1., ausdrücklich nicht auf die Existenz eines vermeintlichen betriebswirtschaftlichen Lehr- oder Erfahrungssatzes, wonach bei allen Gütern eine Verdoppelung der Leistungsmenge zu einem Absinken der Kosten um mindestens 20 % führt.
Denn wie in dem von den Klägern vorgelegten betriebswirtschaftlichen Gutachten des Prof. Dr. Erwin Staehlin, St. Gallen vom 7.05.2005 überzeugend dargelegt wird, stellt das dem Lehrbuch von Coenenberg (Kostenrechnung und Kostenanalyse, 1999) entnommene Zitat, auf das die Beigeladene zu 1. ihre Argumentation stützt, das Konzept der Erfahrungskurve als Instrument der Kostenkalkulation dar. Die Aussage beruht auf der Konzeptannahme, dass bei zunehmender Produktionsmenge auf allen wertschöpfenden Selbstkosten eine Kostenreduktion eintritt. Die Ursachen beruhen auf der Größendegression (Fixkostenreduktion, stückzahlabhängiger Betriebsgrößeneffekt) sowie auf einem Erfahrungseffekt (geringere Fehlerquote, Rationalisierung und Lernkurveneffekt). Der Autor bezeichnet jedoch selbst sein Konzept als solches von theoretischer Natur und weist ausdrücklich darauf hin, dass die Kostendegression produktabhängig in unterschiedlicher Größenordnung, zum Teil in Sprüngen verläuft. Ob und in welcher Höhe Kostenreduzierungen eintreten, ist von Produktart bzw. Produktionsprozess abhängig. Es handelt sich somit nicht um eine Gesetzmäßigkeit, sondern um ein Konzept, das das hypothetische Potential zur Kostensenkung beschreibt. Bei genauem Lesen, wird das maximale Potential auch nicht mit 20 %-30 % angegeben, sondern mit "z.B." 20-30 %, was die Beigeladene selbst durchaus korrekt zitiert hat. Das angeführte theoretische Konzept allein vermag ein Absinken der Kosten um 20 % nicht zu begründen.
Auch die (klägerseitig) vorgelegte Studie der Fa. Mc Kinsey, die im Auftrag der Beigeladenen zu 1. erstellt worden war, enthält entsprechende Daten oder Modellrechnungen nicht. Es handelt sich letztlich um Vorschläge zu Elementen einer großen Laborreform, von denen die Partner gemeinsamer Sicherstellung einige in Gestalt der Laborreform 1999 übernommen haben. Zur streitigen Abstaffelungsregelung findet sich eine Kostendegressionsanalyse anhand von Datenmaterial nicht.
Die exakte Bestimmung des Degressionsverlaufes lässt sich wissenschaftlich unangreifbar nur durch einer produktorientierte Betrachtung nachweisen. Dabei ist zu beachten, dass eine empirische Untersuchung anhand einer repräsentativen Gruppe, anders als beispielsweise die Analyse durchschnittlicher Praxiskosten verschiedener Arztgruppen, kaum möglich erscheint. Die Gruppe der betroffenen Großlaborpraxen ist verhältnismäßig klein. Eine objektive Verifizierung der Praxisverhältnisse und der Degressionskurve setzt die Bereitschaft der Betroffenen voraus, uneingeschränkten Einblick in die betriebswirtschaftlichen Praxisverhältnisse zu gewähren.
In diesem Zusammenhang ist auf den weiten Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses hinzuweisen, der die Befugnis zur Pauschalierung und Typisierung von Sachverhalten einschließt. Die sozialgerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf eine missbräuchliche Ausübung (sachfremde Erwägungen, Diskriminierung einer Minderheit) und eine Überschreitung des Regelungsspielraums. Als Rechtsfehler kommen insbesondere generelle Fehlannahmen und Fehleinschätzungen in Betracht (zuletzt BSG vom 11. Oktober 2006, B 6 KA 46/05, SozR 4-2500 § 87 Nr. 13 m.w.N.). Diese Unmöglichkeit der Herbeiführung einer gesicherten Datenbasis muss im Rahmen des Gestaltungsspielraums Berücksichtigung finden.
Eine Rechtswidrigkeit wird daher erst dann anzunehmen sein, wenn die Ausgestaltung der Abstaffelung den bekannten bzw. modellhaft skizzierbaren betriebswirtschaftlichen Verhältnissen großer Laborpraxen in einem Ausmaß zuwiderläuft, dass dies als Fehlkonzeption vor Art.12 GG i.V.m. Art. 3 GG nicht mehr hinnehmbar erscheint. Nur wenn sich erkennen ließe, dass Kostenvorteile erst ab einem erheblich höheren Abrechnungsvolumen beginnen und/oder bezüglich des Gros der O3-Leistungen keine oder erheblich geringere Kostenreduzierungen als solche von 20% ausgemacht werden könnten, würde sich die Einschätzung des Normgebers als grob fehlerhaft darstellen.
Der Senat hält die Parameter der Abstaffelungsregelung aus eigener Würdigung heraus nicht für grob fehlerhaft festgesetzt.
Zum einen hat der Bewertungsausschuss seinen ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht dadurch verlassen, indem er die Grenze zwischen einer vollausgelastenten Normalpraxis und einer abstaffelungsunterworfenen Großpraxis anhand des Bildes einer aus vier Ärzten oder mehr bestehenden Erbringereinheit und einer arztbezogenen Fallzahl von 90.000 Fällen/Jahr (45.000 Fälle x 2) ausgerichtet hat.
Im Rahmen seiner Befugnis, durch Abstaffelungsregelungen auch verhaltenssteuernd einzuwirken, war er berechtigt, bei Ausgestaltung der Abstaffelungsnorm auf die Aufrechterhaltung einer regional ausgewogenen Versorgungsstruktur in Gestalt der Sicherstellung der laborärztlichen Versorgung durch regional ansässige Laborpraxen, anstelle weniger überregional agierender Großpraxen hinzuwirken und insoweit ein Praxisgrößenleitbild vorzugeben, dessen Überschreitung auf ein nicht mehr regionales Agieren schließen lässt. Die Förderung einer Versorgungsstruktur, die auf eine ausreichende Anzahl (mittlerer) Laborpraxen und nicht auf wenige "Big Player" setzt, um für ausfallinduzierte Gefährdungen weniger anfällig zu sein, dient der Systemsicherstellung ebenso wie die Förderung einer regionalen Verknüpfung, weil sich die Zeitdauer überregionaler Transporte des organischen Probenmaterials negativ auf die Ergebnisqualität auswirken kann.
Wenn dieses Leitbild anhand einer verdoppelten durchschnittlichen Fallzahl (Grenze zur übergroßen Praxis) und einer Praxisgröße von vier Ärzten getroffen wird und davon ausgehend eine Leistungsverdoppelung als abstaffelungsauslösend festgelegt wird, kann dies keineswegs als grob fehlerhaft oder sachwidrig oder diskriminierend bezeichnet werden. Der Senat hält daher die 450.000- Punkte-Grenze für rechtmäßig (90.000 Fälle:
4 Quartale x 2,5 Parameter/Fall x 4 Ärzte x 2).
Auch mit der Festlegung der Abstaffelungshöhe von 20 % des technischen Honoraranteils, der die Kosten für Transport, Annahme der Proben und die eigentliche Analyse abgilt, hat der Bewertungsausschuss seine Gestaltungsfreiheit nicht verlassen.
Die Kläger selbst tragen zur Klagebegründung vor, dass Großpraxen kostengünstiger als durchschnittliche Praxen arbeiten können. Die Kläger haben im Termin vor dem Senat auch eingeräumt, dass die apparativen Analysekosten bei zumindest einem Teil der O3-Leistungen mengenabhängig absinken. Daneben ist von einer Reduktion der Fixkosten auszugehen. Bis zur notwendigen Erweiterung sinkt mit zunehmender Leistungsmenge auch der Raumkostenanteil pro Leistung. Es ergeben sich auch Kostenvorteile durch einen effektiveren Personal- und Maschineneinsatz.
Bei überregional agierenden Großpraxen treten überdies erhebliche Rationalisierungsgewinne durch einen kleineren Transportkostenanteil pro Untersuchungsprobe hinzu. Bis zum Erreichen der Beladungsobergrenze bleiben die Kosten des Transportfahrzeugs trotz Mengensteigerung gleich. Ein Transportfahrzeug mit doppelter Ladekapazität zieht keine Kostenverdoppelung nach sich. Etwaige Kostennachteile größerer Entfernungen zwischen Veranlassern und Labor lassen sich durch die Entwicklung von Transportrouten und den Einsatz wirtschaftlichere Großfahrzeuge wett machen. Allerdings vermag auch der Senat die Kostendegression einer Großlaborpraxis mangels Datengrundlage nicht quantitativ zu beziffern.
Hinzu kommt jedoch, dass jede annehmende Laborpraxis im 3. Quartal 1999 für den Versand bzw. den Transport einer zu untersuchenden Probe eine Pauschalerstattung von 5,10 DM je Behandlungsfall (Nr. 7103 BMÄ/EGO; 4/02 = 2,60 EUR) zusätzlich vergütet erhielt. Diese Pauschalerstattung der Transportkosten sieht eine Abstaffelung nicht vor, so dass ein durch Mengenverdoppelung induziertes Absinken der Transportkosten pro Untersuchungsprobe nicht abgeschöpft wird und die Kostenvorteile gegenüber Kleinpraxen noch verstärkt werden. Der Senat geht davon aus, dass ab einer bestimmten Transportgrundmenge eine Steigerung der Probenzahl zu keinen wesentlichen Mehrkosten führt, gleichwohl die volle Pauschalerstattung vereinnahmt werden kann. Geht man anhand des Honorarbescheids 3/99 von ca. 30 DM Umsatz/Fall aus, lässt sich eine Vergütung pro Fall (ohne Transportpauschale und nach Abstaffelungen) von 25 DM annehmen. In dem Fallwert von 25 DM sind aber auch alle weiteren Laborvergütungsbestandteile (z.B. Nr. 3454 EBM-Ä) enthalten. Verzichtet man auf einen Abzug, errechnet sich ein O3-Kosten-Fallwert vor Kürzung von 31,25 DM. Damit gleicht die Transportpauschale den Abstaffelungsbetrag pro Fall nahezu aus.
Angesichts der Relation von Pauschalerstattung und durchschnittlichem O3-Kosten-Fallwert sowie einer äußerst zurückhaltenden Berücksichtigung der oben beschriebenen Kosteneffizienz- und Kostendegressionseffekte bei Apparate-, Sach-, Raum- und Personalkosten kann der Senat kein grobes Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Umfang der Kosteneinsparung in Großpraxen und dem in der Norm unterstellten Umfang der Kostendegression erkennen. Durch die Abschöpfung dieses Kostenvorteils wird eine Gleichbehandlung der Großpraxen mit den regional tätigen Praxen erreicht. Warum angesichts der sachgerechten Förderung regional tätiger Praxen zur Sicherung ausgewogener und stabiler Versorgungsstrukturen die Einebnung wesentlich ungleicher Verhältnisse gleichheitswidrig sein soll, entzieht sich dem Senat.
Der Senat vermag auch keine Gründe für die Annahme zu erkennen, dass dieser Kostendegressionseffekt erst ab einer wesentlichen höheren Parameterzahl eintritt. Teilt man die 450.000 Punkte durch 2,5 Parameter pro Fall ergibt sich eine Anzahl von 180.000 Proben/Quartal und von 2000 Proben/Tag (Monat=30 Tage).
Aufgrund der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels haben die Kläger auch die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen (§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Kläger haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen Honorarkürzungen in den Quartalen 3/1999 und 4/2002, die ihre Grundlage in einer mit der Laborreform im Jahre 1999 eingeführten Abstaffelungsregelung nach der Präambel zu Kapitel O3 EBM-Ä haben.
Die Kläger sind als Laborärzte in Gemeinschaftspraxis vertragsärztlich tätig. Im Laufe des Gerichtsverfahrens gründete der Kläger zu 1. ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Nach seinen Angaben übernahm die Betreibergesellschaft die Rechte und Pflichten der bisherigen BGB-Gesellschaft. Die bisherigen Mitgesellschafter sind nicht Gründer des MVZ bzw. Gesellschafter der Betreibergesellschaft.
Zum 3. Quartal 1999 trat eine tiefgreifende Reform des Kapitel O (Labor) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs- Ärzte (EBM-Ä) in Kraft, die sowohl auf Veranlasserseite als auch auf Erbringerseite erhebliche Strukturveränderungen in der Entlohnung von Laborleistungen mit sich brachte. So wurde für die überweisenden Ärzte ein sog. Fallbudget und ein sog. Wirtschaftlichkeitsbonus vorgesehen. Die Überschreitung des Fallbudgets führte zu einer Reduzierung des Wirtschaftlichkeitsbonusses im Extremfall auf 0 DM/EUR.
Die laborärztliche Vergütung der O3-Leistungen wurde darüber hinaus aufgeteilt in eine Grundpauschale (= Fallpauschale, GOP 3454) zur Vergütung der spezifisch ärztlichen Leistungsanteile und in eine Vergütung des analytisch-technischen Leistungsteils. Die Grundpauschale unterliegt einer zweigestuften Abstaffelung. Die gesonderte Vergütung des analytisch-technischen Teils findet sich im Kostenanhang zu Kapitel 03 des EBM-Ä geregelt.
Nach der Vorbemerkung zu Kap. O3 letzter Absatz unterliegen auch die Leistungen des vertraglichen Anhangs zu diesem Abschnitt einer Abstaffelung je Arztpraxis in Abhängigkeit von der im Quartal erbrachten Anzahl an Leistungen nach den Nrn.3901 bis 4823 EBM-Ä. Rechnet danach die Arztpraxis mehr als 450.000 Leistungen nach den Nrn.3901 bis 4823 im Quartal ab, wird die Vergütung in DM der darüber hinaus abgerechneten Kosten des vertraglichen Anhangs zu Abschnitt O3 um 20 % vermindert.
In Quartalen, die zwischen den hier streitigen Zeiträumen liegen, wurde diese Abstaffelungsregelung um eine Zuschlagsregelung ergänzt, die einen 24%igen Zuschlag an eine Kappungsgrenze von 450.000 Leistungen anknüpft Diese Zuschlagsregelung kam im Quartal 4/02 nicht mehr zur Anwendung.
Die Kläger rechneten im 3. Quartal 1999 O3-Leistungen in Höhe von 1.041.850 Punkten ab (Honorarbescheid vom 1.Februar 2002). Durch die Abstaffelung gem. der Präambel des Kap. O3 EBM-Ä kam es zu einer Honorarminderung in Höhe von 1,65 Mio. DM. Im
4. Quartal 2002 rechneten die Kläger 967.365 Punkte an 03-Leistungen ab (Honorarbescheid vom 31.03.2003, Honorarminderung 0,87 Mio. EUR). Das Gesamthonorar bewegte sich um 18,3 Mio. DM (3/99) / 9,5 Mio. EUR (4/02).
Die in den Honorarbescheiden vorgenommenen Absetzungen aufgrund Abstaffelung wurden durch die Widerspruchsbescheide vom 18. April 2002 und 16. Juli 2003 bestätigt.
Die dagegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht München jeweils mit Urteil vom
4. März 2004 zurückgewiesen. Es hält die Abstaffelungsregelung in diesen Quartalen für rechtmäßig. Der Bewertungsausschuss habe seinen weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten, weil Abstaffelungsregelungen nicht im Grundsatz unrechtmäßig seien und ihre konkrete Ausgestaltung eine grobe Fehlerhaftigkeit oder Sachwidrigkeit nicht erkennen lasse.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger zum Bayer. Landessozialgericht.
Die Kläger tragen vor, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 87 Abs.2a Satz 7 SGB V hier nicht eingreife. Denn die streitgegenständliche Kürzungsregelung habe keinen dynamisierenden Charakter, sondern sehe lediglich einen einzigen Grenzwert vor. Nach dem Normtext des damaligen § 87 Abs.2a SGB V (heute § 87 Abs. 2 SGB V) solle "mit zunehmender Menge" an erbrachten Leistungen "deren Bewertung sinken". Damit werde klargestellt, dass eine Abstaffelungsregelung über mehrere Stufen bzw. Intervalle verfügen müsse oder eine Degression vorzusehen habe. Im Übrigen spreche der Normtext von "Leistungen". Die hier streitige Regelung betreffe den Ersatz von Kosten. Es würden sowohl die Grundpauschalen, als auch die Kosten der O3-Leistungen budgetiert. Zu diesem Ergebnis komme auch Prof. Dr. F. in seinem im Auftrag der Kläger erstellten Rechtsgutachten vom 3.11.2003. Im Übrigen spreche § 87 Abs. 2a SGB V a.F. vom "Vertragsarzt". Erst in späteren Fassungen der Norm sei dieser Fehler bemerkt worden und durch das Wort "Arztpraxis" ersetzt worden. Hier würde jedoch eine aus vielen Partnern bestehende Gemeinschaftspraxis der Abstaffelung unterworfen. Ferner sei gegen Art.19 Abs.1 Satz 1 Grundgesetz verstoßen worden (Verbot des Einzelfallgesetzes). Die Praxis A. sei die einzige durch die Kürzung betroffene Praxis.
Auch könne der Zweck der Lenkung und Steuerung des ärztlichen Behandlungsverhaltens mit den Kürzungsregelungen nicht erreicht werden. Laborärzte nehmen Auftragsleistungen entgegen. § 87 Abs.2a Satz 7 SGB V a.F. diene in erster Linie der Lenkung und Steuerung des ärztlichen Behandlungsverhaltens. Dieses würde bereits durch den Wirtschaftlichkeitsbonus gelenkt. Damit sei die Kürzungsregelung ungeeignet, den vorgesehenen Zweck zu erreichen. Auch könne die Abstaffelung nicht als Regelung zur Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung der Praxistätigkeit gesehen werden. Die Norm verkehre das Ziel der Partner der gemeinsamen Sicherstellung, die Wirtschaftlichkeit im Laborsektor zu verbessern in ihr Gegenteil. Denn Großlaborpraxen arbeiteten wesentlich wirtschaftlicher als Kleinpraxen. Damit scheide eine Diskriminierung von Großpraxen und eine Privilegierung von Kleinpraxen aus.
Abgesehen davon sei die Grundannahme der Abstaffelung, wonach bei größeren Serienlängen die Kosten sinken würden, so nicht zutreffend. Zwar sänke bei wenigen O3-Leistungen die Kosten mit zunehmender Menge tatsächlich. Bei vielen Leistungen träte dieser Effekt jedoch nicht ein. Die Kosten sänken aber nicht um 20 %. Eine solche schematische Grenze habe mit den wahren Verhältnissen nichts zu tun.
Die 450.000-Punkte-Grenze und der Abstaffelungssatz von 20 % seien willkürlich gezogen. Soweit die kassenärztliche Bundesvereinigung auf ein Gutachten der Fa. McKinsey verweise, die die 450.000-Punkte-Grenze angeblich betriebswirtschaftlich untermauere, habe sich diese beharrlich geweigert, Einsicht in das Gutachten zu gewähren. Man habe McKinsey in New York auf Herausgabe des Gutachtens verklagt. Daraufhin habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung eingeräumt, dass es sich nicht um ein "Gutachten", sondern nur um eine "Studie" handele. Mittlerweile sei man im Besitz der Studie. Es handele sich weitgehend um eine Sammlung von Power-Point-Präsentationsfolien. Eine wissenschaftliche Untermauerung der Abstaffelung werde nicht gegeben. Soweit überhaupt betriebswirtschaftlich - wissenschaftlich argumentiert werde, würden betriebswirtschaftliche Standards nicht eingehalten. Die Studie sei insoweit wertlos. Dies habe Prof.
Dr. Sander, Universität St. Gallen, in einem betriebswirtschaftlichen Gutachten vom 5. April 2007 nachgewiesen, das dieser im Auftrag der Kläger erstellt habe. In einem weiteren betriebswirtschaftlichen Gutachten vom 7. November 2005 habe zuvor Prof.
Dr. Staehlin, Universität St. Gallen, dargelegt, dass die auf Coenenberg gestützte Grundannahme der Kostensenkung bei Mengensteigerung von diesem so nicht beschrieben und im übrigen in dem von der KBV gesetzten Zusammenhang falsch sei. Letztlich würden Gemeinschaftspraxen gegenüber Einzelpraxen diskriminiert. Infolge des Zusammenschlusses von mehreren Ärzten zu einer gemeinschaftlichen Berufsausübung käme es zu einer Schlechterstellung beispielsweise ggü. einer Praxisgemeinschaft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. März 2004 aufzuheben,
die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale 3/99 und 4/02 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. April 2002 und 16. Juli 2003 insoweit aufzuheben, als den Widersprüchen nicht abgeholfen wurde sowie
die Beklagte zu verpflichten, das vertragsärztliche Honorar für die Quartale 3/99 und 4/02 ohne Anwendung der 20 %igen Abschlagsregelung (Präambel zum Abschnitt O3) neu festzusetzen bzw.
hilfsweise zu Ziff. 3 die Beklagte zu verpflichten, das vertragsärztliche Honorar für die Quartale 3/99 und 4/02 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die weiteren Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Die beigeladene Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich im Verfahren geäußert. Bereits im Verfahren vor dem Sozialgericht hatte sie auf Fragen des Kammervorsitzenden ausgeführt, dass nach ihren Kenntnissen mindestens zwei weitere Labore von den Kürzungsregelungen betroffen seien. Die KBV verfüge aber nicht über direkte Abrechnungsdaten der Vertragsärzte.
Im Sinne der Steuerung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung durch das SGB V ziele die Abstaffelungsregelung im O3-Labor auf die Abschöpfung der erzielten Einsparungen durch Rationalisierung beim Leistungserbringer. Die Basis einer derartigen Regelung liege in der grundlegenden Aussage zur Rationalisierung der Betriebswirtschaftslehre: "Mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge sinken die auf die Wertschöpfung bezogenen, inflationsbereinigten (realen) Stückkosten potentiell um einen konstanten Prozentsatz, z.B. 20 bis 30 %" (Coenenberg, u.a.: Kostenrechnung und Kostenanalyse, Aufl.1999 S.199). Übertragen auf Laborleistungen bedeute dies, dass je höher die Menge der erbrachten Parameter desto geringer die Kosten je Parameter seien.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats hat die Beigeladene zu 1. ergänzt, dass man, auch im Zusammenhang mit Überlegungen zum Regelleistungsvolumen, von maximal 47.000 Fällen pro Jahr und Laborarzt im Sinne ordentlicher Auslastung ausgehe. Als Grenze zur übergroßen Praxis habe man die Fallzahl abrundend auf 90.000 verdoppelt. Bei durchschnittlich 2,5 Parametern und vier Ärzten - als Grenze zur Großlaborpraxis - seien 225.000 Parameter je Quartal in der Praxis Bezugsgröße einer überdurchschnittlich großen, ausgelasteten Praxis. Verdopple man nun diesen Betrag auf
450.000 Parameter, so sänken entsprechend der oben zitierten grundlegenden Aussage die Stückkosten potentiell um mindestens 20 %. Genau dies sei in der Abstaffelungsregelung umgesetzt worden. Mit der Abschöpfung der Kostenvorteile beabsichtige man auch, kleinere und mittlere Laborpraxen zu fördern, die eine ungünstigere Kostenstruktur hätten. Dies geschehe, um eine regional ausgewogene und sich auf viele Praxen stützende Versorgungsstruktur zu bewahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, den Inhalt der Streitakten des Sozialgerichts München sowie die Verfahrensakten des Bayer. Landessozialgerichts, die auch die genannten Privatgutachten enthalten, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Nach zwischenzeitlich eingetretener Beendigung der BGB-Gesellschaft wird diese durch deren (ehem.) Gesellschafter vertreten (BSG vom 7. Februar 2007, B 6 KA 6/06 SozR 4-2500 § 85 Nr. 31). Ein Klägerwechsel (Betreibergesellschaft des MVZ) ist nicht statthaft.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klagen völlig zu Recht abgewiesen. Dem Urteil vom 4. März 2004 ist im Wesentlichen auch hinsichtlich der Begründung zu folgen.
Die angefochtene Abstaffelungsregelung wird durch eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in Gestalt des § 87 Abs. 2a Satz 7 SGB V i. d. für die hier streitigen Quartale maßgebenden Fassung des Gesetzes vom v. 23. Juli 1997 (BGBl.I 1520) gedeckt (vgl. heute: § 87 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB V). Danach kann die Bewertung der von einem Vertragsarzt in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Leistungen so festgelegt werden, dass sie mit zunehmender Menge sinkt (Abstaffelung).
Nicht zuzustimmen ist den Klägern darin, dass die Norm eine mehrfache Stufung oder eine Degression erfordere. Denn durch die aufgrund der Präambel des Kapitels O3 vollzogene Abstaffelung sinkt die Bewertung aller erfassten Leistungen/Leistungsteile ab Überschreitung des Schwellenwerts "mit zunehmender Menge" deshalb ab, weil hier auch die unterhalb des Schwellenwertes liegende Leistungen zu berücksichtigen sind. Bezogen auf die Kläger wurden sämtliche Leistungen mit einer Auszahlungsquote von 0,88 bzw. 0,89 vergütet. Hätten die Kläger noch ein mehr an Leistungen erbracht, hätte sich die Auszahlungsquote "zunehmend" einem Wert von 0,8 angenähert.
Zutreffend weisen die Kläger darauf hin, dass die Abstaffelung an den Begriff der "Leistungen" geknüpft ist. Schon bisher umfassten die Bewertungen der Leistungen des
EBM-Ä kalkulatorisch deren Kosten und darüber hinaus einen zusätzlichen Arztlohn als Vergütung für die ärztliche Arbeit. Wenn der EBM-Ä eine getrennte Bewertung der beiden Komponenten vorsieht, spricht der Wortlaut "Leistungen" nicht dagegen, die Befugnis, Abstaffelungen vorzusehen, auf beide Komponenten zu erstrecken. Die Bewertung der Kosten ist verselbständigter Teil der Leistungsbewertung und steht nicht im Gegensatz dazu.
Wenngleich § 87 Abs. 2a S. 7 SGB V a.F. als Abstaffelungsadressat den "Vertragsarzt" und nicht die Gemeinschaftspraxis nennt, liegt hierin ebenfalls keine Nichtübereinstimmung mit der gesetzlichen Ermächtigung vor. Bekannterweise ist die Gemeinschaftspraxis (vgl. § 33 Abs. 2 a.F.) die gemeinschaftliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die für den Vertragsarzt geltende Normen gelten für die Gemeinschaft im Wesentlichen entsprechend. Auch an anderer Stelle wird im SGB V der Begriff des Vertragsarztes verwandt, ohne dass eine Geltung auch für eine gemeinschaftliche Berufsausübung infrage zu stellen wäre (vgl. nur § 85 Abs. 4 SGB V). Im Übrigen wird eine auf Kosten- und Rationalisierungsgewinnen beruhende Abstaffelung naturgemäß auf die Betriebseinheit und nicht auf die Arztzahl abstellen müssen.
Auch wurde nicht gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes in Art.19 Abs.1 Satz 1 GG verstoßen. Die Abstaffelungsregelung des EBM-Ä gilt allgemein für alle Vertragsärzte/Ge-
meinschaftspraxen und nicht lediglich für die Praxis der Kläger. Das Vorliegen eines getarnten Individualgesetzes ist nicht erkennbar (BVerfGE 10, 241, 241 f., 244). Im Übrigen erscheint die Schaffung von auf konkrete Sachverhalte - hier Abschöpfung von Rationalisierungsvorteilen - abstellende Normen geradezu unvermeidbar (BVerfGE 24,33). Davon abgesehen verbietet Art.19 Abs. 1 GG Einzelfallgesetze nur für die Einschränkung von Grundrechten (BVerfGE 25, 371; 25, 396; 30, 250).
Die EBM-Ä-Regelung verstößt auch nicht gegen Grundsätze der Honorarverteilungsgerechtigkeit in Gestalt einer sachwidrig ungleichen Bewertung erbrachter Leistungen gegenüber anderen Laborpraxen, die aufgrund ihres Abrechnungsvolumens nicht unter die Abstaffelung fallen (Art. 12 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG).
Schon seit längerem ist nach gefestigter Rechtsprechung anerkannt, dass die innere Rechtfertigung von Abstaffelungs-, Höchstwert- und Budgetregelungen darin liegen kann, dass die Erbringung einer zunehmenden und großen Menge gleichartiger Leistungen pro Arztpraxis zu Kostenvorteilen führt, die in entsprechenden Budgetierungs-/Abstaffelungs-/ Höchstwertregelungen umgesetzt werden dürfen. Erst nachdem Abstaffelungsregelungen auch bezüglich solcher Leistungen geschaffen wurden, die nicht massenweise und maschinell erbracht werden, trat die weitere Rechtfertigung hinzu, dass Abstaffelungsregelungen im EBM auch das Leistungsverhalten der Ärzte steuern dürften (zum Ganzen: BSG vom 20. März 1996, 6 RKa 51/95, SozR 3-2500 § 87 Nr. 12). Die Abstaffelung des analytisch-technischen Teil der O3-Leistungen hat primär, jedoch nicht ausschließlich die Ausnutzung von Rationalisierungseffekten beim analytisch-technischen Teil infolge großer Serienlängen im Auge.
Zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelung führt nicht, dass bereits die Grundpauschale abstaffelnd gestuft ausgestaltet ist. Diese Abstaffelung rechtfertigt sich im Wesentlichen aus Verhaltenslenkungsgesichtspunkten heraus. Denn die Zeit vor der Laborreform 1999 war geprägt durch das Auftreten großer Leistungsmengen und -steigerungen im Laborbereich, die im internationalen Vergleich kaum als indiziert erklärbar waren. Die Laborärzte - auch überregional tätige Großlaborpraxen - wirkten mit verschiedensten Kundenbindungsmechanismen und Überweisungsanreizen auf die veranlassenden Ärzte mit dem Ziel ein, die Zahl überwiesener Laborparameter zu steigern. Dem war für die sog. O1- und O2-Leistungen, die der Veranlasser abrechnet, noch eher beizukommen, als für die durch den Laborarzt abzurechnenden O3-Leistungen, hinsichtlich derer faktisch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung kaum erfolgreich durchführbar ist. Daher wurden verhaltenssteuernde Maßnahmen sowohl auf Veranlasserseite (Anreiz durch Wirtschaftlichkeitsbonus) als auch auf Erbringerseite geschaffen. Dies erscheint nicht sachwidrig, weil erbringerseitige Abstaffelungen geeignet und erforderlich erscheinen, um der Neigung zum Einsatz neu entwickelter Anreizinstrumente der Laborärzte entgegenzuwirken, die die Anreizwirkung des Wirtschaftlichkeitsbonus auszuhebeln beabsichtigen.
Aufgrund der Trennung von Tätigkeitsvergütung und Analysekostenvergütung erscheint es darüber hinaus sachgerecht, auch bezüglich der Kostenvergütungen Rationalisierungsvorteile großer Praxen zu berücksichtigen, soweit solche Rationalisierungsgewinne durch große Serienlängen entstehen.
Eine Rechtswidrigkeit der Abstaffelungsregelung der Präambel zu Kap. O3 EBM-Ä könnte sich daher nur daraus ergeben, dass die Festlegungen der Abstaffelungsschwelle (450.000 Punkte) und/oder des Abstaffelungsumfangs (20 % der die Abstaffelungsschwelle überschreitenden Punktzahl) sich als rechtswidrig darstellen.
Dies ist nicht der Fall. Der Senat stützt seine Überzeugung hierzu auf eine Überprüfung aufgrund eigener begründeter Schätzung. Er stützt sich, im Gegensatz zur Ansicht der im Bewertungsausschuss vertretenen Beigeladenen zu 1., ausdrücklich nicht auf die Existenz eines vermeintlichen betriebswirtschaftlichen Lehr- oder Erfahrungssatzes, wonach bei allen Gütern eine Verdoppelung der Leistungsmenge zu einem Absinken der Kosten um mindestens 20 % führt.
Denn wie in dem von den Klägern vorgelegten betriebswirtschaftlichen Gutachten des Prof. Dr. Erwin Staehlin, St. Gallen vom 7.05.2005 überzeugend dargelegt wird, stellt das dem Lehrbuch von Coenenberg (Kostenrechnung und Kostenanalyse, 1999) entnommene Zitat, auf das die Beigeladene zu 1. ihre Argumentation stützt, das Konzept der Erfahrungskurve als Instrument der Kostenkalkulation dar. Die Aussage beruht auf der Konzeptannahme, dass bei zunehmender Produktionsmenge auf allen wertschöpfenden Selbstkosten eine Kostenreduktion eintritt. Die Ursachen beruhen auf der Größendegression (Fixkostenreduktion, stückzahlabhängiger Betriebsgrößeneffekt) sowie auf einem Erfahrungseffekt (geringere Fehlerquote, Rationalisierung und Lernkurveneffekt). Der Autor bezeichnet jedoch selbst sein Konzept als solches von theoretischer Natur und weist ausdrücklich darauf hin, dass die Kostendegression produktabhängig in unterschiedlicher Größenordnung, zum Teil in Sprüngen verläuft. Ob und in welcher Höhe Kostenreduzierungen eintreten, ist von Produktart bzw. Produktionsprozess abhängig. Es handelt sich somit nicht um eine Gesetzmäßigkeit, sondern um ein Konzept, das das hypothetische Potential zur Kostensenkung beschreibt. Bei genauem Lesen, wird das maximale Potential auch nicht mit 20 %-30 % angegeben, sondern mit "z.B." 20-30 %, was die Beigeladene selbst durchaus korrekt zitiert hat. Das angeführte theoretische Konzept allein vermag ein Absinken der Kosten um 20 % nicht zu begründen.
Auch die (klägerseitig) vorgelegte Studie der Fa. Mc Kinsey, die im Auftrag der Beigeladenen zu 1. erstellt worden war, enthält entsprechende Daten oder Modellrechnungen nicht. Es handelt sich letztlich um Vorschläge zu Elementen einer großen Laborreform, von denen die Partner gemeinsamer Sicherstellung einige in Gestalt der Laborreform 1999 übernommen haben. Zur streitigen Abstaffelungsregelung findet sich eine Kostendegressionsanalyse anhand von Datenmaterial nicht.
Die exakte Bestimmung des Degressionsverlaufes lässt sich wissenschaftlich unangreifbar nur durch einer produktorientierte Betrachtung nachweisen. Dabei ist zu beachten, dass eine empirische Untersuchung anhand einer repräsentativen Gruppe, anders als beispielsweise die Analyse durchschnittlicher Praxiskosten verschiedener Arztgruppen, kaum möglich erscheint. Die Gruppe der betroffenen Großlaborpraxen ist verhältnismäßig klein. Eine objektive Verifizierung der Praxisverhältnisse und der Degressionskurve setzt die Bereitschaft der Betroffenen voraus, uneingeschränkten Einblick in die betriebswirtschaftlichen Praxisverhältnisse zu gewähren.
In diesem Zusammenhang ist auf den weiten Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses hinzuweisen, der die Befugnis zur Pauschalierung und Typisierung von Sachverhalten einschließt. Die sozialgerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf eine missbräuchliche Ausübung (sachfremde Erwägungen, Diskriminierung einer Minderheit) und eine Überschreitung des Regelungsspielraums. Als Rechtsfehler kommen insbesondere generelle Fehlannahmen und Fehleinschätzungen in Betracht (zuletzt BSG vom 11. Oktober 2006, B 6 KA 46/05, SozR 4-2500 § 87 Nr. 13 m.w.N.). Diese Unmöglichkeit der Herbeiführung einer gesicherten Datenbasis muss im Rahmen des Gestaltungsspielraums Berücksichtigung finden.
Eine Rechtswidrigkeit wird daher erst dann anzunehmen sein, wenn die Ausgestaltung der Abstaffelung den bekannten bzw. modellhaft skizzierbaren betriebswirtschaftlichen Verhältnissen großer Laborpraxen in einem Ausmaß zuwiderläuft, dass dies als Fehlkonzeption vor Art.12 GG i.V.m. Art. 3 GG nicht mehr hinnehmbar erscheint. Nur wenn sich erkennen ließe, dass Kostenvorteile erst ab einem erheblich höheren Abrechnungsvolumen beginnen und/oder bezüglich des Gros der O3-Leistungen keine oder erheblich geringere Kostenreduzierungen als solche von 20% ausgemacht werden könnten, würde sich die Einschätzung des Normgebers als grob fehlerhaft darstellen.
Der Senat hält die Parameter der Abstaffelungsregelung aus eigener Würdigung heraus nicht für grob fehlerhaft festgesetzt.
Zum einen hat der Bewertungsausschuss seinen ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht dadurch verlassen, indem er die Grenze zwischen einer vollausgelastenten Normalpraxis und einer abstaffelungsunterworfenen Großpraxis anhand des Bildes einer aus vier Ärzten oder mehr bestehenden Erbringereinheit und einer arztbezogenen Fallzahl von 90.000 Fällen/Jahr (45.000 Fälle x 2) ausgerichtet hat.
Im Rahmen seiner Befugnis, durch Abstaffelungsregelungen auch verhaltenssteuernd einzuwirken, war er berechtigt, bei Ausgestaltung der Abstaffelungsnorm auf die Aufrechterhaltung einer regional ausgewogenen Versorgungsstruktur in Gestalt der Sicherstellung der laborärztlichen Versorgung durch regional ansässige Laborpraxen, anstelle weniger überregional agierender Großpraxen hinzuwirken und insoweit ein Praxisgrößenleitbild vorzugeben, dessen Überschreitung auf ein nicht mehr regionales Agieren schließen lässt. Die Förderung einer Versorgungsstruktur, die auf eine ausreichende Anzahl (mittlerer) Laborpraxen und nicht auf wenige "Big Player" setzt, um für ausfallinduzierte Gefährdungen weniger anfällig zu sein, dient der Systemsicherstellung ebenso wie die Förderung einer regionalen Verknüpfung, weil sich die Zeitdauer überregionaler Transporte des organischen Probenmaterials negativ auf die Ergebnisqualität auswirken kann.
Wenn dieses Leitbild anhand einer verdoppelten durchschnittlichen Fallzahl (Grenze zur übergroßen Praxis) und einer Praxisgröße von vier Ärzten getroffen wird und davon ausgehend eine Leistungsverdoppelung als abstaffelungsauslösend festgelegt wird, kann dies keineswegs als grob fehlerhaft oder sachwidrig oder diskriminierend bezeichnet werden. Der Senat hält daher die 450.000- Punkte-Grenze für rechtmäßig (90.000 Fälle:
4 Quartale x 2,5 Parameter/Fall x 4 Ärzte x 2).
Auch mit der Festlegung der Abstaffelungshöhe von 20 % des technischen Honoraranteils, der die Kosten für Transport, Annahme der Proben und die eigentliche Analyse abgilt, hat der Bewertungsausschuss seine Gestaltungsfreiheit nicht verlassen.
Die Kläger selbst tragen zur Klagebegründung vor, dass Großpraxen kostengünstiger als durchschnittliche Praxen arbeiten können. Die Kläger haben im Termin vor dem Senat auch eingeräumt, dass die apparativen Analysekosten bei zumindest einem Teil der O3-Leistungen mengenabhängig absinken. Daneben ist von einer Reduktion der Fixkosten auszugehen. Bis zur notwendigen Erweiterung sinkt mit zunehmender Leistungsmenge auch der Raumkostenanteil pro Leistung. Es ergeben sich auch Kostenvorteile durch einen effektiveren Personal- und Maschineneinsatz.
Bei überregional agierenden Großpraxen treten überdies erhebliche Rationalisierungsgewinne durch einen kleineren Transportkostenanteil pro Untersuchungsprobe hinzu. Bis zum Erreichen der Beladungsobergrenze bleiben die Kosten des Transportfahrzeugs trotz Mengensteigerung gleich. Ein Transportfahrzeug mit doppelter Ladekapazität zieht keine Kostenverdoppelung nach sich. Etwaige Kostennachteile größerer Entfernungen zwischen Veranlassern und Labor lassen sich durch die Entwicklung von Transportrouten und den Einsatz wirtschaftlichere Großfahrzeuge wett machen. Allerdings vermag auch der Senat die Kostendegression einer Großlaborpraxis mangels Datengrundlage nicht quantitativ zu beziffern.
Hinzu kommt jedoch, dass jede annehmende Laborpraxis im 3. Quartal 1999 für den Versand bzw. den Transport einer zu untersuchenden Probe eine Pauschalerstattung von 5,10 DM je Behandlungsfall (Nr. 7103 BMÄ/EGO; 4/02 = 2,60 EUR) zusätzlich vergütet erhielt. Diese Pauschalerstattung der Transportkosten sieht eine Abstaffelung nicht vor, so dass ein durch Mengenverdoppelung induziertes Absinken der Transportkosten pro Untersuchungsprobe nicht abgeschöpft wird und die Kostenvorteile gegenüber Kleinpraxen noch verstärkt werden. Der Senat geht davon aus, dass ab einer bestimmten Transportgrundmenge eine Steigerung der Probenzahl zu keinen wesentlichen Mehrkosten führt, gleichwohl die volle Pauschalerstattung vereinnahmt werden kann. Geht man anhand des Honorarbescheids 3/99 von ca. 30 DM Umsatz/Fall aus, lässt sich eine Vergütung pro Fall (ohne Transportpauschale und nach Abstaffelungen) von 25 DM annehmen. In dem Fallwert von 25 DM sind aber auch alle weiteren Laborvergütungsbestandteile (z.B. Nr. 3454 EBM-Ä) enthalten. Verzichtet man auf einen Abzug, errechnet sich ein O3-Kosten-Fallwert vor Kürzung von 31,25 DM. Damit gleicht die Transportpauschale den Abstaffelungsbetrag pro Fall nahezu aus.
Angesichts der Relation von Pauschalerstattung und durchschnittlichem O3-Kosten-Fallwert sowie einer äußerst zurückhaltenden Berücksichtigung der oben beschriebenen Kosteneffizienz- und Kostendegressionseffekte bei Apparate-, Sach-, Raum- und Personalkosten kann der Senat kein grobes Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Umfang der Kosteneinsparung in Großpraxen und dem in der Norm unterstellten Umfang der Kostendegression erkennen. Durch die Abschöpfung dieses Kostenvorteils wird eine Gleichbehandlung der Großpraxen mit den regional tätigen Praxen erreicht. Warum angesichts der sachgerechten Förderung regional tätiger Praxen zur Sicherung ausgewogener und stabiler Versorgungsstrukturen die Einebnung wesentlich ungleicher Verhältnisse gleichheitswidrig sein soll, entzieht sich dem Senat.
Der Senat vermag auch keine Gründe für die Annahme zu erkennen, dass dieser Kostendegressionseffekt erst ab einer wesentlichen höheren Parameterzahl eintritt. Teilt man die 450.000 Punkte durch 2,5 Parameter pro Fall ergibt sich eine Anzahl von 180.000 Proben/Quartal und von 2000 Proben/Tag (Monat=30 Tage).
Aufgrund der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels haben die Kläger auch die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen (§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
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